Schiesstrainer … nächste Runde.

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“Die Innenpolitiker der Koalition, Benedikt Lux (Grüne), Hakan Tas (Linke) und Frank Zimmermann (SPD), sehen in der Ernennung von Koppers keine Probleme. Sie lehnen auch einen Untersuchungsausschuss ab. Zimmermann: „Wir können rechtlich als Ausschuss nicht feststellen, ob es eine Kausalität zwischen Erkrankungen und belasteten Schießständen gibt.“ Die miserablen Zustände gebe es seit Jahren, deshalb könne man Koppers nicht allein in den Fokus nehmen.”

http://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-polizei-kandt-und-koppers-werden-nicht-im-innenausschuss-aussagen/20974786.html

Ich werde nicht müde, es wie ein Mantra in diesem BLOG zu wiederholen. Ich kann das Gesamte nicht verstehen, wenn ich mir nur die Details anschaue. Erneut verweise ich auf das Bild eines Bühnenschauspiels. Beschäftige ich mich ausschließlich mit der Rolle und dem Text eines Schauspielers, ist es mir unmöglich, das aufgeführte Stück zu erfassen. Außerdem ist es wichtig, sich darüber klar zu sein, welche Maßnahmen ich einfordere und was sie bewirken sollen.

Es ist meiner Auffassung nach, das gute Recht von Frau Koppers und Herrn Kandt, sich als Beschuldigte eines Ermittlungsverfahrens darauf zu berufen, dass sie nicht die Gelegenheit wahrnehmen wollen, sich vor dem Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zum Tatvorwurf zu äußern. Dies ist nebenbei die korrekte Formulierung. Sie besitzen nicht das Recht die Aussage zu verweigern, sondern sie verzichten auf die Gelegenheit vorab ihre Sicht mitzuteilen. Hierin besteht der Unterschied zu einem Polizeistaat, in dem der Beschuldigte für unbestimmte Zeit eingesperrt oder im Geheimen gegen ihn ermittelt wird, ohne dass jemals die Möglichkeit hatte etwas dazu zu sagen.

Doch darum geht es doch auch gar nicht. Die Aussage, dass die Zustände der Schießstände bereits länger bekannt sind, ist korrekt. Das Verhalten der beiden Führungskräfte ist also nicht ursächlich. Doch die Rockband «die Ärzte» hat es in einem Liedtext auf den Punkt gebracht. «Es ist nicht Deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wär nur Deine Schuld, wenn sie so bleibt.»

Beide haben es unterlassen, einen bekannten bestehenden Zustand zu verändern. Ob nun schuldhaft oder aus Gründen heraus, die sie nicht zu verantworten haben, wird herauszufinden sein. Wenn die Politik damit leben kann, in den Bereich der Justiz eine Frau zu holen, die nichts ändern, sondern die bestehenden Verhältnisse dort aufrecht erhalten will, ist das eine politische Aussage, die sich jeder notieren sollte.

Der Beruf des Polizisten birgt Risiken. Aber damit ist er nicht allein auf dieser Welt, sondern alle Berufe können schädliche Auswirkungen auf den oder die Angehörigen haben. Im Allgemeinen bezeichnet man diese Schädigungen als Berufskrankheiten. Viele dieser Krankheiten lassen sich schwer kalkulieren oder sind nicht in Gänze vermeidbar. Berufskraftfahrer leiden vermehrt an Bandscheibenproblemen, Bildschirmarbeiter bekommen Probleme mit den Augen, Bergarbeiter müssen sich mit Lungenschädigungen auseinandersetzen und bei Radiologen besteht die Gefahr einer Verstrahlung. In einigen Bereichen werden diese Krankheiten auch anerkannt und entsprechend berücksichtigt. Wir leben eben nicht mehr am Anfang der Industrialisierung, sondern in einer modernen Arbeitswelt. Verschließen wir aber auch nicht die Augen davor, dass alles gegen die Arbeitgeber erstritten werden musste.

Eines der zentralen Probleme bei der Affäre ist der Umstand, dass es sich per Definition um keinen Unfall handelt. Jener wäre ein plötzliches unvorhersehbares Schadensereignis. Damit haben wir es nicht zu tun. Das Risiko an einer Krankheit durch die frei werdenden Schwermetalle geschädigt zu werden, kann minimiert werden, aber eine absolute Sicherheit ist nicht erreichbar. Diese könnte nur gewährleistet werden, wenn die Beamten mit Laserpistolen trainierten. Doch für die dauerhafte Ausbildung ist Laserschießen ungeeignet. Es fehlen die in der Echtlage auftretenden Zusatzfaktoren Knall und Rückschlag, die auf den Schützen einwirken.

Es geht also um etwas anderes. Ein Arbeitnehmer erkrankt wegen einer berufsspezifischen Einwirkung auf den Körper. Polizeibeamte im Streifendienst verbringen vorwiegend den Tag in einem Autositz, damit sind sie Berufskraftfahrer. Schichtdienst ist nicht abwendbar, aber auch ungesund. Zumal der Schichtdienst bei Polizisten, Krankenschwestern, Feuerwehrleuten eine Besonderheit hat. Der Körper wird mehrfach in der Nacht aus einer Ruhephase herausgerissen und in eine Art Alarmmodus versetzt. Langfristig kann es hierdurch zu Bluthochdruck, vegetativen Störungen, Schlafproblemen und Depressionen kommen. Häufiges Schießen oder die Anwesenheit in einer Schießhalle kann zur Anreicherung von Schwermetallen im Körper führen, die bei einer passenden Disposition des Körpers Krebs auslösen können.

Zu allen diesen Dingen bedarf es Regelungen, die sich finanziell und bei der Versorgung des Arbeitnehmers/Beamten auswirken, denn die bisherigen Unfallbestimmungen greifen hier nicht. Dieses wäre ein mögliches Ergebnis eines Untersuchungsausschusses. Weiterhin wäre zu erwarten, dass Lösungen für die Beamten gefunden werden, die noch nicht in den Genuss dieser Regelungen kommen können. Die bisherige Lösung, nämlich eine einmalige Entschädigungszahlung ist freundlich betrachtet eine nette Geste, böswillig gesehen die fadenscheinige Vergabe eines Opiats, das die Gemüter beruhigen soll, damit endlich Gras über die Sache wächst. Die überall unterschiedlich kolportierten Zahlen bezüglich des vorhandenen Geldes sind Zeichen eines unwürdigen Versuchs die Sache so billig wie möglich zu gestalten. Immerhin kursierten noch vor einiger Zeit Summen, die dem doppelten Betrag entsprachen. Man mag als Beobachter den Eindruck bekommen, dass sich da einige Leute günstig eine Absolution erkaufen wollen.

Vergleiche, wie sie beispielsweise in der Pharma Industrie vorkommen, sind langfristig aber nur sinnvoll, wenn das ursächliche Medikament vom Markt genommen wird und die verantwortlichen Manager entlassen werden. Eben das soll in Berlin scheinbar nicht passieren. Was soll dabei herauskommen? Nach dem Vergleich ist vor dem Vergleich?

Wie bei AMRI kann ich nicht ein Bewusstsein für die unterschiedlichen Bedeutungen von Untersuchungen und Ermittlungen erkennen. In alter Tradition werden Verantwortliche gesucht, deren abgeschnittene Köpfe dem Pöbel präsentiert werden können. Sinnvoller erscheint die Untersuchung der Strukturen, die dazu geführt haben, dass über Jahre hinweg an eine Verminderung des Risikos nicht gedacht bzw. billigend zugesehen wurde. Solche Dinge haben in der Berliner Polizei Tradition. Hierzu ein Beispiel aus alten Zeiten. Auf der Zitadelle Spandau wurde die Berliner Polizei für Untersuchungen des Areals eingesetzt, da der Verdacht bestand, dass dort Hinterlassenschaften des II. Weltkriegs in Form von Chemischen Kampfstoffen liegen. Nach einiger Zeit wurde dem damaligen Senat die Angelegenheit mal wieder zu teuer und sie beschlossen den Auftrag an eine Firma zu vergeben. Nachdem die dann die Auflagen lasen, machte diese einen Kostenvoranschlag, bei dem einigen Politikern die Kinnlade herunter klappte. Im Ergebnis wurden die Untersuchungen von Polizisten durchgeführt. Immerhin ist die Rede von Chemischen Kampfstoffen! Da wäre es ein verantwortliches Verhalten, wenn die eingesetzten Beamten regelmäßige Nachuntersuchungen bekämen und signifikante Erkrankungen registriert würden, damit diese bei erst nach langer Zeit auftretenden Folgen, eine Chance auf Entschädigung bekämen. Doch wozu? Der Beamte ist nicht unmittelbar beim Einsatz gestorben, sondern erst Jahre später an Leukämie erkrankt. Alles andere kostete viel zu viel Geld.

Wo ist die Gemeinsamkeit zwischen AMRI, Polizeiakademie und Schießtraineraffäre? Alle reden in diesem Zusammenhang von einer verfehlten Sparpolitik und den darauf basierenden Problemen in der Polizei. Sparpolitik ist ein Euphemismus, der einiges versteckt. Es wurde kein Geld für schlechtere Tage gespart, sondern schlicht und ergreifend gestrichen, damit es an anderer Stelle ausgegeben werden konnte. Politisches Handeln bedeutet u.a. Prioritäten zu erstellen. Hundert Lobbyisten stehen um eine Kiste voll Geld und der Politiker entscheidet wer die besseren Argumente vorbringt.
Augenscheinlich drangen die Argumente der Polizei, vorgetragen vom amtierenden Polizeipräsidenten nicht durch. Es besteht auch die Möglichkeit, dass der jeweilige Innensenator sich gegenüber seinen Amtskollegen nicht durchsetzen konnte, da die Ausrichtung des gewählten Senats eine andere war.

Vielleicht kann man sich aber auch noch aus einer anderen Richtung annähern. Wie soll ein Senat erfahren, dass die Schraube zu weit gedreht wurde, wenn doch alles funktioniert? Vorausschauendes Handeln ist im Bereich der Innensicherheit immer eine schwierige Angelegenheit. Wer sagt mir denn, dass ich bei einer höheren Geldzuwendung auch eine bessere Polizei bekomme? Hier kommen die Führungskräfte der Polizei ins Spiel. Wenn Berichte über Missstände auf der Reise von unten nach oben immer mehr zu Erfolgsmeldungen mutieren, kommt es zu einem Zerrbild. Wie das endet, kann jeder an der Geschichte der DDR nachvollziehen.

Die Schiessstände sind gefährlich für die Gesundheit der Beamten, also schließen wir sie. Da die Beamten deshalb nicht mehr ausreichend an der Schusswaffe ausgebildet werden können, sind bis zur Veränderung der Situation die Waffen nicht mehr im alltäglichen Dienst mitzuführen. Deshalb wird solange nur der Verwaltungsdienst aufrecht erhalten.

Das wäre doch mal ein Zeichen! Vor einigen Jahren erging die Anweisung, dass aufgrund der Einsparungen nur noch die absolut notwendigen Schießleistungsnachweise geschossen werden dürfen. Als ich dem verdutzten Waffenwart meine Waffe auf den Tresen legte, weil ich mich unter diesen Umständen außer Stande sah, verantwortlich mit dem Ding umzugehen, bekam ich eine Menge Ärger.

In der Berliner Polizei sind Führungskräfte, die klar und deutlich sagen, dass etwas unter diesen Umständen nicht mehr geleistet werden kann, rar gesät. Denn tun sie es, wird ihnen Unfähigkeit unterstellt. Es hat «Per Order de Mufti» gefälligst zu funktionieren. Ein Deutscher Offizier kann laut Dekret alles und wenn es draußen regnet, wird Sonne angeordnet. Da hat sich in hundert Jahren wenig in der Polizei verändert. Auch dieses Zitat eines Polizeidirektors führt ich an anderer Stelle schon einmal an:

Sie gehören zu einer besonderen Sorte Mensch. Ich kann ihnen alles wegnehmen. Den Stuhl auf dem Sie sitzen, den Dienstwagen, ihre Dienstwaffe und die Uniform, sie werden trotzdem hinaus gehen und alles möglich machen. Sie können nicht anders – denn sie sind Polizisten.

Damit liegt er nicht ganz falsch, aber gleichzeitig formulierte er auch die Begründung der bestehenden Misere. Genau darauf haben sich alle immer in ihren warmen Stuben des Elfenbeinturms der Glückseligkeit verlassen, bis zu dem Tag, an dem selbst der Polizist vor der Unmöglichkeit kapitulieren muss.

 

West – Berlin vs. Provinz

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Iggy`s unnachahmliche Stimme gab sich gestern Abend alle Mühe durch die auf eine gefällige Lautstärke regulierten Boxen die Geschichten über Sex, Drugs and Rock ‘n’ Roll zu erzählen. Brav bewegte sich die in die Jahre gekommene Generation der Achtziger zum aggressiven Gitarrenspiel der Stooges und versuchte den Rhythmus des hämmernden Schlagzeugs einzuhalten.

Ich schloss die Augen und ließ die Bilder von damals auf meiner inneren Leinwand erscheinen. Ich war wieder im Rocket. Um mich herum war alles schwarz, gleißendes weißes Licht zuckte durch den Nebel aus Zigarettenqualm.
Auf der Tanzfläche tanzte die Meute den Pogo. Sie trugen schwarze abgewetzte Lederjacken und vom Kopf standen die bunten Haare stachelig ab. Frauen mit kurzen Röcken, zerrissenen Strümpfen und Springerstiefeln kümmerten sich um in den Ecken liegende blasse Typen.

Ich öffnete die Augen wieder. Als Erstes sah ich einen sich langweilig dahin wiegenden Endvierziger mit vor Gähnen weit aufgerissenen Mund. Seine attraktive jüngere Freundin war bemüht mit ihren Bewegungen einen guten Eindruck zu erwecken. Daneben tanzte ein Typ mit Bundfaltenhosen und Pullunder, als wenn der DJ Helene Fischer aufgelegt hätte. Vor ihm tarierte eine in ein rotes Kleid hinein geschossene untersetzte Blondine ihren dicken Hintern auf ein paar Pumps aus. Ich ließ mir vom Barkeeper noch ein Bier geben. Danach fingerte ich aus der Zigarettenschachtel in meiner Jackentasche eine Zigarette heraus und schob mich zwischen die Tanzenden hindurch in Richtung Raucherecke.

Von hinten tippte mir jemand auf die Schulter. Ich blieb stehen. Ein Typ, der wie ein Versicherungsverkäufer am nächtlichen Tresen einer Pension in der Provinz aussah, fasste mich bei der Schulter und sprach mir mit schwäbischen Dialekt ins Ohr: «Du weißt schon, dass Du denna nicht Rauchen darfst! Uf der Danzfläche isch des Raucha verboda.»
Verständnislos schaute ich erst auf die kalte Zigarette in meiner Hand, dann auf mein Bier und hiernach in sein Gesicht.
«Was willst Du von mir?», fragte ich ihn unwirsch.
«I war dahana uf einr Feir, da einig agfanga zu Raucha. Die Schdimmung war noh hee.», schwäbelt er in mein Ohr.

In meinem Kopf formulierte sich eine Antwort. «Pass mal auf Du Vogel! Erstens fass mich nicht an. Zweitens gab es mal eine Zeit, da durftet Ihr blöden Wessis in West – Berlin nur speziell für Euch eingerichtete Touri – Discos betreten. In unseren Läden wurde zu dieser Musik gepogt, geraucht und alles nur Erdenkliche eingeworfen. Verpiss Dich mit Deiner unmöglichen dunkelblauen Jeans, Business -Hemd, samt Deiner gesamten Bagage aus meiner Stadt und vergiss Deine Tüten Bio – Müsli nicht. Aber quatsch mir kein Ohr ab, damit ich endlich eine rauchen gehen kann.»

All dieses sagte ich nicht, sondern versuchte die Worte zu einem unmissverständlichen Gesichtsausdruck umzuformen. Damit  ließ ich ihn stehen und lief betont lässig in die Raucherecke. 1984 hätte ich dem Kerl maximal eine Nacht in der Berliner Szene gegeben. Am nächsten Tag wäre ihm klar gewesen, dass es für ihn besser ist, sich tagsüber brav die üblichen Attraktionen anzusehen.

Er verkörperte alles, was einst innerhalb meines alt West – Berliner Lebenskreises verachtet wurde. Schaffende, raffende, Häusle bauende Schwaben aus der südlichen Provinz Deutschlands. Spießer, die beim Vögeln ein Handtuch unterlegen, damit die eierschalenfarbene Couch keine Flecken bekommt. Gäste, die sich einen entcoffeinierten “Latte Macchiato” mit Soja Milch bestellen. Oder Frauen mit Norwegerwollsocken in Ledersandalen, die ihren Abschluss an einer Fernuniversität absolvierten. Rotgesichtige dicke Männer, die mit Bananensaft ihr Weizenbier panschen. Frauen, die über Stunden hinweg auf einer Party Rezepte für Nudelsalate austauschen. Kleinstädter, die die billig produzierte Seifenoper «Berlin Tag- und Nacht» zur Grundlage ihrer Vorstellung von Berlin machen. Menschen, welche die Verbrechen ihres Metzgers auf dem Dorf für eine Currywurst halten. Mittvierziger, die in der Schrankwand eine CD Sammlung von Florian Silbereisen zu stehen haben und sich nichts Schöneres vorstellen können, als ihm einmal beim Wandern in Österreich zu begegnen. Dann diese Autofahrer, die auch für Tiere bremsen, Louisa mit an Bord haben oder angeblich nur auf der Beifahrerseite sitzen, weil sich Jesus ans Steuer gesetzt hat. Überhaupt alle, die einen im Straßenverkehr mit ihren aufgeklebten Botschaften ihren Lebensentwurf aufzwingen wollen. Diese desinfizierten Menschen, die stets gekleidet sind, als wenn sie in der nächsten Minute bei ihren Schwiegereltern einen Antrittsbesuch machen. Paare, die  sich jedem mit dem gemeinsam ausgesuchten Outfit als Menschen präsentieren, die ihre Individualität zu Gunsten einer bereits zu Lebzeiten gemeinsam ausgesuchten Grabstätte aufgegeben haben und damit nicht den städtischen Friedhof, sondern ihr uniformes Reihenhaus im Umland meinen. Verhinderte Abenteurer, die im urbanen Gebiet Klamotten tragen, die für Bezwinger des Nanga Parbat konzipiert wurden. Diese Weltoffenheit heuchelnden Eltern, die jeden Tag von Integration und Diskriminierung sprechen, aber die ersten sind, welche ihre Brut auf einer anthroposophischen Privatschule anmelden und selbst dort noch den Klassenlehrer mit der Einschaltung eines Rechtsanwalts bedrohen. All diese Menschen, die sich schon beim Zubereiten des Frühstücks die ersten zehnmal selbst belogen haben, damit sie das Gefühl haben, ein guter Mensch zu sein. Selbst die verhassten Popper aus den Achtzigern mit ihren Kashmere – Pullovern hatten größere Eier in der Hose, als diese Sorte Mensch.

Als ich zurückkam, fragten die Pixies «Where is my Mind?» Jener Song, der im Film “Fightclub” die Sprengung aller Schaltzentren der Macht und damit die ultimative Zerstörung des Kapitalismus untermalt. Diese großartige Vorstellung, dass ein Schizophrener die Koordination einer Gruppe entschlossener Männer übernimmt, die dieses Krebsgeschwür mit einem Knall aus der globalen Gesellschaft entfernt.

Der Schwabe hatte während meiner Abwesenheit seine Bewegungen um keine Nuance verändert, und schwang weiterhin wie ein mit Gelee angefüllter Beutel zur Musik hin und her. Mit knappen Neunzehn war ich mal mit zwei Freunden im Kino. Da gab es eine Werbung des Playboys, in der behauptet wurde, dass der Tanzstil eines Mannes Auskunft über seine sexuellen Qualitäten gibt. Wenn da etwas dran sein sollte, dann tut mir seine Begleiterin schon deshalb leid. Zweimal sprach er mich noch an. Einmal weil ich beim Tanzen eben diese Begleiterin anrempelte und das zweite Mal lobte er neben mir am Pissoir stehend die Musikauswahl.

Ich mokierte  mich in den letzten Tagen im BLOG mehrfach über die «Rechten» und ihre Mitläufer. In mir keimt langsam der Verdacht auf, dass dieser Schwabe symptomatisch ist. Zwar gehe ich nicht davon aus, dass er die AfD wählt, vermutlich tendiert er eher zu den GRÜNEN, dem Sammelbecken für Spiesser mit Umweltambitionen. Dennoch glaube ich, dass sich aus der Mitte dieser Typen auch einige mit den Ressentiments der AfD gegenüber Menschen wie mir, anfreunden können. Es klaffen riesige Abgründe zwischen der musikalischen Botschaft und ihrem Denken. Sie spüren weder die im Punk steckende Wut gegenüber dem Bürgertum, noch den puren Sex in den Liedern der Bands der Siebziger, noch die wollüstige Erotik des Souls oder die Melancholie des Blues. Wie ein verklemmter Freier, der bei einer Prostituierten seine geheimen sexuellen Wünsche auslebt, stehen sie auf der Tanzfläche und erträumen sich für drei Minuten bei AC/DC oder Rammstein den Bad – Guy, der sie aufgrund ihrer Hemmungen niemals sein können.

Selbst wenn einer über den Rasen ihres Vorgartens spazieren würde, könnten sie sich dessen nur mit einem Rechtsanwalt erwehren. Im Beruf verschaffen sie sich mit einem schmalen Textil um den Hals ein kompetentes Aussehen und im Straßenverkehr beschützt sie die Karosserie ihres SUV oder rollenden Raumwunders, den oder das sie sich selbstverständlich nur wegen der Familie zugelegt haben. Da ist es nicht verwunderlich, wenn sie bei den Nachrichten oder den Kampagnen der AfD gegen den gesunden Menschenverstand Panik bekommen, die sie mit Notfalltropfen aus der Bachblüten – Apotheke bekämpfen.
Im Gegensatz zum geborenen Großstädter wurden sie niemals als Jugendliche auf das Haifisch- Becken in einer Metropole vorbereitet. Ihnen ist das Wort «Opfer» auf die Stirn geschrieben und die Haie haben ein leichtes Spiel. Sie verhalten sich wie die Schafe in unserer von der Natur befreiten Kulturlandschaft, die das Fliehen vor dem Wolf verlernt haben. Sie leben in einer Assekuranz – Gesellschaft, in der ihnen von findigen Geschäftemachern und Politikern die Absicherung jeglichen Risikos versprochen wird. Abgesehen von der Absicherung, ist ihnen schon vor dem Eintreten des Ungewollten, jede Ungewissheit ein Gräuel. Sollte es trotz und allem zum von ihnen Undenkbaren kommen, muss ein Verantwortlicher gefunden werden. Außerdem fordern sie sofort eine Abhilfe, damit das nun mit einem Mal Vorstellbare niemals erneut eintreten kann. Das sie sich damit immer mehr einer allumfassenden Kontrolle, die politisch im Allgemeinen in einer Diktatur endet, begreifen sie nicht. Am liebsten würden sie das Wort Risiko aus ihrem Wortschatz streichen. So wie ihre Kinder nicht mehr spielen dürfen, wie wir es einst taten, wird die Gesellschaft nach und nach ihre Freiheiten ebenfalls verlieren, denn hierzu ist ein vernünftiges Abwägen von Risiken notwendig.

Nachts in der U-Bahn funktionieren die Statussymbole Kreditkarte und Dienstwagen nicht. In einigen Bereichen war das Leben in West – Berlin schrill, schräg, brutal, hart und wurde oftmals von ungeschriebenen Regeln bestimmt. Ich musste herzhaft Lachen, als dieser Albrecht Glaser aus dem beschaulichen Schwarzwald sich darüber beschwerte, dass er per Durchsage der Deutschen Bahn vor Taschendieben gewarnt wurde. Als er dann noch anfügte, dass er in seinem Leben bewegten Leben so etwas noch nie erlebt habe, traten bei mir Tränen in die Augen. Der Kerl hätte in der West -Berliner City bereits nach einer halben Stunde am Tresen der Bahnhofswache Zoo eine Anzeige erstattet. Dem ist auch zuzutrauen, dass er damals die netten jungen Männer in der Jebenstrasse nach dem Weg gefragt oder am Stuttgarter Platz in einer Bar vor ein paar verdutzten thailändischen Prostituierten eine Moralpredigt gehalten hätte.

Lustig muteten auch die meinem Schwaben nicht unähnlichen klatschenden Zuhörer an. Letztens fabulierte er über die heroischen Taten aller DDR Bürger und ihren damit in Verbindung stehenden Erfahrungen, die die Bürger im Westen nicht gemacht hätten und deshalb den 75 Jahre lang von links her weichgespülten Westlern im Vorteil wären. Passenderweise folgte letzte Woche ein Bekannter aus der übersichtlichen Messestadt Hannover bei Facebook dieser Kampagne, in dem er diesen Stuss in einem Post übernahm. Ich male mir genüsslich aus, wie diese Behauptung in den Achtzigern in einer West -Berliner Eckkneipe angekommen wäre.

Ich räume ein, dass es in West – Berlin einige Pendants zum Schwaben gab. Wir hatten die Bewohner von Wannsee, die Waldmenschen aus dem hohen Norden und die Villenbesitzer in den besseren Gegenden. Heute würde man diese Bezirke Elfenbeintürme nennen, in denen der Realität entrückte besser gestellte Bürger leben. Doch sie befanden sich klar in der Minderheit und verhielten sich ruhig, solange sie niemand mit Demonstrationen vor der Haustür behelligte. In der Regel wussten die Parteifreunde aus der CDU dies aber zu verhindern. Im Gegenzuge ist aber anzumerken, dass sie sich wie alle anderen weder von Bombenanschlägen noch von kommunistischen Säbelgerassel in Angst und Schrecken versetzen ließen. Hätten die Bürger die sich aktuell immer weiter ausbreitende Mentalität gehabt, wäre West – Berlin von knappen 2 Millionen Angstneurotikern bewohnt gewesen.

Schon verrückt, wie sich die Zeiten ändern können. Wer hätte 1989 geahnt, dass uns die Wessis eines Tages ungestraft von der Seite anquatschen dürfen.

Ich war mal kurz 20 Jahre weg

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Vorab: Ich bin sauer! Sie reden von intellektuell, linksversifft, Anhänger der Kartellparteien, Gutmensch, linke Kanaille und welche Wortschöpfungen sie sonst noch aus dem mit dummdreister Gülle angefüllten Trog herausfischen. Die da sprechen und schreiben, leben in einem der sichersten und vermögendsten Länder auf diesem Planeten. Waren sie einst weit weg von mir, kommen sie immer näher und es werden mehr.

Der Aufhänger: 

Auf den Post von Erika Steinbach, dass dem Yücel angeblich der Flug bezahlt wurde, während die Angehörigen der Opfer vom Breitscheidplatz ihr Taxi bezahlen mussten, antwortete ich:

Nein. Es sei denn, der Mond u. ein Apfel sind vergleichbar, weil sie rund sind.

Und der Vergleich dazu dienen soll, einen Umsturz für die Scheibenweltgläubigen zu erzeugen. Inklusive der Tatsache, dass Springer den Flug bezahlte.”
Hierauf antwortete ein ehemaliger Wegbegleiter:
… aber deine Antwort überrascht mich nicht. Deine plakativen Vergleiche – was sollen die?!Deine vermeintliche intellektuelle Überlegenheit demonstrieren? Dein Lager hat keine Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit. Und es stellt die falschen Fragen. Warum also sollte es der dt. Sozialdemokratie anders ergehen als vielen anderen europäischen?

An sich nicht weiter dramatisch, aber durchaus symptomatisch und steht im Zusammenhang mit Dingen, die zwischen den Zeilen stehen.  Immer mehr Menschen in meiner Umgebung entwickeln sich in eine für mich inakzeptable Richtung. Wenn sie Armut sehen wollen, setzen sie sich in den Flieger und flanieren in der Sonne. «Mein Gott schau Dir mal an, wie die Leute hier leben! Wie gut, das wir in Deutschland leben!» Aber sie sind nicht dankbar dafür, sondern sie meinen damit: «Schaut her, was wir alles in Deutschland erreicht haben.»

Die wenigsten von Ihnen haben einen Beitrag zu diesem Wohlstand geleistet, noch weniger haben sie etwas damit zu tun, dass sie hier leben. Sie berufen sich auf Dinge, die die vorhergehende Generation in die Wege geleitet hat. Die Bundesrepublik Deutschland hat es nach dem Krieg gut getroffen. Nach 1945 mussten Entscheidungen getroffen werden und manch einer wird dabei einen bitteren Geschmack im Mund gehabt haben. Ob es nun die Übernahme strammer Nationalsozialisten in gesellschaftliche Funktionen war, Schuldenerlasse, Aufbauhilfen oder andere Hilfsleistungen, ohne diese Zugeständnisse hätte dies alles nicht funktioniert. Es gab international auch andere Vorschläge und dann hätte die Geschichte einen anderen Verlauf genommen. Aber es ist so gekommen, wie es kam. Also volle Deckung und ab und wann mal die Schnauze halten.
Sie marschieren durch Dresden (nicht der Nachrichtenabsender, aber andere die wir zusammen kennen) um den Toten zu gedenken. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn sich das Gedenken in die richtige Richtung bewegt. Ohne einen Hitler wäre Dresden niemals bombardiert worden, Berlin hätte nicht ausgesehen wie eine Steinwüste und Mitteleuropa hätte ein vollkommen anderes Antlitz. Doch dafür müsste man Ursache und Wirkung richtig erkennen. Immerhin verschonte man uns vor der Atombombe, deren Abwurf über Deutschland in Erwägung gezogen wurde. Ich säße dann vermutlich nicht hier.

Wir haben gelebt wie die Made im Speck. Jeden Tag und jedes Jahr ging es weiter bergauf. Selbst die DDR, die es deutlich schlechter traf, als den von den West – Alliierten alimentierten Bundesdeutschen, waren Nutznießer der günstigen geopolitischen Lage. Das ist alles Geschichte, die in Berlin noch an den Hauswänden durch die Schrapnell Löcher in den alten Häusern zu sehen ist. Wir benehmen uns wie eine Mafia – Familie, die über Jahrzehnte hinweg anderen brutal das Geld weggenommen hat und deren Nachfahren sich hinstellen: «Was wollen sie? Hier ist alles legal, wie mein Großvater zum Startkapital der Familie kam, hat sie nicht zu interessieren.»

Doch wer diese Dinge benennt und auf die geschichtlichen Fakten verweist, ist neuerdings intellektuell. Einst war dies simpler Geschichtsunterricht in der zehnten Klasse. Intellektuelle waren Menschen, die deutlich mehr Bücher lasen und sich mit den Geisteswissenschaften auseinandersetzen.

Eines Tages hatte Konrad Zuse eine bahnbrechende Idee, die unsere Welt kleiner machte. Mittels der von ihm gestarteten Digitalisierung kann jeder auf diesem Planeten mit einem Zugang zu einem Computer, etwas über den Rest der Welt erfahren. Es war eine Frage der Zeit, dass die ausgebeuteten Länder anfangen zu Meutern. Und wir stehen erst am Anfang der Geschehnisse. Doch jene strammen Deutschlandverteidiger, sind charakterlich immer noch auf dem Stand vor 100 Jahren. Sie sind nicht bereit über die Zeit ihrer Geburt und ihres Ablebens hinweg zu denken. Einige stehen morgens auf und optimieren sich, ihr Leben und ihren Körper. Andere leisten sich jeden nur vorstellbaren Luxus. Morgens werfen sie Vitaminpräparate und den gerade angesagten Trendfrass in den Körper, dann rennen sie auf der Suche nach körpereigenen Opiaten durch den Wald. Dabei tragen sie Klamotten aus Hightechfasern, die in Vietnam, Indien oder Taiwan von Kindern zusammengenäht wurden. Profane Baumwolljogginghosen und ein Sweat – Shirt könnten den Windwiderstand erhöhen.
Während sie sich auf der Arbeit oder im Dienst den leckeren Kaffee aus der überteuerten Kaffeemaschine schmecken lassen, mokieren sie sich über den schlimmen Zustand der Welt. Denn sie sind ja nicht die einfachen Menschen, sondern verfügen über Stil und Kultur. Trotzdem sind sie nicht in der Lage, bei einer einfachen Nachricht aus dem Internet mit einer oder zwei Fragen den Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Solche Dinge machen nur die linken Spinner, diese widerwärtigen Gutmenschen! Besonders bemerkenswert finde ich die Leute aus dem Umfeld der Beamten. Die meisten haben mit ihren Händen niemals gearbeitet, körperliche Anstrengungen kennen sie nur vom Sport und wenn sie keine goldenen Löffel klauen, wird ihnen die Pension sicher sein.

Die Dekadenz hat uns gepackt. Auf der einen Seite haben wir diejenigen, welche sich an ihre Privilegien klammern, und auf der anderen Seite die verzogenen Auswüchse des Bürgertums, die völlig den Überblick verloren haben. Ihr Fetisch ist die «political correctness». Damit haben sie Kontakt zu «normal» denkenden und lebenden Menschen verloren. Ihre sprachlichen Eskapaden sind lächerlich und muten wie die Reden eines psychisch schwer erkrankten Menschen an. Sie merken dabei nicht, wie sie dem rechten Pöbel die Bälle zuspielen.

Der politische Diskurs und die handelnden Politiker haben das Niveau einer Berliner Eckkneipe erreicht. Vernunft und der gesunde Menschenverstand werden immer seltener auftretende Eigenschaften. Kaum einer scheint noch in der Lage zu sein, mit einer simplen Betrachtung die Wahrscheinlichkeit einer Aussage zu ergreifen. In den Rechtswissenschaften nennt man dieses das Erkennen eines lebensnahen Sachverhalts. Von mehreren unwahrscheinlichen Möglichkeiten ist in der Regel die Wahrscheinlichste die der Realität am nächsten kommende. Die auftretenden Ausnahmen bestätigen die Regel.

Der Absender der Nachricht, den ich stellvertretend für eine ganze Gruppe ehemaliger Begleiter in schwierigen Einsatzlagen betrachte, könnte wissen, dass ich mich noch nie in Schubladen einsortieren ließ. In die SPD bin ich eingetreten, weil es meiner Auffassung nach nur eine logische Lösung für das Zusammenleben von Menschen geben kann: «Sozial!», denn nichts anderes ist Zusammenleben. Ich bin und bleibe bei der Überzeugung, dass Über- und Unterordnungsverhältnisse, die sich nicht aus einer zwingenden Notwendigkeit heraus ergeben, immer zum Scheitern führen, weil der nackte Affe Mensch sie auf Dauer nicht akzeptiert. Dazu gehört auch, dass ich mir von Verwirrten nicht eine künstliche «political correctness» aufbrummen lasse, sondern sie lieber praktisch lebe.
Für mich steht und fällt alles mit der Einstellung zum Menschen und allen anderen Lebewesen. Sich jeweils dem Individuum zu widmen, ist mühsam, aber sehr lohnend. In der Mathematik wurde ich als Kind Opfer des Experiments Mengenlehre. Vermutlich  kennen die meisten  diese. Menge A und B bilden beim Übereinanderlegen eine Schnittmenge. Wie damals in der Grundschule sitzen alle da und betrachten grübelnd die Mengen. Die Flüchtlinge, die Wirtschaftsflüchtlinge, die Intellektuellen, die Politiker, die Polizisten, die Soldaten, die Antifa, die Konservativen, die Rechten, die Linken, die Alternativen, die Christen, die Moslems, die Akademiker,
… eine Schnittmenge ist mindestens der Umstand, dass es alle spielende nackte Affen der Ordnung Primaten, Unterordnung Trockennasenprimaten, Familie Menschenaffen sind. Es erscheint mir immer fraglicher, ob es eine gute Idee war, den Zusatz sapiens (lat. „verstehender, verständiger“ bzw. „weiser, gescheiter, kluger, vernünftiger Menschenaffe) ergänzend hinzufügen.

Wir sind die Affen unter den Affen, die nichts können, aber mittels Werkzeug dem Abhilfe schaffen können. Möglich ist uns dieses wegen eines Daumens und einem Großhirn. Den Daumen benutzen fast alle, beim Großhirn gibt es viele Besitzer, aber wenige Power User. Mein Leben ist davon geprägt worden, dass ich immer darauf angewiesen war, von einem Menschen mehr zu sehen, als das Augenscheinliche oder seine Kategorisierung.

Für einen Kriminalbeamten hat dieses einen praktischen Hintergrund. Um die Motive eines Täters oder seine Vorgehensweise zu verstehen, sind Klischees oder Schubladen nicht hilfreich. Ein Zuhälter kann auch denken wie ein Vater, ein Einbrecher ist unter Umständen ein Heranwachsender auf Abwegen, ein Pädophiler führt sonst ein normales Spießerleben und ein Rocker mutiert zu Hause bei Mutti zum braven Hausmann. Warum sollte ich dieses erworbene Wissen nicht auf mein restliches Leben anwenden? Viele alte Bekannte aus meiner Jugendzeit wurden Gewalttäter und wir hatten damals auch gemeinsame Kämpfe. Ich bin das geworden, was ich bin und sie sind auf dem Weg des Lebens anders abgebogen. Aber ich kenne ihren Kern und der sieht nicht nach Schläger aus.

Es ist mir ziemlich egal, wenn mir jemand Arroganz oder Hybris vorhält. Ich habe sie mir redlich mit meinen Fäusten, meinem Gehirn und über viele Downs und Ups erworben. Und weil das so ist, unterstelle ich den größten Hetzern, dass sie im Grunde nur Weicheier sind. Hätten sie mal  im Leben ernsthaft am Boden gelegen, verfügten sie über ein anderes Verständnis für Menschen, die am Wanken sind.

Eins habe ich auch niemals im Leben vergessen:

Vor mir stand mal eine Lehrerin, mit der ich über eine Zensur in einer Klausur diskutierte, die Folgendes sagte: «Bei Ihrer Herkunft und Sprache können sie doch mit einer Vier zufrieden sein.»
Vater Polizist und Mutter Bankangestellte mit Wohnung in einer bekannten Spandauer Hochhaussiedlung empfand sie als nicht standesgemäß für ihren Unterricht. Wer mich für einen Intellektuellen hält, ist bei mir an der falschen Stelle. Doch ich habe gelernt mit Menschen überall auf dieser Welt in Kontakt zu treten und mache mir immer auf ein Neues die Mühe, mich mit ihnen auseinanderzusetzen. Ich habe eine Menge über Macht, Gier, Narzissmus, Dekadenz, Intoleranz, Gewalt und Hass gelernt.

Es gab mal eine Zeit, da habe ich erfahren, wie Menschen mit den oben stehenden Eigenschaften mit vermeintlich Schwächeren umgehen. Nachdem ich gelernt hatte, mich gegen sie zu Wehr zu setzen, ersah ich es als meine Aufgabe, die zu schützen, welche sich diese Fähigkeit nicht aneignen können. Aktuell bemerke ich, wie immer mehr Leute, die sich dazu auch berufen fühlten, den Weg verlassen und sich auf die andere Seite schlagen. Der erwähnte Absender der Nachricht, kritisierte mich für die Verwendung von Bildern, weil ich mich damit angeblich intellektuell absetzen würde. Ein abstruser Schwachsinn, den er da von sich gibt. Der Umstand, dass die Sprache unzureichend ist, weiß wirklich jeder. Bilder können da eine bedingte Abhilfe schaffen. Deshalb schicke ich noch ein Bild hinterher.

An einem Platz kann man fast alles über unsere Gesellschaft erfahren: In der Umkleidekabine einer Sporthalle. Dort zeigt sich, wie wichtig die Markenklamotten sind. Hier kann man beim Zuhören erfahren, wie unterschiedliche Charaktere mit Sieg oder Niederlage in einem Spiel umgehen. Mitschüler können dort die Blessuren der väterlichen Erziehungsmethoden nicht verstecken. Die Mobber lieben es, in Umkleidekabinen ihre Spielchen zu treiben und Gehässigkeiten über körperliche Probleme loszuwerden. Unübersehbar präsentieren sich die Anhänger des Körperkults, die damit dem guten Beobachter ihre inneren Schwächen offenbaren. Hygieneprobleme, Zwangsneurosen, sexuelle Vorlieben und vieles mehr zeigen sich an diesem Ort. In diesem Käfig zeigt sich die wahre Natur des Affen.

Ich war im Leben ziemlich häufig in Umkleidekabinen. Viele von denen, die mich heute als Gutmenschen, links, pseudointellektuell oder was auch immer betrachten, sei gesagt, ich habe Euch dort gesehen und beobachtet. Ein Schweizer Freund sagte mal: «Trölli, Du bist und bleibst ein kleines Arschloch.» Korrekt! Und ich habe vor es zu bleiben. Leider habe ich in der Kabine viel zu oft geschwiegen, ich hatte schlicht Angst zum Außenseiter zu werden. Alles im Leben hat seine Zeit. Ich habe das ungute Gefühl, dass die Zeit angebrochen ist, ein klaren individuellen Weg zu gehen, um wenigstens Jüngeren ein Beispiel zu geben. Ich habe lange darüber nachgedacht, der Gesellschaft den Rücken zuzukehren. Dann fiel mir auf, dass dieses nicht möglich ist. Man ist immer ein Teil der Gesellschaft, es ist nur die Frage von welchem Teil. Genauso, wie ich mein Leben lang ein Deutscher bleiben werde, doch ich kann mir aussuchen, wie ich mein Land repräsentieren will.

Will ich mit den Augen nach hinten durch die Gegend laufen oder die Generation abbilden, die Ende der Sechziger in der Bundesrepublik geboren wurden?
Eine Generation aus der teilweise die Friedensbewegung der Achtziger gestellt wurde. Punk, Rock`n roll, New Wave und Gesellschaftskritik waren unsere Wegbegleiter. Wir standen einst für das Verbindende und nicht für das Ausgrenzende. Unser erklärter Feind war die Konsumgesellschaft und alles Konservative, welches eine Veränderung verhinderte. «Gott ist tot!», «Schade das Beton nicht brennt!», «Wir haben keine Chance, also nutzt sie!», «Jump over the Wall and join the Party», «Don`t walk on the grass, smoke it», «Keine Macht für niemand» lauteten unsere Parolen. Mit «The Wall» wollten wir uns gegen die Indoktrination des Establishment wehren und auf den Tanzflächen zerstampften wir das Bürgertum. Wir reisten einst als Backpacker durch die Welt, weil wir die Menschen kennenlernen wollte. Unsere Devise lautete: Nur nicht in diesen Tourismus – Strudel geraten! Meine Leute sammelten Punkte, in dem sie den größten anzunehmenden «Proll» auftrieben. Nach unserer Definition Menschen, die jeden Müll mitmachten, sich dabei vollständig hirnlos dem Mainstream hingeben und sich damit lächerlich machen. Für dieses Deutschland stehe ich ein und entwickle einen gewissen Patriotismus, aber weniger für das Land, sondern mehr für die Menschen die sich durch die genannte Musik und Kultur verbunden fühlen.
Meine auf andere Wege abgebogenen Generationsbrüder und Schwestern werde ich nicht ändern. Das wird in den nächsten Jahren reichliche Verluste geben, neue Kontakte werden sich ergeben und ganz alte Wegbegleiter werden sich freuen, dass ich wieder da bin. Äh … darf ich wieder mitmachen? Ich war ein paar Jahre weg … Sorry.  Dank an meinen alten Freund Uwe, der mich mit sehr wenigen Worten daran erinnerte, wer ich mal gewesen bin. Ich glaubte schon ziemlich lange nicht mehr an Freunde, aber meine sind einfach zu gut. Stetig haben sie mit Nadeln in meine “Blase” hineingestochen, bis sie endlich platzte.

Jetzt geht es mir besser.

 

Gastkommentar bei https://philosophia-perennis.com/

Lesedauer 3 Minuten

Den nachfolgenden Kommentar habe ich bei https://philosophia-perennis.com/ eingetragen. Noch glaube ich daran, dass wenigstens der eine oder andere Protestwähler darauf aufmerksam gemacht werden kann, in die falsche Richtung zu laufen. Man kann über Liberal und Konservativ trefflich streiten, dagegen ist nichts einzuwenden. Es steht einem auch frei die politische Situation differenziert zu betrachten und diesbezüglich im Zweifel auch Protest anzumelden. Im Zweifel gibt es hierfür eine Partei mit dem Namen CDU, die seitens der Kritiker von innen heraus verändert werden kann, aber die AfD, mit welcher Ursprungsmotivation sie auch immer gegründet wurde, ist das Sammelbecken für die Rechte Szene geworden. Es macht aber keinen Sinn, dieses im Stillen zu schreiben, sondern muss auch mitten unter ihnen gesagt werden, sonst war man am Ende doch wieder dabei.

Kurzfristig hatte ich nach dem Anschauen der Reden einen Hoffnungsschimmer. Ich dachte tatsächlich mit dem Abnehmen der Maske, würden einige das wahre Gesicht der AfD erkennen und ins Nachdenken kommen. Stattdessen kommt es zu einer vollkommen verqueren Argumentation.

Die AfD ist an sich nicht so ausgerichtet, es gibt halt ein paar Ausnahmen. Nun stand da aber nicht der Hausmeister von der Sporthalle nebenan am Rednerpult, der sich im Alkoholrausch das Mikrofon schnappte, sondern immerhin der Landesvorsitzende.
Waren die skandierenden Teilnehmer auch alles Ausnahmen? Alleine das Wort Volksverräter hat eine spannende Geschichte. Ursprünglich wurde es von Marx/Engels verwendet, fand dann aber schnell den Weg in die Hetzreden der Nationalsozialisten und wurde insbesondere von Freisler bei den Schauprozessen vom Volksgerichtshof verwendet. Ist ein ungutes Gefühl diesbezüglich politische Korrektheit?
Wie kann ein Mann eine nicht gewollte Ausnahme sein, wenn ihm von seinen nachfolgenden Rednern gedankt wird? Lese ich hier die Kommentare, lese ich Kritik an der Öffentlichkeit der Hasstiraden, die verwendete Sprache aber seltsamer Weise innerhalb des Kommentars unmittelbar fortgesetzt wird. Politischer Aschermittwoch in allen Ehren, gern auch eine pointierte Rede, was da mehrheitlich zu hören war, sind parteiliche Einpeitschreden ohne Humor und Esprit gewesen. “Versaute Lack- und Leder Sippe …, leider überschreiend unverständlich auf die Kanzlerin bezogen Kapitulations???, Kümmelhändler, Kameltreiber, Heimat- und Vaterlandsloses Gesindel und am Ende auch noch die gereckte Hand, die selbstverständlich mal wieder nicht so zu verstehen war. Was wollte er sonst ausdrücken? “Ave, Caesar, morituri te salutant”?

Doch war es ja nicht nur diese eine Rede, die Befremden auslöst. Was will mir Herr Höcke mit seinen Zahlenverweisen mitteilen? 3000 Jahre Europäische Geschichte? Da wären wir bei den Etruskern, der Besiedlung durch die Iberer, die Anfänge des Römischen Reichs werden auf 600 v. Chr. datiert. Danach werden 1000 Jahre ins Rennen gebracht. Ist es politisch korrekt, wenn ich dabei das ehemals propagierte 1000 jährige Deutsche Reich heraus höre? Was soll ich der Aussage entnehmen, dass es im 20. Jahrhundert nur wenige große Staatsmänner gab? Leider nannte er keine Namen. Ich nehme mal an, Friedrich Ebert meinte er nicht.

Wie meint er das, wenn er von einer Sahara – Koalition spricht und ALLE in die Wüste schicken will bzw. der Produktion zuführen will? ALLE außer der AfD? Immerhin spricht er davon, dass er den Parteienstaat kritisch sieht. An seiner Stelle würde ich auch keine von ihm gewünschte Alternative benennen, denn mit Sicherheit haben sich auch einige vom Verfassungsschutz die Rede angehört.

Mich hätte auch interessiert, wie viele der skandierenden Zuhörer mit einem Honda, Toyota, Kia oder anderen gängigen asiatischen Automobilhersteller Fahrzeugen angereist waren. Aber immerhin kann man mal Grölen, wenn gebrüllt wird, dass die gefälligst Mais und Reis anbauen wollen. Ich bin auf das leise Weinen gespannt, wenn eine der größten Wirtschaftsmächte wie China, die immerhin die Deutsche Wirtschaft in der zurückliegenden Krise gerettet hat, den Hahn zudreht.

Warum redet ein Höcke von Volksvermögen? Ist ihm der Begriff Staatsvermögen suspekt? Vielleicht sollte er sich von den in der AfD angeblich existierenden Wirtschaftsfachleuten mal erläutern lassen, wie Weltwirtschaft funktioniert.

Herr Poggenburg rechtfertigte seine Worte u.a. damit, dass es nur eine kleine Veranstaltung quasi im Privaten war. Dafür hatten die Sachsen im Vorfeld aber reichlich Werbung gemacht, u. es dürfte ihm auch klar gewesen sein, dass seine Worte in einer digitalen Zeit quer durch Deutschland gehen. Also mal wieder das Spiel mit dem Feuer, um mittels Provokation die Propaganda in die Köpfe zu tragen.

Herr Höcke endet mit: Wer ein sensorisches Gespür für Politik hat, merkt die Veränderung in Deutschland. Ich kann nur hoffen, dass meines nicht sonderlich gut ist. Wer sich auf konservative Werte der Bundesrepublik Deutschland beruft, zumindest die, welche seit Adenauer in Deutschland gereift sind, muss die Stirn sorgenvoll in Falten legen. Die Sachsen kündigten die Veranstaltung mit den Worten: “Wir werden Strauß toppen!”, an. Das ist ihnen gelungen. Sich mit einem F.J. Strauß zu vergleichen ist eine Diffamierung. Er war deutlich und direkt, aber niemals hätte er so gehetzt, wie dort auf der Veranstaltung gehetzt wurde. Er war sich seiner Verantwortung immer bewusst. Solange die AfD sich von diesem rechten Flügel nicht trennt, müssen die Aussagen der Landesvorsitzenden als gängige und gewollte Politik der AfD angesehen werden.

So Feuer frei! Ich erwarte diverse Beschimpfungen als linksversifft und naiver Gutmensch. Aber vielleicht macht ja auch mal einer die Augen auf. Ich war immer dafür, es mit Reden zu versuchen und scheue mich auch nicht eine Auseinandersetzung im schwierigen Terrain zu führen.

Patriotismus? Fehlanzeige …

Lesedauer 7 Minuten

Letztens lief ich lange nachdenklich durch den Wald, irgendwann kam ich zu einer Stelle, an der an zwei Tote an der Berliner Mauer gedacht wird. Der eine wollte einen Kumpel nach Hause fahren, verirrte sich und wurde nah am Zaun erschossen. Der andere sollte ins Arbeitslager gesteckt werden, deshalb wollte er flüchten und wurde mit 10 Schüssen niedergestreckt. Zwei von vielen Toten an der Mauer, damals ca. 2 km von meiner Wohnung entfernt.

Ich setzte mich hin und rauchte eine Zigarette. 1989 ist lange vorbei, die Mauer ist nun solange weg, wie sie einst gestanden hat. Anlass genug, um mir über mein Land ein paar Gedanken zu machen. Da gibt es diese Menschen, die von mir Nationalstolz und Patriotismus fordern. Wenn mir Deutschland nicht gefällt, könne ich es ja verlassen und wo anders hingehen. Dieses Land, in dem ich lebe, habe immerhin über Jahrhunderte hinweg die tollsten Errungenschaften hervorgebracht. Sie reden von Völkern und Ethnien, die nicht zusammen passen. Die Aufklärung hätten wir hervorgebracht, das Christentum reformiert, und was die alles von sich geben. Martin Luther war erstens ein ausgemachter Juden Hasser, zweitens mochten ihn die Herrschenden nur, weil sie auf die Art den Katholiken die Ländereien wieder abnehmen konnten und die Bauern hat er auch verraten. Also was? Ich kann mich mit dem Typen nicht anfreunden.

Mir haben in Deutschland vier Jahrzehnte gut gefallen. Zwei davon durfte ich erleben und zwei kenne ich aus den Geschichtsbüchern bzw. aus Erzählungen. In den Siebzigern und Achtzigern lebte ich in West – Berlin und die Zwanziger hätte ich gern mal ein paar Tage in Berlin erlebt. In den Sechzigern wurde ich geboren, kenne sie aber nur vom Erzählen. Da muss eine Menge los gewesen sein. Die Zwanziger aber bitte nicht zu lange, Berlin war auch ein sehr heisses Pflaster und Proletarier wollte man auch nicht sein.

Deutsche Kultur? Die Klassiker der deutschen Literatur habe ich erst spät gelesen. Vorher las ich Remarque, Böll, Brecht, Engelmann, Tucholsky und Leonhard. Keine Bücher, die aus einem jungen Mann einen Patrioten machen, sondern eher ein nachdenkliches Bild über Deutschland erzeugen. Parallel dazu las ich die komplette Beat Generation rauf und runter, dazu noch die Amerikaner Miller und Bukowski. Wenn etwas ein Feuer gegen das Bürgertum erzeugt, dann solche Bücher. Später kam einiges dazu, aber rückblickend kann ich sagen, dass diese Autoren den Grundstock erzeugten, nachdem ich der Jugendliteratur entwachsen war.

Wenn es um die Deutsche Geschichte ging, habe ich immer versucht, aufmerksam Zeitzeugen zuzuhören. Einer meiner Großväter erzählte mir, wie er die Nazis damals erlebt hatte. Sie wollten ihn in die Hitler Jugend stecken. Dafür sollte er sich einen Tornister, eine Decke und anständige kurze Hosen besorgen. Er hatte nichts von dem, deshalb warfen sie ihn wieder heraus. So etwas ähnliches wie Markenverständnis schien es bereits damals zu geben. Meine Urgroßmutter wanderte zwischen Polen und dem Deutschen Reich durch die Wälder immer hin und her. Ihre Tochter entwickelte eine Aversion gegen die Bekennende Kirche, weil die nicht nur die Nazis segneten, sondern nach dem Krieg die gleichen miesen Heuchler wieder an oberster Stelle standen. Mein anderer Großvater war wie der Rest des Familienzweigs in der KPD und einer wurde zum Widerstandskämpfer. Zumindest haben sie nur ihn diesbezüglich zu Haft und Aberkennung der Ehre verurteilt.

Durch Heirat lernte ich die andere Seite der Deutschen kennen. Einer der Alten war in einer Napola ausgebildet worden. Seine Frau hatte sich für ihn von ihrem Mann getrennt, der sich wegen seiner Führungsrolle bei der IG Farben in die Schweiz absetzen musste. Die hatten so etwas wie einen Nationalstolz. Stets sagten sie, man dürfe das Dritte Reich nicht nur an seinen Gräueltaten messen. Gewalt und Kriminalität habe es nicht gegeben in Deutschland. Selbstverständlich abgesehen vom Krieg, dem Holocaust und der Gewalt an Kritikern, aber die Asozialen, habe es nicht gegeben und wenn, dann wusste man mit ihnen umzugehen.

Nationalstolz und Patriotismus? Ich bin kein Historiker. Aber bei allem, was ich über die Deutsche Geschichte seit Ende des 19. Jahrhunderts weiß, lief alles nach und nach auf die Katastrophe 1933 zu. Ich habe mich mal spaßeshalber in der Frankfurter Paulskirche ans leere Rednerpult gestellt und überlegt, was wohl einer der alten Versammlungsteilnehmer den Deutschen zu sagen hätte. Ich glaube, da wäre nichts Gutes bei herausgekommen.
In den Tagen des Jahres 1989 wusste ich, dass ich einen historischen Augenblick erlebe. Damals als junger West – Berliner Polizist war ich mitten im Geschehen. Innerhalb weniger Stunden standen sich West und Ost – Polizei in einem Büro Auge in Auge gegenüber. Besonders den älteren Kollegen waren die gemischten Gefühle in den Gesichtern anzusehen. Immerhin war man noch vor ein paar Tagen bereit gewesen, aufeinander zu schießen. Nicht wenige hatten in den Monaten zuvor darüber diskutiert, wie sich die Lage im Osten entwickelt, und dass das Übel ausgehen kann. Im Prinzip schloss keiner einen zweiten 17. Juni aus. Was danach folgte, war ein Lehrstück in Deutscher Geschichte. Die ganz harten Fälle wurden aussortiert, viele davon gingen nach Brandenburg und wurden wieder eingestellt. Der Rest wurde nicht müde allen zu erklären, dass sie schon immer dagegen gewesen wären und einfach nur ihren Job bei der Volkspolizei, wie alle anderen auch, gemacht hätten. Bei vielen mag das auch zu treffen, aber nicht wenige trafen mit eisigen Blicken aufeinander. Der Beobachter wusste genau: Da ist noch eine alte Rechnung offen.

Wir hatten viel Redebedarf miteinander und parallel änderte sich unmerklich, aber nachhaltig die Gesellschaft. Das Mobiltelefon und das Internet traten ihren Siegeszug an. Ich bin seither ein wenig in Deutschland herum gekommen. In den Dörfern und mittleren Großstädten der alten Republik wissen die wenigsten etwas von den neuen Bundesländern, waren jemals dort oder haben sich Gedanken über die Kultur und Gesellschaft der DDR gemacht. Das politische Interesse an Hintergründen war in Deutschland schon immer ein wenig beschränkt. Jeder West – Berliner kennt die dümmliche Frage, die einem in anderen Städten gestellt wurde. «Kommst Du aus West- oder Ost Berlin?» Den Normalbürger interessieren solche Kleinigkeiten nicht.

In West – Berlin waren die Leute aufgrund der besonderen Lebenssituation schon vor 1989 interessierter und danach aus praktischen Gründen, denn der ehemalige Osten war plötzlich Teil der Stadt und man lebte zusammen. Ehemalige West – Berliner haben sehr feine Antennen für alles, was seine Grundlage in der DDR Geschichte hat. Doch in unserer Zeit müssen wir nicht mehr voreinander stehen. Social Media machen es möglich, dass ich nicht einmal mehr weiß, ob sich hinter einem Account eine Frau oder ein Mann verbirgt. Erst recht weiß ich nichts über die Herkunft oder das Alter. Ich bin kein Soziologe, aber ich habe das Gefühl, dass sich auch einige kulturelle Aspekte der ehemaligen DDR, ausgehend von 16 Millionen Menschen, nach und nach auf das gesamte Deutschland ausbreiten. Ohne näher darauf einzugehen, ich habe nicht das Gefühl, dass es die besten Errungenschaften sind.

Letztens sah ich mir die Videoaufnahme des Ortsverbandes der Sächsischen Schweiz-Osterzgebirge AfD an. Da ist die Zeit stehen geblieben. Exakt so habe ich die ehemalige DDR kurz nach dem Mauerfall kennengelernt. Wer beim Zuhören die Augen schließt, kann die Intonation alter DDR – Politkader noch deutlich heraus hören. Und auch wenn Sachsen schon immer eine Kaderschmiede der DDR war, befürchte ich, dass es in Thüringen und Mecklenburg – Vorpommern nicht viel anders aussieht. Ich kenne diese Gasthäuser auf dem platten Land in den neuen Bundesländern, wo man beim Betreten das Gefühl hat in einer Wildwest Szene gelandet zu sein. Der Fremde kommt in den Saloon und alle Gespräche enden schlagartig. Wehe dem, der die falsche Hautfarbe hat oder die Haare zu lang trägt. Ich habe auch keine Ahnung, welcher politische Wirrkopf auf die Idee gekommen ist, ausgerechnet in Cottbus Heime hinzustellen. Die traurige Wahrheit ist nun einmal, dass es Gebiete in Deutschland gibt, die aufgegeben wurden. Aus Rostock – Lichtenhagen und Hoyerswerda hat man nicht viel gelernt. 1991 flammte das Feuer auf und wurde niemals gelöscht, überall glühen die Brandnester und warten nur auf ein Aufflammen.

1989 hätte es für mich eine echte Chance gegeben zum Patrioten zu werden. Ich hätte in die Welt hinaus gehen können und auf Reisen berichtet, wie stolz ich auf mein Land bin, dass wir aus zwei Teilen Deutschlands, wovon einer immerhin 40 Jahre unter einer Diktatur litt, ein Land gemacht haben, welches offen ist und eine internationale Botschaft hat. Gern hätte ich erzählt, dass wir aus unserer Geschichte vieles gelernt haben und damit als Vorbild fungieren. Zu den Erfahrungen gehören auch die Mauertoten. Unvergessen sind die Geschichten, bei denen Grenzer der DDR auf Flüchtlinge schossen und die West – Berliner Polizei zurückschoss, um ein Menschenleben zu retten. Es ging niemals darum, einen Deutschen zu retten, sondern es ging um Menschen, die von denen drüben abgeschlachtet wurden. Meine Generation hat auch nicht die vielen Flüchtlinge aus der DDR vergessen, die erst einmal in Aufnahmelagern landeten. Heute stellen sie sich auf den Standpunkt, dass sich ja immerhin Deutsche untereinander geholfen hätten. Blödsinn! Wir halfen Menschen, da war es vollkommen egal, ob nun DDR oder was anderes.
Wir nahmen als West – Berliner dafür auch in Kauf, dass in den Bussen immer nur zwei frei gekaufte politische Häftlinge saßen und der Rest Kriminelle waren, derer sich die DDR entledigen wollte. Einige dieser «Glücklichen» starteten dann im Westen eine erfolgreiche kriminelle Karriere.

Doch leider haben wir nichts gelernt. Gekrönt wird alles vom neuesten Propagandafeldzug der AfD. Die Bürger der alten Bundesrepublik Deutschland wurden 75 Jahre mittels linker Propaganda geistig vernebelt und sind deshalb unerfahrener als die ehemaligen DDR – Bürger, die 1989 die Wende herbei führten. In den letzten Wochen peitscht die AfD diese These in die Köpfe. Das ist derart skurril, dass sich jedes Wort hierzu erübrigt.
Ich lebe 2018 in einem Deutschland, in dem Millionen von Menschen diesen Parolen auf den Leim gehen. Mit Schaudern erfüllt mich die Menge an Staatsanwälten und Richtern, die sich an diesem Spiel beteiligen. Recht und Gesetz sind wichtige Schaltstellen in einer Gesellschaft. Es beruhigt mich auch nicht, dass es angeblich nur wenige sind. Wenn bei der Berliner Justiz ein AfD Mitglied, wie Roman Reusch zum Leitenden Oberstaatsanwalt aufsteigen kann, stinkt die gesamte Hierarchie. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Republikaner soweit aufsteigen konnten. Aber das sind nur Teilaspekte eines Gesamtbilds, welches ich von Deutschland gewonnen habe. Hinzu kommen noch die immer mehr geduldeten Aussagen, der sich wie Gift ausbreitende Hass, die Deutschtümelei, das unsägliche Gerede von einer überlegenden deutschen Kultur usw..
Deutschland entwickelt sich immer mehr zu einer Neuköllner Eckkneipe, in der die Säufer mit dem flachen Hintern hinter vorgehaltener Hand nach einem rufen, der mal wieder Zucht und Ordnung in Deutschland herstellt. Für solch ein Land kann ich keinen Patriotismus oder gar Nationalstolz entwickeln.

Als wir im zurückliegenden Sommer als Spandauer, Jung und Alt vereint, den Rechten zeigten, dass sie in bei uns nichts zu suchen haben, war ich stolz auf den Bezirk, in dem ich wohne. Damit kann ich mich anfreunden. Grinsend denke ich an das Gesicht des Polizisten zurück, der mir sagte, dass diese Blockaden rechtswidrig wären und ich ihm sagte: «Nicht nach Spandauer Landrecht!»