Schiesstrainer … nächste Runde.

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“Die Innenpolitiker der Koalition, Benedikt Lux (Grüne), Hakan Tas (Linke) und Frank Zimmermann (SPD), sehen in der Ernennung von Koppers keine Probleme. Sie lehnen auch einen Untersuchungsausschuss ab. Zimmermann: „Wir können rechtlich als Ausschuss nicht feststellen, ob es eine Kausalität zwischen Erkrankungen und belasteten Schießständen gibt.“ Die miserablen Zustände gebe es seit Jahren, deshalb könne man Koppers nicht allein in den Fokus nehmen.”

http://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-polizei-kandt-und-koppers-werden-nicht-im-innenausschuss-aussagen/20974786.html

Ich werde nicht müde, es wie ein Mantra in diesem BLOG zu wiederholen. Ich kann das Gesamte nicht verstehen, wenn ich mir nur die Details anschaue. Erneut verweise ich auf das Bild eines Bühnenschauspiels. Beschäftige ich mich ausschließlich mit der Rolle und dem Text eines Schauspielers, ist es mir unmöglich, das aufgeführte Stück zu erfassen. Außerdem ist es wichtig, sich darüber klar zu sein, welche Maßnahmen ich einfordere und was sie bewirken sollen.

Es ist meiner Auffassung nach, das gute Recht von Frau Koppers und Herrn Kandt, sich als Beschuldigte eines Ermittlungsverfahrens darauf zu berufen, dass sie nicht die Gelegenheit wahrnehmen wollen, sich vor dem Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zum Tatvorwurf zu äußern. Dies ist nebenbei die korrekte Formulierung. Sie besitzen nicht das Recht die Aussage zu verweigern, sondern sie verzichten auf die Gelegenheit vorab ihre Sicht mitzuteilen. Hierin besteht der Unterschied zu einem Polizeistaat, in dem der Beschuldigte für unbestimmte Zeit eingesperrt oder im Geheimen gegen ihn ermittelt wird, ohne dass jemals die Möglichkeit hatte etwas dazu zu sagen.

Doch darum geht es doch auch gar nicht. Die Aussage, dass die Zustände der Schießstände bereits länger bekannt sind, ist korrekt. Das Verhalten der beiden Führungskräfte ist also nicht ursächlich. Doch die Rockband «die Ärzte» hat es in einem Liedtext auf den Punkt gebracht. «Es ist nicht Deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wär nur Deine Schuld, wenn sie so bleibt.»

Beide haben es unterlassen, einen bekannten bestehenden Zustand zu verändern. Ob nun schuldhaft oder aus Gründen heraus, die sie nicht zu verantworten haben, wird herauszufinden sein. Wenn die Politik damit leben kann, in den Bereich der Justiz eine Frau zu holen, die nichts ändern, sondern die bestehenden Verhältnisse dort aufrecht erhalten will, ist das eine politische Aussage, die sich jeder notieren sollte.

Der Beruf des Polizisten birgt Risiken. Aber damit ist er nicht allein auf dieser Welt, sondern alle Berufe können schädliche Auswirkungen auf den oder die Angehörigen haben. Im Allgemeinen bezeichnet man diese Schädigungen als Berufskrankheiten. Viele dieser Krankheiten lassen sich schwer kalkulieren oder sind nicht in Gänze vermeidbar. Berufskraftfahrer leiden vermehrt an Bandscheibenproblemen, Bildschirmarbeiter bekommen Probleme mit den Augen, Bergarbeiter müssen sich mit Lungenschädigungen auseinandersetzen und bei Radiologen besteht die Gefahr einer Verstrahlung. In einigen Bereichen werden diese Krankheiten auch anerkannt und entsprechend berücksichtigt. Wir leben eben nicht mehr am Anfang der Industrialisierung, sondern in einer modernen Arbeitswelt. Verschließen wir aber auch nicht die Augen davor, dass alles gegen die Arbeitgeber erstritten werden musste.

Eines der zentralen Probleme bei der Affäre ist der Umstand, dass es sich per Definition um keinen Unfall handelt. Jener wäre ein plötzliches unvorhersehbares Schadensereignis. Damit haben wir es nicht zu tun. Das Risiko an einer Krankheit durch die frei werdenden Schwermetalle geschädigt zu werden, kann minimiert werden, aber eine absolute Sicherheit ist nicht erreichbar. Diese könnte nur gewährleistet werden, wenn die Beamten mit Laserpistolen trainierten. Doch für die dauerhafte Ausbildung ist Laserschießen ungeeignet. Es fehlen die in der Echtlage auftretenden Zusatzfaktoren Knall und Rückschlag, die auf den Schützen einwirken.

Es geht also um etwas anderes. Ein Arbeitnehmer erkrankt wegen einer berufsspezifischen Einwirkung auf den Körper. Polizeibeamte im Streifendienst verbringen vorwiegend den Tag in einem Autositz, damit sind sie Berufskraftfahrer. Schichtdienst ist nicht abwendbar, aber auch ungesund. Zumal der Schichtdienst bei Polizisten, Krankenschwestern, Feuerwehrleuten eine Besonderheit hat. Der Körper wird mehrfach in der Nacht aus einer Ruhephase herausgerissen und in eine Art Alarmmodus versetzt. Langfristig kann es hierdurch zu Bluthochdruck, vegetativen Störungen, Schlafproblemen und Depressionen kommen. Häufiges Schießen oder die Anwesenheit in einer Schießhalle kann zur Anreicherung von Schwermetallen im Körper führen, die bei einer passenden Disposition des Körpers Krebs auslösen können.

Zu allen diesen Dingen bedarf es Regelungen, die sich finanziell und bei der Versorgung des Arbeitnehmers/Beamten auswirken, denn die bisherigen Unfallbestimmungen greifen hier nicht. Dieses wäre ein mögliches Ergebnis eines Untersuchungsausschusses. Weiterhin wäre zu erwarten, dass Lösungen für die Beamten gefunden werden, die noch nicht in den Genuss dieser Regelungen kommen können. Die bisherige Lösung, nämlich eine einmalige Entschädigungszahlung ist freundlich betrachtet eine nette Geste, böswillig gesehen die fadenscheinige Vergabe eines Opiats, das die Gemüter beruhigen soll, damit endlich Gras über die Sache wächst. Die überall unterschiedlich kolportierten Zahlen bezüglich des vorhandenen Geldes sind Zeichen eines unwürdigen Versuchs die Sache so billig wie möglich zu gestalten. Immerhin kursierten noch vor einiger Zeit Summen, die dem doppelten Betrag entsprachen. Man mag als Beobachter den Eindruck bekommen, dass sich da einige Leute günstig eine Absolution erkaufen wollen.

Vergleiche, wie sie beispielsweise in der Pharma Industrie vorkommen, sind langfristig aber nur sinnvoll, wenn das ursächliche Medikament vom Markt genommen wird und die verantwortlichen Manager entlassen werden. Eben das soll in Berlin scheinbar nicht passieren. Was soll dabei herauskommen? Nach dem Vergleich ist vor dem Vergleich?

Wie bei AMRI kann ich nicht ein Bewusstsein für die unterschiedlichen Bedeutungen von Untersuchungen und Ermittlungen erkennen. In alter Tradition werden Verantwortliche gesucht, deren abgeschnittene Köpfe dem Pöbel präsentiert werden können. Sinnvoller erscheint die Untersuchung der Strukturen, die dazu geführt haben, dass über Jahre hinweg an eine Verminderung des Risikos nicht gedacht bzw. billigend zugesehen wurde. Solche Dinge haben in der Berliner Polizei Tradition. Hierzu ein Beispiel aus alten Zeiten. Auf der Zitadelle Spandau wurde die Berliner Polizei für Untersuchungen des Areals eingesetzt, da der Verdacht bestand, dass dort Hinterlassenschaften des II. Weltkriegs in Form von Chemischen Kampfstoffen liegen. Nach einiger Zeit wurde dem damaligen Senat die Angelegenheit mal wieder zu teuer und sie beschlossen den Auftrag an eine Firma zu vergeben. Nachdem die dann die Auflagen lasen, machte diese einen Kostenvoranschlag, bei dem einigen Politikern die Kinnlade herunter klappte. Im Ergebnis wurden die Untersuchungen von Polizisten durchgeführt. Immerhin ist die Rede von Chemischen Kampfstoffen! Da wäre es ein verantwortliches Verhalten, wenn die eingesetzten Beamten regelmäßige Nachuntersuchungen bekämen und signifikante Erkrankungen registriert würden, damit diese bei erst nach langer Zeit auftretenden Folgen, eine Chance auf Entschädigung bekämen. Doch wozu? Der Beamte ist nicht unmittelbar beim Einsatz gestorben, sondern erst Jahre später an Leukämie erkrankt. Alles andere kostete viel zu viel Geld.

Wo ist die Gemeinsamkeit zwischen AMRI, Polizeiakademie und Schießtraineraffäre? Alle reden in diesem Zusammenhang von einer verfehlten Sparpolitik und den darauf basierenden Problemen in der Polizei. Sparpolitik ist ein Euphemismus, der einiges versteckt. Es wurde kein Geld für schlechtere Tage gespart, sondern schlicht und ergreifend gestrichen, damit es an anderer Stelle ausgegeben werden konnte. Politisches Handeln bedeutet u.a. Prioritäten zu erstellen. Hundert Lobbyisten stehen um eine Kiste voll Geld und der Politiker entscheidet wer die besseren Argumente vorbringt.
Augenscheinlich drangen die Argumente der Polizei, vorgetragen vom amtierenden Polizeipräsidenten nicht durch. Es besteht auch die Möglichkeit, dass der jeweilige Innensenator sich gegenüber seinen Amtskollegen nicht durchsetzen konnte, da die Ausrichtung des gewählten Senats eine andere war.

Vielleicht kann man sich aber auch noch aus einer anderen Richtung annähern. Wie soll ein Senat erfahren, dass die Schraube zu weit gedreht wurde, wenn doch alles funktioniert? Vorausschauendes Handeln ist im Bereich der Innensicherheit immer eine schwierige Angelegenheit. Wer sagt mir denn, dass ich bei einer höheren Geldzuwendung auch eine bessere Polizei bekomme? Hier kommen die Führungskräfte der Polizei ins Spiel. Wenn Berichte über Missstände auf der Reise von unten nach oben immer mehr zu Erfolgsmeldungen mutieren, kommt es zu einem Zerrbild. Wie das endet, kann jeder an der Geschichte der DDR nachvollziehen.

Die Schiessstände sind gefährlich für die Gesundheit der Beamten, also schließen wir sie. Da die Beamten deshalb nicht mehr ausreichend an der Schusswaffe ausgebildet werden können, sind bis zur Veränderung der Situation die Waffen nicht mehr im alltäglichen Dienst mitzuführen. Deshalb wird solange nur der Verwaltungsdienst aufrecht erhalten.

Das wäre doch mal ein Zeichen! Vor einigen Jahren erging die Anweisung, dass aufgrund der Einsparungen nur noch die absolut notwendigen Schießleistungsnachweise geschossen werden dürfen. Als ich dem verdutzten Waffenwart meine Waffe auf den Tresen legte, weil ich mich unter diesen Umständen außer Stande sah, verantwortlich mit dem Ding umzugehen, bekam ich eine Menge Ärger.

In der Berliner Polizei sind Führungskräfte, die klar und deutlich sagen, dass etwas unter diesen Umständen nicht mehr geleistet werden kann, rar gesät. Denn tun sie es, wird ihnen Unfähigkeit unterstellt. Es hat «Per Order de Mufti» gefälligst zu funktionieren. Ein Deutscher Offizier kann laut Dekret alles und wenn es draußen regnet, wird Sonne angeordnet. Da hat sich in hundert Jahren wenig in der Polizei verändert. Auch dieses Zitat eines Polizeidirektors führt ich an anderer Stelle schon einmal an:

Sie gehören zu einer besonderen Sorte Mensch. Ich kann ihnen alles wegnehmen. Den Stuhl auf dem Sie sitzen, den Dienstwagen, ihre Dienstwaffe und die Uniform, sie werden trotzdem hinaus gehen und alles möglich machen. Sie können nicht anders – denn sie sind Polizisten.

Damit liegt er nicht ganz falsch, aber gleichzeitig formulierte er auch die Begründung der bestehenden Misere. Genau darauf haben sich alle immer in ihren warmen Stuben des Elfenbeinturms der Glückseligkeit verlassen, bis zu dem Tag, an dem selbst der Polizist vor der Unmöglichkeit kapitulieren muss.

 


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Verfasst 19. Februar 2018 von Troelle in category "Uncategorized

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