4 Mai 2018

Ellwangen … eine Botschaft?

Lesedauer 4 Minuten

Wenn ich die von mir abonnierten Twitter Accounts „durchscrolle“, lese ich die Tweets von folgenden Gruppen. Da wären die politischen zusammen mit denen der großen Tagesszeitungen, die der Gewerkschaften und von dem einen oder anderen Polizisten, einige interessante Personen. Zusätzlich habe ich eine ganze Reihe Parteien auf der Timeline, hierunter auch die Extremisten.

Anfangs lagen viele mit ihren Kommentaren weit auseinander. Heute muss ich oftmals genauer nachlesen, wer sich da zu Wort meldet. Innerlich sitze ich da und möchte rufen: „Was ist denn nur los mit Euch?“ Aktuell bin ich über die Vorgänge in Ellwangen gestolpert. Bevor ich zu den Kommentaren komme, ein paar grundlegende Anmerkungen.

Wenn die Polizei einen Einsatz plant, die Betonung liegt auf „Plan“, erfolgt vorher eine Lagebeurteilung. Was kann uns alles erwarten? Handelt es sich um einen Einsatz, in dem eine Flüchtlingsunterkunft eine Rolle spielt, müssen einige Überlegungen angestellt werden. Wann fahre ich da hin? Wie viele Polizisten sind zu entsenden? Wer erwartet mich dort? Benötige ich Dolmetscher? Sind Absperrmaßnahmen notwendig? Wie lautet der Auftrag, welches Ziel wird mit der Maßnahme verfolgt? Dies sind alles Fragen, die sich die Polizeiführung stellt. Sie hat nicht die Frage zu stellen, ob der Einsatz politisch angezeigt ist. Sind die rechtlichen Voraussetzungen gegeben, ist für die Polizei ein Handeln vorgeschrieben.

Die Gesellschaft besteht aber nicht ausschließlich aus der Exekutive. Eins dürfte im Vorfeld klar sein. Eine Flüchtlingsunterkunft ist ein schwieriges Terrain. Die Leute leben unter schwierigen Bedingungen auf engsten Raum zusammen. Hierdurch entstehen Aggressionen, Frustrationen, Gruppenprozesse, Solidarisierungen usw.. Wenn die Polizei dort einen „klauen“ will, um die Festnahme salopp zu bezeichnen, wird sie nicht auf eine Beifall klatschende Gruppe treffen. Wer von den anwesenden Flüchtlingen dies erwartet ist dumm, taktisch unterbelichtet und hat von menschlichen Verhaltensprozessen keinerlei Ahnung. Jeder, der in einem taktischen Beruf arbeitet, ob Feuerwehr, Soldat oder eben die Polizei, darf sich bezüglich der Prozesse in einem Heim keiner Illusion hingeben. Taktisches Verhalten ist nicht auf Wunschvorstellungen oder Erwartungshaltungen auszurichten, sondern auf die Realität. Um diese erfassen zu können, muss ich mich in die Lage des anderen versetzen.

In Ellwangen ging es um einen Mann, der in Deutschland angekommen ist und nicht wieder nach Italien zurück will, weil dort die Zustände für ihn unhaltbar sind. Eventuell hat er hier in Deutschland einige soziale Kontakte geknüpft und hat sich Anerkennung in einer Gruppe verschafft. Wäre ich in seiner Lage, würde ich mich auch mit Händen und Füßen dagegen wehren, wieder zurückzumüssen. Das hat nichts mit einem großartigen Verständnis zu tun. So sollte man in jeder Lage denken. Ich kann mir bei einem Geiselnehmer wünschen, dass er ans Fenster tritt, frühzeitig aufgibt oder auf einen Vorschlag anspringt, dem ich ihm mache. Aber warum sollte er es tun, wenn er davon aus seiner Sicht keine Vorteile hat? Also muss ich mich in ihn hineinversetzen.

Taktisch stellt sich die Frage: Ist es klug, den Mann aus der Unterkunft zu holen? Gäbe es nicht andere Wege? Zumindest könnte der Versuch gestartet werden, ihn mit einem Vorwand herauszulocken und ihn ganz bequem auf einem Amt festzunehmen. Dies wäre eine von vielen leisen Optionen. Jenen Weg wollten einige Entscheider nicht gehen. Gewünscht war die Brechstange! Das ist eine politische Entscheidung, in meinen Augen eine sehr fragwürdige. Erst wird ein Brennpunkt erzeugt, in dem man diese Leute zusammenpfercht und dann haue ich noch oben drauf. Es kam, wie es jeder halbwegs versierte Polizist voraussehen konnte. Die Flüchtlinge leisteten Widerstand. Mit Verlaub, der war offensichtlich gewollt! Das ist billig und kann jeder. Auf diese Art kann ich nahezu jede Ansammlung von Menschen in eine Eskalationssituation bringen.

Zur ganzen Angelegenheit meldet sich eine Abgeordnete der LINKEN, die prompt übelst beschimpft wurde. Warum eigentlich? Sie ist keine Polizistin, gehört nicht der Exekutive an und muss deshalb politische Fragen stellen. Das ist ihr Job. Im Grundtenor fragte sie: „Musste das sein?“ Ich denke: Nein! Das Ziel, den Mann festzunehmen, wäre auch anders umzusetzen gewesen.

Daraus ergibt sich ein grundsätzliches Problem. Darf die Polizei zur Demonstration einer politischen Linie benutzt werden? Nur, weil es ständig passiert, ist die Zulässigkeit nicht bewiesen. Das Krakeele über die vermeintliche Aufgabe des Rechtsstaats ist schlicht albern. Würde der Auftrag „Räumen“ heißen, wäre die Maßnahme schnell umsetzbar. Es sieht halt am Ende hässlich aus, doch taktisch bestehen da kaum Probleme. Da wollte mal wieder jemand Macht und Stärke demonstrieren.

Ich erinnere mich an eine Kontrolle in einer Berliner Diskothek, die hauptsächlich von Hooligans besucht wurde. Wer diesen Einsatz erlebte, merkte schnell, es geht hier nicht um eine Razzia. Den Jungs sollte deutlich gemacht werden, wenn ihr Euch mit der Polizei anlegt, wird es hässlich. Die Sanitäter hatten im Anschluss reichlich Arbeit. Genau so mutet für mich der Einsatz in Ellwangen an. Da sollte eine Botschaft zugestellt werden. Seitens der LINKEN zu fragen, ob eine Botschaft dieser Art und der Zustellungsweg in Ordnung ist, finde ich legitim. Immerhin sitzen da im Heim keine Rocker oder Hooligans, sondern Menschen, die wir dort in eine schwierige Lage gebracht haben. Ob es andere Möglichkeiten gibt, weiß ich nicht, steht aber auch hier nicht zur Diskussion.

Die Kommentare der Polizeigewerkschaften waren unterirdisch. Anstatt mal auf den Zug aufzuspringen, dass die Polizei ständig für die Demonstration politischer Macht missbraucht werden, feuerten sie aus allen Rohren. Weit voran mal wieder die DPolG. Wie gesagt, bei einer Gefahr im Verzuge, sieht die Sache anders aus. Da muss die Polizei im Zweifel mit voller Wucht in die Lage hineinspringen. Doch eine absehbare Festnahme ist immer planbar und kann sehr leise effizient durchgeführt werden – vorausgesetzt man will es.

Die anderen Kommentare waren noch schlimmer. Auf diesen durchgeknallten ehemaligen Bundeswehroffizier Junge mag ich schon gar nicht eingehen. Irgendeinem Politiker riet er dazu sich eine ballistische Weste zuzulegen, da demnächst der Kampf ausbrechen würde. Kopfschüsse wurden Anhängern der AfD gefordert und der Abgeordneten der LINKEN wurde Verblödung unterstellt. Selbst halbwegs gemäßigte Twitterer verloren die Contenance.

Diese Rechtsstaatscholeriker würde ich gern mal in einer Situation erleben, in der die Polizei in ihrem unmittelbaren Umfeld eskaliert. Man kann ein zu laut gewordenes Gartenfest auch mit einer Hundertschaft auflösen, oder eine Kneipenhauerei für einen ordentlichen Stubendurchgang nutzen. Ja, ja … ich hab es verstanden. Wir wollen die 100 % Umsetzung des staatlichen Monopols. Viel Spaß mit einer solchen Gesellschaft.

Ps.: Die DPolG wies dezent darauf hin, dass sich bei den LINKEN auch Polizisten herum treiben würden. Ich bin kein Mitglied, aber ich muss anerkennend feststellen, dass die eine ganz gute Arbeit leisten. Wenn sich die DPolG über sie aufregt, können sie nicht verkehrt sein. Liebe DPolG Funktionäre, wie wäre es, wenn ihr mal wieder Polizeivertretung im Sinne einer Exekutivarbeit machen würdet, und Euch ein wenig politisch aus der Legislative heraushalten würdet. Ansonsten macht doch Euer Ding einfach offen in einer Partei. Die warten schon auf Euch. Viel lauter kann die AfD ja kaum noch buhlen.


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Verfasst 4. Mai 2018 von Troelle in category "Uncategorized

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