Tag 4 in Ulanbataar

Ulanbataar, die Hauptstadt der Mongolei rangiert auf Platz 3 der schmutzigsten Städte. Dabei geben sie sich in der Innenstadt mit einem Heer an Müllaufsammlern alle Mühe, die Stadt sauber zu halten. Gemeint ist auch eher die Luftverschmutzung, statt die Hinterlassenschaften der Passanten. Die Müllsammelplätze werden regelmäßig von Vorbeikommenden nach etwas Brauchbaren durchforstet. Ein leerer Eimer kann bereits ein Schatz sein. Natürlich verfolge ich auch immer mal wieder meine Timeline bei Twitter oder lese mir Beiträge durch die aus anderen Quellen stammen. Hier frage ich mich: Was wollen diese Vollidioten eigentlich? Diese Panik etwas vom Wohlstandsübermaß einzubuchen, weil ein paar Flüchtlinge untergebracht werden, entzieht sich spätestens hier jedem Verständnis. Die Deutschen haben schlicht die Relationen zum restlichen Teil der Welt verloren. Selbstredend können wir nicht die Welt retten – warum eigentlich nicht wenigstens den Versuch unternehmen? – aber wenn ich aus von mir nicht steuerbaren Umständen heraus, das Licht der Welt an einem privilegierten Platz erblickte, kann ich auf Deutsch gesagt, wenigstens mal die Fresse halten.
Der Verkehr ist die Hölle. Der durchschnittliche Fahrer verhält sich, als wenn er eine Herde vor sich her treibt und ist deshalb ständig am Hupen. Fortwährend sind die Signalpfeifen der Polizisten zu hören, welche versuchen, die Dauerstaus an den Ampeln aufzulösen. Sind sie nicht damit beschäftigt, holen sie am Straßenrand Fahrzeuge heran und kontrollieren die Führerscheine. Alles Andere um sie herum kümmert sie wenig. Bei den Schwarzmarkthändlerinnen auf dem Bürgersteig decken sie sich selbst mit dem Nötigsten ein. Die meisten fahren ohne Regeln, wie es gerade passt. Einbahnstraßen sind in der Stadt unbekannt. Dieser Umstand führt zu einem amüsanten Unterhaltungsprogramm. Sollte sich jemand in der Mongolei selbstständig machen wollen, sollte er über einen Ersatzteilhandel spezialisiert auf Honda/TOYOTA Außenspiegel nachdenken.

Fußgänger müssen sich an die Regel: «Einfach loslaufen und nicht stehenbleiben», halten. Allerdings sollte man bei manchen Fahrzeugen bedenken, dass sie aufgrund von Überlast oder sehr schlechter Bremsen einen etwas längeren Bremsweg haben. Doch in der Regel schlängelt sich der Fußgänger durch den Stau. Sehr selten findet sich eine Fußgängerüberquerung. All das gilt aber nur für großen ausgebauten Straßen. In den Ger – Distrikten – ich würde es eher als Jurten Slum – bezeichnen, lassen die Wege ohnehin keine schnelleren Fahrten zu.Ulanbataar ist eine Stadt, in der alles zusammen prallt.

Einerseits wird die Silhouette von den nagelneuen Hochhäusern geprägt, auf der anderen Seite befinden sich in ihrem Schatten verfallene Bauten des Realsozialismus. Die jungen Mongolen unternehmen alles, um westlich auszusehen, und bestätigt werden sie von penetranter Werbung, die überall auf riesigen Bildwänden eingeblendet werden. Der absolute Renner sind Beauty Produkte. Mir ist schleierhaft, wie sie das finanzieren. Gleichfalls haben Friseure Hochkonjunktur. 60 % der Bevölkerung leben in den Ger – Distrikten, in denen das Wasser an festen Standorten gegen Bezahlung in 10 Liter Flaschen abgefüllt wird. Wie die Abwasser abgeführt werden, will ich gar nicht wissen.

Von der in Reiseführern beschriebenen Gelassenheit und Ruhe der Mongolen ist in der Hauptstadt wenig zu spüren. Die Stadt ist ziemlich schnell getaktet. Frauen und Männer hechten im Business Outfit kurz in die Restaurants, essen schnell und verschwinden wieder. Vollkommen anders sieht der andere Teil der Bevölkerung aus. Ihnen ist die bittere Armut anzusehen. Eine halbwegs homogene Gesellschaft sieht anders aus.In einem der größten Tempel wohnte ich drei Stunden lang einer buddhistischen Zeremonie bei. Ein nicht enden wollender Strom an Menschen zieht im Uhrzeigersinn durch den Tempel und erhofft sich von Geschenken an die Mönche bzw. den Orden Pluspunkte beim Karma.

Während dessen rezitieren die Mönche in langen Reihen sitzend die heiligen Lehren Buddhas. Immer wenn sie eine der auf Zetteln niedergeschriebenen Weisheiten fertig zitiert haben, schlagen die Schüler die Trommeln an und zwei Ältere blasen in die meterlangen Hörner. Wer meditativ versunkene Mönche erwartet, wird eines Besseren belehrt. Zwischendurch werden auch Telefonate angenommen, SMS geschrieben und Facebook bedient. Die Jüngsten (ca. 7 Jahre) balgen sich mit den Trommelstöcken. Die ernsten Gesichter der vorbeiziehenden Gläubigen, die ihre Geschenke darbieten, passen dabei nicht ins Bild. Überhaupt habe ich ein etwas anderes Verständnis vom Buddhismus. Die Prozession der Gläubigen hatte etwas von einem Ablasshandel in der christlichen Kirche. Befremdlich fand ich auch eine Braut in einem sehr westlich anmutenden weißen Brautkleid mit weißen Schleier.
Auf jeden Fall habe ich für ein wenig Unterhaltung gesorgt. Ich war nämlich während der Zeremonie der einzige Europäer.In fremden Ländern ziehen mich Kaufhäuser und Markthallen magisch an. Meiner Auffassung nach, lässt sich hier viel über die Alltagskultur lernen. Das Mongolen Unmengen an Fleisch konsumieren ist kein Geheimnis. In der Markthalle kann man sehen, dass sie wirklich alle Teile – bevorzugt von Schafen – verwenden. Da muss nicht erst ein Spezialitätenrestaurant eröffnen, welches den verwöhnten Konsumenten vorsichtig an Innereien heranführt.

Aber da ist Deutschland auch recht einmalig. Unsere Nachbarstaaten haben sich da alle nicht so. In den Markthallen besteht ein riesiges Angebot an internationalen Süßwaren. Bis dato ging ich immer davon aus, dass SNICKERS, MARS, NUTELLA und andere deutsche Produkte wären. Italien und die USA! Wusste ich bisher nicht. In den Markthallen kaufen die normalen Menschen ein, während sich in den Kaufhäusern die Hippster und Besserverdiener tummeln.Meine Ernährung gestaltet sich immer mehr durch Suppen aller Art. Sie sind hier wahre Überraschungsbottiche. Überall sind handgemachte Nudeln, gefüllte Teigtaschen, ausgekochte Ochsenknochen, Lammfleisch (bisweilen auch Hammel), Zwiebeln, Kartoffeln und Knoblauch enthalten. Für zu Hause nehme ich einige Anregungen mit. Ich bin wieder in meiner Unterkunft und sinniere über die weiteren Tagesprogramme. Morgen sollen die Temperaturen noch weiter steigen. Leider habe ich bisher noch kein Lokal gefunden, in dem man sich draußen hinsetzen könnte. Vielleicht ist dies aber bei dem Smog auch nicht ratsam. Auf jeden Fall mache ich mich noch mit den Zug auf den Weg.