Drogen und kein Ende

Lesedauer 4 Minuten

Aus gegebenen Anlass, und der Tatsache, dass ich heute keine Lust auf Sightseeing habe, möchte ich etwas zu einem Thema schreiben, welches mich fast mein gesamtes Leben begleitet. Die Rede ist von harten Drogen. Ich befinde mich diesbezüglich in einem Zwiespalt. Einerseits gibt es Lebende, denen ich nichts in Erinnerung bringen will und andererseits ersehe ich aus meinem eigenen Leben eine Verpflichtung, etwas abzuwehren.

Schon vor langer Zeit ärgerte ich mich maßlos über eine Broschüre des Senats, die der Drogenprävention dienen sollte. Alle Drogen wurden dort auf ein Niveau gehoben. Cannabis wurde als die Einstiegsdroge schlechthin für Opiate wie Heroin dargestellt. Das ist ein gefährliches Unterfangen. Der Heranwachsende probiert Cannabis aus, stellt beim ersten Mal unter Umständen keinerlei Wirkung fest oder bemerkt den ausbleibenden sofortigen Suchtdruck. Wer sagt dem Heranwachsenden, dass die Spaßbremsen bei den anderen Drogen nicht ebenfalls gelogen haben? Warum nicht mal eine Prise Heroin sniefen? Warum nicht beim nächsten Mal intravenös spritzen. Aus mir unerklärlichen Gründen erfährt Heroin nach einer längeren Pause wieder Aufwind. Ich wäre davon ausgegangen, dass Drogen wie Heroin, Kokain, Opium nach und nach vollständig von den synthetischen Drogen verdrängt werden.

Heranwachsende bezweifeln grundsätzlich die Authentizität des den Finger hebenden Mahners. Ein: «Ich weiß, wovon ich rede!» , reicht selten aus. Im persönlichen Gespräch lässt sich dies meist schnell ausräumen. Wenigstens Abhängige merken verdammt schnell, mit wem sie reden. Ich will es mal so sagen: Ich hatte mal einen Freund, der seine eigene Drogenkarriere mit einem Suizid 1989 beendete. Sein Leben und sein Tod haben mein Leben über Jahre hinweg beeinflusst. Durch ihn lernte ich in den Achtzigern viele Heroinabhängige und ihre Biografien kennen. Die komplette Diskussion und Bezeichnung bezüglich Einstiegsdrogen ist schwachsinnig. Entscheidend ist, dass jemand gewillt ist Drogen zu konsumieren und was er damit bezwecken will. Viele hängen irgendwo mit anderen Leuten ab. Ist davor schon einiges schief gegangen, finden sie es toll, mit der Clique alles Erdenkliche auszuprobieren. In den seltensten Fällen kann man den Eltern einen Vorwurf machen. Es ist eine Mixtur aus sozialen Umfeld, Wohngegend, eigene Schwierigkeiten usw..
In dieser Zeit und im passenden Umfeld wird fast alles ausprobiert. Klebstoff inhalieren, bei den Eltern Tabletten klauen, Wodka bis zum Umfallen saufen, Kiffen, Pilze ausprobieren, Koks ziehen … alles Erlangbare wird probiert. Heroin hat einen Ruf. Einen zweifelhaften – aber es hat einen! Da liegt das Problem.

Bei anderen Drogen ist es die sagenhafte Wirkung, die in einem anderen Milieu magisch anzieht. Leute in der Gastronomie kommen schnell mit Kokain in Kontakt. Alkohol wird kompensiert, nach dem letzten Gast treffen sich alle in den einschlägigen Lokalen und die erste Nase ist schnell gezogen. Andere schwören darauf, wie geil der Sex unter Einwirkung von Pillen ist. Politiker trinken professionell einen zu viel, ziehen sich zurück, nehmen eine Nase und sind wieder voll da. Ehemalige Leistungssportler, die über Jahre hinweg mit Chemikalien vollgepumpt wurden, versuchen die sich danach einstellenden Depressionen mit Speed zu bekämpfen. So sind die Menschen halt.
Aber immer findet der Konsument zur Droge und nicht anders herum! Wer Drogen begegnen will, muss ehrlich mit ihnen umgehen, die Persönlichkeit berücksichtigen und über die langzeitige Wirkung sprechen. Ein ehemaliger Kokser sagte mal zu mir: «Wenn Koks nicht diese Scheiß Nebenwirkungen hätte, wäre es die geilste Droge der Welt.»

Wenn es in unseren Kreisen so etwas wie einen Einstieg gibt, sind es der Alkohol, eventuell bei den Eltern vorhandene Pillen und Zigaretten. Um das Wort Droge herum sammeln sich unzählige Assoziationen. Geselligkeit, Party, Musik, Entspannung, tiefgehende Gespräche und Erfahrungen, Spaß haben, Abgrenzung zu anderen Gruppen, Zugehörigkeit, erhöhte Leistungsfähigkeit, und vieles mehr. Exakt dieses leben die Älteren dem Nachwuchs vor. Damit tritt der Begriff Droge in ihr Leben. Meiner Auffassung nach, geht es nicht um die Untersagung eines Drogenkonsums, sondern ich muss den «Neuen» sagen, wie sie mit Drogen an sich umgehen sollten. Dazu gehört auch die Aussage, dass es Drogen gibt, die man steuern und dosieren kann, während es andere gibt, die ein Eigenleben entwickeln. Der erfahrene Nutzer kann Alkohol, wie auch Cannabis dosieren. Früher gab es in Deutschland keine echte Kiffer – Kultur. Nun, die Zeiten haben sich geändert. Viele der heute um die Fünfzigjährigen können auf Heranwachsende zugehen und offen mit ihnen sprechen. Tabus führen zu Unwissenheit und anschließenden Katastrophen. Jeder Jugendliche in Deutschland wird eines Tages Alkohol ausprobieren. Da macht es Sinn, ihm oder ihr einige Handlungsanweisungen mit auf den Weg zu geben.

Eben so kann man Ihnen sagen: «Wenn Du Dich auf dieses oder jenes einlässt, wird Folgendes passieren.» Trinke keinen Alkohol aus Flaschen ohne Etikett – Du hast keine Ahnung was da drin ist. Methylalkohol ist kein Spaß. Klinke nichts ein, was ein polnischer Chemiestudent im dritten Semester im Hinterzimmer zusammengekocht hat. Wenn Du schon Pilze ausprobieren willst, sorge für einen versierten nüchternen Begleiter. Heroin ist langweilig – es macht kurz bumm und Du musst Dir was Neues besorgen. Hole Dir lieber dreimal am Tag einen runter, da hast Du mehr von. Kokain macht paranoid, Dein Kreislauf klappt weg und ist mit allem gestreckt, was auch ein Kammerjäger benutzt. Freunde Dich schon mal mit einer kaputten Nasescheidewand an. Dieses ganze Herumgestottere führt zum gleichen Ergebnis, wie eine schlechte Sexualaufklärung.

Leute, die etwas von Einstiegsdrogen faseln, am besten dabei noch einen Wein trinken, sind 2018 nicht nur lächerliche Zeitgenossen, sondern gefährlich obendrein, weil sie eine brauchbare Aufklärung und Umgang behindern. Besonders mag ich diejenigen, welche von der schädlichen Langzeitwirkung bei Cannabis sprechen. ALLE Drogen haben die, sonst wären es Grundnahrungsmittel, klares Wasser, und saubere Luft. Dem Zigarettenraucher die schlechten Zähne, Lungenkrebs, Bluthochdruck und die Raucherbeine. Dem Alkoholiker die Verblödung, das Delirium und das qualvolle Ersticken am eigenen Blut, wenn die spröden Adern den Geist aufgeben. Nimmst Du Heroin, entscheidest Du Dich für eine Abkürzung, die wenig Gegenwert hat. Der wirkungsvollste Schutz gegen jeden schlechten Drogenkonsum ist eine stabile Persönlichkeit, die sozialen Druck standhält und “Nein” ohne jegliche weitere Begründung sagen kann. “Ich nehme dies oder das nicht, weil ich Angst davor habe oder es nicht vertrage …”, ist der erste von vielen Schritten in die falsche Richtung. Dies bedeutet nämlich: “Ich will zu Euch gehören, ihr seid cool … ich bin am zweifeln. Aber grundsätzlich wäre ich bereit … wenn nicht …”

Also … lasst uns endlich offen mit dem Thema umgehen und hören wir auf, uns in die Taschen zu lügen. Davon profitieren am Ende nur miese Dealer und Freier, die die Not junger Drogensüchtiger ausnutzen. Die meisten Deutschen sind sozialverträgliche Alkoholiker. Hinzu kommen die von Tabletten Abhängigen. Wenn wir uns fragen, warum das so ist … nähern wir uns der Antwort, wie man andere Drogen unter Kontrolle bekommt.

Gern zur Diskussion gestellt.

Das Twitter – Spiel

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Ein verständiger Mann trägt seine Klugheit nicht zur Schau; aber das Herz des Toren schreit seine Torheit hinaus.
Bibel, Sprüche 12, 23

Während meiner Reise verfolge ich gern meine «Timeline» bei Twitter. Ich schätze den Unterhaltungswert. Es gab da mal diesen Witz von dem Mann, der in einen Computerladen geht und nach Windows 2000 fragt. Der antwortet: «Warum fragen sie? Haben sie die Vorgängerversionen schon zu Ende durchgespielt?» Es kommt immer mal wieder zu Wartezeiten oder Augenblicken, in denen ich einfach nur dummes Zeug machen will. Ich könnte auch ein Buch lesen, aber dafür müsste ich mich konzentrieren. Warum also nicht dieses Spiel «Twitter» auf dem Telefon spielen?

Ich besitze zwei Accounts. Einen mit meinem realen Namen und einen mit dem Namen meines Alterego Kommissar Emmes. Mit wenigen Klicks lässt sich nachvollziehen, wer hinter Kommissar Emmes steckt. Da weitere Klicks auf diesen BLOG hier führen, bin ich recht gut einzuschätzen. Bei einer Unzahl Accounts ist dies nicht der Fall. Hinter dem Namen kann sich alles verbergen. Schreibt dort eine Frau oder ein Mann? Ein Erwachsener, ein Jugendlicher oder ein Kind? Sitzt der Verfasser oder die Verfasserin in Deutschland, oder irgendwo im Ausland unter Palmen? Jemand der mit einer Krankheit ans Bett gefesselt ist? Bei Antworten auf Tweets gehen die Kommentatoren amüsanterweise immer von dem aus, was ihnen an Informationen angeboten wird. Gleichermaßen setzen sie eine gewisse Zurechnungsfähigkeit des anderen Twitterers voraus. Dabei könnte es sich um einen schwer gestörten Psychopathen handeln.

Bei der Polizei gibt es Spezialisten, die bei anonymen Schreiben anhand des Textes, der Wahl des Übersendungsweges, des Schriftbilds, der Wortstellungen, Rückschlüsse auf die Persönlichkeit und im Falle einer Forderung, die Ernsthaftigkeit einer Drohung analysieren. Ein Tweet, es sei den man kennt den Verfasser persönlich, ist nichts anderes, wie ein anonymes Schreiben.

Polizeiliche Themen lassen in Deutschland die Twitter – Szene immer wieder hochkochen. Menschen, die sich im normalen Leben selten begegnen, treffen unvermittelt aufeinander. Der bürgerliche Spießer kollidiert oftmals mit dem erlebnisorientierten spätpubertierenden Youngster aus der Szene. Letzterer muss nicht mal ein Autonomer sein. Vielleicht handelt es sich nur um einen Freak, der mal kurz das Fenster seines Videospiels minimiert hat, während seine Mutter in der Küche das Essen zubereitet. Was man bei diesen Themen zu lesen bekommt, ist eine riesige psychologische Datenmenge, hervorgegangen aus einem genialen Experiment unter der Code – Bezeichnung Twitter. Mich würde es nicht wundern, wenn in zwei Jahren ein Team in Harvard preisgeben würde, dass sie das Experiment gestartet haben.
Hauptsächlich werden keine reinen Informationen getwittert, sondern Wertungen beigefügt. Irgendeinem passt diese Wertung nicht, deshalb setzt er einen Kommentar darunter, in dem er klar stellt, dass er viel schlauer ist. Begrifflichkeiten werden selten geklärt bzw. hält sich niemand an Definitionen, die einen vernünftigen Austausch ermöglichen könnten. Das Abweichen von Definitionen wird interessanterweise zur Meinungsfreiheit. Ich stelle mir dabei immer zwei Männer in einem Raum vor, die die Gegenstände nach gut Dünken bezeichnen. Was für den einen ein Stuhl ist, bezeichnet der andere als Flasche. Zwei mögen sich noch einigen können, aber wie sieht es mit dreissig, hundert oder mehr aus? Gewiefte PR Strategen streuen gern mal eine Meldung ein. Im Chaos brüllen sie in den Raum: «Jetzt mal alle Ruhe! Wir definieren jetzt für Euch, was ein Tisch oder ein Stuhl ist. Gleichzeitig sagen wir Euch, was ihr damit anzustellen habt.»

Eine andere Gruppe schreit ihre Einsamkeit, in der Hoffnung ein vorbeiziehender Passant vernimmt sie, aus dem Fenster hinaus. Sie schreiben über den Tod ihres Haustieres, dem Verlustschmerz nach dem Tod eines Angehörigen, ihre Diagnosen beim Arzt oder ihren seelischen Zustand. Wie hieß es mal in einem Liedtext? «Jeder hat einen Hund, aber niemanden zum Reden.» Nicht weniger interessant sind diejenigen, welche diesen einsamen Seelen Zuspruch zukommen lassen. Sie erleichtern den inneren Druck, in dem sie mit knappen Worten Kraft und Stärke wünschen.

Der US -amerikanische Psychiater und Entwickler der Transaktionsanalyse Eric Berne verfasste das Buch «Spiele Erwachsener Menschen». Stets wiederkehrende Verhaltensweisen betrachtete er als «Spiele» mit Regeln, vorgegebenen Ablauf und Mitspielern. Was hätte er für Twitter gegeben bzw. für seine Forschungen anstellen können? Twitter ist angefüllt mit Spielen dieser Art. Wird das eigentlich bereits verwendet? Ich dachte immer das von Berne aufgestellte Transaktionsmodell und die Weiterentwicklungen von Schulz von Thun würden nur im direkten Kontakt funktionieren. Denn im Gegensatz zur unmittelbaren Unterhaltung hat jeder bei Twitter alle Zeit sich des Zustandes bewusst zu werden, in dem ihn ein Kommentar versetzt hat. Doch das ist nicht der Fall. Der Mitleser oder Mitspieler, bekommt lediglich eine schriftlich nachvollziehbare Dokumentation des Prozesses. Die fehlende Körpersprache und Mimik wirkt eher wie ein Katalysator. Mit einem sarkastischen Tweet, dessen Aussage durch die Mimik klar und deutlich wäre, kann ein Schalter bei unzähligen Personen umgelegt werden, die daraufhin komplett ihren eigenen Film drehen.

Alles bei Twitter liefert tiefe Einblicke in die Persönlichkeiten, die unsere Gesellschaft formt. Wir bekommen Informationen über den anwachsenden Narzissmus. Jeder kann mitlesen, wie einsam sich die Menschen in der Massengesellschaft fühlen. Oscar Wilde schrieb einst: «Warum teilen wir anderen Leuten unsere Meinung mit? Weil wir Angst haben, mit ihr alleine zu sein.» Wie richtig er doch gelegen hatte, können wir jeden Tag lesen. Jeden Tag können wir nachvollziehen, wie unsere Gesellschaft durch gezielte Kampagnen mit künstlichen Bedürfnissen, Ängsten und vermeintlichen Lösungen gesteuert wird. Der Konsument ist Verbraucher und Produkt gleichzeitig.
Ein zufriedener Mensch konsumiert bekanntlich nicht über seine Grundbedürfnisse hinaus. Niemand entkommt in der heutigen Zeit diesen Kampagnen. Selbst diejenigen, welche sich ihrer Meinung nach außerhalb der Gesellschaft wähnen, tappen in die Falle. Denn sie wären nicht bei Twitter, wenn sie ihr entgangen wären.

Für meinen Teil freue ich mich bereits auf die kommenden Threads. Mich amüsieren sogar Beleidigungen oder Bedrohungen. Ausschließlich Vampire haben der Legende nach, kein Spiegelbild. Jeder der sie ausspricht gibt ungewollt mehr Informationen über sich preis, als ihm lieb ist. Bedrohungen bei Twitter haben ohnehin kein Potenzial. Gefährlich sind im wahren Leben die Schweigsamen, welche plötzlich vor der Haustür stehen. Alle anderen quaken entweder nur herum oder haben darüber informiert, welche Planungsintelligenz bei ihnen besteht. Jemanden zu bedrohen, dessen Optionen für eine Antwort man nicht kennt, ist schlicht dumm. Es kommt dem Verhalten einer bellenden Trethupe gleich, die wegen eines Geräuschs in den Wald hineinrennt und sich plötzlich einem Wolf gegenüber sieht.
Bei Beleidigungen gilt das buddhistische Prinzip, dass ein Maler ohne passendes Medium, wie zum Beispiel eine Leinwand, aufgeschmissen ist. Der «Täter» gibt nur eine Information darüber, was in seinem Kopf vorgeht, was für ihn selbst eine Beleidigung darstellen würde und womit man ihn selbst am ehesten treffen kann. Im übrigen kann von mir jeder denken was er will, ich mache es im Gegenzuge nämlich ebenfalls. In mir wird niemand eine Leinwand finden. Beleidige ich selbst jemanden, steckt nahezu immer ein provokanter Ansatz dahinter.

So … ich werde dann mal weiter ein wenig Laos genießen. Ich schreibe hier am Tresen eines fantastischen Guesthouses. Der aus der Region stammende Kaffee wird vor meinen Augen mit der Hand gemahlen und pro Tasse einzeln gefiltert. Es ist im Stil der Zwanzigerjahre eingerichtet und im Hintergrund ertönt Jazz aus den Dreissigern, der sich mit den auf Englisch geführten Gesprächen der Backpacker mischt. Mit ein wenig Fantasie befindet man sich in einer anderen Epoche. Das macht es mir nicht einfach auf die Straße zu gehen. Draußen hat es gerade 28 Grad und die Sonne brennt unbarmherzig herunter. Mal sehen, was der Tag noch zu bieten hat.

47 Tage unterwegs

Lesedauer 4 Minuten

Ich bin nun bereits einige Zeit unterwegs. Es ist an der Zeit einmal kurz innezuhalten und die zurückliegende Zeit Revue passieren zu lassen. Ich habe mir die schönen Dinge der Gegenden angesehen, aber ich bin auch dort hingegangen, wo die Eindrücke der Seele weh tun. Parallel habe ich die Nachrichten, Ereignisse, die kleinen und großen Vorkommnisse des in der Ferne liegenden Deutschlands verfolgt. Unmerklich haben sich meine Perspektive und die Sicht verändert. Ich merkte dies daran, dass ich mir häufiger die Frage stellte: Was machen wir da?

Ich habe anhand meiner Eltern und Großeltern die Entwicklung und die Gedankengänge der Nachkriegsgeneration verfolgt. Vieles an Reaktionen und Auffassungen verstand ich als Kind nicht. Später, selbst Vater, erahnte ich, worum es ging, wenn von Überfluss, mangelnder Wertschätzung, Konsumzwang, überzogenen Sicherheitsbedürfnis, dem Wert von Bildung, dem Recht eine Schule besuchen zu dürfen, die Rede war. Trotz des Umstandes, dass ich immer mal wieder an die Bodenhaftung erinnert wurde, bin ich in einer Welt der Selbstverständlichkeiten aufgewachsen. Warmes sauberes Wasser, welches aus der Wand kommt, eine geheizte Wohnung, ein Bett mit einer Matratze, ein Schulgebäude, eine Wandtafel, Papier zum Schreiben, mehrere Stifte, zur Witterung passende Kleidung, Schuhe, ein Auto, ein Fahrrad, Werkzeug für die Reparatur und so weiter. Nichts, aber auch gar nichts vom Aufgezählten ist selbstverständlich.

Mindestens auf vier Positionen der vorhergehenden Aufzählung nicht zu haben, ist die Selbstverständlichkeit in vielen Ländern. 2018 gibt es noch mehr Selbstverständlichkeiten. Ein funktionierendes Smartphone, welches original vom Hersteller ist und tatsächlich alle versprochenen Funktionen hat. Eine WLAN – Verbindung, mit der man surfen kann, seinen BLOG betreibt und Bilder in die Cloud hochlädt. Eine stabile Stromversorgung, ein erreichbares Krankenhaus, welches manche sogar aufsuchen, weil der Arzt gerade keine Sprechstunde hat. Selbstverständlich kann jeder Facebook, Twitter und WhatsApp nutzen. Niemand muss in Deutschland Tricks anwenden, um staatliche Sperren zu überwinden. Wer sich mit der Polizei anlegt, besitzt mannigfaltige Möglichkeiten, sich zu beschweren. In Deutschland zieht kein Polizist nach einem Unfall aufgrund eines Schnellurteils den Schlüssel ab und gibt ihn gegen Zahlung von 500 EUR wieder heraus. Das Herumgeschreie einiger selbst ernannter Retter des Rechtsstaats, erscheint einem nach Russland, China, Mongolei, Thailand und Laos ein wenig skurril.

Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass nicht mein Telefon am Scheitern einer Verbindung schuld war. Doch wer weiß, vielleicht tun die Diktatoren, Autokraten und Oligarchien ihren unter Kontrolle stehenden Mitmenschen sogar einen ungewollten Gefallen.Hunde und Katzen besitzen bei uns quasi den Staus eines Familienmitglieds. Viele bekommen mehr zu Essen, als eine dreiköpfige Familie in den laotischen Bergen oder in einer GER Siedlung in Ulan Bataar. Wir binden ihnen Leinen an, um die Umwelt vor ihnen zu schützen. In anderen Ländern werden sie auf die Art davor geschützt, auf dem Grill zu landen. Obwohl an vielen der bedauernswerten Geschöpfe, kaum etwas dran ist.

Die Dekadenz, die Verlust der Sicht auf die wesentlichen Dinge im Leben, frisst sich wie ein Geschwür durch Mitteleuropa, den USA, Australien und den reichen asiatischen Staaten. Unzählige Kommentatoren in den Social Media, Postings über ach so tolle Aktivitäten, erzeugen bei mir immer mehr Belustigung. Ich hatte mir von meiner Reise einiges versprochen und bin glücklich, dass ich mit meiner Selbsteinschätzung richtig gelegen habe. Ich musste mal weg!
Mir reichen unterwegs völlig die quakenden Girlies aus den Staaten aus, deren jedes dritte Wort: «Amazing», «Cute», «Awesome», ist und sie damit quasi eine akustische Umweltverschmutzung produzieren. Das diese dummen Hühner Bürger einer Weltmacht sind, kann einen ängstlich werden lassen.

Mit dem «Weg!», habe ich mich nicht nur räumlich entfernt, sondern auch gedanklich. Es ist beinahe wie ein Blick auf ein Simulationsspiel. Die vielen Unterschiede im Umgang mit dem alltäglichen Leben, führen einen nach und nach auf die Suche nach den Gemeinsamkeiten. Sie sind es, die den Menschen ausmachen. Mir war nicht bewusst, wie kontaktfreudig Inder sind. Ebenso wenig hatte ich jemals auf die Unbekümmertheit von Schweizern mit Ordnungskräften nachgedacht. Niemals zuvor war mir die Identitätssuche der Australier aufgefallen. Neuseeländer scheinen sich durch ihre Neugierde auszuzeichnen, gleichsam haben sie keinerlei Respekt vor Obrigkeiten. Mich erwarten noch einige Überraschungen, denen ich mit Spannung entgegen sehe.

Aktuell kann ich sagen: Eine bessere Idee hätte ich nach dem Quittieren des Polizeidienstes nicht haben können. Mich fasziniert auch, dass eine bestimmte Sorte Menschen, egal aus welchen Land sie kommen, schnell zueinander finden und übereinstimmende Sichtweisen der Gesellschaften finden. Ihnen ist gemeinsam, dass sie einen Schritt zur Seite gemacht haben und ein Bewusstsein entwickelt haben. Das Gleichnis, demnach wir alle nur die Finger einer Hand sind, die wiederum zu einem Körper gehört, ist grundsätzlich stimmig. Aber die Intelligenz ist dazu fähig, sich alle Finger, Hand und Körper mit Abstand anzusehen. Bisher ist mir noch keiner von den länger jenseits des allgemein üblichen Tourismus Umherreisenden begegnet, der nicht Ähnliches berichtete.

Heute besuchte ich das Cope – Institut. Es ist in Vientiane auf dem Gelände eines Krankenhauses untergebracht. Wie der Name andeutet, kümmert es sich um Amputierte, die zumeist durch Blindgänger des Vietnamkriegs verstümmelt wurden. Es trifft nahezu ausschließlich die Landbevölkerung und bei denen meistens die Kinder. Wie auch heute noch, wurden im Krieg Cluster – Bomben abgeworfen. Die etwas kleiner als eine Boule – Kugel ausfallenden mit Sprengstoff gefüllten “Bombies” liegen heute wenige Zentimeter unterhalb der Erdoberfläche. Mal gehen sie bei einem Treffer mit einer Hacke hoch, die Kinder spielen damit Fangen oder eine Kochstelle befindet sich ungünstiger Weise darüber. Hinzu kommen Minen, Bomben mit bei Berührung auslösenden Drahtantennen, die in den Bäumen hängen. 

In der Ausstellung des Instituts kann man sich die perversen Gerätschaften kranker Waffenkonstrukteure ansehen. Daneben sind in einer Art Mobile hunderte selbst gefertigte Prothesen zu sehen, mit denen sich die Armen aus den Bergen behalfen. Ich würde gern mal einen kennenlernen, der solche Bomben entwirft. Was geht im Kopf eines solchen Menschen vor? Was ist mit dem Arbeiter am Fließband? Oder einem Handelsvertreter, der sie der US Army, den Saudis, Syrern oder Türkei verkauft? Wie sehen sie sich selbst? Was haben sie für ein Bild vom Menschen?

Hier in Indochina ist alles verschoben. Die Kampfhandlungen endeten, als ich in dem Alter der Kinder war, die heute von den Hinterlassenschaften der US Army verstümmelt werden. Die Laoten in meinem Alter sind die Nachkriegsgeneration. Die Zwanzigjährigen nehmen meine Rolle ein. Die Missbildungen durch Agent Orange und die Verstümmelungen lassen nur eine Aussage zu: Der Vietnam Krieg dauert an. Erst wurden Bomben geworfen, um den armen Laoten und Vietnamesen gegen die bösen Kommunisten zu helfen, und nun schickt die westlich – kapitalistische Welt NGO’s, die die Folgen dieser “Hilfe” beseitigen sollen. 

Morgen ist das Fest der großen goldenen Stupa, dem Wahrzeichen von Vientiane und Laos. Am Tempel werden sich gemäß Ankündigung einige Tausend sammeln. Man hat mir geraten dort zwischen 06:00 Uhr und 07:00 Uhr hinzugehen, da ich sonst ein Fernglas brauche. Ich bin gespannt, was mich erwartet. Danach werde ich weiter in Richtung Meer ziehen. Ich freue mich auf einen echten Sandstrand mit Palmen und warmen Wasser.

Luang Prabang Rückblick

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Die Stunden hier sind gezählt. Morgen wird es weitergehen, somit ist die Zeit gekommen ein wenig zurück zu schauen. Fünf Jahre zuvor hatte ich in dieser französischen Bar an der Hauptstraße der Altstadt gesessen und mir vorgenommen, nochmals hierher zu fahren. Bereits auf dem Boot sagte ich zu meinen kurzfristigen Begleitern Eddy aus Bangkok und Micha aus Tschechien, dass ich gespannt wäre, wie die Stadt sich seither verändert hat. L. ist eine Mischung aus Kreisstadt in einem Entwicklungsland, fortwährend anwachsenden Tourismus und Erinnerung an die Französische Kolonialzeit geblieben. Wunderschöne alte Tempel, aufwendig restaurierte ursprüngliche laotische Bauten, ebenfalls sanierte Kolonialbauten, neben Zerfall, bitterer Armut, ursprünglichen Märkten mit ungewohnten Angeboten, Restaurants der Oberklasse und den üblichen Nudelsuppenküchen. Überall am Straßenrand lauern die Tuk – Tuk – Fahrer auf Kundschaft.

Die meisten Touristen kommen über Thailand hierher und freuen sich nach den aggressiven Gebaren der Händler und Massagesalons in Thailand über die Ruhe. Im Gegensatz zu deutschen Städten ist L. dennoch laut, dafür sorgen alleine schon die Tuk Tuks mit den knatternden Motoren. Die Cafés, vor fünf Jahren noch von französischen Pionieren betrieben, haben die Preise erheblich angezogen und sind oftmals auf europäischen Niveau gelandet. Auch die Hotels in den restaurierten Vierteln, wissen sich gut zu verkaufen. Wer nach L. reist, dem rate ich, dem Mekong den Rücken zuzukehren und sich im Bereich des Nebenflusses Nahm Khan, der eine Halbinsel bildet, umzusehen.

Ein absolutes Highlight war das Heritage Heuan Chan Cafe, das Bestandteil eines mit französischen Geldmitteln restaurierten Farmhauses ist. Hier stimmte einfach alles. Die Salate und Speisen werden auf Bestellung in der Lehrküche zubereitet. Verwendet werden nahezu ausschließlich selbst angebaute Kräuter. Die Sommerblütentees sind bereits rein optisch ein Genuss und sind beinahe unwirklich schön anzusehen. Wer sich in L. aufhält, muss dort einkehren.

Wie immer werfen angestrahlte Objekte auch dunkle Schatten. Ich habe mir aber auch angewöhnt auf die Dinge zu achten, die ich nicht sehe und vernehme. Ich habe keine Ahnung woran es liegt, ich habe nicht einmal ein ernsthaft bockendes Kind vernommen und keinerlei lauten Streit zwischen zwei Menschen gehört. Es gab nur eine Ausnahme. Am Mekong gibt es ein Hotel, in das ich niemals einen Gast habe gehen sehen. Zur Straße hin ist ein Tisch mit Ballon – Gläsern aufgestellt, in denen Schlangen und Tausendfüßler eingelegt sind. Für ein Foto davon soll man 2 EURO bezahlen. Im verkommenen Innern sitzt jeden Tag ein alter Europäer mit pinkfarbenen Haaren. Im Hintergrund werkelt eine alte Laotin, die fortwährend mit dem stoisch dasitzenden Typen herum zetert. Die beiden sind etwas speziell und laufen vermutlich unter Originale.

Die städtische Verwaltung unternimmt alles, um die Tourismusbranche zum ökologisches Wirtschaften zu bewegen. Strohhalme aus Bambus, verwenden und Verkauf des Kaffees aus den umliegenden Kaffeeplantagen, Reduzierung des Plastikmülls, zumeist wegen der unzähligen Plastiktüten, zu bewegen. Aber sie Kämpfen dabei auch gegen die Armut. Ein einmaliges Ablehnen einer Plastiktüte führt selten zum Erfolg. Die Uferböschung des Mekongs spricht Bände. Doch ähnliche Bilder habe ich auch schon in mitteleuropäischen Bergen, Rhein, Donau und Mosel gesehen.

L. ist auch der zentrale Sammelpunkt, an dem alle Backpacker, Abenteurer, Aussteiger, Langzeitreisende, irgendwann vorbei kommen. Man erkennt sich untereinander und kommt schnell ins Gespräch. Bei längeren Unterhaltungen kommen die wenigsten am Thema Buddhismus vorbei. Durch die vielen Mönche und Tempel ist der Buddhismus ein mitten im Raum stehender beleuchteter pinkfarbener Elefant. Kaum jemand weiß mehr darüber, als das westliche Zerrbild, welches kommerziell ausgeschlachtet wird. Selbstverständlich haben sich darauf auch die örtlichen Händler eingestellt. Kaum ein Laden bietet keine geschnitzten Holzketten, Masken (die nebenbei meistens aus dem Tibetischen stammen), Ringe, Steine und anderen Kram an. Aber der Buddhismus ist bei der Bevölkerung lebendig. Und gerade die, welche vom Mekong leben, lassen sich die Verehrung der Flussgeister nicht nehmen. 

Durch das Anschneiden des Themas Buddhismus werden die Gespräche meistens ein wenig tiefer gehend. Ich freue mich, dass ich mit meinem gefährlichen Halbwissen, welches sich aus dem Studium der letzten Jahre ergeben hat, dem einen oder anderen einen etwas anderen Einblick geben konnte. Dabei dachte ich auch über meine eigene Einstellung dazu nach. Zur Zeit denke ich, dass es absolut legitim und richtig ist, sich dem mit europäischen Blick anzunähern. Nichts Anderes passierte in den letzten 2000 Jahren. Die Japaner haben den ZEN – Buddhismus begründet, die Tibeter haben ihr Gelbmützen und die zahlreichen Sekten, und in Süd – Ost – Asien gehen sie den Oldschool Weg. 

Ich sprach darüber mit einem jungen Deutschen, der nun in Norwegen lebt. Er hat sich einige Jahre in den USA am ZEN – Buddhismus versucht. Es verschaffte mir eine gewisse Befriedigung, dass er ein wenig erstaunt war, dass ich Shuriyuku SUZUKI kenne. Eigentlich hätte ich überrascht sein sollen, denn SUZUKI war mehr in den ausgehenden Siebzigern eine Berühmtheit. An ihm fiel mir auf, dass es vollkommen egal ist, wie der Buddhismus interpretiert wird. Bildlich gesprochen ist die Beschäftigung mit dem Buddhismus eine hervorragende Bremsanlage im Leben. Bremsen und Anhalten, sich dem Erlebten und dem Augenblick bewusst zu werden, wird immer wichtiger. Hierüber waren wir uns beide einig. Genau dieses widerfährt vielen Backpackern in L.. Nachdem sie durch halb Thailand gereist sind, dann die zweitägige Bootsfahrt hinter sich gebracht haben, laden die französisch geprägten Straßencafés zum Verharren und Nachdenken ein. Natürlich gilt das nicht für alle, aber sie sind zu erkennen.

In Thailand fragte mich ein Neuseeländer was ich eine Woche lang in L. anstellen wolle. Verharren! Im Straßencafé sitzen und die Erlebnisse mich einholen lassen. Wenn ich wieder komplett bin, kann ich weiter reisen. Mir wird nie wieder im Leben passieren, dass zu viel Abstand zwischen mir und den Eindrücken entsteht. Was daraus wird, musste ich schmerzlich erfahren. Überhaupt habe ich den Eindruck, dass ich seit meiner Abfahrt in Moskau immer ruhiger und gelassener werde. Na … ich werde sehen. Ich denke es ist an der Zeit eine Schlussformel für meine BLOG – Beiträge zu finden.

Travel Always slow, safe and consciously … Cu.

Es geht weiter …

Lesedauer 4 MinutenIch habe eine ganze Weile hier nichts in den BLOG geschrieben. Es ist nicht ganz einfach im Kopf ein nach und nach anwachsendes Buch, und einen BLOG voneinander zu trennen. Immer wieder kommt in mir der Gedanke auf: «Das hast Du doch alles schon geschrieben!» Ja … aber wo? Im BLOG oder im Kapítel zuvor?

Heute war wieder einer dieser typischen Tage. Ich machte mich um 09:00 Uhr auf den Weg. Nach zwei Kaffee stellte ich fest, dass mein Körper dann doch endlich den Tribut forderte und wenn ich schon 17 USD für eine Toilette zahle, nutze ich sie auch. Deshalb machte ich auf dem Absatz kehrt, obwohl ich gerade einen wunderschönen Platz entdeckt hatte. Ich nahm mir vor, nach einer Stunde die Sache neu anzugehen.
Nach einer Dusche machte ich erneut auf den Weg. Wenige Meter nach dem Hotel stutzte ich. War ich wirklich gerade an einem VW Bus T1 mit Kennzeichen aus Bern vorbei gelaufen? Wenige Minuten später saß ich in einem Gespräch mit einem jungen Paar aus der Schweiz, die die gesamte Strecke mit diesem zum Wohnmobil ausgebauten Oldtimer zurückgelegt hatte. Alles was die beiden zu berichten hatten, war spannend. Während wir dort saßen, sammelte sich zeitweilig eine ganze Schweizer Gemeinde. Dann hielt neben uns, auch noch ein weiterer Schweizer aus Lausanne mit einer Art umgebauten UNIMOG aus Frankreich. Er hat mir die Marke genannt, aber ich gebe zu, sie mir nicht gemerkt zu haben. Eine Stunde später gesellte sich ein weiterer aus der Schweiz stammender Backpacker zu uns und weitere drei Stunden später gesellte sich ein – aus meiner Sicht etwas seltsames Gespann aus Österreich zu uns, die mit einem 190er DB und Anhänger durch die Welt reisen. Sie bekommen wohl sogar Geld dafür und geben Interviews. Mich machte ein wenig der zufällig dezente Hinweis darauf und der wiederholte Hinweis auf ihre tolle offene Beziehung ein wenig skeptisch. Aber letztlich passte das alles ins Bild.
Wir redeten viel über die Vorzüge und Nachteile eines Wohnmobils und dem Reisen als Backpacker. Den Ablauf kenne ich mittlerweile gut. Wo kommst Du her? Wie lange bist Du hier? Wie lange bist insgesamt unterwegs? Wenn man sich etwas länger unterhält, kommt manchmal die Frage: Warum?
Das Paar aus Österreich werde ich schnell wieder vergessen. Sie haben mit Dreissig schon diesen Blick, alles gesehen, alles gevögelt, alles getrunken, ich habe Euch etwas zu erzählen. Im Gegenzuge hatten die Schweizer einen offenen Blick für die Welt und man merkte ihnen an: Wir sind auf einem großen Abenteuer unterwegs. Ihnen zuzuhören machte wirklich Freude. Ich kann mir gut vorstellen von den beiden nochmals zu hören. Wer jemals selbst einen VW Bus hatte und sich einen ausgebaut hat, kann nachvollziehen mit welchen Widrigkeiten und Glücksmomenten sie unterwegs sind. Und Hut ab: Sie haben den guten alten luftgekühlten Boxermotor, Heizbirnen mit Abgasaustauscher – Heizbirnen und offen liegenden Seilzügen – ich weiß, wovon ich spreche. Was ist dagegen ein 190er Daimler? Ok – ja Falco – auch die Kiste kann man durchgehen lassen. Gerade mal so.
Wir sprachen auch über die zahlreichen Grenzformalitäten, die ihnen mit ihren Kisten, besondere Steine in Weg legen. Meine speziellen Freunde die Chinesen konnten sich nicht mal ansatzweise vorstellen, dass es Beknackte gibt, die China mit dem eigenen Fahrzeug durchqueren wollen. In Turkmenistan packte man ihnen gar einen GPS – Sender ins Fahrzeug. Wann begreifen in der Geschichte der Menschheit eigentlich Diktatoren, ihre eigene Lächerlichkeit?

Aber dies sind Dinge für das Buch. Ich hatte einen Beitrag zum Thema Reisen und Urlaub geschrieben. Ich denke, ich muss das um einen Begriff ergänzen: Traveller. Ein sehr weites Feld und spannendes Thema. Manche sind jahrelang unterwegs und haben vollkommen vergessen, warum sie einst loszogen. Das «Travelling» ist zum Lebensinhalt geworden. Ich glaube sie sind moderne einsame Nomaden, die es verpasst haben irgendwo Halt zu machen. Ich schreibe dies ohne jegliche Kritik. Ich kann sie gut verstehen. Ich finde es besser, wenn einer ohne Halt durch die Welt zieht, als wenn einer einen Barhocker und eine Kneipe zum Halt in seinem Leben macht. Die mit dem Wohnmobil sind anfälliger, wie die Backpacker. Das Wohnmobil wird zu einem Heim, halt eins auf vier Rädern. Im gleichen Atemzuge werden aber auch die Beziehungen flüchtiger. Auch dieses kann ich verstehen. Ich war schon mehrfach in meinem Leben an dem Punkt, wo ich auf zwischenmenschliche Beziehungen einen Pfifferling gab. Wer weiß, hätte ich nicht lebende Eltern, die mir immer wieder einen Grund gaben zu verweilen, wäre ich wahrscheinlich auch längst lange Zeit auf Achse. Der eine Mensch, der einem wirklich wichtig ist, den kann man auch mitnehmen. Kinder machen irgendwann ihr eigenes Ding. Alle anderen kommen und gehen im Leben.
Mich, einem über Fünfzigjährigen, der schon ein wenig etwas gesehen hat, macht es nur stutzig, wenn aus meiner Perspektive sehr junge Leute an diesem Punkt sind. Ich musste bei meiner Abreise innerlich Grinsen, wenn ich im Gesicht des einen oder anderen den Zweifel sah, ob ich von dem Trip jemals zurück komme. Ich habe bei meiner Art zu leben gelernt, die Annehmlichkeiten des Lebens zu schätzen. Ich weiß sehr genau, was es bedeutet, mental irgendwo im Orbit ohne jegliche Zugehörigkeit unterwegs zu sein. Egal wie lange es dauert … am Ende kehre ich vermutlich immer zu meiner Basis zurück. Es sei denn, mir stellt einer das passende Wohnmobil vor die Tür. Ich gebe zu, dann könnte es eng werden. Aber ständig als Fremder unterwegs zu sein und als Fremder wieder zu gehen, ist zumindest derzeit nicht mein Way of Life. Ich werde noch eine Weile unterwegs sein und Geschichten wie ein Staubsauger aufsaugen. Bis der Tag kommt, an dem ich satt bin und wieder meine Basis zu schätzen weiß. Doch da bin ich noch nicht. Ich freue mich besonders auf einen vor mir liegenden Strand, warmes Meerwasser, coole Drinks und viele interessante Leute. Ich bin ein Kind der Achtziger. In der letzten Folge von Miami Vice standen Crockett und Tubbs an einem weißen Ferrari. Tubbs fragte Crockett, was er nach dem Quittieren des Dienst machen wolle. Seine Antwort lautete: «Ich fahre irgendwo hin, wo das Wasser warm ist, die Drinks kalt und die Frauen heiß sind.» Es muss ja nicht für die Ewigkeit sein – aber ein wenig davon gönne ich mir noch. Ich werde weiter zu berichten haben.

Demnächst stehen ein paar Tage in den Bergen mit Camping an. Dann ziehe ich weiter in die Hauptstadt von Laos. Wahrscheinlich werde ich von dort aus einen Kurzflug nach Thailand zum Meer nehmen, um dort die Inseln zu erkunden.