Das Symbol “Broder”

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https://www.welt.de/debatte/henryk-m-broder/article187962993/Henryk-M-Broders-Rede-vor-der-AfD-Bundestagsfraktion.html

Herr Broder, bekennender Anhänger des jüdischen Glaubens, Journalist und prominentes Mitglied des deutschen Bürgertums, begibt sich scheinbar als harmloses Beutetier in eine Gruppe von Löwen. Er bemüht dieses Bild selbst in seiner Rede vor AfD Vertretern. Das harmlose Beutetier kommt bei ihm nicht vor. Dies ist eine Erweiterung von mir. Ich interpretiere dieses Bild. Denn als ausgewachsener Elefant kann ich mich relativ sorglos in die Mitte von Löwen stellen.

Einem Herrn Broder darf ich eine exzellente rhetorische Ausbildung unterstellen. Insofern ist seine Eröffnung der Rede ein wesentlicher Punkt. Er verweist darauf, dass die GRÜNEN noch nicht so weit sind, jemanden wie ihn einzuladen. Er wurde also  eingeladen und jemand der IHN einlädt, hat ein besonderes Level erreicht. Ergo, hat er gleich beide Seiten, sich und den Einladenden auf ein besonders hohes Niveau gehoben. Sich selbst, den selbsternannten Erfinder der nüchternen Kritik und Intellektuellen, und den Gastgeber, der diese Skills erkannt hat. Ob diese Überzeichnung der eigenen Person in seinem Glauben schicklich ist, kann ich nicht beurteilen, dazu weiß ich zu wenig darüber.

In einem zweiten Schritt stellt er deutlich heraus, worum es in allen nachfolgenden Ausführungen gehen wird. Er stammt prinzipiell aus einem anderen politischen philosophischen Spektrum, jedoch sieht er einen gemeinsamen Außenfeind, der Brückenköpfe möglich macht: die GRÜNEN. Unter dieser Sammelbezeichnung sortiert er alle ein, die den Klimawandel nicht nur anerkennen, sondern eine Ursache u.a. im Gebaren der industrialisierten Staaten sehen. Dabei unterlässt er es auch nicht, eine Eigendarstellung abzugeben. Herr Broder trennt seinen Müll nicht u. findet Schiffskreuzfahrten gut. Seine Botschaft: Meine Damen und Herren, ich bin genauso bockig, wie sie auch! Das kommt einem Typen gleich, der sich eine Nase Koks in einer Bar reinzieht, um Sympathien beim restlichen anwesenden Klientel zu verschaffen.

Weiterhin findet er eine Position zur aktuell präsenten jungen Schwedin, die den Herrschenden stellvertretend für viele andere ihrer Generation die Leviten gelesen hat. Herr Broder hat offensichtlich damit Schwierigkeiten, die Anklage an seine Generation zu ertragen. Ein häufig zu sehendes Phänomen. Da kommt ein Jüngerer und stellt die eigene Lebensleistung in Frage. Aber für ihn ist das kein Problem, denn er akzeptiert einen Klimawandel, den habe es von Anbeginn der Zeiten immer gegeben, verneint jedoch die exponierte Stellung der aktuellen Phänomene und verweigert die Annahme der von hochrangigen Naturwissenschaftlern international abgesandten Botschaft: Wir, die Menschheit, sind ein erheblicher Faktor im Geschehensablauf.

Dabei müsste man nicht einmal den Klimawandel heranziehen. Die um sich greifende Umweltverschmutzung und der massive Raubbau, reichen vollkommen aus. Beides hat spürbare und für einen naturwissenschaftlich nicht ausgebildeten Reisenden, sichtbare Auswirkungen auf alles Lebende. Allein diese Dinge würden ausreichen, um der nächsten Generation eine Revolte gegen die bestehenden Denkmuster zuzugestehen.

Er spricht davon, dass er niemanden folgt, der ihm dafür die Glückseligkeit verspricht. Diese Worte, von einem Anhänger einer Buchreligion ausgesprochen, klingen in meinen atheistischen Ohren etwas widersinnig. Zwar gibt es im jüdischen Glauben keine Hölle, aber eine Gefolgschaft und eine Einhaltung von Regeln, um über den Tod hinaus ein gutes Bild abzugeben, ist doch zu unterstellen. Und damit gehöre ich zu den von Ihm angesprochenen Kreis der Ungläubigen, die sich einen “Ersatzfetisch” suchen u. in der Kritik am globalen menschlichen Gebaren bezüglich der Natur, einen gefunden haben. Bei einem Anhänger einer Buchreligion kann ich das nachvollziehen. Immerhin ist die eigene Verantwortung durch den göttlichen Willen beschränkt.

Im Gegensatz zu Herrn Broder, bin ich ein Anhänger der buddhistischen Philosophie. Ich lege dabei wert auf die Genauigkeit. Ich sage damit nicht, dass ich den zahlreichen Interpretationen, die nur allzu oft für die Organisation von Hierarchien benutzt werden, folge. Ich leite meine Verantwortung allein aus meinem eigenen Handeln ab und ersehe es als logisch, dass mein Handeln über den Tod hinaus eine Auswirkung hat.

Was macht Herr Broder mit dieser Rede? Er wäscht meiner Auffassung nach die Weste der AfD. In der Zeit vor 1933 sympathisierten diverse Deutsche mosaischen Glaubens mit den Nationalisten. Auch hier möchte ich mein Verständnis davon klar stellen. Nationalismus ist für mich die Unterordnung jeglicher Lebensaspekte zum Wohle einer Nation. Der Gegensatz ist die Differenzierung. Damit meine ich die Anerkennung anderer Bedürfnisse, wie z.B. der Anspruch eines Vaters seinen Kindern über die nationalen Bedürfnisse hinaus, eine erlebbare Welt zu hinterlassen, die mindestens die Vielfalt hat, wie ich sie in jungen Jahren einst kennenlernte.

Meiner eigenen Analyse nach, übersahen die damaligen deutschen Konservativen, darunter auch diverse Deutsche mit mosaischen Glauben, dass dieser Nationalismus nahezu immer über die Begründung eines Außenfeindes funktioniert. Das hat eine innere Logik. Nationalismus ist ein künstlich erdachtes System, jenseits des ursprünglichen menschlichen Verhaltens. Evolutionär sind wir auf dem Stand, dass wir uns in Horden organisieren. Modern nennen wir das “Bezugsgruppen”.  Dieser ordnen wir normalerweise unsere Bedürfnisse unter. Nationalismus ist ein Steuerungsinstrument von Massengesellschaften.

Herr Broder scheint auf einem konservativen Kriegspfad zu sein, bei dem er versucht die sich bockig separierten nationalkonservativen Kräfte wieder zu einen, damit sie gemeinsam gegen den progressiven Feind antreten können. Er kommt mir dabei vor wie ein überheblichen Nachfahren des Zauberlehrlings, der von sich selbst glaubt, mit den Geistern besser umspringen zu können. Den menschlich mindestens forcierten Klimawandeln anzuzweifeln, ist nichts anderes denn purer Nationalismus. Eine Zustimmung würde Folgen nach sich ziehen. Eine Nationen übergreifende globale Vernunft wäre notwendig. Das eifersüchtige Betrachten des eigenen Wohlstands und die Verteidigung dessen gegenüber anderen Nationen, würden der Vernunft widersprechen.

Herr Broder geht aus jüdischer Sicht verständlich, die Aussage des GRÜNEN Michael Cramer an, der sich auf eine Meta – Ebene begab, in dem er gedankliche Parallelen zwischen dem Holocaust und den Klimaleugnern herstellte. Einem wie Broder, hätte ich persönlich eine tiefere Analyse zu getraut. Das Leugnen des menschlichen Einflusses auf den Klimawandel ist unvernünftig und basiert auf politischen taktischen Überlegungen, einer konkreten Gruppe von Menschen. Der Holocaust war das katastrophale Ende eines Denkens, welches lange vor der widerlichsten Offenbarung des menschlichen Verhaltens aufkam. Entgegen jeglicher Vernunft, wurde ein Außenfeind gesucht, der innere Einigkeit schaffen sollte.
Diesem Außenfeind wurden die abenteuerlichsten Aktivitäten unterstellt. Es wurde etwas in Gang gesetzt, was in einem perfektionistisch und durchstrukturierten Land, mit einem unerschütterlichen Glauben an Autoritäten, zum bekannten Markerpunkt, der Menschheitsgeschichte führte. Es wurde also aus politischen taktischen Gründen, nämlich der Sicherung des Nationalismus, ein Mittel eingesetzt: Erschaffung eines Außenfeinds mit Hilfe aller bekannten rhetorischen Mittel und propagandistischen Manipulationstechniken. Immer entgegen der Vernunft. Außerdem wurde die Naturwissenschaft insofern missbraucht, in dem die Propaganda mit daraus entlehnten Begriffen gespickt wurde.

Was passiert heute? Die Nationalkonservativen wenden wieder einmal politisch taktische Mittel und Rhetorik an und setzen etwas in Bewegung. Jenseits aller Vernunft verweisen sie einen logisch und naturwissenschaftlich belegbaren Einfluss des Menschen in die Legende. Erneut finden wir uns in einer Zeit wieder, in der der Vernunft die Propaganda, von einem Neffen Sigmund Freuds – Edward Bernays – in Public Relations – umbenannt, entgegengesetzt wird. Es gilt Naturwissenschaftler und kritische Intellektuelle auszuschalten in dem man sie auf der Oberfläche angreift, Aussagen vereinfacht, Argumente umdreht usw.. Der jüdische Glauben hat weitestgehend in seiner Rolle des Außenfeindes ausgedient und erreicht nur noch wenige. Deshalb kann sich Hr. Broder bei der AfD für die Akzeptanz Israels bedanken. Seine Zuhörer sind längst einen Schritt weiter. Sie haben mittels Erschaffung von Stereotypen und Schubladen die “Flüchtlinge” für diese Rolle auserkoren. Alles zusammen ergibt ein Gesamtbild einer “Bewegung”, die einem nicht unbekannt erscheint.

Hr. Cramer mag sich unglücklich ausgedrückt haben u. erzeugt im ersten Anflug einen Reflex des Widerwillens, doch bei genauerer Betrachtung, ist seine These mindestens diskutierwürdig und mit Sicherheit kein Griff ins Plumpsklo. Nun wissen wir, dass Hr. Broder nicht der erklärte und legitimierte Sprecher aller Deutschen mit mosaischen Glauben ist. Er selbst stellt in seiner Rede fest, dass er oft instrumentalisiert wurde. Welche Idee er bei der Annahme der Einladung auch immer verfolgte, faktisch hat er sich präsentiert: “Hier stehe ich, macht mich bitte zu Eurem Instrument!”. Damit auch keinerlei Zweifel aufkommen, wurde er PR tauglich fotografiert.

In meiner Philosophie hat er gehandelt, muss sich damit selbst zur Verantwortung ziehen und seine Wirkung auf das gesamte Geschehen, von dem er ein Teil ist, anerkennen. Folgerichtig endet er mit den Worten:

“Also mache ich es kurz und schmerzlos: Vielen Dank für die Einladung. Ich hoffe, ich habe Sie nicht gelangweilt. Und ich wünsche Ihnen die Kraft und den Mut, sich selbst infrage zu stellen.”

Ja, dieser Mut und die Kraft ist ihm zu wünschen. Mir wurde vor wenigen Jahren die Botschaft zu teil: “Beenden Sie den Kampf gegen das vermeintlich Böse und unterstützen Sie das ihrer Meinung nach Gute.” Gut und Böse sind Definitionen und sind abhängig vom Betrachter. Meiner Meinung nach, hat sich Hr. Broder der Unvernunft zugewandt, während die junge Schwedin Greta Thunberg an die globale Vernunft appelliert. Selbstkritisch muss ich einräumen, dass ich früher jungen Menschen ebenfalls eine politische Weitsicht absprach.

Mit Sicherheit wird auch sie instrumentalisiert. Dem kann heutzutage niemand entkommen. Und selbst wenn sie ein Teil einer PR Kampagne ist, ist sie immer noch ein Teil der Unterstützung der Vernunft. Warum hierfür nicht die Mittel der PR einsetzen? Ich wundere mich schon länger, warum seitens der Menschen, die eine Abkehr vom unvernünftigen, nationalistischen und zerstörerischen Verhalten des Menschen einleiten wollen, dieses Mittel der Massensteuerung nicht viel häufiger genutzt wird. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige ehemalige Kämpfer für die andere Richtung ihre Verantwortung entdeckt haben und Willens sind, die anderen zu unterstützen.

German way …

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Das mächtigste Wort, welches jemals im Gehirn des Menschen erdacht wurde, ist meiner Meinung nach: Warum? Es ist Ausdruck für ein tief sitzendes Bedürfnis des Menschen, der Sache auf den Grund zu gehen. Warum brennt Holz? Warum laufen die Beutetiere diesen Weg entlang? Warum wächst eine Pflanze dort? Dies waren mit die ersten Fragen der Menschheit.
Wir erleben dies heute in einer Entwicklungsphase eines Kindes. Den lieben langen Tag fragen sie uns nach dem «Warum», bis wir eines Tages antworten: «Warum ist die Banane krumm?» Wir wollen nicht alles hinterfragen und wollen auch nicht für alles, was wir tun, eine Begründung abgeben. Oftmals haben wir auch gar keine Antworten. Es besteht auch keinerlei Verpflichtung dazu, jedem unsere Gründe darzulegen.

Für uns selbst sollten wir dazu in der Lage sein, uns eine Begründung für das eigene Handeln zu geben. Entweder es gibt einen vernünftigen Grund oder wir handeln einfach nur zum Spaß. Dieses Verhalten nennen wir vernünftig, alles andere ist unvernünftig. Die Unvernunft kann daraus resultieren, dass wir instinktiv handelten oder uns unseren Gefühlen hingegeben haben. Aber das wäre eine Antwort: Ich habe instinktiv gehandelt. Auf jeden Fall wären wir uns durch die Antwort auf die Frage «Warum?» Unseres Handelns bewusst.

Häufig gegebene Antworten lauten: «Ich habe mich an die Regeln gehalten.», «Ich habe mich an das Gesetz gehalten.», «Ich habe eine Weisung befolgt.». Je mehr Regeln, Gesetze und Weisungen existieren, um so mehr können wir unsere eigene Verantwortung abgeben und die Überlegung nach den Gründen für unsere Handlung vernachlässigen. Am Ende hat niemand mehr eine Verantwortung für irgendetwas. Diejenigen, welche die Regeln erdachten sind längst verstorben oder berufen sich darauf, dass sie die Weisung bekamen eine aufzustellen.

Die Worte verantwortlich und unverantwortlich verlieren ihre Bedeutung und werden von regelkonform und irregulär ersetzt.

Wer verantwortlich und vernünftig leben will, muss die Regel prüfen, bevor er nach ihr handelt. Sie ist eine gedankliche Anregung, mehr aber auch nicht. Nicht alles, was sich ein verwirrter Jurist ausdachte und irgendwie durch die Instanzen gebracht hat, entspricht auch nur ansatzweise der Vernunft. Wir haben tausende schriftlich festgehaltene Regeln, die uralt sind und vor dem Hintergrund eines Zeitgeistes entstanden, der lange Geschichte. Zeitgeist hat nichts mit Vernunft zu tun.
Der Nachteil ist dabei, dass ich im Falle eines Schadens, verantwortlich gemacht werde. Die Menge der Schäden wird abhängig von meiner Fähigkeit sein, eine vernünftige Entscheidung zu treffen. In Deutschland unterstellen wir der Mehrheit, die Unfähigkeit hierzu. Deshalb haben wir unser Leben bis in die Tiefe regulieren lassen.

Hieraus entstehen unzählige Probleme bis hin zu historischen Katastrophen. In der Auswertung sehen wir uns mit ganzen Gesellschaften konfrontiert, die im Chor sagen: Wir haben nur die Regeln und Weisungen befolgt. Ich habe meine eigenen Regeln. Eine davon ist, dass ich fremde Regeln hinterfrage.

Erscheinen sie mir nicht vernünftig und es folgt auf eine Nachfrage hin keine Begründung, die dies ändert, breche ich sie im Zweifelsfall. Zur Einhaltung einer Regel, die diesen Kriterien nicht genügt, muss ich gezwungen werden. Die Zeiten, in denen ich Regeln ohne Fragen einhalte sind vorbei. Wie gesagt, der Umwelt bleiben ja immer noch die Zwangsmittel, um mich zur Räson zu bringen.

Die Mehrheit antwortet auf die Frage: Warum stiehlst Du nicht?, spontan: «Weil es verboten ist!» Das ein anderer hierdurch einen schmerzlichen Verlust erleiden kann, den jeder von uns schon mal verspürte, kommt selten in den Sinn. Das lässt tief blicken. Ich stelle nicht in Abrede, dass es im Gegenzuge Regeln gibt, deren Sinn nicht ansatzweise in Zweifel zu ziehen ist.

Nun mögen einige meinen, dass es eine recht arrogante Position ist, selbst über Sinn und Unsinn, einer Regel zu entscheiden. Dem möchte ich entgegenhalten, dass ich für das Ergebnis meines Handelns so oder so verantwortlich bin. In dem Augenblick, wo ich auf den Rückzug auf die Regelkonformität verzichte, wird das Urteil eines anderen für mich obsolet. Dann kann ich auch von vorneherein meine Maxime anwenden. Ich muss die Folgen meines Handelns mit mir selbst ausmachen.

Mir sind die Überlegungen dazu häufig durch den Kopf gegangen, wenn ich irgendwo las, dass sich Polizisten gefälligst an Recht und Gesetz zu halten haben. Damit die Sache nicht vollkommen aus dem Ruder gerät, führten vernünftige Menschen im Ordnungswidrigkeitengesetz das Opportunitätsprinzip ein. Demnach kann der Polizist es bei geringeren Regelverstößen bei einer Ermahnung belassen. Eine der sinnvollen Regelungen.
Früher sagte ich im Dienst: «Wer alles richtig macht, macht alles falsch!» Wenn sich einer an alle Dienstvorschriften und Geschäftsanweisungen hält, wird er scheitern. Mindestens auf der menschlichen Ebene wird er seine Probleme bekommen. Es ist erschreckt mich beinahe, dass ich diesen Begriff überhaupt kenne. Eigentlich sollte alles auf den Menschen ausgerichtet sein. Ist es das nicht, muss es falsch sein.
Der ständige Druck Regeln einhalten zu müssen und mich bei geringsten Verstößen, vor allem wenn sie menschlich sind, einer Bestrafung, dem Verlust von Reputation oder gar Zuwendungen ausgesetzt zu sehen, hat mich krank werden lassen. Ich denke, ich bin da nicht alleine. Neulich las ich bei Twitter: «In einem System, welches einen krank gemacht hat, kann man nicht gesunden.» Ich bin dem Verfasser dieser Worte sehr dankbar. In einem anderen Zusammenhang las ich die Worte: «Wer sich stets entschuldigt, lebt in einer Welt voller Richter!»
Auch für diese Erkenntnis eines anderen, bin ich dankbar. Beides zusammen gibt mir eine neue Richtung vor. Und damit ich es auch gar nicht vergesse, bekam ich in letzter Zeit immer mal wieder einen Schlag auf den Hinterkopf: «You can do it in the german way, but …!» Diesen Satz habe ich mittlerweile verinnerlicht.

Manches mag nicht funktionieren, wenn es nicht nach «German way!», läuft und jegliche Perfektion wird man nicht finden … aber das ist der menschliche Weg, die Sachen anzugehen. Wenn etwas nicht funktioniert, dann ist das halt so und unter Umständen auch nicht so wichtig.Vieles, was ich derzeit aus Deutschland höre, ist im klassischen Sinne: «German Way!» Spätestens bei meiner Rückkehr werde ich mich damit wieder auseinandersetzen dürfen. Und ich muss mich fragen, wie ich damit umzugehen gedenke. Während ich dies schreibe, stellt mir die Bedienung den dritten Kaffee hin und kommt nicht auf die Idee, die anderen Tassen abzuräumen. Ich glaube, die Mühe wird sie sich erst machen, wenn ich gegangen bin. Der Bartender kommt auch mit Sicherheit nicht auf die Idee, sie dafür zu rügen. Sie lacht herzlich und freut sich. Das ist mehr Wert, als der saubere Tisch.

Wer meinen BLOG verfolgt, kennt meine Einstellung zum Menschen. Ein haarloser Affe, dessen Verhalten zu einer hohen Prozentzahl äffisch ist. Affen spielen ihre Spiele auf dem Affenfelsen. Zumeist aus Langeweile. Jeden Tag, wenn ich mich an den Strand setze um den Sonnenuntergang zu sehen, bestätigen mich die vorbeiziehenden Touristenhorden darin. Bleibt man längere Zeit an einem Ort, wird man irgendwann gezwungen die Spiele der Horde mitzumachen.

Spiele bestehen aus Regeln, Mitspielern und einem Spielverlauf.

Will man nicht zum Mitspieler werden, muss man sich entweder einen abgelegenen Platz suchen oder man zieht weiter. Ich kenne eine ganze Menge Spiele, bei denen ich nicht mehr gewillt bin, sie mitzuspielen. Das wird irgendwann Entscheidungen erfordern. Aber bis dahin ist noch Zeit für viele BLOG Beiträge.

Verwirrende Welt

Lesedauer 2 Minuten

Heute war wieder ein merkwürdiger Tag. Nachdem ich ein wenig an meinem neuen Buch arbeitete, nicht ganz einfach,weil ich alles in Englisch schreibe, machte ich mich auf den Weg zu meinem Lieblingsplatz am Strand. Dort traf ich auf einige «Locals», die mich mit großen Hallo und einem Bier empfingen. Allesamt arbeiten an einem Stand, an dem Touristen Jetskis mieten können. Der erste Kunde war ein Typ mit einem «Cuba Hut», Sonnenbrille, Tank – Top, Flip Flop, knielange Badehose und stylischen Bart … Typ Nord – Afrikaner. Wie sich später zeigte, lag ich nicht falsch, es handelte sich um einen Syrer. Seine Begleitung trug eine Burka, doch das Gesicht war frei. Die Verhandlung führte er. Beide zogen mit ihrem Jetski los.
Wenige Minuten danach erschien ein ähnlicher Typ. Seine Begleitung hatte nicht nur das Gesicht verdeckt, sondern trug auch noch eine verspiegelte Sonnenbrille. Beide Frauen, die erste und die zweite zogen sich eine Rettungsweste über der Burka an. Interessanterweise durften sie ans Steuer.

Nach einer halben Stunde kehrten sie wieder zurück. Ich weiß nicht warum, aber der Erste fühlte sich veranlasst mich anzusprechen. Ihn interessierte, woher ich käme. Nach meiner Antwort sagte er zu Frau, dieser Mann kommt aus Deutschland, dem Land, welches uns die Juden geschickt hat. Es entspricht nicht der Art eines Travellers, auf solche Dinge einzusteigen. Deshalb sagte ich ihm, dass für mich Menschen nackte Affen auf einem Felsen sind, die etwas zu spielen brauchen und zeitlebens damit beschäftigt sind, einem großen Affen mit roten fetten Arsch zu folgen, der oben auf dem Felsen sitzt. Ich halte mich aus den Affenspielen heraus und bin als Traveller nur ein Beobachter auf verschiedenen Affenfelsen. Zu meiner Verwunderung lächelte die Frau hieraufhin. Er stellte mir sie als seine Mutter vor. Er selbst, ein syrischer Geschäftsmann, würde in Schweden leben. Obwohl er überzeugter Atheist sei, respektiere er ihre Art den Glauben auszuleben. Damit wurde die Angelegenheit für mich verwirrend. Danach lobte er Deutschland in den höchsten Tönen und das sein Land diesen Stand erreichen wolle. Ich entgegnete daraufhin, dass das nach dem gescheiterten nordafrikanischen Frühling, der am System des Patriarchats, also vom Affen mit dem roten Arsch, gestoppt wurde, nichts erden würde. Wenn überhaupt müsste sich die junge Generation einig sein und an einem Strang ziehen. Meine Generation ist grandios gescheitert, also kann ich mich nur noch zurücklehnen.

Zwischenzeitlich kam das andere Paar zurück. Beide aus Saudi – Arabien. Auch die beiden stimmten mir zu. Danach verließen alle den Ort und ließen mich verstört zurück. Beim besten Willen … ich verstehe diese Menschen nicht. Einerseits beschließen sie, im Mittelalter zu leben und auf der anderen Seite wollen sie eine gemeinsame Zukunft gestalten. In mir wächst langsam ein Verdacht. Ist diese ganze Burka Nummer bei den Jungen eine Art Pop – Kultur, wie Sicherheitsnadeln im Gesicht? Fakt ist jedenfalls, dass eine nicht zu verachtende Zahl an Muslimen auf Langkawi große Mengen Bier vernichtet. Wie gesagt … alles sehr verwirrend. Mein letztes Highlight waren tanzende Burkas zu Reggae Songs von Bob Marley.

Botschaft aus der Ferne

Lesedauer 6 MinutenKinder sind nicht nur Reproduktion, sondern sie sind auch ein Spiegel unserer selbst. Ihr Verhalten zu beobachten ist eine sichere Methode, seine eigenen Verhaltensmuster zu erkennen. Verhaltensmuster, die oftmals von Generation zu Generation weiter gegeben werden. Ich glaube, dies steckt auch in der deutschen Redensart: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Nicht alles, was wir sehen und beobachten, mag uns gefallen. Doch wir kommen nicht daran vorbei, dass wir uns selbst und die Auswirkungen unseres Verhaltens sehen.

All zu oft machen wir den Fehler, den Wunsch zu hegen, dass unsere Kinder ein Leben führen, wie wir es führen. Unsere eigenen Erfolge, oder was wir dafür halten, ersehen wir als Bestätigung für eine richtige Lebensweise. Eine Lebensweise, die von Wertvorstellungen, Verhalten in der Gesellschaft und Umgang geprägt ist. Jede Generation und Gesellschaftsschicht, entwickelt sie vor dem Hintergrund des Zeitgeschehens neu oder weiter. Verhaltensmuster, die in einem Krieg richtig waren, sind nach dem Krieg unter Umständen falsch. Gleiches gilt für die, welche in der Nachkriegszeit gebildet wurden. Es ist mehr als fraglich, das alle alten Muster auf die aktuelle Zeit anwendbar sind. Wichtige und alle Zeiten überdauernde gibt es nur handverlesene. Meiner Meinung nach, gehört dazu der Respekt vor allem Lebenden und die Erkenntnis, dass alles eine Produktion unseres Großhirns ist.

Der Zweite Weltkrieg und die damit verbundenen Geschehnisse haben Spuren hinterlassen. Innere Grenzen wurden verschoben. Wer mit täglicher körperlicher Gewalt konfrontiert ist, verliert ein Bewusstsein für sprachliche Gewalt. Viele aus der sogenannten deutschen Nachkriegsgeneration merken nicht, wie sie verbal ständig Leute verprügeln und selbst verprügelt werden. Das gesunde Empfinden für die eigenen und die Grenzen eines anderen Menschen wurde zerstört. Eine Grenzverletzung, die nicht mittels körperlicher Gewalt stattfindet, ist in der Sicht dieser Menschen keine. Immer, wenn ich versuche meine Verhaltensmuster, die auf meinen eigenen Erfahrungen, Ängsten und Bedürfnissen beruhen, einem anderen Menschen aufzuzwingen, übe ich Gewalt aus. Besonders wenn ich dies mit einem dazu passenden Wortschatz begleite. Letztlich erzeuge immer eine Verteidigungshaltung.

Erziehung endet mit der Vermittlung der grundlegenden Kenntnisse. Wir werden mit dem kompletten Potenzial eines modernen Menschen geboren, welches mittels der nachfolgenden Erziehung und Sozialisation beschränkt wird. Die Eltern, bereits sozialisierte und in ihrem Potenzial beschränkte Menschen, versuchen einen Menschen zu erschaffen, der zum einen Beitrag für die Gesellschaft leistet und zum anderen ein Abbild ihrer selbst ist. Zeigt sich der Nachwuchs damit nicht einverstanden, kommt es zu einem negativen Konflikt, der nicht selten mit einer Verteidigung endet.

Es ist mehr als fraglich, wie ein Mensch der seine grundlegende Sozialisation in der Nachkriegszeit erhielt, einen jungen Menschen aus dem digitalen Zeitalter, beraten soll. Ich wüsste zum Beispiel nicht, was ich einem Zwanzigjährigen über Berufswahl, Bewerbungen, Studium oder Absicherung mitzuteilen hätte. Mein Wissensstand ist ca. 30 Jahre alt. Da draußen gibt es jede Menge Berufe, von denen ich niemals etwas hörte. Das Studium in Deutschland hat sich vollkommen verändert. Keiner kann in der aktuellen Zeit ernstzunehmende Prognosen aufstellen. Derzeit ändert sich vieles … mit einer Ausnahme: das menschliche Verhalten.

Ich kann maximal berichten, wie ich es anging und wo es mich hingeführt hat. Prinzipiell verfahre ich nach dem Motto: Wenn ich ein Problem mit der Elektrizität habe, frage ich einen Elektriker und nicht einen Wasserinstallateur. Warum sollten mich meine Kinder nach Rat in Dingen fragen, die wahrlich nicht mein Spezialgebiet sind. Ich war 33 Jahre lang Beamter, da kenne ich mich aus, das war es dann.

Ich habe unzählige Lebensmodelle kennengelernt. Ich kenne Menschen, die Leben im Wald. Andere leben in einem besetzten Haus. Wiederum andere leben in schicken Häusern oder legen Wert auf einen gepflegten Garten. Ich kenne Leute, die leben in Öko – Gärten, andere versuchen ZEN Gärten zu gestalten. Chaos, stylish, spießig, spartanisch, üppig, jeder findet seine eigene Antwort und jede hat ihre Berechtigung. Der eine will den Nachbarn etwas zeigen, der nächste will sich verstecken und einem anderen, ist das alles egal.

Auf der anderen Seite habe ich viele Menschen kennengelernt, die anderen und vor allen ihren Kindern mitteilen, dass ihre Vorstellungen richtig sind. Warum tun sie das? Unter anderen, um sich selbst eine Bestätigung zu verschaffen. Lebt einer in Ordnung, passt sich den gängigen Gepflogenheiten an und versucht nicht aufzufallen – meist eine Folge der erwähnten Grenzverschiebungen und erlittenen Trauma –, erscheinen ihm gegensätzliche Lebensweisen suspekt. Er sieht sich selbst in Frage gestellt. Das funktioniert auch anders herum. Letztens hörte ich von einer jungen Frau, dass sie auf die Äußerung des Berufswunsches «Polizei» mit den Worten: «Du wirst nicht eine Hure des Staats», eine Ohrfeige bekam.


Mein Rat an meine Kinder lautet: Seht Euch genau die Verhaltensmuster in Eurer Familie an. Da kommt ihr her und das hat man Euch in den Kopf gepflanzt. Sie sind gleichzeitig die Grenzen Eures Potenzials. Schaut Euch die Konflikte an und fragt Euch, woher sie kommen. Achtet darauf, wie sie ausgetragen werden. Fragt Euch, aus welcher Zeit die erkannten Muster kommen und setzt sie in Bezug zu Eurer Zeit.

Wer Euch sagt, ihr sollt aufhören zu träumen und ihr müsst etwas leisten, hat seine Träume selbst aufgegeben. Wer Euch sagt, ihr sollt dankbar sein, spricht davon, dass er in erster Linie etwas Gutes für sich und die eigene Seele getan hat. Spricht einer von Enttäuschung, sagt er damit, dass er sich getäuscht hat. Das ist sein Problem, nicht Euer. Euer Leben ist nicht dafür da, seine irrealen Annahmen real werden zu lassen.

Ihr habt die freie Entscheidung, wie ihr das Euch gegebene wertvollste, nämlich Lebenszeit, nutzt. Nutzt sie zum Geldverdienen, das Erlangen von Bestätigungen, beweist anderen das ihr viel besser seit, macht das, was man Euch sagt, befolgt die Regeln, lebt in Angst vor Repressalien, verbringt die Zeit mit Sorgen, in der Gefahr, dass das Befürchtete nicht eintritt, macht die Probleme und das Leben anderer Menschen zu Euren eigenen … oder lebt einfach nach Eurer Façon das eigene Leben.

Wenn derjenige, welcher vor Euch steht und erklärt, wie man es richtig macht, nicht einen seltsamen Schimmer um sich herum hat, unter seinen Füßen Blumen wachsen und allgemein in logische Weisheiten von sich gibt, ist es nicht Buddha und er hat auch nicht die richtige Antwort. Die müsst ihr mühsam alleine suchen.

Und umso aggressiver und aufgeregter einer ist, desto geringer ist seine Gelassenheit und das Wissen über die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Eines dieser wichtigen Dinge, ist die Tatsache, dass jeder nur ein Abbild auf der inneren Leinwand des anderen Menschen ist. Ein Abbild welches mittels einer Linse projiziert wird, die aus Emotionen, eigenem Erleben, unzulänglichen Sinnesorganen und Gedankenfehlern eines fehlbaren Gehirns, besteht.

Ich habe gelernt, dass jeder Besuch, jeder Kontakt, jedes Wort, das meine Kinder an mich richten, etwas sehr Wertvolles ist. Denn ein anderer junger erwachsener Mensch hat Lebenszeit für mich veräußert. Diese Zeit nicht wertzuschätzen, sie mit Ratschlägen, falschen Sendungsbewusstsein, Vorwürfen und all den ganzen anderen Kram zu belasten, würde einem Wegwerfen gleich kommen. Das ist alles nicht mehr mein Job. Es stände ihnen jederzeit frei, mich für einen alten grantigen Sack zu halten, der ihnen mehr Energie entzieht, als er gibt. Wer seinen Kindern und Enkeln ständig das Leben erklärt, spricht genau genommen nur über sich selbst und zeichnet ein Selbstporträt.


Unter dem Eindruck des Ereignisses, das ein 24 jähriger junger Mann von einer Palme erschlagen wurde, schrieb ich hier, dass der Tod mein bester Ratgeber ist. Ich musste auch darüber nachdenken, was mir das über mein Verhältnis zu meinen Kindern zu sagen hat. Im schlimmsten Falle müsste ich damit leben, das meine letzten Worte an ihn völlig unsinnig waren. Wäre ich der Mann unter der Palme gewesen, ist das Bild, welches ich kurz zuvor bei meinen Kindern hinterließ, mein Vermächtnis, welches für lange Zeit weitergegeben wird.

Er war ein stets ängstlicher und von Sorgen über seine und die Zukunft der Welt geplagter Mann. Einer, der beseelt von einem Sendungsbewusstsein, allen das Leben erklären wollte. Ein Mann der stets im Wettstreit mit anderen Männern stand. Seine Identität und Selbstbewusstsein weniger mit seiner Existenz, denn über seine Leistungen begründete. Jemand der anderen erst echten Respekt zollt, wenn sie Leistungen erbrachten und im Kampf Siege errungen? Nein, das ist nicht das Abbild, welches ich hinterlassen möchte. Mich würde freuen, wenn sie sich an einen Mann erinnerten, der ihnen zeigte, das Gelassenheit und die Erkenntnis das der Sinn des Lebens in der Existenz des Lebens selbst liegt. Einer, der in geistiger Freiheit lebte und sie deshalb auch anderen zugestand. Ein Mann der verstanden hat, dass sich erst ganz zum Schluss zeigt, was dieses Leben auszeichnete.

In der Grabrede, die man interessanter Weise selbst nicht zu hören bekommt, wird immer der gleiche Mist erzählt. Selbst der übelste Despot, wird nachträglich noch zum umgänglichen Zeitgenossen. Doch jeder der Trauergäste trägt sein eigenes Abbild des Verstorbenen in sich. Wenn überhaupt, habe ich eine geringe Chance, die erwähnte Linse bei meinen Kindern ein wenig mitzugestalten. Ein bedenkenswerter Umstand. Wenn das Schicksal gnädig ist, denken sie 30 Jahre nachdem ich längst zu Staub verfallen bin, alles völlig anders gekommen ist, wie ich es mir ausgemalt habe, an einen Mann, der sich dessen bewusst war. Deshalb bin ich mit meinen Ratschlägen auch sehr vorsichtig geworden. Wenn sie sie in der Vergangenheit alle befolgt hätten, wären sie genau an den Punkten gelandet, an denen ich selbst ankam. Auch das ist bedenkenswert.

Hätten alle Menschen auf Sicherheit gesetzt, auf die Ratschläge ihrer Eltern gehört und sich den bestehenden Verhältnissen angepasst, wäre uns viel entgangen. Von Leonardo da Vinci, Rembrandt, Picasso, Bach, den Beatles bishin zu den großen Denkern der zurückliegenden Epochen, die Französische Revolution, das Zeitalter der Aufklärung, nichts davon hätte stattgefunden. Wer weiß … wie alles kommt.

Einstellungsvoraussetzung Abitur? Warum?

Lesedauer 4 Minuten1988 – In einem schlecht ausgeleuchteten Büro, dessen Mobiliar zu großen Teilen aus der Zeit zwischen 1950 – 1970 stammt, sitzt ein einundzwanzigjähriger junger Mann vor einer mechanischen ADLER – Schreibmaschine. Neben ihm sitzt eine betagte Rentnerin. Außerdem sitzt im Raum an einem Blechschreibtisch, durch diverse Büropflanzen fast vollständig verdeckt, ein untersetzter Typ um die Mitte vierzig. Er hat es sich gemütlich gemacht und trägt Latschen. Sein schütteres Haar trägt er kreativ gescheitelt. Ein wenig wirkt er, wie eine Figur aus einem alten deutschen Schwarz .- Weiss – Film.

Der alten Dame wurde am Berliner Kurfürsten Damm die Handtasche gestohlen. Ruhig, von Fragen des jungen Mannes geführt, beschreibt sie die Tasche und den Inhalt. Nach einer Weile beendet er das Protokoll und legt es mit einer beinahe unterwürfig wirkenden Geste dem am Tisch sitzenden Mann vor. Dieser zündet sich eine Zigarette an und beginnt zu lesen. Nachdem er fertig ist, hebt er den Kopf und sieht den Jüngeren mit einer Mischung aus Verachtung und Ungläubigkeit an.

«Was ist denn bitte – mauve -?», grunzt er.
«Ein dunkles lila.», entgegnet der Jüngere.
«Aha! Und Anilinleder?»
«Ein weiches Leder mit besonderer Färbung.»
«Und woher weißt Du, das die Uhr von Cartier ist?»
«Das hat die Frau gesagt.»
«Die kann viel erzählen. Wenn es keine war und wir finden den Kerl, was nicht passieren wird, und es ist keine echte, hast Du ein Problem. Ändere das gefälligst. Erlangungsgut sind eine Damenhandtasche, Format DIN A4, weiches Leder, Farbe: lila, Damenarmbanduhr, gebraucht, gemäß eigener Angabe CARTIER, goldfarben. Und merke Dir verdammt noch mal, die Amtssprache ist deutsch.»

Der junge Mann war ich. Abitur, zwei Jahre BWL, abgebrochen und zu diesem Zeitpunkt in der praktischen Ausbildung in einem Kommissariat für einfache Diebstähle. Es folgten Jahre, in denen ich die tradierten Formeln der Alten mit eigenen Erfahrungen ausfüllte.

«Der Polizist steht mit einem Bein immer im Knast.»; «Polizei ist geregelte Armut.»; «Die Polizei ist kein Wunschkonzert.»; «Ober schlägt immer unter!», «Ein Bericht muss einfach, klar und wahr sein.» «Ein erfahrener Polizist schreibt mit einem Bericht den Arsch an die Wand.»; «Wer schreibt, der bleibt!»; «Wen Du mit zwei Seiten nicht in U -Haft gebracht hast, ist unschuldig.»; «Gehe nur zu Deinem Fürsten, wenn er Dich ruft!»; «Die Polizei ist kein Diskutierverein und auch keine Demokratie.»; “Das ist alles gewollt!”; “Das ist Politik, Klappe halten, machen, auch wenn es sinnlos ist.”

Diese Aufzählung könnte ich noch um einiges ergänzen.

Polizisten schreiben grundsätzlich im passiv. Sie handeln im Auftrag oder für jemanden. Weiterhin vermeiden sie es, sich mit einer Aussage festzulegen. Richter kennen dieses Problem zu Genüge, wenn sie es mit einem Polizeizeugen zu tun bekommen. Dies wirkt sich langfristig auf die Psyche aus.

In den zurückliegenden Jahrzehnten ist die Eigenverantwortung stets geschwunden. Die modernen Kommunikationsmittel ermöglichen höheren Positionen einen unmittelbaren Zugriff auf das Geschehen. Gleichsam ist es dem niederen Beamten, jederzeit möglich, eine Entscheidung weiter oben einzufordern. Solche Prozesse verselbstständigen sich und bleiben nicht ohne Folgen. Beispielsweise neigen Menschen dazu, die Verantwortung für ihr Handeln abzugeben, wenn sie ihr Umfeld und ihre Arbeit nicht mehr eigenständig gestalten können.

Neben den neuen Kommunikationsmitteln gibt es zweiten wesentlichen Faktor, der die Polizei maßgeblich veränderte. Mitte der 90er wurde mittels der Einführung moderner Begriffe aus dem Management versucht, der Polizei einen neuen modernen Anstrich zu geben. Bei Besprechungen schwirrten plötzlich «Balanced Scorecard», «Gender Mainstreaming», «Assessment Center», «Outsourcing» und «Kompetenz Zentren» durch den Raum. Damit einhergehend änderte sich die Optik in den Führungsetagen. Die Tischdeckchen und das Porzellangeschirr der Altvorderen wurden entsorgt und durch stylische Teekannen, Wasseraufbereiter und moderne Kunst ersetzt. Der praktische «Cordhosen Typ» verschwand und in die Büros der oberen Etagen zogen gestylte dynamische Anzugträger ein.

Nach der Polizeireform 1974 wurde Quereinsteigern der unmittelbare Zugang zum «Gehobenen Dienst» ermöglicht. Vorher musste der lange Weg durch die Polizei genommen werden. Voraussetzung war ab sofort ein Abitur. In seiner ursprünglichen Idee ist das Abitur bekanntermaßen eine Vorbereitung auf ein akademisches Studium gewesen. Die Abwertung der anderen Schullaufbahnen Hauptschulabschluss und Realschule, führte dazu, dass Arbeitgeber, die einen höheren Anspruch anmeldeten, nur noch Abiturienten einstellten. Hierzu zählte sich auch die Polizei. Es wurde eine Fachhochschule eingerichtet und künftig «studierten» die Anwärter. Ein ernstzunehmendes akademisches Studium ist das zu keinem Zeitpunkt gewesen und wird es auch niemals werden. Die Polizei ist und bleibt ein Dienstleister, der höheren politischen Ebenen zuarbeitet. Gesetze werden nicht im Sinne einer Rechtswissenschaft vermittelt, sondern es wird ein Basisrüstzeug übergeben.

Der Absolvent kommt nicht daran vorbei, dass er sich in einer Hierarchie mit einem Linienführungsprinzip wieder findet. Eben so wenig wird er vermeiden können, sich mit den angeführten Grundprinzipien auseinanderzusetzen. Das führt mich zur Frage nach der Sinnhaftigkeit eines Abiturs. Leisten sich beide Seiten, die Polizeibehörde und der Abiturient, damit wirklich einen Gefallen?

Abitur ist nicht Abitur und das Selbstverständnis der Abiturienten unterscheidet sich. Für mich war das Abitur eine Bestätigung dafür, dass ich kritisches analytisches Denken, die Fähigkeit eines Eigenstudiums und ein Grundwissen erlangt hatte. Von alledem konnte ich geschätzte 10 % in meinem Berufsleben unterbringen. Die anderen 90 % erwiesen sich eher hinderlich. Übertrieb ich es mit der Analyse und der Kritik, bekam ich das schnell zu spüren.

Mit einigem Abstand kann ich das nachvollziehen. Eine Struktur, wie eine deutsche Behörde, ist mit Leuten dieser Ausprägung nicht handlungsfähig und muss sich dieser erwehren. Doch warum dann ins Boot holen? Wäre es nicht sinnvoller sich Leute ans Land zu ziehen, die mit einer anderen Erwartungshaltung an einen Beruf herangehen? Zugeschriebene Fähigkeiten erlernen, umsetzen und die Verantwortung nach oben delegieren, ist das tägliche Brot eines jeden Betriebsangestellten in der Produktion. Und ich bitte darum, dies ohne jegliche Bewertung zu verstehen.

Andererseits räume ich ein, dass die Polizei einem mittelmäßigen Abiturienten eine nicht zu verachtende Chance gibt. In wenigen großen Firmen erlangt man recht zügig eine Personalverantwortung für 20 Leute, wenn man gerade mal mit einer 3,5 abgeschlossen hat, die dann mit einer 1,5 auf der deutlich einfacheren Fachhochschule ausradiert wird. Insofern ist es ein Anspruch an sich selbst. Ich glaube, man sollte an berufener Stelle nochmals über die Reform nachdenken. Einfachere Aufstiegsmöglichkeiten in der Laufbahn und niedrige Voraussetzungen beim Einstieg. Der Berufsanfänger kann sich dann bei passender Qualifikation nach oben durchkämpfen. Heutzutage werden fähige Leute aus dem mittleren Dienst zumeist geblockt. Ich kenne Polizeikommissare, die niemals die Chance bekommen werden, weiter aufzusteigen, jedoch die Aufgaben eines Hauptkommissars bewältigen.

Nur so eine Idee von einem Aussteiger, der es mit Gelassenheit sehen kann. Doch vielleicht liegen derartige Pläne bereits in Schubladen. An die Einführung einer zweigeteilten Laufbahn glauben lediglich sehr naive Menschen. Ein Heruntersetzen der Zugangsvoraussetzungen könnte eine geringe Besoldung rechtfertigen. Lediglich gezielt besetzte Führungspositionen, die über einen längeren Zeitraum, in dem sie intern aufstiegen, weniger bekamen, werden mit dem Sold des gehobenen Dienstes bezahlt.