12 Januar 2019

Pustekuchen .. ich muss nicht jeden ernst nehmen.

Lesedauer 5 Minuten

Als ich 1987 bei der Kriminalpolizei eingestellt wurde, tobte eine Diskussion über die Legitimität des ASOG Berlin. Die beiden Hauptakteure dieser Auseinandersetzung waren der damalige Innensenator Kewenig und Prof. Dr. Schwan. Hauptsächlich ging es um die seitens des Bundesverfassungsgerichtes bemängelte Zuständigkeitsregelungen. Für die Gefahrenabwehr ist eben nicht nur die Polizei, sondern diverse Ordnungsbehörden zuständig. Gelebte Praxis war damals allerdings: Ordnungsbehörde hat keine Zeit – Polizei übernimmt. Der Streit eskalierte, als Herr Prof. Dr. Schwan in einem Radiointerview gefragt wurde, welche Möglichkeiten der Bürger hat, wenn der Staat sich nicht an die Vorgaben der Verfassung hält. Er antwortete: «Im Zweifel gilt dann, Knarre in die Hand.» Hieraufhin schäumte der Innensenator, denn immerhin unterrichtete der Professor an der Fachhochschule für Verwaltung – und Rechtspflege. Der Senator verlor und wir durften im Unterricht seine fragwürdigen Rechtsgutachten auswerten. Ich erinnere an den Kessel, der zu einigem Befremden führte.

Was war das für eine Zeit? Die Mauer stand noch und man musste sich noch mit Alliierten Vorgaben auseinandersetzen. Telefonüberwachungen wurden über «Alliertes Recht» geregelt und auf eine kleine Anfrage im Abgeordnetenhaus, verschwand plötzlich eine damals nicht wirklich zulässige Dienststelle für Verdeckte Ermittlungen. In Kreuzberg tobten die Straßenschlachten zum 1. Mai und es wurde von einer nicht steigerbaren Gewalteskalation gesprochen. West – Berlin wurde damals auch von zwei Terroranschlägen getroffen. Die Partei «die Republikaner» formierte sich. Damals, wie heute auch, entstand bei den Rechtspopulisten ein unübersichtliches Netzwerk von Selbstdarstellern, Kriminellen aus dem OK Milieu, zweifelhaften Unternehmern und auch einigen Polizisten.
Der Berliner Verfassungsschutz mischte überall ein wenig mit. Die Alternative Liste wurde infiltriert und man ließ es ein wenig an Transparenz missen. Hierüber regte sich damals zum Beispiel ein ehemaliger Innensenator Pätzold auf. Im Großen und Ganzen konnte man in diesem Berlin als Rechtspopulist keinen Blumentopf gewinnen. Die CDU benahm sich untereinander wie ein Haufen verschworener Kleingärtner, die sich gegenseitig das Geld zuschoben. Irgendwann fand man dafür einen Begriff: der Berliner Sumpf. Die Junge Union und Vereinigungen wie der RCDS, wurden eher als konservative Exoten betrachtet, die aus der Geschichte Deutschlands nichts gelernt hatten. Wurden sie aufmüpfig, konnte es auch mal etwas härter zugehen.

1989 fiel die Mauer und die Berliner Geschichte ging weiter. Berlin wurde nach und nach zum Dreh- und Angelpunkt der internationalen Organisierten Kriminalität. Und man will es kaum glauben: Die Polizei hatte manchmal Erfolge. Es wurde geschossen und gemordet. Dealer gingen ihren Geschäften nach. Polizisten wurden privat bedroht bzw. sogar angegriffen. Staatsanwälte erhielten Morddrohungen aus dem Strafvollzug. Das war die Zeit, die heute mit: «Früher war alles besser!»,bezeichnet wird. Und weil die Zeit gar nicht so toll war, wurde an einigen Gesetzen massiv herum geschraubt. Immer auch mit einem Zähneknirschen, weil sie Einschränkungen mit sich brachten. Diese wurden in der breiten Öffentlichkeit diskutiert.
Mehrheitlich waren gerade West – Berliner immer ein wenig kritisch, wenn jemand an der Freiheit herumschraubte. Man musste nur über die Mauer schauen.
In den Neunzigern erinnerten sich die Menschen noch sehr gut daran, deshalb konnte nicht einfach mit einem Federstrich alles geregelt werden. In den Neunzigern gab es auch noch viele der sogenannten Kriegs – und Nachkriegsgeneration, deren Erinnerungen an vor 1945, vor den Mauerbau, die Blockade und den 17. Juni heranreichten.

Die Mauer war weg und einer Legende nach, erhob sich die Bevölkerung der kompletten DDR gegen das Regime. Einige Tausend machen aber noch keine gesamte Bevölkerung aus. Was in diesem System mit der Gesellschaft passierte und welche Folgen dies bis heute hat, wurde niemals ernsthaft beachtet. Die PDS hatte anfangs einen schweren Stand. Sie musste sich die Nachfolge der SED ankreiden lassen. Diejenigen, welche niemals etwas verstehen, machen dies den LINKEN heute noch zum Vorwurf. In der Partei befinden sich mittlerweile unzählige gelernte «Wessies», junge Menschen, die mit der Mauer nicht wirklich etwas anfangen können und Engagierte, die wenn man es genau nimmt, die alten Werte der SPD übernommen haben, während sich diese zu einer Partei des etablierten Bürgertums entwickelte.

Das war ein kleiner Ritt durch die Vergangenheit. Niemand hätte in dieser Zeit einfach mal im Vorbeigehen eine Erweiterung des Gefahrenabwehrgesetzes hingenommen. Aktuell sind es die LINKEN, die sich vorsichtig dagegen stellen. Mit einer sozialistisch ausgerichteten Politik hat das wenig zu tun. Es ist schlicht Gesellschaftskritik! LINKS scheint in Deutschland eine neue Definition zu bekommen. Für die Gewerkschaftsvertreter der Polizei, für die Konservativen in der SPD und CDU, dem Establishment und dem Bürgertum, ist alles links, was sich kritisch mit den Vorgängen in der Gesellschaft auseinandersetzt. Links ist nicht mehr die Forderung nach Sozialismus, sondern den Kopf zum Kampf gegen die Doppelmoral und Spießigkeit zu senken.

Zur Erinnerung: Immer wenn in Deutschland das verängstigte Bürgertum und das Establishment übernahm, landete der Karren im Dreck. Mielke, Ulbricht, Honecker, nehme ich dabei nicht aus. Sie waren unter dem Strich auch nur engstirnige Kleinbürger. Vor 1933 sah es nicht anders aus. Agiert wurde immer mit der Angst vor etwas. Konservative werden immer von der Angst getrieben. Kontrollverlust, Innovationen, Veränderungen, Unordnung, all das verängstigt sie. Verzweifelt versuchen sie, einen nicht möglichen gesellschaftlichen Zustand zu erreichen. Einen, in dem alle in Friede, Backe, Eierkuchen leben können.


Was bedeutet dies in der Konsequenz? Man bräuchte dafür eine Führungsautorität, die mit harter Hand durchgreift und das gesellschaftliche Leben strukturiert und steuert. Kommt mir irgendwie bekannt vor. Ich habe mich bereits in meinem Beitrag bezüglich der Kameras dazu geäußert. Die Kameraüberwachung ist nicht einfach mal nur die Frage nach den Kameras. Es geht um ein Grundprinzip.

Inwieweit bin ich bereit Gefahren zu akzeptieren und mein Verhalten darauf abzustellen? Ich wurde letztens am Strand bestohlen. OK! Mein Fehler! Ich habe mich alleine im Dunkeln an den Strand gelegt und bin kurz eingenickt. Ich habe mich selbst zum klassischen Opfer gemacht. Realistisch betrachtet, muss ich damit rechnen.

Wenn ich nachts in einer Metropole wie in Berlin unterwegs bin, muss ich mich selbst einschätzen. Habe ich etwas getrunken, ist die Taxifahrt mit Sicherheit die bessere Wahl. Sehe ich eine Ansammlung von Typen, die mir nicht geheuer sind, kann ich bockig mitten durch laufen oder ausweichen. So funktioniert Leben. Ich kann mir aber auch vor laufender Kamera eine Hauerei mit ungewissen Ausgang liefern.
Viele werden den Film nicht mehr kennen. «Kentucky Fried Movie!». In einer Szene wird Rex Kramer, der professionelle Gefahrensucher, gezeigt. Mit einem Overall und einem Helm stellt er sich zwischen eine Gruppe Schwarzamerikaner (ist das korrekt, ich habe den Überblick verloren) und schreit: «Nigger!». So kommen mir viele Kommentatoren im Internet vor. Gefahrensucher!

Mir könnte das alles egal sein. Doch ich werde das Gefühl nicht los, dass ich dann dreißig Jahre meines Lebens vollkommen sinnlos in einem Beruf verbracht habe. Ein Grund, bei der Polizei zu arbeiten, war auch immer, durch die Bekämpfung von Straftaten ein Sicherheitsgefühl herzustellen, dass den Leuten Rechtsaußen die Wähler entzieht. Doch was soll man machen, wenn eine Gesellschaft immer dekadenter und verweichlichter wird? Emil und die Detektive! Ein Landei kommt nach Berlin und wird im Zug bestohlen. Wenn einer vom beschaulichen Land kommt, wo ein Fahrraddiebstahl ein Artikel in der Zeitung wert ist, und dann in Berlin frei dreht, kann ich das verstehen. Bei Berlinern fehlt mir jegliches Verständnis. Wem das Pflaster in einer Großstadt zu heiß ist, muss sein Leben und seinen Standort verändern. Aber … Moment … da gibt es ja neuerdings Wölfe. Doch die kann man ja rechtzeitig abknallen.

Ich habe mich gestern mit einem Londoner unterhalten. Der fragte mich, ob ich und meine Familie die gesamte Berliner Geschichte mitgemacht habe. Das weckte bei mir Erinnerungen. Ernsthaft? Was ich derzeit an politischen Äußerungen von Berliner Politikern lese, hat mit dem Berlin, aus dem ich stamme, nichts mehr zu tun.

Der Bürger wird mit Brei gefüttert, damit er nur nicht kauen muss. Man muss den Leuten auch mal einen Vogel zeigen und ihnen klar machen, wie dämlich sie eigentlich sind. Ich kann dieses: Man muss die Sorgen und Ängste der Bürger ernst nehmen, nicht mehr hören und lesen. Zu Ende gedacht, müsste ich dann auch noch die Vorstellungen des letzten Pfosten bedienen. Ein Politiker SOLLTE so etwas wie einen Gestaltungswillen besitzen. Darüber hinaus erwarte ich eine gewisse Weitsicht, Vernunft und Intelligenz. Was die da im Abgeordnetenhaus betreiben, nennt sich Anbiedern und Verbiegen für die nächste Wahl. Wo das hinführt … egal. Es ist ein Trauerspiel.

Derzeit muss man sich nur hinstellen und mehr Gesetze, noch mehr Eingriffsmöglichkeiten, eine Abschottung fordern und gegen die bösen Ausländer wettern, um erfolgreich zu sein. Prost Mahlzeit, das ist Politik auf dem untersten Niveau. Das kann wirklich jeder. Die kochende Volksseele bedienen, ist einer repräsentativen Demokratie nicht würdig. Dann können wir uns gleich einen Führer suchen und müssen nicht so lange um den heißen Brei herumreden. Man muss es ja nur wissen, dann kann man sein Leben darauf ausrichten. 

Jeder Heini, der sich neu in einer Position befindet, muss erst einmal seine Duftmarke setzen. NEUES GESETZ, VERSCHÄRFUNG, ALLES ANDERS … das ist sooooooo langweilig und führt zu logischen Folgen. Manchmal glaube ich, vor 10 oder 20 Jahren hat es augenscheinlich keinen Terror und Verbrechen gegeben. Hoffentlich kommt niemand auf die Idee von mir das ganze Geld zurück zu fordern, weil wir nur herumsaßen.


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Verfasst 12. Januar 2019 von Troelle in category "Allgemein

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