12 Februar 2019

In einem fernen Land

Lesedauer 5 Minuten

In einem fernen fiktiven Land, irgendwo da draußen! Sitzt ein Typ mit einem Bier und die Assoziationen schießen durch seinen Kopf. Ich habe mir die Freiheit genommen, seine Gedanken aufzuschreiben. Er selbst kann mir die Erlaubnis dazu nicht mehr geben, weil er vor zwei Jahren gestorben ist.

Sie sind da! Auch wenn es niemand wahrhaben will. Jeden Tag rennen sie in die Sportstudios. Sind sie nicht gerade dort, um sich die Muskeln aufzublasen, trainieren sie Boxen, ATK und Krav Maga. Sie haben sonst nichts anderes zu tun. Mit zur Schau getragenen bösen Blicken, martialischen Tätowierungen und Gangsterposen ziehen sie durch die Straßen. Diese Blicke sollen Dir sagen: «Du bist mein Todfeind! Kommst Du mir in die Quere, mach ich Dich weg.»


Auch die anderen sind da. Die Regeln der «normalen» Gesellschaft gelten für sie nicht. Sie tragen Patches auf den Jacken. Manche bedeuten, dass sie getötet haben. Andere besagen, dass der Träger für die Verteilung der Schusswaffen zuständig ist. Im Fernsehen und vor der Presse machen sie einen harmlosen Gesichtsausdruck. Sie werden in Talkshows eingeladen und geben sich als Familienmenschen. Vom Blut des Jungen in einer Diskothek, in dem drei seiner Zähne klebten, nur weil er nicht den nötigen Respekt zeigte, sprechen sie nicht. Sie sprechen auch nicht von dem Massaker, bei dem drei halbtote viehisch zugerichtete Feinde in einem Auto lagen. Sie reden nicht davon, dass sich bei ihnen jedes kranke brutale Schlägerarschloch wohl fühlt.


Dann sind da die, für die Du ein Kuffar bist. Sie haben im Kopf Helden und Vorbilder. Wenn sie die Gelegenheit bekommen, wollen sie sein wie ihre Vorbilder. Mit einer Kalaschnikow in der Hand zum Helden werden, so viele wie nur irgendwie möglich mitnehmen. Psychotischer Ausschuss einer globalen Gesellschaft, gebildet von chancenlosen jungen zornigen Männern, die auf der Suche nach einer Identität sind. Angeführt von kranken Geistern, die sie jeden Tag ein wenig mehr anpeitschen.


«Natürlich nehmen wir auch in Kauf, dass ein Bulle stirbt. Kein Mensch muss Bulle sein. Selbst schuld, wenn Du Dich am falschen Platz in der falschen Funktion befindest. Du hast Dich entschieden – Du bist Bulle – ergo ein Faschist, dessen Tod keine Rolle spielt.» Entzückendes Statement. Gut zu wissen! Wir gehen so weit, wie es zugelassen wird. Was genau hast Du an unserer Idee nicht verstanden? Du stehst im Weg!

Wer treibt sich da draußen nur alles herum? Alte Kämpfer aus Tschetschenien, in russischen Gefängnissen verrohte Typen, denen dort alles Denken, Mitleid, Empathie, Respekt vor dem Leben, abhandengekommen ist. Typen, die einen Fesseln und ihm ein eingeschaltetes Bügeleisen auf den Körper legen und einfach gehen. Vögel, die aussehen, als wenn sie aus der Serie der Punisher herausgefallen sind. Männer die ein Barbecue feiern und einen Verdeckten Ermittler zum Event des Abends aufhängen.

Freischärler, aus allen Nachrichtendiensten des auseinandergebröckelten Ost – Blocks. Sie alle haben ein Motto: Kommst Du mir in die Quere – bist Du weg! Securitate, Vietnamesische Ex – Soldaten, Ex – KGB, syrische vergessene Agenten, PLO, Graue Wölfe aus der Türkei, irgendwann verliert man den Überblick in diesem fiktiven Land.
Manchmal hast Du das Gefühl, Dich irgendwo in Afghanistan zu befinden. Die Augen, welche Dich aus dem Dunkeln oder aus einem Fahrzeug heraus beobachten, haben nichts Gutes im Sinn. Ein falsches Wort, eine falsche Bewegung und alles um Dich herum wird zum Wahnsinn,

Kapitulieren? Nein, das ist keine Option. Sie wollen Krieg? Können Sie haben! Ich werde mich darauf vorbereiten.

«Du hast Dich verändert!», sagt sie.
«Ja? Dann ist das so. Du hast keine Ahnung davon, was da draußen stattfindet und Du willst es auch nicht wissen, glaub mir, es ist besser so»
«Du schläfst in letzter Zeit so unruhig, ich habe das Gefühl, Du kämpfst jede Nacht.»
«Wahrscheinlich zu viel Kaffee in der letzten Schicht!»
«Du trinkst in letzter Zeit ganz schön viel und wenn Du nicht mit den Kollegen unterwegs bist, bist Du beim Sport! Was ist mit uns beiden?»
«Das verstehst Du nicht!»
“Sei nicht sauer, aber am Ende musst Du nur eine finden, die den Dreck mitmacht. Alle anderen sehen beim Kennenlernen geil aus, aber wenn Du wach wirst hat die auch nur Mundgeruch!”
“Das war’s?”
“Ja, das war’s!”

«Lieber stehend sterben, als kniend Leben!» Ja, da ist was dran. «Mut ist, wenn Du bleibst, wo andere fliehen!» Auf meine Jungs kann ich mich verlassen in diesem Krieg da draußen. Wovon reden diese Weicheier? Niemals den Arsch vollbekommen, niemals im Steinhagel gestanden, niemals gebrannt … aber herum heulen, weil jemand ein böses Wort gesagt hat. Immer die gleichen lächerlichen Fragen. Hast Du schon einmal schießen müssen? Hast Du schon mal die Waffe auf jemanden gerichtet? Das ist ja interessant, noch etwas Nudelsalat? Der Jean – Claude ist ja letzte Woche in der Schule gemobbt worden. Wird ja alles immer verrückter. Ich hab da mal ne Frage, ich bin letztens angehalten worden, dürfen die das?

Fick Dich Du böde Kuh!

Auf der Toilette schaut Dich im Spiegel ein steinhartes Gesicht an. Augenränder, gerötete Augen, markante Falten … Tja mein Junge, wir beide sind durch den Dreck gelaufen. Du bist ein Fighter, die kriegen Dich nicht.


«Was hast Du Dir gedacht Du kleines Stück Scheiße? Das Du mit Deiner Machete in eine Drogerie hinein spazierst und zusammen mit den anderen Wichsern das Leben eines kleinen Mädchens an der Kasse kaputtmachst? Sie Dich an Du wimmerndes Arschloch! Uups, ist noch einer im Dunkeln über Deinen Kopf gestolpert? Das tut mir aber leid für Dich! Nein, Du wirst Dich nicht ein halbes Jahr lang im Knast sanieren lassen, Deine Bestrafung bekommst Du hier und jetzt!»
Krieg wird mit Kriegern bestritten. Ihr wolltet den Krieg, ihr bekommt ihn. Ihr wollt Leute von uns abknallen? Und Euch bei Gericht damit entschuldigen, dass ihr nicht wusstet, wer da vor der Tür steht? Was habt ihr uns beim Schweigemarsch zugerufen? «Ihr seit die Nächsten!» Alles klar!

Ihr wollt uns umbringen? Nur zu! Molotow – Cocktails mit weißen Phosphor? Zusammengeklebte Butan – Dosen mit Polenböller? Hat leider nicht geklappt Du Pfosten! Solltest Dich vorher schlaumachen. Uups, macht Dich der Anblick einer 9 mm großen Öffnung nervös? Du wolltest mich doch eben noch umbringen? Was denn nun? Hosen voll?


«Das darfst Du alles niemanden erzählen. Findet alles nicht statt.»
«Trinkst Du noch nen Cuba?»
«Wie spät ist es denn?»
«23:00 Uhr»
«OK, fünf Stunden müssen reichen.»
«Musst Du schon wieder raus?»
«Weißt doch, zwei krank, Team ist Team! Ich kann die nicht hängenlassen!»
«Sambuca dazu?»
«Bin ich ein Mädchen oder was?»


“Alter siehst Du noch was?”
“Nö, wieso?”
“Frag ja nur, weil die Nadel bei 220 steht?”
“Das Blaulicht blendet ein wenig. Mach mal Deine Mütze drüber. Dann blendet es nicht so!”
“Bist Du eigentlich angeschnallt?”
“Bist Du bescheuert, wenn es knallt soll es zu Ende sein.”
“Ist ein Argument! Noch nen Red Bull?”

“Was machst Du eigentlich danach?”
“Wann?”
“Na, wenn Du nicht mehr Leute für Geld kennenlernst, sie auf’ s Kreuz legst und sie verarschst. Weißt Du überhaupt noch wer Du bist?”
“Nö, ich werde es wohl herausfinden müssen!”

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«Wer sind Sie, wenn sie nicht ihren Job machen?»
«Keine Ahnung! Aber eine interessante Frage.»
«Warum haben Sie vorhin so skeptisch geschaut, als der junge Mann von seiner Traumatisierung berichtete?»
«Na ja, sein wir mal ehrlich, schon ein wenig schräg, wenn das schon Trauma sein soll … dann weiß ich auch nicht. Er hat eine vor den Kopf bekommen. So was passiert.»
«Haben sie sich mal gefragt, wo ihre Grenzen liegen und die von anderen Menschen?»
«Was’n das für ne Frage?»

R.I.P. alter Freund aus einer längst vergangenen Zeit und niemals existierenden Land. Du existierst selbstverständlich nur in meiner Fantasie. Ein lange andauernder Traum.


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Verfasst 12. Februar 2019 von Troelle in category "Allgemein

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