Die Zeiten ändern sich

Lesedauer 6 Minuten

In letzter Zeit verspüre ich ein unangenehmes Gefühl. Vielleicht ist Gefühl nicht treffend. Es handelt sich mehr um eine Beobachtung oder besser einen Geruch, der von Muff und Piefigkeit herrührt. Ich lese davon, dass die Regeln eingehalten werden müssen. Die Freiheitlich Demokratische Grundordnung (FDGO) ist in Gefahr! Die Regeln gelten für alle, und wenn sich einer nicht daran hält, muss er mit alle Härte bestraft werden.
Nun, an die Regeln, jedenfalls an alle, hat sich noch nie jemand konsequent gehalten. Letztlich ist das bei der Flut an Regeln, die in diesem Land existieren, auch nicht möglich. Alkoholisiert Auto fahren ist ein Volkssport, ebenso wie das Schwarzfahren in der U – Bahn. So ziemlich jeder stellt sein Fahrzeug mehrfach in an nicht vorgesehene Plätze, bleibt in zweiter Spur stehen, fährt mit dem Fahrrad über den Bürgersteig, schummelt ein paar Kröten an der Steuer vorbei, ergattert mit einer Barzahlung eine Umgehung der Märchensteuer oder beschäftigt vielleicht unter der Hand eine Putzfrau. Ich weiß nicht, ob es immer noch so ist, aber die größten Schäden im Einzelhandel entstehen durch innerbetrieblichen Diebstahl und nicht durch den Ladendiebstahl. Auch eines dieser Beispiele, wie bigott manche Leute sind. Wie heißt es im Volksmund: Wo kein Kläger ist, da ist auch kein Richter. Die Frage, welche sich stellt, lautet: Will ich in einer Welt leben, in der sich alle an die Regeln halten? Für meinen Teil kann ich klar sagen: Nein!

Regeln werden aufgestellt, um das menschliche Zusammenleben zu organisieren. Kommen Zweifel auf, hat man etwas, woran man sich orientieren kann. Es liegt aber in der Natur des Menschen, dass er sich durchaus ganz gern mal daneben benimmt. Wenn sich alle stoisch an die Regeln halten, wird es unnatürlich und es stinkt. Es stinkt deshalb, weil irgendetwas dazu geführt hat, dass sich die Menschen nicht wie welche benehmen. Entweder sie bespitzeln sich gegenseitig oder werden bespitzelt … kurzum, sie werden überwacht und sie wissen es auch. Das ist in etwa, wie mit einem Kinderzimmer. Wenn man eins betritt, welches klinisch sauber und aufgeräumt ist, stimmt etwas nicht. Ein Kriminalbeamter oder einer vom Jugendamt sollte in solchen Fällen auf die Suche nach Spuren einer Kindesmisshandlung gehen. Oftmals ist es viel wichtiger, sich an den Dingen zu orientieren, die da sein sollten, aber es nicht sind, statt an denen, die man offen präsentiert bekommt.

In Behörden haben Regeln eine spezielle Funktion. Sie sind in Geschäftsanweisungen, Dienstvorschriften u.ä. niedergeschrieben. Da Beamte in Deutschland nicht streiken dürfen, wurde etwas anderes erfunden: Der Dienst nach Vorschrift. Der kommt einem Streik gleich – es geht nämlich gar nichts mehr. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass viele niemals dafür gedacht waren, einen effizienten Dienstablauf zu gewährleisten. Es geht um Schadensabwendung. Immer wenn etwas schief geht, steht darüber mit Sicherheit etwas in einer Anweisung und der Beamte kann damit diszipliniert werden. Ein perfides, aber durchaus funktionierendes System. Auf diese Art kommt man dem bürgerlichen Anspruch, dass es für alles auf dieser Welt im Zweifel einen Schuldigen geben muss, entgegen. Schulterzucken und die Feststellung: Kann passieren! Ist nicht vorgesehen. Das mag auf einer Baustelle funktionieren, aber nicht, wenn der ominöse Staat ins Spiel kommt. Ominös deshalb, weil selbst mein allerliebster politischer Favorit Christian Lindner eine sehr spezielle Sicht vom Staat hat. Für ihn ist er irgendetwas Abstraktes, was dem Bürger, besonders der Bourgeoisie, das Geld aus der Tasche holt.

Ich lernte einst in der Schule, dass Staat die Bezeichnung für die Gesamtheit aller Bürger eines Landes innerhalb seiner Grenzen ist. Somit die Allgemeinheit, die dialektisch dem Individuum gegenübersteht. Nur mal so! Bis zu einem gewissen Grad muss sich das Individuum an die Allgemeinheit anpassen, kann also nicht nur sein eigenes Ding machen oder voranstellen, aber das darf nicht zu weit gehen.

Regeln haben neben positiven Aspekten auch eine negative Begleiterscheinung. Regeln führt zu Regulieren und wir wissen aus der Technik, dass geregelter Strom, als Gleichstrom bezeichnet wird. Gleichheit, Normenkonformität, Reguliertheit, sind der wahr gewordene feuchte Traum eines Bürgers. Die Hecken auf gleicher Höhe, die Häuser nach ähnlicher Bauart, ordentliche saubere Kleidung, die den Gepflogenheiten entsprechen, das reinliche Auto, das zusammenhängende Kaffeeservice für die Gäste am Wochenende, man kennt das. Menschen, die sich bewusst nicht daran halten werden nicht umsonst, als Bürgerschreck bezeichnet.

Im Rechtssystem wird dem entgegengekommen. Es wird zwischen Ordnungswidrigkeiten, Vergehen und Straftaten unterschieden. Bei Ordnungswidrigkeiten können die zuständigen Behörden Ermessen walten lassen, bei den anderen Sachen muss ein Staatsanwalt über das öffentliche Interesse an der Verfolgung eines Sachverhalts entscheiden. Soweit die offizielle Linie. Wir wissen alle, dass hier eine Menge zusammenspielt. Einfluss, Machtposition, der eventuelle Nutzen der Straftat für Leute in Machtpositionen, politische Aspekte, Zeitgeist usw. sind nicht hinwegzudenken. Alles andere ist graue Theorie.

Früher war es bei der Polizei Usus, dass eine Menge aus dem Bauch heraus entschieden wurde. Man nannte dies damals Lebens – und Berufserfahrung. Allgemein wurde dem Schutzmann ein gesundes Gerechtigkeitsempfinden unterstellt, innerhalb dessen er auch mal beide Augen zu drückte, weil er wusste, dass niemand ernsthaft ein Interesse an der Verfolgung des gerade passierten, hatte. Keiner interessierte sich in den 70gern oder 80gern nächtens für einen angetrunkenen Fahrradfahrer auf dem Bürgersteig. Im Gegenteil, man zollte ihm einen gewissen Respekt, weil er vernünftigerweise sein Auto stehen ließ. Eine Kneipenhauerei konnte unter Aufsicht mit einem erzwungenen Handschlag geregelt werden. Wer bei einer Durchsuchung einen einzelnen Joint im Aschenbecher oder bei einer Taschenkontrolle zum Anlass nahm, ein Verfahren einzuleiten, musste sich intern einigen Spott anhören. Gut … nicht in Bayern, da wurde die GSG9 herangeholt. Manch einer, der aufmüpfig wurde, kassierte eine Schelle und die Sache war ausgestanden. Der Vorteil bestand darin, dass keine weiteren Verfahrenskosten entstanden.

2019 ist das alles Geschichte. Fahrraddogmatiker pochen auf ihre Rechte, Polizisten verfolgen nachts Radfahrer, die eventuell etwas getrunken haben könnten, alles weiter oben stehende, wird sofort mit Willkür kommentiert und das Geschrei ist groß. Mich wundert der Gleichmut der Feuerwehrleute. Ich bin noch in einer Zeit herangewachsen, in der es definitiv keine gute Idee gewesen wäre, einen ausgewachsenen Feuerwehrmann zu attackieren. Die haben dicke Handschuhe, Helme und C – Schläuche, die Aua machen. Vieles auf der Straße, wurde schnell und unkompliziert geregelt – wohlgemerkt ohne Ansehen der Person, dass Kriterium hieß schlicht: Daneben benehmen!

Im übrigen galt das auch für alle Gegenstände, die man so in den Taschen einiger Leute vorfand, man aber aufgrund der berühmt, berüchtigten Berufs – und Lebenserfahrung, davon ausgehen konnte, dass der Wirrkopf sie nicht einsetzen würde. Allgemein wurde der verbotene Gegenstand mittels Wegwerfen an geeigneter Stelle (in jedem Kommissariat stand dafür eigens eine große Kiste) entsorgt. Ermittlungsverfahren beschränkten sich auf die Typen, bei denen man befürchten musste, dass sie durchaus etwas damit anstellten.

Schaue ich mich um, lese Nachrichten, scrolle durch meine Timeline bei Twitter, komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sachen, die ich früher als schlicht lächerlich betrachtet hätte und mehr mittels Mobben und Heiterkeit geregelt worden wären, gehen glatt durch. Keiner wäre in vergangenen Zeiten auf die Idee gekommen, sich wegen jedem Unsinn einen Patch auf die Uniform zu nageln. Die Kollegen hätten denjenigen ausgelacht. Aber OK, das entspricht augenscheinlich dem Zeitgeist einer T -Shirt Generation, die in Zeiten, wo das Individuum immer mehr untergeht, wenigstens auf der Brust eine Botschaft vermitteln will. Ein Freund berichtete mir letztens, dass er eine Ordnungswidrigkeit zahlen musste, weil er im menschenleeren Spandau um 03:00 Uhr bei Rot rechts abbog. Nicht alle Polizisten scheinen im Nachtdienst unter Stress zu stehen. Zum Schichtwechsel als sog. Heimatschuss hätte ich es verstanden, aber mitten in der Nacht? Da sie nicht einmal die Rahmennummer prüften, muss ich ihnen auch noch amateurhaftes Verhalten unterstellen. Bei Twitter mokieren sich Personalräte darüber, weil das Team von der Öffentlichkeitsarbeit die Regenbogenflagge hinter den Bären legte. Endlich wird die Polizei diesbezüglich ein wenig lockerer und die fangen an zu stänkern. Ein mehr als seltsamer Sachverhalt. Bei einem Polizisten wird durchsucht und in der hintersten Ecke wird ein vergammelter Schlagring gefunden und alle drehen frei. Machen wir uns nichts vor, mit ein wenig Engagement, lassen sich in diversen Laubenkolonien, alten Garagen, ländlichen Scheunen, Werkzeugschuppen, vom alten DDR Luftdruckgewehr mit exorbitanten Werten, alte Wehrmachtskarabiner, Wehrmachtsdolche, die seit Jahrzehnten Dienste beim Unkrautentfernen leisten, aus der Jugendzeit übrig gebliebene selbstgebastelte Nunchaku (viele wollten Mitte der 70ger mal Bruce Lee spielen) oder aus der Sturm und Drang Zeit stammende halbe Wasserhahnräder finden. In einem anderen Fall, wurde ein armer Kerl, der auf dem Weg zu einer Comic Con war, wegen seiner «Vermummung» als Star Trooper festgenommen. In meinem Bezirk Spandau wurde in den 80gern Stadtteil Gotcha gespielt. Dabei trafen sich Ninja – Krieger auf einem dunklen Parkplatz. An anderer Stelle sammelten sich die «Spiel IRA» und vermummte sich mit Sturmhauben. 2019 undenkbar, wir würden alle zusammen auf dem A21 landen und eine Pressemeldung abgeben.

Fazit: Irgendwie gerät alles aus dem Ruder und die Gesellschaft macht eine Rolle rückwärts. Wobei eigentlich ja nicht. Mir kommt es beinahe vor, als wenn die 50ger, 60ger, 70ger, 80ger in der alten BRDeutschland und vor allem in Berlin – West, deutlich unkomplizierter und lockerer waren, denn die «zugenähten» Zeiten heute. Schade eigentlich … Als ich an der Fachhochschule (87 -89) war, hatten wir einen Dozenten, der von seinen 60gern in Paris erzählte. Er saß in der Metro, schaute verliebt eine Frau an, sie hatten Sex in einem Hotel und trennten sich wieder. Ein anderes Mal kam er aus der Metro, landete in der Demo, bekam eins übergezogen, schüttelte sich und machte weiter. Am Ende seiner Geschichten meinte er: «Sie tun mir leid. In Zeiten von AIDS und dem wieder aufkommenden Bürgertum, werden sie so etwas nicht mehr erleben.» Wenn WIR dem schon leidtaten, was würde er der kommenden Generation sagen? Heute drehen Leute meiner Generation durch, weil einige Schüler auf der Straße demonstrieren und dem Establishment zärtlich auf die Fußspitzen treten. Ein paar Kiffer und Dealer im Görlitzer Park erzeugen quasi Panikattacken. Da habe ich an den Bahnhof – Zoo, den Tiergarten und Adenauer Platz noch ganz andere Erinnerungen. E – Roller? Erinnert sich noch jemand an die Einführung der 80 ccm – Leichtkrafträder Maschinen und dem Führschein ab 16 Jahren? Oder die alten Säcke in den 80gern, die mit ihrem alten Führerschein in der Midlife – Crisis schwere Maschinen fahren durften?

Aber nochmals zu den Demonstrationen. Randale gab es häufiger, jedenfalls im Westen, die anderen mussten bis `89 warten. Manch Anlass war ein wenig fragwürdig und die gegenseitig aufgebrachte Härte, eher überzogen. Zur Zeit geht es tatsächlich mal um die Wurst. Erstmalig steht alles auf dem Spiel – das ist mal was Neues. Mal im Ernst, dafür ist es da draußen ziemlich ruhig.

Alle anderen sind links …

Lesedauer 8 Minuten

Und wenn ihr den großen Leuten erzählt: »Ich habe ein sehr schönes Haus mit roten Ziegeln gesehen, mit Geranien vor den Fenstern und Tauben auf dem Dach …« werden sie sich das Haus nicht vorstellen können. Ihr müsst vielmehr sagen: »Ich habe ein Haus gesehen, das hunderttausend Franken wert ist.« Dann kreischen sie gleich: »Oh, wie schön!«

Der Kleine Prinz – Antoine de Saint-Exupéry /Konservativer Kampfflieger

So wie in letzter Zeit, nahezu alles «links» einsortiert wird, was nicht dem bürgerlichen Mainstream folgt, mutiert für mich langsam «konservativ», zum Inbegriff der Unfähigkeit differenziert zu denken.
Wer sich getraut etwas gegen den «Kapitalismus», wobei auch hier genauer auszuführen wäre, was man darunter versteht, zusagen, ist «links». Im Prinzip ist mir der «Kapitalismus» vollkommen egal. Ich bin lediglich gegen Leute, die entweder legal, aber aus menschlicher Sicht verwerflich, kreativ, dem Gesetzgeber immer eine Nasenlänge voraus oder tatsächlich illegal, erhebliche Geldbeträge beiseite schaffen und andere damit schädigen. Mir sind Charaktere ein Gräuel, die andere ausnutzen, ausbeuten, schuften lassen, und sich selbst mit wenig Aufwand die Taschen vollstopfen. Ob sie dazu nun gesetzlich legitimiert wurden oder nicht, ist für mich uninteressant.

Mich macht es wütend, wenn ich sehe, lese oder höre, dass im 21. Jahrhundert Institutionen erschaffen und erhalten werden, deren Aufbau gesellschaftsschädliches Verhalten begünstigt. Das Milgram Experiment und die Ausführungen von Hannah Arendt haben uns gelehrt, daß Systeme, in denen Menschen nicht mehr erkennen können, welche Folgen ihre Entscheidungen haben, sie also keine individuelle Verantwortung übernehmen, in die Katastrophe führen können. Nichts anderes passiert bei multinationalen Konzernen. An der Spitze wird es noch perverser, weil der oder die Manager, wegen meiner auch Managerin, sich nicht in der Verantwortung als Mensch und gegenüber der Gesellschaft befinden, sondern ausschließlich den Aktionären einen größt möglichen Gewinn erwirtschaften sollen. Da kann nichts Gutes herauskommen.

Es betrübt mich, in einem Gesellschaftssystem zu leben, in dem Selbstoptimierung, Leistung bis zum Äußersten, das Erlangen von Statussymbolen und ein pornoröser Konsum erstrebenswerter ersehen wird, denn ein menschliches Leben. Jeden Tag werden die Leute mit Werbung und geschickt erdachten Manipulationen zugedröhnt. Dies trifft mich als Mensch und ich habe keine Ahnung, ob das etwas mit links zu tun hat. Ich habe die Folgen vor Augen. Medikamentenmißbrauch, Einnahme leistungssteigernder Drogen, eine Schwemme von Psychopharmaka, Depressionen, Burnout, Suizide, das Abschieben der nicht mehr «Leistungsfähigen» u.s.w. Das kann nicht richtig sein – ist die Kritik an solchen Dingen «links»?

Freiheit! Jeden Tag wird von Freiheit gesprochen. Mal ist es die Freiheitlich Demokratische Grundordnung, ein anderes Mal der «Freie Bürger». Ich weiß nicht, ob diese Freiheit noch existiert. Was ich wahrnehme, ist etwas anderes. Leute in Public Relation und Werbeagenturen verdienen ihr Geld damit, dass sie die Menschen mit Sprache, Wortbildungen, Erschaffung von Assoziationen, dem Erwecken von Bedürfnissen, Verängstigungen und zeichnen von Feindbildern, lenken. Selbstredend steht es jedem frei, sich dagegen zu wehren, aber nicht jeder hat gelernt, die Tricks und Kniffe zu durchschauen. Einst war es die Aufgabe der intellektuellen Elite, die Menschen davor zu schützen und zu warnen. Wer dies heute tut, landet in einer Schublade: «links». Psychologische Tricks, Taktiken der Massenbeeinflussung, Propaganda, Desinformation zu entlarven, ist links? Armes Deutschland!
Die Menschen in einem Land darauf hinzuweisen, dass ihr Wohlstand einen Ursprung hat und am Ende immer einer den Preis dafür zu zahlen hat, wurden früher Systemkritiker genannt. Heute sind sie nur noch «Linke». Mahner, die auf die menschliche Natur und die Auswirkungen, wie zum Beispiel sozialer Verfall, Kriminalitätsquellen, gestiegenes Aggressionspotenzial quer durch die Gesellschaft hinwiesen, waren einst Psychologen, Philosophen, Soziologen, Kriminologen und Verhaltensforscher – heute ist jeder, der es tut, ein Linker. Kant, Schopenhauer, Hegel, Heidegger, Nietzsche, Adorno, Fromm, Jung, Arendt, Sartre, Russel, Wittgenstein, Popper würden in der bürgerlichen Diskussion 2019 alle als «Linke» tituliert werden. Selbst die Diskussionen, welche die ersten Atomwissenschaftler hinsichtlich der Notwendigkeit einer Verantwortungsübernahme seitens der Wissenschaft anstrebten, hat heute bereits den Geruch einer linken Denkrichtung. Was ist mit einem Hawking, der uns zu Lebzeiten vor den sich andeutenden Katastrophe warnte? Ein Linker?

Das, was wir als Bürger, das Bürgertum oder veraltet Bourgeoisie bezeichnen, hatte schon immer eine eigene Psychologie. Sie wurde von Tucholsky, Mann, Zweig, Frisch, Engelmann, Böll, hinreichend beschrieben. Dazu muss man nichts mehr sagen oder schreiben – es ist alles gesagt. Selbst in Form von Gemälden haben Künstler diesbezüglich alles auf Leinwand gemalt. Wer es wissen will, muss sich nur eingehend die Bilder von George Grosz, oder wer es einfacher mag, die Bilder von Haderer ansehen.

Doch wann genau haben sich die Deutschen nach 1945 darauf eingelassen, alles gegen die Psyche des Bürgertums gerichtete, als links zu bezeichnen? 1967 – 68 mag das verhältnismäßig kurz nach dem III. Reich noch gegangen sein. Prinzipiell habe ich für mich eine Antwort, doch sie gefällt mir nicht, genauer gesagt, ich habe Angst vor ihr. Nach 1945 wurde im Kalten Krieg nahezu alles hoffähig. Keine Taktik oder Strategie, kein Lump, kein Diktator, keine noch so menschenverachtende Maßnahme, wurde geschmäht, wenn es gegen die bösen Kommunisten ging. Da wurden in vielen Bereichen beide Augen fest zugedrückt. Egal, ob politische Extreme jenseits des Kommunismus gefördert wurden, Umweltkatastrophen in Kauf genommen wurden (von der gesprengten Pipeline bis zur Sabotage in AKW’s war nahezu alles legitim), Millionen Tote bei Stellvertreterkriegen in Reaktion auf die «Fast» – Katastrophe in der Kua -Krise, alles war für das Ziel genehm. Ich weiß nicht, ob der Kalte Krieg vorbei ist. Es wird allgemein behauptet, mir persönlich fehlt der Glaube.

Wie auch immer, auf beiden Seiten der Demarkationslinie wurde ein besonderer Typus Mensch gefördert. Gefordert ist die Eingliederung in ein bestimmtes akzeptiertes Denk – und Verhaltensspektrum. Zu heftiges Abweichen wird als bedrohlich wahrgenommen. Wachstum, Leistung, das Bedürfnis nach mehr, Luxus, Status, Strebsamkeit, Karrierestreben, Akzeptanz von Hierarchie, Autorität und Ordnung, im Zweifelsfall die schweigsame Unterordnung, die Vermeidung der Diskussion alt hergebrachter Traditionen, und die Aufgabe des Individuellen zugunsten höherer Prinzipien, ist erwünscht bzw. wird eingefordert. Jeder, der sich wagt, diese Dinge zu hinterfragen – ist neuerdings links.

Worte wie progressiv, avantgardistisch, Boheme, innovativ, gesellschaftskritisch, differenziert, Diversität, human, scheinen dem Sprachschatz entschwunden zu sein. Alles landet in einer universellen Ablagebox mit der Aufschrift: Links.

Zum Thema Kapitalismus führt Saul D. Alinsky in seinem Buch «Rules for Radicals» aus, daß die Rhetorik: «Jeder, der den Kapitalismus kritisiert, ist ein Kommunist!», ein Ergebnis der McCarthy Ära war. Heute erscheint es, als wenn die Rhetorik lautet: «Wer sich nicht den sich selbst als konservativ bezeichnenden Strömungen anschließt, ist links.» Ich betone, sie bezeichnen sich selbst, als solche. Einer allgemeinen Tendenz nach, beutet Konservatismus, altbewährtes erhalten, und erkannte Fehlentwicklungen behutsam verändert, werden.

Heute hat sich Prinz Charles zu Wort gemeldet. Ich finde, der geht unter konservativ glatt durch. Er gibt der Welt satte 18 Monate, in denen konsequent, innovativ und unter Umständen auch radikal, Maßnahmen beschlossen werden können, die die Ursachen für den Klimawandel beseitigen und darüber hinaus eine Rückführung in einen stabilen Zustand leisten. Ansonsten geht er von einer irreversiblen Entwicklung aus, bei der wir als Spezies den Kürzeren ziehen. Oha! Ist Prinz Charles, ein Royal, ein eher zurückhaltender Mann, plötzlich links geworden? Oder hat er einfach erkannt, dass Dinge, die bisher unter «Bewährt» liefen, tatsächlich Fehlentwicklungen waren, bei denen man wegen eines «Kalten Krieges» auf behutsame Veränderungen verzichtete. Mal abgesehen davon, dass er einen interessanten Frauengeschmack hat, ist der Mann kein Idiot und vor allem keiner, der sich ohne Berater öffentlich äußert.

Aber wie wollen wir mit Menschen eine längst überfällige, ehemals teilweise bereits eingeleitete, aber unter Führung von Ronald Reagan zu Gunsten seiner Politik der Stärke gegenüber der Sowjetunion, wieder gestoppten Entwicklung, die immer noch an den alten schädlichen Strategien festhalten, dies erreichen? Sie glauben immer noch an Wachstum, industrielle Lösungen, Kontrolle der Natur durch die Wissenschaft und damit durch den Menschen. Ausgerechnet Naturwissenschaftler werden in die Ecke eines religiösen Wahns einer Klima – Religion gestellt. Auf die Idee muss einer erst einmal kommen. Klimaaktivisten werden quasi zu den neuen Zeugen Jehovas abgestempelt. Mir fiel letztens wieder Erich Kästners «Die Konferenz der Tiere» ein. «Eltern, die nichts taugen, dürfen entmündigt werden.», lautete die Rechtfertigung für die Kindesentführung durch die Tiere. War Kästner ein Linker? Ich glaube kaum. Er war einer, der das Gute im Menschen fördern wollte und sich dem Primitiven entgegenstellte.

Die selbsternannten Konservativen, für mich einfach nur bockige Pubertierende in Anzügen, die am Schaltpult der Macht herumspielen, werfen ihren Kritikern «Apokalyptische Visionen» vor. Ja, für lange Zeit der Menschheitsgeschichte hatten sie Recht. Egal was passierte, es ging immer irgendwie weiter und Prognosen für die Zukunft waren eher Firlefanz und unseriös. Gut … an der einen oder anderen Stelle, hat dieses Denken sein Ende erreicht. Wir haben nach und nach einen technischen Stand erreicht, der geeignet ist, uns selbst aus der weiteren Geschichte des Planeten zu entfernen. Atomare Strahlung ist nicht gut – wir haben es ausprobiert. Zuviel CO2 bereitet wie einige andere chemische Verbindungen eklige und nachhaltige Probleme. Schon Paracelsus wusste: Die Dosierung macht das Gift.

Wir wissen, nach einigen Fehlversuchen: jeder Versuch in die Natur einzugreifen, fliegt uns konsequent um die Ohren. Wer es nicht glaubt, die Bauern in den USA fluchen gerade über genverändertes Getreide und damit in Verbindung stehende Unkrautvernichtungsmittel. Das Aufforsten der Wälder mit Monokulturen hat auch super geklappt. Eine tolle Idee war auch die Einführung fremder Spezies zur Bekämpfung von einheimischen «Schädlingen». Wir können es einfach nicht – basta! Ist diese Behauptung links?

Der Mensch hat einige spezielle Macken, die andere Spezies auf diesem Planeten nicht haben. Unser Großhirn hat sich immer weiter entwickelt und war eines Tages gelangweilt. Wir forschten und forschten, ob alles zu wissen und alles Mögliche auszuführen eine gute Idee ist, fragte sich bereits Goethe im Faust. Wir machten den Menschen zu einem seelenlosen Instrument, der zum Bauteil der Maschinen wurde, die er erfand, konstruierte und ursprünglich zur Produktion von Dingen nutzen wollte, die ihm das Leben angenehmer machen sollten. Dies hatte sich schnell erledigt. Geld sollte das Leben vereinfachen, es war für den Menschen gedacht. Es war einfach lästig einen 50 kg Sack mit Mehl zum Schmied zu schleppen, damit der einem im Austausch Schrauben für die neue Mühle produzierte. Heute haben sich die Verhältnisse umgekehrt. Der Mensch lebt für das Geld. Es hat oftmals auch keinen gegenständlichen Gegenwert mehr, es ist zum Selbstzweck geworden. Und wenn es doch einen faßbaren Gegenwert hat, ist es zu 80 % sinnloses Zeug, welches nach kurzer Zeit unbrauchbar ist, damit neues Geld kursieren kann. Ist die Kritik daran links? Ist nicht vielmehr der Bodenständige, der sich eine Waschmaschine kauft, welche 20 Jahre hält, einer der sich an der Haltbarkeit und omnipotente Einsetzbarkeit einer Sache orientiert, der zum guten alten Handwerksmeister geht und sich dort seine Schuhe reparieren lässt, ein Konservativer? Oder sind doch die Krakeeler, welche nach Wachstum, Wachstum, Konsum, Konsum, Kaufen, Kaufen, Investitionen, Aktien, Rendite, Leistungsvermögen, schreien, die Konservativen?

Was ist mit den Menschen, die von ihrem Gewissen angetrieben werden? Das will keiner der Anzugträger, welche sich von einem künstlich beleuchteten, klimatisierten, beheizten Raum zum nächsten schleppen, hören. Deren Horizont beschränkt sich auf einen alten Schlager: «Eine Bootsfahrt, die ist lustig, die ist schön … Trallala!» Niemand von denen will mit vierzig Menschen, die eine lebensgefährliche Odyssee hinter sich haben, unter eher unangenehmen hygienischen und sanitären Bedingungen, auf einem Schiff zubringen. Die wollen sich nicht mit den Horrorgeschichten dieser Menschen auseinandersetzen, keine toten Säuglinge in einer Kühltruhe aufbewahren, eitrige Wunden oder offene Brüche versorgen. Ich schaue mir einen Schönling wie Christian Lindner an, wie er mit Dreitagebart und wohlfeilen Worten die panischen Passagiere beruhigt.

Oder wie würde sich ein Jahrgangsbester der Verwaltungs – und Wirtschaftsakademie, Horst Seehofer, das ehemalige Arbeiterkind aus Bayern, auf einem Rettungsschiff machen? Vermutlich nicht gut, da er offensichtlich bewusst nicht ins Handwerk ging, sondern ins Beamtentum. Das sind nur zwei Exemplare an Bürodrehstuhlkapitänen, die mir spontan einfallen. Nein, auf so einem Boot zu sein ist kein Vergnügen, wer das auf sich nimmt, muss bis in die letzte Faser von Überzeugung und Gewissen beseelt sein. Der Wille zur Umsetzung von Gerechtigkeit, das Mitfühlen von Leid, den Trieb innezuhaben, etwas dagegen zu tun, ist ein eher konservatives Bestreben. Sich parfümiert in die Ecke zu setzen und heiße Luft von sich zu geben, während andere harte Arbeit am Menschen leisten, nannte sich mal geckenhafter Parvenü. Und wer einen Menschen, der sich für diese Aufgabe aufopfert, sogar bereit ist, dafür in den Knast zu gehen, einen Schlepper nennt, ist schlicht und einfach, frei nach Klaus Kinski: «Eine dumme Sau!» Da ist im Verhältnis zur deutschen Scheinelite der Absolvent einer Jesuiten Schule, Leoluca Orlando, Bürgermeister von Palermo eine ganz andere Hausnummer. Der stand sofort auf der anderen Seite. Ein Jesuiten Zögling als Linker? Schwer vorstellbar. Da fällt mir sofort Heiner Geißler ein. Gleichfalls von Jesuiten ausgebildet, Konservativer und von den Selbsternannten als Linker geschmäht.

Nein, es geht nicht um links, rechts, Kapitalismus, konservativ, Sozialist, liberal …, sondern um eine innere Haltung, Denkvermögen, vielleicht manchmal auch um eine spirituelle Position, die Bereitschaft umzudenken und ausgefahrene Irrwege zu verlassen, den Mut zu haben, unliebsame Dinge zu sagen. Doch seien wir mal ehrlich. Was würde mit einem deutschen Politiker, der freie Bürger, auf unbegrenzten Autobahnen, sorgsam von Vater Staat betreut, bis zur Pflege der Osteoporose und Rheuma auf Mallorca, einem Ende mit Eichensarg und Kapelle vor Augen, vertritt, passieren? Was hat der gesagt? Das ist ein Linker … Nein, so einen wollen wir hier nicht.

Und was sagte Herr Kinski zu diesem Thema? «Leck mich am Arsch, Mensch!» Nein … das ist nicht konservativ.

Sport aus der Steinzeit

Lesedauer 5 Minuten

Eine neue, an sich kaum beachtenswerte, Diskussion geht derzeit durch die Medien. Kanadische Wissenschaftler/Pädagogen haben sich das Spiel «Dodgeball», das Pendant zu Völkerball vorgenommen. «Dodgeball» ist nicht 1:1 mit Völkerball zu vergleichen, weil es dort deutlich härter zur Sache geht. Doch der Kern der Diskussion ist das Setting des Spiels. Im Ergebnis unterstellen die Forscher dem Spiel Mobbing Tendenzen. Ich finde, dies ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Für Nerds und eher unsportliche Mitschüler war Völkerball mit Sicherheit kein Vergnügen.

Jeder Sportunterricht kann für Schüler zu Horrorveranstaltung werden. Im schlimmsten Fall prallen zwei Lebensarten aufeinander. Die körperlich orientierte, die das Durchsetzen, Statusgewinn, Identitätsfindung und Selbstbewusstsein über physische Aspekte ableitet und auf der anderen Seite, die eher intellektuell ausgerichtete. Ich finde, einfach kann in dieser Diskussion nicht argumentiert werden und vor allem, geht sie u.U. tiefer, denn man denken mag. Wichtig ist dabei auch immer, dass von Schulsport die Rede ist.
Sport ist bereits seit der Antike und auch schon davor, ein gesellschaftlicher Faktor. Selbst die Inka, Tolteken und Azteken, betrieben Mannschaftssport, der letztlich kriegerische Handlungen in den Sport umleitete. Grundsätzlich kann man zwischen Mannschaft – und Individualsport unterscheiden. Team gegen Team, oder Frau gegen Frau, Mann gegen Mann – so oder so, es wird Gewinner und Verlierer geben. Beides will gelernt sein. Der Mensch muss zur Ausbildung seiner Persönlichkeit lernen, mit seiner Gewinnerrolle, aber auch mit seiner Verlierersituation umzugehen. Verlierer? Gewinner? An diesen Begriffen hängt eine Menge hinten dran.

Bei Gewinner schwingen positive Emotionen mit. Ich habe jemanden besiegt, der gegen mich angetreten ist. Verlieren läuft eher unter negativ. Siegen und Verlieren ist mit Anerkennung, Selbstbestätigung, Selbstbewusstsein und damit gleichzeitig mit Identität verbunden. Persönlich finde ich die Ausbildung einer Identität über den Sport etwas simpel und vor allem, wie bei der Schönheit, eine gefährliche temporäre Angelegenheit. Die geistige Auseinandersetzung hatte bei mir einen höheren Stellenwert, da sie bis zum Ende wirkt, und nicht durch schwerwiegende Verletzungen oder Alterungsprozess eine empfindliche Störung erfährt.

Auf jeden Fall bedarf es beim sportlichen Wettkampf, so auch beim Völkerball, mindestens zwei Parteien, die gegeneinander antreten. Das hat etwas Archaisches. Im Prinzip kommt der Affe zum Vorschein, der auf eine andere Horde trifft oder sich im Einzelkampf in der Hierarchie nach oben kämpft, um seine Gene durchzusetzen. Bei allen Diskussionen über Emanzipation, Diskriminierung, darf dieser Affe nicht übersehen werden. Und genau hier rastet mein Inneres ein. Ist der Mensch dazu in der Lage, sich ab dem «Status – quo» jetzt, weiter zu entwickeln?

Nicht physisch, sondern psychisch! Sind wir dazu in der Lage, die Pubertät hinter uns zu lassen und nächsten Schritt zu gehen. Der Mensch, ein erwachsenes Wesen, Herr über seine Triebe und Instinkte?

Aktuell sieht es anders aus. Derzeit kann sich ein geistig einfach gestrickter Mensch mit sportlichen Leistungen in die Höhen der Gesellschaft bugsieren. Das Ansehen von Fußballern, Boxern, American Football Spielern, entspricht den Möglichkeiten eines antiken Olympioniken oder Gladiatoren. Von deren Möglichkeiten können hochintelligente Wissenschaftler nur träumen. In Deutschland werden prominenten Sportlern sogar politische Statements abgerungen. Das hat für mich in etwa die Qualität einer Befragung einer Miss Universum. Ich will weder dem einen, noch der anderen absprechen, dass sie eine Meinung haben oder intelligent sind – aber mit Verlaub … ihre politische Meinung interessiert mich bei ihnen sekundär und sie sind nicht die ersten Ansprechpartner/innen.

Ich selbst wollte sportlich immer mir selbst etwas beweisen. Ich trat gegen mich selbst an. Wettkämpfe habe ich nie gemocht. Mir war es zuwider, eine Anerkennung zu bekommen, weil ich meine Leistung entweder zur Schau stellte oder einen anderen besiegte. Mein Ziele waren Respekt und Anerkennung, weil ich existiere, nicht wegen einer Leistung, die eine Kombination aus genetischen Voraussetzungen und Training ist. Diese innere Haltung hat mich mein Leben lang begleitet und Trainer zur Verzweiflung gebracht. «Er könnte … wenn er wollte … Ja … aber er will nicht, jedenfalls nicht im Wettkampf.» Aus dieser Position heraus, habe ich andere argwöhnisch beobachtet. Grundsätzlich habe ich nichts gegen Sport, im Sinne einer Förderung der körperlichen Fitness. Nebenbei eine, die hart körperlich arbeitende Menschen frei Haus geliefert bekommen. Gerüstbauer brauchen keine Hanteln, um sich Muskelpakete anzutrainieren. Bei Menschen, die sich exzessiv sportlich betätigen, gehen bei mir die Alarmglocken an.

Was mich wieder zurückführt. Völkerball – die Antwort ergibt sich wie häufig aus der Frage nach dem dem Ziel. Körperliche Fitness? Nun, da gäbe es deutlich bessere Optionen. Teamgeist? Ich denke, auch da gibt es wesentlich bessere Mannschaftssportarten, die u.a. von einem gemeinsamen taktischen Vorgehen geprägt sind. Der berühmte deutsche Turnvater Jahn, ersah Völkerball noch als Wehrertüchtigung und die Rolle, als ritualisiertes Kriegsspiel, stand im 19. Jahrhundert außer Frage. Mit anderen Worten, dieses Spiel ist ein Relikt aus alten Zeiten, mit Zielen aus dieser Zeit – der Pubertät der menschlichen Entwicklungsgeschichte. Es kommt auch nicht von ungefähr, dass Australien und die USA dieses Spiel noch ein wenig härter haben werden lassen und es dort auch einen anderen Stellenwert hat.

Wenn ich mir eine Gesellschaft anschaue und verstehen will, gibt es ein paar Indikatoren, die recht informativ sein können. Welche Sportarten werden bevorzugt? Welche ist der sogenannte Nationalsport? Welche Drogen werden hauptsächlich konsumiert? Welche Statussymbole haben die größte Wirkung? Welcher Art und Persönlichkeit sind die bewunderten Prominenten? Welche Religion hat sich durchgesetzt? Nach welchen Kriterien wird ein Mitglied nach oben durchgelassen und darf Massen anführen? Wie wird mit Kritik und den Formulierern dieser, umgegangen.

Völkerball spielt keine wesentliche Rolle in Deutschland. Aber kaum wurde die kanadische Studie veröffenltiicht, meldeten sich Kommentatoren, die von Verweichlichung, Unsinn, Sieg und Verlieren sprachen bzw. schrieben. Ganz im Sinne des alten Turnvaters Jahn. Ich habe auch in der Schule Völkerball gespielt.

Ehrlich? Kann weg. Beim Basketball, Handball oder auch Fußball, gilt es im Breitensport als unsportlich, bewusst und vorsätzlich ohne Torwillen einem gegnerischen Spieler den Ball voll auf die 12 oder die Magengrube zu zimmern. Gerade im Schulsport gibt es deutlich bessere Spiele, z.B. konditionsfördernde Spiele ohne Gewinner. Im Turnverein spielten wir Geräteball, bei dem die Spieler nicht den Hallenboden berühren durften, das hat eine Gerätesicherheit gefördert … OK … warum nicht, wenn jemand Turnen mag.

Doch so lange der Sport darauf hinaus läuft, dass sich Leute, welche der geistigen Einfalt den Vorzug geben, ein Erfolgsprofil verschaffen können, werde ich reflexartig dagegen sprechen. Wir haben genug einfach strukturierte Persönlichkeiten, dies muss nicht auch noch gefördert werden. Ich kann die verstehen, welche wegen ihrer körperlichen Voraussetzungen solche Spiele und die Art der Gestaltung hassen. Es geht um Schulsport! Da muss auf alle Rücksicht genommen werden. Turner sind sportwissenschaftlich betrachtet eher Ballidioten. Und ich kenne nicht viele «Hobbyfussballer», die sich am Reck sonderlich talentiert zeigten. Adipöse Schüler werden mit vier Stunden Sport in der Woche und davon alle drei Wochen mit einem Ball abgeworfen werden, nicht schlank werden. «Körperkläuse» werden hierdurch nicht zu Menschen mit einer guten Körperhaltung. Schulsport muss Spaß machen. Oberstes Ziel sollte es sein, den Schülern Freude an der Bewegung näher zu bringen, ihnen ein Ventil für Aggressionen anzubieten, und ihnen die Chance geben, ein Gefühl für den Körper zu entwickeln. Zu meiner Schulzeit hasste ich es, wenn Sportarten zensiert wurden, die mich nicht einmal im Ansatz reizten. Federball – sorry … Badminton, oder Hochsprung … Nein, da kann man andere Sachen anbieten. Wer mehr will, kann einem Verein beitreten.

Ich betone: Dies ist keine Gegenrede zum Sport und dem dadurch möglichen Gemeinschaftserlebnis und die verbindenden Elemente. Ich finde es aber wichtig, auch die andere Seite zu akzeptieren – es ist nun einmal nicht jedermanns Sache und die positiven Skills lassen sich auch anders erwerben. Wichtig finde ich auch den Hinweis, dass sich einige Sachen beim Sport verselbstständigen. Er ist und bleibt eine Nebensache … anderes sollte höherwertiger eingestuft werden. Und bevor wieder jemand mit Juvenal kommt: «In einem gesunden Körper, steckt auch ein gesunder Geist!» – Nein, das Zitat wurde sinnentstellt. Juvenal wäre heute ein Typ, der diesen Satz mit hochgezogenen Augenbrauen spöttelnd in einem Fitnessstudio sagen würde. Er hielt nicht viel von seinen sportiven eingeölten römischen Mitbürgern.

In einer Bar mit Aliens

Lesedauer 6 Minuten

Zu meinen absoluten Favoriten unter Büchern gehört «Per Anhalter durch die Galaxis» von Douglas Adams. In der Jugend fand ich es amüsant. Später wurde mir bewusst, wie genial das von Adams gewählte Setting ist und welche tiefgreifende Philosophie sich zwischen den Zeilen befindet.

In meiner Fantasie stelle ich mir vor, wie ich selbst zusammen mit intergalaktischen Reisenden im «Restaurant am Rande des Universums» sitze. Dort würde ich mich bei einem Pangalaktischen Donnergurgler mit anderen intergalaktischen Travellern unterhalten. Wenn ich mich dieser Fantasie hingebe, frage ich mich stets, wie ich den anderen Lebensformen die dominante Spezies des Planeten Erde beschreiben oder gar erklären würde.

Würde das überhaupt gehen? Wie sollte ich ihnen erläutern, dass die Erde quasi gegenständlich von einigen Individuen in Besitz genommen wurde. Ein vollkommen unlogischer Vorgang. Da wir nicht selbstständig fliegen können, benötigen wir Bodenkontakt. Der Boden, die Substanzen, welche sich in ihm befinden, gehören untrennbar zum Leben dazu. Nicht umsonst wird bei christlichen Beerdigungen darauf ausdrücklich hingewiesen. Wie kann also ein Einzelner oder eine Gruppe Besitz davon nehmen? Wie soll man dies vermitteln?

Vielleicht würde ich danach gefragt werden, warum viele meiner Spezies in lebensfeindlichen Lebensräumen des Planeten leben? Logisch wäre, dass sich alle in Bereichen aufhielten, in denen Leben möglich ist. Ich müsste den anderen Reisenden die Funktion von Grenzen und ihre Bedeutung für den gesamten Planeten erläutern. Sie würden mich fragen, nach welchen Kriterien diese Grenzen gezogen wurden. Wurde darüber auf der Erde abgestimmt? Orientierte man sich an Gebirgen, Flüssen, Meeren, Wüsten? Warum dürfen manche Lebewesen diese Grenzen unkontrolliert passieren, Mitglieder der eigenen Spezies nicht und warum werden andere, wie zum Beispiel Wölfe und Bären, erschossen?

Wie könnte ich verständlich machen, dass das Wasser, analog zum Boden, von einigen Mitgliedern der Spezies in Besitz genommen wurde? Sie würden mich fragen, warum Boden und Wasser lediglich innerhalb der Spezies gehandelt werden, während andere Lebensformen auf dem Planeten nichts kaufen oder bezahlen können. Überhaupt, wie könnte ich ihnen Handel, fassbares Geld, virtuelles Geld, angeblich ein Tauschmittel, obwohl gar kein Gut zum Tauschen da ist, unnützen Besitz und andere damit in Verbindung stehende Aspekte verständlich machen?

Käme die Frage auf, wie sich meine Spezies zur dominanten auf dem Planeten entwickeln konnte? Hätte ich darauf eine Antwort? Ich könnte Kommunikation, Kooperation, einen gegenübergestellten Daumen und ein gelangweiltes Großhirn benennen. Nachfragen bezüglich der Kooperation, im Hinblick auf die Grenzziehungen, lebensfeindliche Gebiete, Handel mit dem Boden und Wasser, brächten mich ins Schleudern.

Die Reisenden von anderen Planeten wären mit Sicherheit daran interessiert, warum meine Spezies die Voraussetzungen für die Existenz der Lebensformen über mehrere hundert Jahre hinweg vernichteten. OKAY, diesbezüglich könnte ich anführen, dass wir es bis zu einem Zeitpunkt x nicht wussten. Bei allem, was nach dem dem Zeitpunkt x passierte, käme ich in Begründungsnöte. Ich müsste wieder auf den Handel, Besitz, Boden, Wasser zurückkommen und mich damit in einem geschlossenen Kreis bewegen.

Wie sollte ich diesen anderen Lebensformen das Leben auf der Erde an sich begreiflich machen? Meine Erklärung müsste lauten: “Bist Du am falschen Platz auf der Erde geboren, bist Du in den Arsch gekniffen. Um so mehr bei der Geburt Deine Hautfarbe von blass abweicht, je schwieriger wird es für Dich im Leben werden. Die Beziehungen zwischen der Spezies Mensch und anderen Lebensformen auf der Erde, sind eher schwierig. Entspricht eine andere Spezies ansatzweise dem Aussehen eines menschlichen Säuglings, wird sie als schützenswert angesehen, weicht sie davon ab, wird sie vernichtet oder schlicht aufgegessen.

Möglicherweise kämen Nachfragen beim Begriff “Umweltschutz”. Warum und vor wem, müssen wir die Welt um uns herum schützen? Und wie kann es sein, dass wir von einer Welt um uns herum sprechen, wenn wir doch Begriffsdefinition Teil dieser Welt sind. Demnach wäre Umweltschutz, der Schutz vor uns selbst.

Ich müsste ihnen davon erzählen, dass man auf der Erde andere Lebewesen sammelt und sie einsperrt, damit Menschen sie sich in Ruhe ansehen können. Besonders schwierig würde es für mich am Punkt werden, an dem ich darauf hinweise, dass dieses teilweise mit Arterhaltung begründet wird, weil der Mensch zuvor für die Ausrottung der eingesperrten Lebewesen sorgte. Ich täte dies in der Hoffnung, dass ich damit niemanden meiner Gesprächspartner auf dumme Ideen brächte, da ich auf das Universum bezogen, selbst zu einer gefährdeten Spezies gehöre.

Irgendwann würde mich vermutlich einer unterbrechen und mich skeptisch fragen, ob wir in der Vergangenheit nicht eines Tages unsere geistigen Störungen erkannten. Ich würde sagen: “Ja, aber … erstens muss ein Irrer zunächst erkennen, dass etwas bei ihm etwas schief läuft und zweitens bedarf es der Erkenntnis, dass nicht die anderen von der Vernunft abweichen, sondern er selbst. Vielleicht würde ich auf ein Gleichnis zurückgreifen.
Neurotiker, die aus paranoider Angst heraus, Türklinken nicht anfassen können, erklären meistens andere Menschen für gestört, weil sie die Gefahr einer Ansteckung nicht erkennen. Auf die Erde bezogen, erklären die Neurotiker den Vernünftigen, welche mahnend den Finger heben, dass sie zu naiv und weltfremd sind, weil sie die Gefahren der Veränderungen nicht erkennen.

Ich würde einräumen, dass wir immer mal wieder die grundlegenden Störungen im menschlichen Verhalten. erkannten. Hierzu gehört mit Sicherheit die selbstzerstörerische Gier. Eines Tages hatten einige Gestörte die Idee, dass sich die Gierigen selbst regulieren würden. Ähnlich, wie dies bei anderen Spezies auf der Erde funktioniert. Dort treffen bei der Suche nach paarungswilligen Weibchen Turnierkämpfer auf gestörte «Totkämpfer». Zum Beispiel ist dies bei Hirschen, Wölfen, Bären, der Fall. Da die Totkämpfer auf Dauer die Population gefährden, setzen die sich aber nicht durch.
In der Analogie würden sich die schädlichen Gierigen nach und nach erledigen, während die Kooperativen den Bestand der Spezies sicherten. Theoretisch hätte dies funktionieren können, wenn da nicht das Großhirn wäre, welches die Gierigen befähigte, gleich alles Leben mit ins Verderben zu reißen. Im Prinzip, als wenn ein unterlegener Hirsch, der die Grenzen eines Kampfes nicht kennt bzw. instinktiv verspürt, über die Fähigkeit verfügte, den Wald anzuzünden.

Faszinierend ist bei allem, dass die Menschheit durchaus Individuen hervorbringt, welche gute Ideen haben. Doch im Gegensatz zu allen anderen Lebewesen auf dem Planeten, erwählen Menschen gern gestörte Persönlichkeiten zu Anführern. Besonders bemerkenswert sind diejenigen, welche stoisch Wachstum fordern. Wie könnte ich dies wiederum den von mir angenommenen anderen Travellern vermitteln? “Wir Menschen wissen, dass wir begrenzte bzw. eingeschränkte Reproduktionsraten hinsichtlich der Ressourcen auf der Erde haben. Dennoch setzen wir auf stetiges Wachstum und höheren Verbrauch, denn an Mitteln reproduziert werden kann. Wir nennen diese Störung Kapitalismus bzw. Liberal.” Grundsätzlich ist ein derartiges Verhalten ein Fall für einen versierten Therapeuten … aber ich denke nicht, dass irgendeiner diesen Fall übernehmen würde.

Vom Pangalaktischen Donnergurgler sollte man bekannterweise nicht zwei trinken, es sei denn, du bist ein 30-Tonnen-Elefant mit Bronchialasthma. Doch so, wie ich mich kenne, würde mich das nicht abhalten. Schon gar nicht, weil mir beim Beschreiben und Argumentieren immer mehr die Untiefen des kollektiven Wahnsinns meiner Spezies bewusst werden würden.

Fantasie! Das letzte Refugium, welches einen davor rettet, beim Anblick der eigenen Spezies Mensch durchzudrehen. Im «Anhalter» ist die Erde ein intergalaktisches Experiment zur Ermittlung der Antwort, was die Antwort des Mega -Computers Deep Thought auf die Frage nach dem Sinn von allem, 42, zu bedeuten hat. Ich mag die Vorstellung, dass alles nur ein Experiment ist. Dies würde die Existenz diverser Menschen und ihrer verwirrten Aussagen erklären.

Elon Musk, u.a. Gründer von PayPal und Tesla, vertritt die These, dass alles nur die Computersimulation von hoch intelligenten Wesen ist. Er kommt damit Adams sehr nahe. Wenn es so sein sollte, haben sie diese vor ca. 200.000 Jahren gestartet und sind vermutlich vollkommen baff, wie die Sache mit dem Großhirn so scheitern konnte. Ich betrachte es als ausgeschlossen, dass sie in den vergangenen zweitausend Jahren regulierend eingriffen. Keine intelligente Lebensform jenseits der Erde, kann sich ausdenken, was wir in dieser Zeit veranstalteten.

Fakt ist … mir fehlen Erklärungen und Argumente dafür, was um mich herum und auf dieser Erde stattfindet. Wenn es überhaupt eine geben könnte, dann muss sie irgendetwas mit dem Großhirn zu tun haben. Hirnforscher haben herausgefunden, dass es eines Tages den Entwicklungsstand erreichte, an dem es wesentlich höhere Kapazitäten besaß, denn zum Überleben notwendig waren. Mit anderen Worten: Es begann sich zu langweilen. Und wir alle wissen, was passieren kann, wenn sich Menschen langweilen. Langeweile kann der Ursprung für Genialität, aber auch für die blödesten Aktionen, sein. Hierfür wurde eigens der Darwin Award ins Leben gerufen, mit dem meistens posthum Idioten ausgezeichnet werden, die sich durch Blödheit selbst ums Leben brachten. Doch wer sollte der kompletten Menschheit posthum diesen Preis zuordnen? Die anderen Gäste im Restaurant am Ende des Universums kennen Charles Darwin nicht. Vielleicht würden sie einen Toast auf die Idioten am anderen Ende der Galaxie aussprechen. “Auf die Volltrottel, die es geschafft haben, sich selbst auszurotten!”

Die Macher von Star Trek, Raumschiff Enterprise und Deep Space Nine sind in meinen Augen bewundernswerte Optimisten. In einigen Folgen müssen sich die Raumschiffbesatzungen mit höher entwickelten Wesen auseinandersetzen, die die Menschheit als widerlichen Virus betrachten, der das Universum befallen hat. Am Ende der Folgen gelingt es der Crew regelmäßig das Gegenteil zu beweisen. Cpt. Picard spricht in einer Folge von der Pubertät der Menschheit, die bis ins 22. Jahrhundert andauerte. Anders gesagt, der Vorderlappen des Gehirns, ist bei der Menschheit des 20. Jahrhunderts noch nicht an der richtigen Position angekommen.

Douglas Adams schrieb: «Viele kamen allmählich zu der Überzeugung, einen großen Fehler gemacht zu haben, als sie von den Bäumen heruntergekommen waren. Und einige sagten, schon die Bäume seien ein Holzweg gewesen, die Ozeane hätte man niemals verlassen dürfen.»

Ich denke auch, dass die Sache mit den Ozeanen keine gute Idee war. Nun, ich kann es nicht ändern. Wahrscheinlich ist es das Beste, mich damit abzufinden, dass ich als Weißer, an einem guten Ort, mit diversen Privilegien geboren wurde. Dazu gehört, dass ich zum Himmel schaue, weil ich das Wetter abschätzen will und nicht nach anfliegenden Bombern Ausschau halte. Wenn ich morgens mit Rückenschmerzen aufstehe, könnte das an einer maroden Matratze liegen und nicht daran, dass ich in der Wüste auf dem nackten Boden schlief. Wenn ich freien Himmel haben will, gehe ich raus und warte nicht darauf, dass der Schließer mich zum Hofgang begleitet. Wenn mein Kühlschrank leer ist, hat das etwas mit meiner Faulheit zu tun, weniger mit der Tatsache, dass es weit und breit nichts zu essen gibt.

Vielleicht sollte ich während meines imaginären Gesprächs doch noch einen dritten Drink nehmen. Dann fiele ich mit den Worten: «Ich war es nicht … und wenn jemand fragen sollte, ich war niemals auf der Erde!», ins Koma. Doch wahrscheinlich liefe es auf einen fürchterlichen Kater hinaus und die Erde hätte mich wieder.

Helden des Gewissens

Lesedauer 5 Minuten

Die Kapitänin eines Schiffs, welches zu einer Organisation gehört, die sich zur Aufgabe gemacht hat, wenigstens ein paar der täglich im Mittelmeer ertrinkenden Kinder, Männer und Frauen zu retten, hat eine Entscheidung getroffen. Zusammen mit ihrer Crew rettete sie 42 Menschen aus dem Wasser und machte sich mit ihnen auf den Weg nach Europa. Es folgte eine Odyssee, die viel über Europa, die dort existierenden Gesellschaften und die dort lebenden Menschen und die von ihnen gewählten politischen Führer aussagt.

In der FAZ wurde bereits am 29.1.2017 ein Artikel veröffentlicht, in dem stand:

« … die Rede ist von „allerschwersten, systematischen Menschenrechtsverletzungen“. Wörtlich heißt es demnach: „Authentische Handy-Fotos und -videos belegen die KZ-ähnlichen Verhältnisse in den sogenannten Privatgefängnissen.“ Augenzeugen sprachen laut dem Botschaftsbericht von exakt fünf Erschießungen wöchentlich in einem Gefängnis – mit Ankündigung und jeweils freitags, um Raum für Neuankömmlinge zu schaffen. Mehr als 180.000 Menschen kamen im vergangenen Jahr von Nordafrika nach Italien; beinahe 90 Prozent brachen von Libyen aus übers Mittelmeer nach Europa auf …»

Weiterhin stand im Artikel:

« … Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte der „Welt am Sonntag“: „In der jetzigen Lage ist es so, dass die Schlepper entscheiden, wer nach Europa kommt – das muss beendet werden, denn das Geschäftsmodell der Schlepper ist so einfach wie grausam: Flüchtlinge erkaufen sich für viel Geld einen Platz in einem kaum seefähigen Boot.“ Es gebe in der UN-Flüchtlingskonvention einen Anspruch von Schutzsuchenden gegenüber der Völkergemeinschaft, sagte der Minister. „Aber es gibt darin keinen Anspruch, hinzugehen, wo man will.“ De Maizière wirbt bereits seit längerem für Flüchtlingslager etwa in Nordafrika …»

Nichtsdestotrotz besteht ein europäischer Deal mit Libyen. Die Verhältnisse haben sich gemäß der Berichterstattung nicht verbessert, sondern eher verschlechtert. Sklavenhandel (21. Jahrhundert!), Folter, Vergewaltigungen, Tötungen, sind an der Tagesordnung. Menschen, die irgendwie eine Gelegenheit sehen, versuchen dieser Hölle über das Mittelmeer zu entkommen. Auf der anderen Seite existieren Menschen, die zum einen nicht verstehen können, warum jene Gepeinigten überhaupt geflüchtet sind, wieso sie sich diesem Lebensrisiko aussetzen und wie eine Kapitänin sich der Politik widersetzen kann, in dem sie die aus dem Wasser Geretteten und der Hölle entkommenen, nicht wieder an die Peiniger ausliefert.

Die Flüchtenden stammen aus Syrien, Eritrea, Somalia und Afghanistan. Die östliche Flüchtlingsroute wurde seitens der EU geschlossen, deshalb ersehen sie die Flucht über das Mittelmeer als letzte Option, dem Tod, der Folter, dem Verhungern, Verdursten oder Versklavung zu entkommen. Die dort an der Küste überhaupt noch ankommen, haben bereits die Hölle auf Erden hinter sich.

1939 verließ der ehemalige Luxus – Liner MS St. Louis mit ca. 1000 jüdischen Flüchtlingen den Hamburger Hafen mit Ziel Havanna. In Deutschland hatten die Nazis zu diesem Zeitpunkt bereits 6 KZ eingerichtet. Doch Kuba lehnte die Aufnahme der Flüchtenden ab. Auch die USA, zur damaligen Zeit selbst mit Antisemitismus infiziert, verhindert mit Militär – u. Polizeibooten ein Einlaufen in einem amerikanischen Hafen. Am Ende landen die Flüchtlinge in Antwerpen und Belgien, Holland, Frankreich und England mit Hilfe der Organisation Joint auf. Parallelen? In Spanien tobte der Faschismus unter Franco, in Italien regierte Mussolini und aus Deutschland stammten die dem Tod geweihten. Soweit ein kleiner Exkurs in die deutsche, europäische und globale Geschichte des zurückliegenden Jahrhunderts.

Doch was gehen uns schon die Afrikaner an? In einer Zeit, wo Flüchtlinge seitens einer Weidel mit arrogant hochgezogener Oberlippe als «Goldstückchen» oder allgemein als «Messermänner» diffamiert werden. Aber so weit muss ich gar nicht schauen. In den Kommentaren auf Twitter, Facebook, oder passenden Artikeln, sammeln sich jede Menge Leute, die ich bislang fern der AfD vermutete. Da wird über «erpresste Einreise», «institutionalisierter Schlepperei» oder «unbegrenzte Einreisebefürwortung linker Staatsfeinde» schwadroniert. Und immer wieder schwingt unterschwellig mit: «Wir können sie nicht alle retten!» Stimmt! Wird auch niemals passieren und möglich sein. Hundertausende sterben vorher, ersaufen im Mittelmeer, verrecken in der Wüste oder landen auf einem der Sklavenmärkte.

Die Sommerferien sind angebrochen. Die deutschen Urlauber schwärmen aus. Das Leben kann so schön sein. Sonne, Strand, Berge, Seenlandschaften laden zur Erholung. Europa, dieser gelobte Kontinent, von dem aus einst die Welt kolonialisiert wurde. Der Kontinent, von dem die Vorfahren kamen, die einst die Basis, für all die Dilemma, setzten. Ruhe und Erholung schafft die Möglichkeit, sich mit all den Dingen auf diesem Planeten auseinanderzusetzen. Mit einem kühlen Weizenbier und dem Smartphone in der Hand twittert es sich leicht.

Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, einige der Kommentare hier einzubetten. Doch ich merkte, wie mir beim Lesen die Galle hoch kam. Es gehört zu meiner persönlichen Verantwortung mir selbst gegenüber, es mit meiner Wut auf einige Menschen nicht zu weit kommen zu lassen. Aber ehrlich … ein nicht geringer Teil meiner deutschen Mitbürger raubt mir den Atem. Diese … sitzen irgendwo, stöhnen über ein paar Tage Hitze und maßen sich an, die Flüchtenden, die Kapitänin und die Seawatch Organisation zu kritisieren? Da ballt sich die Faust in der Tasche und der Gedanke: Du kannst sie nicht alle verprügeln – macht sich breit.

Ying und Yang … daraus besteht die Welt. Wir können sie nicht erfassen, ohne auch das Gegenbild zu kennen. Kapitänin Rackete, ihre Entscheidung und Handlungen bringen Licht in den Schatten, in dem sich die Kakerlaken der Gesellschaft verstecken. Der neueste Trend geht dahin, das Manöver im Hafen anzuprangern. Tja, wer eine Entscheidung dieser Art durchziehen will, muss es konsequent tun. Wer sich dem entgegen stellt, muss damit rechnen, dass der andere handelt. Ich finde dieses Gejammere über den Verstoß gegen Gesetze mittlerweile unerträglich. Jenseits aller Gesetze gibt es höher angesiedelte Aspekte des menschlichen Lebens, des Lebens überhaupt. Menschen, die sich daran orientieren, haben sich in der Menschheitsgeschichte immer wieder gegen die niedrigsten und schädlichsten Verhaltensmuster des homo sapiens gestellt. Gut, dass es in jeder Epoche solche Menschen gegeben hat.

Manchmal muss man da auch nicht soweit schauen. Ich denke dabei zum Beispiel an Kapitän Paul Watson, der immerhin mehrere Walfangboote versenkte und dafür vom Time Magazin zum Helden des 20. Jahrhunderts erklärt wurde. Doch … Moment … da war noch etwas. Richtig! Watson wurde ausgerechnet in Deutschland festgenommen, entkam aber unter seltsamen Umständen. Ich denke dabei auch an GREENPEACE und die vom französischen Geheimdienst gesprengte Rainbow Warrior. Wer hielt sich da eigentlich an die Gesetze? Die Assoziation zu den Abhöraktivitäten seitens einiger Behörden bei den Seenotrettern ist nicht weit.

Nein, unsere Epoche ist nicht die übelste der Menschheitsgeschichte. Doch wir leben in einer Epoche, in der vieles bereits bekannt ist, weil die Geschichte die Schatten bereits ausleuchtete. Es sind eigentlich keinerlei Fragen mehr offen, zu welchen schädlichen Verhaltensweisen der Mensch fähig ist. Offen ist eher, welche guten Leistungen er vollbringen kann. Kapitänin Rackete hat das getan, was man von einer Kapitänin erwarten kann. Sie hat eine Lage bewertet, ihr Gewissen befragt, eine Entscheidung getroffen und sie gegen den Widerstand der Gewissenlosen umgesetzt. Mal ganz nebenbei … auch die Bootsführer des italienischen Zoll haben ihre Wahl getroffen, auf welcher Seite der Menschheit sie stehen. Das wird gern übersehen. Die Sache mit dem blinden Gehorsam haben wir ausreichend ausgeleuchtet.

Egal in welchen Land man dem Staat dient, das Gewissen kann Dir niemand abnehmen.

Wir schauen schwierigen Zeiten entgegen. Die grundlegendsten Eigenschaften des Menschen treten gegeneinander an. Gewinnt die Seite, für die Kapitänin Rackete steht, gibt es eine Hoffnung, bekommt die andere Seite die Oberhand, setzt sich der evolutionäre Selbstzerstörungsmodus des Großhirns durch. Empathie, Kooperation, gegenseitiges Helfen hat uns zum Vorteil gereicht. Das Gegenteilige wird uns wieder in der Versenkung der Erdgeschichte verschwinden lassen.

Es geht nicht nur um die Flüchtlinge, die Rettung aus der See, das Übertreten temporär existierender Gesetze, sondern um die inneren Voraussetzungen, die bei allen Entscheidungen eine Rolle spielen. In diesem anstehenden Kampf brauchen wir dringend Leute, die auf ihr funktionierendes Gewissen hören und auf Papier legalisiertes Unrecht am Menschen erkennen.

Es ist ebenso an der Zeit Farbe zu bekennen und deutliche Worte zu finden. Da findet eine absolut schwachsinnige propagandistische Zuordnung statt. In der Vorstellung diverser Gehirnakrobaten sind die Leute, welche auf der Seite der Kapitänin stehen, weich gespülte “linke” Theoretiker. Nun, für meinen Teil, lasse ich es darauf ankommen. Ganz im Gegenteil – im Gegensatz zu einigen Sesselfurzern habe ich eine vage Vorstellung davon, welche Zustände da auf dem Schiff herrschten. Ich habe auch eine Idee, wie es in Libyen aussieht. Ich sehe im Spiegel auch keinen, der jedem alles durchgehen lässt, da bin ich recht kampferprobt. Meiner Lebenserfahrung nach, sind die Menschen, welche die wenigste Zeit außerhalb ihrer Komfortzone verbrachten, die übelsten Schwätzer und Ignoranten. Kommt mal raus aus Euren Löchern und dann sprechen wir mal Klartext miteinander.