Gender? Wat’n das?

Diese Evergreens in der gesellschaftlichen Diskussion haben etwas Faszinierendes an sich. Heute las ich einen Artikel über die «gendergerechte Erziehung»von Kindern. Gut, das hieß mal anders. Aufbrechen der Rollenverständnisse, Emanzipation und ähnlich. In der Grundschule gab es in den Siebzigern noch Werk- und Handwerkkunde. Man musste beides belegen. Eine Zeit lang Holzarbeiten und die andere Hälfte Sticken, Stricken und Weben. Später lernte ich dann noch ein wenig Bügeln, Nähen, und was man halt so braucht. Reine Frauenberufe gab es damals schon lange nicht mehr. Wenn, dann gab es klassische Männerdomänen.
Polizei, Feuerwehr und Bau, bei Letzteren bezog sich dies auf die Knüppeljobs. Es sollte Frauen übermäßige körperliche Belastung nicht zugemutet werden. In Diskussionen hieß es immer: Es gibt auch Männer, die keinen Zementsack oder einen T – Träger tragen können. Stimmt! Und die haben meiner Auffassung nach, nichts in solchen Jobs zu suchen. Schlicht ungeeignet. Ich persönlich halte auch nichts von jungen Frauen in Geschlossenen Polizeieinheiten. Etwas skurril mutet für mich der manchmal kommende Hinweis auf die US Army und die israelische Armee an. Warum sind die alle so versessen darauf, sich in Demonstrationen verheizen zu lassen? Niemand macht das auf Dauer gern.
Ich glaube, es ist ziemlich egal, was die da im Kindergarten veranstalten. Entscheidender ist das Umfeld, das Auftreten der Eltern, der Bekanntenkreis, die lieben Großeltern und natürlich die Marktanbieter. In den großen Spielzeugmärkten herrscht eine andere Politik. Und wenn die Leute es nicht kaufen würden, gäbe es das Angebot nicht. Mich faszinierte als Vater von zwei Töchtern die pinkfarbene Abteilung in einem der größten Märkte. Puppen, Kleidchen, Rüschen, Kinderwagen … das volle Programm. Bei den gängigen Videospielen sieht es nicht anders aus. Mit Schwert und Bogen bewaffnete Amazonen, spärlich mit Lederslip und Corsage über den riesigen Brüsten bekleidet, gegen Orks, Trolle und Krieger.
Was ich immer nicht verstehe, ist der akademische Realitätsverlust in den üblichen verdächtigen Fakultäten Soziologie, Psychologie und Pädagogik. Alle drei sind wichtig, aber oftmals so etwas von der Realität entrückt. Wer etwas erreichen will, darf dem Rest der Welt nicht mit einer Haltung begegnen, die nichts mit der gelebten Gesellschaftssituation zu tun hat. Überzeugungsarbeit ist notwendig, mit der ich meine Zielgruppe erreichen kann und sie nicht von vornherein mit einer seltsamen überzogenen Sprache verprelle. Allein nach dem dritten Satz, in dem von Kommilitonen und Kommilitoninnen die Rede ist, hat sich das Gespräch erledigt und erste Abwehrreaktionen stellen sich ein.
Kinder, die halbwegs frei aufwachsen, machen ohnehin erst einmal das Gegenteil. Das ist normal und wichtig. Das war damals nicht anders, wie heute. Und ein Junge, der seine Kindheit in eher schlechteren Lebensverhältnissen verbringt, hatte es damals schwer Balletttänzer zu werden, wie er es heute immer noch hat. Genau so, wie es Mädchen schwer haben, Männerdomänen zu erobern. Mit Wunschvorstellungen, wie die Gesellschaft sein sollte, kommt niemand weiter. Und mit Kinkerlitzchen im Kindergarten werde ich die Welt nicht ändern, sondern eher Eltern verprellen, die ich erreichen will und die ohnehin auf meiner Seite sind, freuen sich.
Eigentlich ist das schade. Ich hatte mehrfach das Glück auf sehr bodenständige kluge Menschen zu treffen, die neue Ideen unaufgeregt transportierten. Solche Leute braucht es. Trotzdem bleibe ich an der einen oder anderen Stelle bockig. Ich habe weder beim Schreiben, noch beim Sprechen darauf Lust, mir stets das Gehirn zu verrenken und alle Formen durchzuhecheln. Es bringt meiner Meinung nach auch nichts. Jedenfalls nicht in einer Zeit, in der wir mit der Sprache deutlich größere Probleme haben. Politiker und PR Strategen verwässern ihre Ziele mit einem Euphemismus nach dem anderen. Worte, die einfach nicht in den öffentlichen Sprachgebrauch gehören, sind wieder salonfähig. Bei manchen raffen die Benutzer gar nicht mehr, auf welcher Ebene sie sich bewegen. Zum Beispiel geht ihnen «Altparteien» locker über die Lippen. Goebbels jubiliert jeden Tag auf ein Neues. Ich würde niemals auf die Idee kommen, jemanden als versifft zu bezeichnen. Nicht rechts – und auch nicht linksversifft. Oder was ist mit Flüchtlingswellen, Klimareligion und anderen Mist? Wenn die Gesellschaft, allen voran die Politiker aller Parteien und die Presse, hierbei wieder auf einem verträglichen Level gelandet sind, können Diskussionen über eine gendergerechte Sprache (ein furchtbarer Begriff!) geführt werden. Dieser Begriff ist für mich eben so unsäglich wie die Gentrifizierung. Immobilienhaie ziehen die Leute über den Tisch. Mit Immobilienhai, Bonzen und Profiteuren kann jeder etwas anfangen.
Auf der gleichen Ebene befindet sich bei mir Migrant. Die Nummer hat sich doch vollkommen verselbstständigt. Worüber soll denn geredet werden? Entweder einer ist Ausländer oder er hat den deutschen Pass in der Tasche. Im Zweifel steht ein Deutscher mit schlechten Sprachkenntnissen vor mir. OK! Die Spannbreite reicht von Mirko aus Marzahn, dessen Wortschatz sich auf «Digga», «Ficken» und «Ich schwöre» beschränkt, bis hin zu Ahmed vom Wedding, der auch nicht viel mehr kann. Da sollten wir uns erst einmal ums Grundsätzliche kümmern, bevor man die Kür angeht.
Bei den «Gebildeten» sieht es nicht besser aus. Die Aneinanderreihung eloquenter Phrasen, ist noch lange keine sinnvolle Kommunikation. Ob nun gendergerecht oder ohne diesen Blödsinn.
Vielmehr habe ich den Eindruck, dass sich eine akademische Clique vom stinknormalen Bürger abhebt und sich selbst feiert. Das ist sinnentleert und bringt nichts. Schlimmstenfalls werden die Gräben in der Gesellschaft noch ein wenig tiefer ausgehoben. Mir ist es jedenfalls egal, ob mein Gegenüber die korrekten Formen benutzt. Ich bin mittlerweile schon dankbar für Leute, deren Gerede einen logisch nachvollziehbaren Inhalt hat.