Rückblick 2019

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Das Jahr 2019 endet in wenigen Stunden. Danke an die Mitleser des BLOG’s zu sagen, ist eigentlich ein wenig in die falsche Richtung gedacht. Ich habe geschrieben, versucht zu informieren, ab und zu etwas zu bewegen, manchmal informiert und andere Male mir einfach Luft gemacht. Ihr wart interessiert und bereit, wertvolle Lebenszeit für das Lesen zu investieren. Selbst schuld! Nein, das ist nicht ernst gemeint. Vor allem die Rückmeldungen haben mir viel Freude bereitet. Wie ich es bereits mehrfach schrieb: Warum teilen wir anderen unsere Meinung mit? Sehr einfach, wir wollen nicht allein mit ihr sein. So sind wir Menschen. Egal, wie verschroben und frustriert man auch sein mag, an unserem sozialen kooperativen Grundmuster kommen wir nicht vorbei.

2019 hat sich meiner Beobachtung nach fortgesetzt, was bereits in den Jahren zuvor passierte.

Deutschland und Europa bewegen sich weiterhin in Richtung eines immer mehr verbreiteten Denken, welches allgemein als «rechts» bzw. «konservativ» einsortiert wird. Überall wird es gleichzeitig ein wenig bürgerlicher. Ich, einer der sich als eher linksorientiert ersieht, muss dieses hinnehmen. Ich habe mir die Grundhaltung angewöhnt, keinerlei Angst vor Dingen zu haben, die ohnehin eintreten werden. Der Tod ist jedem sicher, nur der Zeitpunkt ist fraglich. Der Klimawandel wird nicht kommen, wir sind mittendrin. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Menschen unter Umständen dazu in der Lage sind, kleinere lokale Lösungen und Veränderungen auf die Beine zu stellen, doch im Großen bleibt der Mensch dazu unfähig. Insofern gibt es keinerlei Veranlassung, etwas Gegenteiliges anzunehmen, denn uns die Wissenschaftler prognostizieren. Schon in 20 Jahren wird sich die Welt, wie meine Eltern und ich sie kennenlernten, massiv verändert haben. Ich ersehe es als eine Epoche, die ich erleben durfte.

Mit dem Jahr 2020 endet das 20. Jahrhundert endgültig. Ähnlich müssen sich die Menschen gefühlt haben, die noch ohne Industrialisierung ins Leben starteten, die Anfänge der Revolution mitmachten und starben, als sie richtig Fahrt aufnahm. Ich bin noch ohne die Digitalisierung geboren worden und nun stecke ich mittenmang. In meiner Jugend sprachen wir über die Menschen in der III. Welt, als wären sie auf einem anderen Planeten. Heute kommen sie zu uns. Hinzukommen werden die Klimaflüchtlinge. Schneller, als sich die mitteleuropäischen Gesellschaften darauf einzustellen gedenken. Auch einer dieser misslichen Umstände. Die bleibende Zeit wird nicht entsprechend genutzt. Dies wird sich rächen.

Ein paar demonstrierende Schüler werden nichts Gravierendes bewirken. Genau genommen, hat sich bereits alles im Sande verlaufen. Ein paar der Aktivisten bekommen Ehrungen und Streicheleinheiten, dabei hat sich nichts verändert. Das sind Mechanismen zur Verteidigung des bestehenden Systems. Im Hintergrund passieren ganz andere Dinge. Die großen Spieler am Tisch zocken und in der Mitte liegen die letzten Ressourcen. Jeder versucht, sich in Sicherheit zu bringen. Dabei wird es Verlierer geben. Wie eine Welt aussehen könnte, in der dies passiert, haben Orwell, Huxley und einige andere schon vor 100 Jahren vorausgesehen. Meine persönlich favorisierte Dystopie ist eine Mischung aus Soilent Green, John Carpenters The Escape from New York und «Eine schöne neue Welt» mit technischen Spielereien aus «1984».

Zumindest die Vorbereitungen sind überall bereits zu sehen. Gegenbewegungen finden kaum statt. Vielleicht waren die Visionen dieser großen Vordenker deshalb so präzise, weil sie eine gewisse Logik in sich bergen, der wir nicht entkommen können.

In der Deutschen Gesellschaft befindet sich ein Prozess in der Abschlussphase. Die Verwaltung und Kategorisierung der breiten Masse ist nahezu in Gänze vollzogen. Im Prinzip sind alle Deutschen in einer großen Datenbank erfasst, die mit nutzerorientierten Kriterien abgefragt wird. Aus der Abfrage resultieren Gruppen, in der sich ähnliche Personen befinden, deren Bedürfnisse zielgerichtet und manipulativ bedient werden. Gruppen üben bekanntlich Druck aus, womit die Individualität und Freiheit des Einzelnen zu einer Suggestion wird. Ausbrüche aus diesen Gruppen sind entweder extremer Natur oder wenigstens für die breite Masse befremdlich.

Bekanntlich ist die Angst ein wesentliches Steuerungsmittel der Massen. Seitens aller politischen Vertretungen, die sich derzeit im Bundestag befinden, wird dieses Mittel hemmungslos eingesetzt. Gleichsam wird mit der Sprache gearbeitet. Mit ihr wird einerseits Angst erzeugt und andererseits wird gesteuert. Im Grunde genommen verfolgen CDU/CSU, FDP, AfD keine ernsthaft unterschiedlichen Ziele. Die Verkaufstaktik ist nur anders. Im Vordergrund stehen das klassische deutsche Leistungsdenken, eine klar vorgegebene Hierarchie, Wachstum und der hemmungslose Konsum, welcher die Konjunktur in Schwung halten soll. Außerdem die Abgrenzung von allem Fremden, sowie das Setzen auf nationale Lösungen. Die Überschrift lautet: Deutsch ist gut! Nicht ohne Grund wurde eine Debatte der «Deutschen Leitkultur» und «Deutsche Werte» angestrebt. Es ist keine aufklärerische oder humanitäre, wie sie einst mit dem Ziel der Verständigung und Abschaffung der Monarchie geführt wurde, sondern eine, die der Herrschaft des Geldes und die eines «Deutschen Idealbilds» den Weg bereiten soll. Geschmackssache! Mein Ding ist es nicht.

Natürlich haben sie bereits jetzt Europa faktisch abgeschottet, um auf dem Planeten die anstehenden Bevölkerungsbewegungen ein wenig abfedern zu können. Die Wüste und das Mittelmeer werden als natürlicher Todesstreifen genutzt. Gleichermaßen werden die Witterungsverhältnisse in den nördlichen Regionen benutzt. Alles was unterwegs stirbt, kommt bei uns nicht an. Die Rüstungsfirmen bieten auf ihren Seiten im Internet längst für moderne Grenzen jede Menge Equipment an. Kameras mit KI, Kampfroboter, Sensoren, die große Flächen abdecken können, spezialisierte Drohnen, teilweise fiese kleine, kaum größer als Insekten, die im Zweifel große Menschenmengen töten können. Vielerlei Entwicklungen sind abgeschlossen und warten nur noch auf den Einsatzbefehl bzw. Käufer.

2019 hat mir im Sicherheitsbereich noch einen anderen Trend gezeigt. Teilgruppen der Gesellschaft werden mit der Funktion «Polizei» gesteuert. Die gesellschaftlichen Entwicklungen bedingen terroristische und Einzelanschläge, vermehrten Drogenkonsum und Straftaten, die auf Traumatisierungen zurückzuführen sind. Eine effektive Prävention wäre ausschließlich über mannigfaltige gesellschaftliche Veränderungen möglich. Hierfür gibt es aus vielerlei Gründen keine Bereitschaft. Deshalb muss eine andere Taktik her. Nicht die Gesellschaft mit ihrer Unfähigkeit die bedingenden Prozesse zu stoppen ist verantwortlich, sondern die Sicherheitsbehörden des Staats. Mit Staatsversagen wird nicht benannt, was es eigentlich bedeutet. Den Staat bilden wir alle. Ein Versagen weist auf unser gemeinsames Fehlverhalten und unsere falschen Konzepte hin. Wenn überhaupt, kann es sich ausschließlich um ein Versagen der Sicherheitsbehörden handeln. Bei einem Körper würde man sagen, dass die Sicherheitsprobleme letztlich sichtbare Symptome einer innerlich tobenden Krankheit sind. Immerhin, wir können sie sehen. Was wäre, wenn man sie nicht sehen könnte? Wenn die Sicherheitsbehörden alles im Keim ersticken könnten? Ich denke, dann wäre die Kacke richtig am Dampfen. Dagegen wäre «1984» ein Paradies.

2019 war ein Jahr, in dem diverse Vorfälle bei der Polizei aufgebauscht wurden. Bei der allgemeinen Entwicklung bleibt es nicht aus, dass diverse Gruppierungen auch gewaltsam aufeinander treffen bzw.versuchen, die Starre durch Angriffe aufzulösen. Die Polizei steht mit Teilaufgabenstellungen dazwischen. Das wird noch übler werden. Bei all den Debatten wurde stets die Verbrechensbekämpfung aus dem Auge verloren. Der deutsche Bürger hat eine seltsame Vorstellung von international agierenden Verbrechern. Eine, die sich ein mit der Verbrechenseindämmung betrauter Beamter nicht leisten kann. Jedenfalls nicht, wenn er lebend nach hause kommen will. Deutschland ist diesbezüglich ein Legoland. In anderen Staaten werden beispielsweise Fahrzeugkontrollen mit mindestens bereitgehaltener Maschinenpistole durchgeführt. Der Zugriff auf Verdächtige erfolgt ohne Körperkontakt mittels Heruntersprechen bei vorgehaltener Waffe. Zieht einer ein Messer ist die Antwort der Polizei vorher geregelt. Die Täter wissen das und richten sich darauf ein.

Polizisten ringt der Spruch: «Sehe ich aus, wie ein Verbrecher?», nur noch ein sarkastisches Gesichtszucken ab. Die Tätowierung «Verbrecher» gibt es nicht. Ebenso wenig gehört die berühmte Glaskugel zur Ausstattung eines Polizisten. Wir sind an einem Punkt angekommen, in der jede Situation urplötzlich kippen kann. Wenn ein erlebnisorientierter «Rapper» aggressiv herumpöbelnd auf der Straße Faxen machen kann, habe ich dafür kein Verständnis. Der Typ gehört in eine sichere Bodenlage – fertig! Gleichfalls bestimmt ein Verdächtiger über seine Behandlung selbst, wenn er öffentlich damit prahlt, wie er gedenkt, sich bei einer Festnahme zu verhalten oder gar androht, andere zu töten, weil sie nicht seinem Glauben angehören. Ja, die Gesellschaft hat ihn geformt, aber der Polizist muss ihn aus dem Rennen nehmen. So läuft das nun einmal.

Der Bürger benötigt die Buhmann Rolle des Polizisten oder Verfassungsschützers. Könnte das eingetretene Ereignis nicht abgeschoben werden, würde dies zwei Dinge bedeuten. Erstens er hat selbst etwas damit zu tun und zweitens, die Abwendbarkeit ist mehr ein Zufall, als tatsächlich kontrollierbar. Den richtigen Terroristen mit Maßnahmen zu überziehen ist ein Glücksfall.

Ein Ergebnis aus Risikobewertung, Animus, Kommissar Zufall, Vorurteile, Profiling und eine gehörige Portion Zufall bzw. Glück. Wer etwas anderes behauptet, hat in einer anderen Gesellschaft seinen Job gemacht, wie ich. Du läufst vierzehn Tage dem Top Gefährder hinterher und am Ende kommt der um die Ecke gebogen, den keiner auf dem Zettel hatte. Was nicht einmal bedeutet, dass der Top Mann der Falsche war. Der Zeitpunkt stimmte halt nicht. Dies will der Bürger nicht realisieren.

Diese ganzen Untersuchungsausschüsse sind Kokolores. Jeder Profi fühlt sich von denen verarscht. Auf der einen Seite haben wir eine Vielzahl hoch spezialisierter Beamter. Da wären die Observationsbeamten, welche jahrelang trainieren Personen im schwierigsten Umfeld verdeckt zu beobachten. Die so genannte «Derrick Gedenkobservation», wie sie im Fernsehen gezeigt wird, gibt es nicht. Dann die Ermittler, welche mit viel Erfahrung Leute aus der Szene betreuen. Mir ist bisher nicht der Fall bekannt geworden, in dem einer in eine Moschee ging und mal eine kleine Umfrage startete, wer denn Lust hätte ein paar potenzielle Terroristen zu verraten. Aushänge im Eingangsbereich habe ich auch nie zu Gesicht bekommen. Dies ist ein ganz eigener Job und es braucht Jahre, bis man ihn gut macht. Hinzu kommen Analysten mit dem richtigen Riecher und Ermittler, die Horden von ehrgeizigen Rechtsanwälten abwehren, die sich eine neue S – Klasse bestellen wollen.

Wen haben wir auf der anderen Seite? Interessierte und ambitionierte Laien, welche mal eben im Vorbeigehen ein wenig etwas gelesen haben. Mit dumm oder schlau hat das nichts zu tun. Jeder Handwerker kennt das Problem. Niemand unterstellt dem Herrn Doktor, der ein Haus bestellt hat, mangelnde intellektuelle Fähigkeiten. Aber er weiß eben nicht, welche Tücken der Einbau einer Fußbodenheizung, die Verlegung von Versorgungsleitungen oder ähnliche Arbeiten mit sich bringen. Jeder Chirurg wird vor einem komplizierten Eingriff auf die Risiken hinweisen. Es kann klappen, muss es aber nicht. Manch ein Politiker glaubt auch, wenn er sich ein – bis zweimal auf einen Wagen gesetzt hat, gehört er dazu. Nur mal so, ich habe über 30ig Jahre bei der Kripo gearbeitet. Davon über 20 Jahre in einer Spezialeinheit, in der Schutzpolizei und Kripo zusammen arbeiten, und trotzdem habe ich als Kripo Kommissar immer nur eine Teilakzeptanz der Schupo bekommen. Das hat seine Gründe und ich akzeptiere sie in voller Breite. Es ist eine Sache des Respekts. Ein freundlicher Politiker ist nach drei Tagen immer noch ein Politiker, der nicht einmal ansatzweise die Mentalität eines Polizisten versteht.

Traurigerweise wissen oftmals selbst leitende Polizeibeamte wenig über die Arbeit der Spezialisten. Dies führt dann zu Außendarstellungen, die einem die Haare ausfallen lassen. Ich kenne Journalisten mit mehr Einblick.

2019 war auch das Jahr, in der von rechten Umtrieben in der Polizei die Rede war. Na ja, Anarchisten und Autonome sind dort nicht zu erwarten. Das Menschenbild wird nach einigen Jahren auch nicht besser. Davon sind selbst die neuerdings verstärkt in Erscheinung tretenden internen Kritiker nicht frei. Liest man sich ihre Kommentare analytisch durch, sind die ebenfalls verbiestert. Ihr Frust richtet sich nach innen und nicht nach außen. Der eine oder andere hat bestimmt einiges mitmachen müssen. Dafür kann es unterschiedliche Gründe geben. Für mich macht es wenig Unterschied, ob ich intern einen Generalverdacht formuliere oder externe Gruppen meine. Das gedankliche Prinzip ist identisch. Aus meiner Sicht ist es vollkommen irrelevant, ob es in der Polizei «Rechte» gibt. Die Polizei ist ein Dienstleister und setzt Vorgaben um. Spätestens Mitte der Achtziger machten sich Innensicherheitspolitiker und Polizei Gedanken über Einsatzkräfte, die sich robust einem wütenden Mob entgegenstellen konnten. Vorreiter war damals Berlin.
Anfangs waren den Einsatzführern aus dem restlichen Bundesgebiet diese Einheiten nicht geheuer. Später sahen sie ein, dass es einfach nicht mehr anders ging und sie übertrugen den «Schmuddel – Job» an die Bundespolizei, bis sie selbst passend reagierten. Der moderne Strassenkämpfer politisch oder über Gewalt motiviert, geht soweit, wie es zugelassen wird. Dieser Art Kämpfer Chorknaben entgegenzustellen, wäre ein wenig merkwürdig. Politisch darf sich darüber niemand wundern. Wer mit arroganten politischen Machtdemonstrationen agiert, darf sich über die gerufenen Geister nicht wundern. Und das Heranwachsende oder Jungerwachsene, die sich in immer mehr bestehenden sozialen Brennpunkten selbst überlassen sind, Randale liefern, ist es ebenfalls nicht verwunderlich.

Der deutsche Bürger hat ein Wunschbild vom Menschen. Mit der Realität hat es wenig zu tun. Einer meiner Lieblingspolitiker Christian Lindner, meinte anlässlich der Ermordung von Walter Lübcke: «In welcher Welt lebe ich eigentlich mittlerweile?» Wäre es möglich gewesen, hätte ich ihn gern angerufen: «Junge! Willkommen in der Realität! Komm mal aus Deinem Elfenbeinturm heraus.» Ihr alle gemeinsam habt über Jahrzehnte hinweg die Gesellschaft gespalten, Gräben geschaffen, soziale Trennlinien geschaffen und der Verrohung zugesehen, im Gegenzuge habt ihr es versäumt die Sicherheitsbehörden in eine härtere Gangart umzuschalten – nun habt ihr die Ergebnisse. Für eine Sache hättet ihr Euch entscheiden müssen. Entweder die Gräben und die Verrohung stoppen oder die Ergebnisse zu bekämpfen. Beides zu unterlassen, ist keine gute Idee.

Ich zolle jedem Respekt, der diese «Wasch mich, aber mach mich nicht nass» Nummer weiter mitmacht. Rechts – unter Umständen, aber entscheidend ist die Auftragslage. Man kann recht zuverlässig davon ausgehen, dass die Polizei das unternimmt, was vorgegeben wird. Polizei Putsche sind recht selten. Wo ich 2020 lande, ist noch nicht ganz raus. Unter Umständen stelle ich mich der Gesellschaft mit anderen Vorzeichen nochmals zur Verfügung. Ich bin ein Teil des Ganzen und damit ist es auch eins von mir. Ein Funke Gestaltungswille ist noch in mir und vielleicht gibt es Positionen, in denen man wenigstens in Nuancen etwas bewirken kann. Immer nur ans Bein pinkeln ist auf Dauer auch keine befriedigende Lösung. Na mal sehen … ich werde berichten.

Faszination und Ablehnung

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Ich weiß nicht, ob ich ein Misanthrop bin. Vielleicht! Meistens mag ich Menschen nicht, aber sie faszinieren mich. Das Verstehen funktioniert nicht. Ich habe mich wirklich bemüht. Was ich dabei noch nicht verstehe, ist die Entwicklung. Mein Unverständnis wächst jährlich. Liegt es am Alter oder am gesellschaftlichen Wandel? Ich bin ich noch auf der Spurensuche.

Der WDR hat einen Kinderchor auftreten lassen und der hat ein Kinderlied vorgetragen. “Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad.” Ein albernes Lied. Kaum jemand kommt auf die Idee im Hühnerstall Motorrad zu fahren. Schon gar nicht in Zeiten der Massentierhaltung. Die meisten mir bekannten Frauen stehen auch nicht sonderlich auf geschredderte Küken. Nun, im Lied werden die Großmütter als Umweltsau bezeichnet. Von ca. Neunjährigen! Die Großeltern könnten demnach in meinem Alter sein.

Bei Twitter habe ich heute diverse Kommentare gelesen, in denen Leute von ihren Großmüttern schreiben. Frauen, die Lametta falten, Socken stopfen, Eintöpfe kochen, sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen. Mit anderen Worten sie sprechen von der Nachkriegsgeneration. Frauen, die nach 1945 das Wirtschaftswunder mit trugen. Es war nicht ihre Entscheidung; sie waren Teil dessen. Aus der Sicht der Kinder, sind dies die Ur -Großeltern.

De facto mokieren sich die Menschen über eine Kritik an eine Zeit, die ihrerseits als die “gute alte Zeit!” ersehen wird. Vieles war weniger einer Überzeugung geschuldet, denn den Umständen. Es war die Zeit vor der Wegwerfgesellschaft. Ebenso die vor “Sollbruchstellen” in elektronischen Geräten, der Digitalisierung, der Banalisierung des alltäglichen Lebens und der Dekadenz. Nein, die Zeit davor ist nicht gemeint. Vieles von dem, was wir heute wissen, wusste die breite Masse nicht. Asbest, Seweso, Contergan, Plastikmüll, die Gefährlichkeit von Insektiziden, was das Zeug im Ofen mit der Luft macht usw.. Ihnen kann daraus kein Vorwurf gemacht werden. Es gab Wissende, die sind nicht frei von Schuld. Die saßen bei BASF, SCHERING, den Erdölraffinerien, an den Universitäten.

Tja, die Menschen könnten umdenken. Aber sie tun es nicht. Warum nicht? Irgendwie ist das widersprüchlich. Einerseits verteidigen sie eine Zeit, die völlig anders war und andererseits leben sie gegenteilig. Alle zwei Jahre ein neues Smartphone, regelmäßig ein neuer Fernseher, die neueste Spielekonsole, Sound – Boxen, Power – Banks, Klamotten ohne Ende, Billig- Schuhe, Konsum von Substanzen, die entfernt an Lebensmittel erinnern, billig produzierte Musik und Fernsehen, von Konzernen und Politikern bezahlte Nachrichten für bare Münze nehmen, sich in das bestehende System einpassen lassen, uns was sie noch alles tun.

Haben sie ein schlechtes Gewissen? Ist es der Klassiker? Der Hund, dem auf den Schwanz getreten wird? Vermutlich! Es erscheint mir diese Diskrepanz zwischen dem Wollen und dem Sein darzustellen. Sie wollen eigentlich sein, wie die Oma, welche sie zum Symbol gemacht haben. Das lässt beinahe so etwas wie Hoffnung aufkommen. Ich glaube, die begreifen langsam, dass sie Mist bauen. Der Kinderchor hat ihnen mit einem eingesprungenen Rittberger klargemacht, wo sie stehen.

Die Oma mag in ihrer Vorstellung nach, noch halbwegs verträglich gelebt haben, doch sie selbst haben den Pfad verlassen. Aber sie wissen, dass sie falsch liegen. Und das einzugestehen wird hart. Wenn sie es überhaupt schaffen. Ich glaube eher nicht. Die Manipulationsmaschinerie wird schon angeworfen …

Traum oder Abrechnung

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Träumer! John Lennon besang seinen Traum. Rio Reiser sang davon, dass der Traum aus ist. Ich habe auch einen. In diesem Traum stehen alle Deutschen zu dem, was sie sind und warum sie leben können, wie sie leben. Der komplette Wohlstand, all die Annehmlichkeiten, ihre Freiheiten, bezahlt von anderen und geschützt von Menschen, die bereit sind, zweifelhafte schmutzige Dinge dafür zu tun. BND, MAD, bestimmte Dienststellen der Landeskriminalämter, LfV und BfV, Konzernvorstände, Banken. Ihr wollt weiterhin auf dem Rücken anderer Länder leben? OK! Dann lasst uns unseren Job machen. Anderenfalls zieht Eure Konsequenzen daraus oder entscheidet Euch für das Gegenteil, dann aber mit allem, was dazu gehört.

Mir steht diese heuchlerische Verlogenheit bis zur Oberkante. Ich hasse nichts mehr im Leben, wie «Wasch mich, aber mach mich nicht nass!» Es gibt keinen vernünftigen Grund dafür, warum sich ein Teil der Gesellschaft als die tollen Guten aufspielen können und andere an die Wand stellen, wenn sie an den Sauereien der Gescholtenen jeden Tag ihren Honig lutschen. Nichts von ihrem verlogenen Leben würde existieren, wenn die nicht wären. Und das betrifft alle. Selbst Autonome und Hausbesetzer sind davon nicht ausgenommen. Gäbe es nicht die Polizei und Leute, die ihnen das Leben in einem stabilen Land ermöglichten, wäre schnell Ende. Die Mehrheit der Bösen, können überall und in jeder Lage überleben. Das haben sie bis zur Meisterschaft gelernt. Ich bin da recht arrogant. Es gibt kaum ein Krisengebiet, in dem ich mir nicht bessere Chancen ausrechne, als ein verwöhnter Strassenkämpfer der neuen Generation.

Wenn die Entscheidung, es wird nicht passieren, auf dem Tisch läge … würden sie wenigstens einmal in ihrem abgefuckten Leben zu dem stehen müssen, was sie tun und sie leben. Mir würde das ausreichen. Ohne, dass ich mir davon eine Verbesserung des Lebens im Allgemeinen erhoffen würde. Ich empfände dies als Genugtuung. Sie sollen nur einmal zugeben, wer sie sind! Einmal die Scheinheiligkeit in Ehrlichkeit umwandeln. Wahrscheinlich sind sich viele dessen nicht einmal bewusst. Wie gesagt, es ist ein Traum oder eine Simulation. So Freunde, da würdet ihr ohne Zweiten Weltkrieg, Kolonialisierung, europäischer Expansion, Industrialisierung, Ausbeutung der Rohstoffe, Bündnisse mit den USA, Waffenexporte, politische Interventionen, Erpressungen der Weltbank, unfaire Wirtschaftsabkommen, stehen. Diese und jene Verwandten würden nicht mehr leben, wenn Frauen und Männer, die die Buchstaben des Gesetzes nicht ganz so genau genommen hätten, niemals bereit gewesen wären, eben jenes zu tun.

Dann würden all diese netten Bürger einmal in ihrem Leben eine saubere Entscheidung treffen. Warum bin ich darauf erpicht? Ziemlich einfach: Diese Sauberfrauen und Männer gehen mir tierisch auf den Sack. Ich kenne eine Menge Leute, die für sie den Arsch hingehalten haben. Als ich in Laos war, ist in mir eine Sicherung durchgebrannt. Ich suchte mir im Internet den Dialog von Colonel Kurtz aus Apokalypse Now heraus und verstand zum ersten Mal den tieferen Sinn seines Monologs. Seine Leute durften töten und verstümmeln, aber auf die Bomben «Das ist für Dich Charly» zu schreiben, war denen in der Heimat zu verwerflich. Ich sah zum ersten Mal mein Leben.

Das war auch mit mir geschehen. In den Krieg ziehen ist OK, aber Krieg nach den Gesetzen des Kriegs zu führen ist nicht in Ordnung. So tickt die Gesellschaft. Die braven Leute suchen sich jemanden, der für sie die Drecksarbeit macht, aber sie wollen nicht dazu stehen. Wie früher die Gerber. Alle wollen Lederklamotten tragen, aber den Gestank will keiner ertragen. In meinem Innern schreit alles: «Fickt Euch!».Meine Sozialisation sagt: «Du darfst Sie sich nicht selbst überlassen.» Die Vernunft sagt: «Wer bist Du, dass Du Dich darüber stellst?»

Die Feigen, die Schwachen, die Heuchler, brauchen immer Leute, die Ihnen ihr Leben ermöglichen. Da ist der Schwachpunkt in meiner Sozialisation. Jedem Zuhälter, Waffenhändler, Dealer, ist das vollkommen scheißegal. Sie betrachten diese Vögel als Beutetiere.Keiner, den ich aus dem Milieu kenne, versteht mein Problem. Überlebe und lebe, hieß es immer. Die Gesellschaft der Spießer war immer eine Milchkuh. Jeder Drecksack, den ich kenne überlebt jederzeit überall auf diesem Planeten. Die kann man auch im Dschungel aussetzen und sie haben schneller eine profitable Bar im Dschungel eröffnet, als sich ein Besetzer aus der Rigaer ein Bier besorgt hat. Bei allen anderen kommen mir Zweifel. Aber sie pumpen sich alle auf, als wenn sie die aller Schärfsten wären und sie tollsten Moralapostel sind.

Einmal … nur einmal … all diesen ganzen tollen Bürgern die Maske vom Gesicht reißen. Vielleicht habe ich einmal zu viel im Leben die Wahrheit gesehen. Drecksäcke! Mich verfolgt ein schwarzer Schatten. Ich wollte einmal an etwas Glauben. Ein Kumpel, so nannte ich ihn damals, war in Not. Ich machte diesen Kerl zum Symbol. Trotz eigener Probleme, half ich ihm finanziell aus seiner Notlage. Entgegengesetzt zu all meinen Erfahrungen, gab ich einem dieser Bürger eine Chance. Ein arroganter Vogel, der glaubt das System verstanden zu haben. Wie ich es erwartet hatte, blieb ich auf meinen Forderungen sitzen. Eine Geschichte, über die alle seit Jahren lachen. Seither ist dieser Penner ein neues Symbol. Eins dafür, wie die Chose im Milieu läuft und wie sie unter Bürgern läuft. Dieses Symbol hat viel mit dem Traum zu tun. Ein Rechtsanwalt, Liberaler und Schwätzer, ergo die Krönung des etablierten Bürgertums, hat mich Bullen, Milieu, in einem Anfall von Nachdenken auf` s Kreuz gelegt. Von einem auf alle zu schließen, wäre äußerst unzulässig. Aber da passierte damals mehr. Ich wollte zurück. Zurück in etwas woran ich ohnehin nicht mehr glaubte.

An ihm habe ich manifestiert, wie es läuft … eine Gesellschaft, die sich aufpumpt wie ein Ballon, immer von der Luft anderer lebend. Eine, in der die Regeln aus der Vergangenheit längst nicht mehr gelten. Hätte ich nicht mal kurz über Bürgertum nachgedacht, wäre entweder kein Geld geflossen oder jemand hätte in Berlin einen guten Orthopäden gebraucht. Was ich damit sagen will, ist der Umstand, dass ich diesen verlogenen Dreck entweder stütze oder mich anders entscheide. Für diejenigen, welche früher am Tresen in der einen oder anderen Kneipe eine Entscheidung von mir wollten: Ich hab mich für ehrlich entschieden – damit nicht zwingend für Euch. Ich ziehe auch meine Konsequenzen, aber nicht Eure. Dieses Bürgertum als Opfer zu betrachten, ist irgendwie die gleiche Denkweise – nur quer. Ich mache beides nicht mit.

Die Angesprochenen wissen, wer gemeint ist.

Weihnachten 2019

Berlin entdeckt die OK

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Seitens der Berliner Polizei wurden Informationen über die dort bekannten Zahlen bezüglich der Organisierten Kriminalität preisgegeben. Der Begriff klingt bedrohlich. So als gäbe es eine normale verträgliche Kriminalität und eine qualifizierte. Manch einer denkt dabei sofort an die italienische Mafia. Wer etwas informierter ist, dem fallen vielleicht noch Camorra, N’dhangreta, ein. Einige mögen auch schon einmal etwas von den Triaden oder Yakuza gehört haben. Kaum einer kennt den Zemun Clan aus Belgrad oder hat mal etwas von Bulgarischen Banden vernommen.

Deutschland tat sich schon immer ein wenig schwer mit dem Thema. Jahrzehntelang wurde eine Definition gesucht. Was ist denn überhaupt “Organisierte Kriminalität”? Nachdem man sich ab den ’90ern ein wenig vorgetastet hatte, versuchte der Gesetzgeber zu reagieren. Meiner Meinung nach nicht erfolglos, aber auch nicht erfolgreich. Zum Beispiel gibt es in Deutschland den Begriff “Kriminelle Vereinigung”. Ich bleibe mal auf der juristischen Laienebene. Damit diese Bezeichnung greift, müssen sich einige Täter zusammenschließen und einen Namen finden, mit dem sie sich identifizieren können. Ist dies der Fall, können bei den Ermittlungen auch Zuträger mit Ermittlungsmaßnahmen überzogen werden, die sonst gesetzlich nicht möglich wären. Früher, in der guten alten analogen Zeit, konnte dann zum Beispiel der Telefonanschluss eines Lokals abgehört werden, in dem sich Täter aus dieser Gruppe trafen.

Das Problem ist dabei, dass sich die wenigsten Täter den deutschen Lebensvorstellungen eines Vereinslebens anschließen. Da gäbe es einen Vorstand, eine Kasse, einen Schriftführer, einen Buchhalter, einen der das Sagen hat und andere, die ihm folgen. Das funktioniert nicht!

Auch wenn es in Deutschland einige gern hätten, wir sind nicht allein, nicht der Maßstab aller Dinge, aber ein Teil des Ganzen. Deutschland ist nun einmal eins der betuchtesten Länder weit und breit. Damit ein Magnet für Kriminelle aus aller Welt. Aber nicht nur, weil es hier etwas zu holen gibt, sondern auch wegen der Investitionsmöglichkeiten, Geldwäsche, Vermögensbildung, politische Optionen. Die Internationalität ist eine der größten Schwierigkeiten beim Eindämmen der Kriminalität. An eine Bekämpfung ist ohnehin nicht zu denken.

Wer es mit solchen Strukturen zu tun bekommt, muss viel über fremde Kulturen und Mentalitäten lernen. Ich kann die italienischen Strukturen nur verstehen, wenn ich mich mit der Geschichte, der Kultur und der Sprache auseinandersetze. Zum Beispiel beschrieb der legendäre Falcone in einer seiner Abhandlungen eine Situation, in der er mit einem hochrangigen Mafioso im Gefängnis zusammentraf. Als der ihn mit der falschen Anrede ansprach, wusste Falcone sofort, dass er nicht für voll genommen wurde und ging wieder. Dann zog er die Daumenschrauben an. Außerdem hielten sich in der Zwischenzeit die anderen Mafiosi nicht an die Regeln. Beim zweiten Mal kam die richtige wertschätzende Anrede und Falcone bekam seine Aussagen.

Ein Belgrader meinte mal zu mir, dass die deutsche Suche nach festen Strukturen und Hierarchien bei serbischen Banden nicht zieht. “Bei uns führt immer der Stärkste und Brutalste. Bis ihr das geschnallt habt, ist der längst tot und ein Neuer ist der Chef.” Mit institutioneller Autorität, wie sie zum Beispiel deutsche Beamte kennen, kommt in diesem Milieu keiner voran. Entweder man hat sie und setzt sie um oder man kann sich verabschieden.

Bei russischen Kriminellen wird immer mal wieder von den sogenannten Dieben im Gesetz gesprochen. In der Realität gibt es die nicht mehr. Ein Dieb ist in Russland mit einem Gangster gleichzusetzen. Mit unserer harmlosen Vorstellung von einem Dieb, der weniger gefährlich ist, als ein Räuber, hat das nichts zu tun. Von den echten Dieben im Gesetz, wie sie einst in den Gulag entstanden, ist nichts übrig geblieben. Es gab davon immer nur eine überschaubare Zahl. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und Öffnung Russlands hat sich vieles geändert. Ich habe mal vor Jahrzehnten eine Liste zu sehen bekommen, die ein Militärkommandant beim Abzug der Russen einem Berliner Spezialisten für Russen OK übergab. Die Anzahl der Namen passte auf ein Blatt. Wenn heute von Tausend Dieben im Gesetz gesprochen wird, sind das mehr folkloristische Titel, die sich die Herrschaften angemaßt haben. Die Strukturen sind viel komplizierter und die Vernetzung mit der Politik, sowie den Nachrichtendiensten, macht es noch unübersichtlicher. Es gibt einflussreiche Führungsfiguren, die komplette Netzwerke steuern, aber eben nicht mehr diejenigen, welche innerhalb der alten Regeln leben. Den besten Text, den ich hierzu kenne, gibt es hier >>

Unsere gesellschaftlichen und kulturellen Vorstellungen sind diesen Strukturen teilweise nicht gewachsen. Ein Gefängnisaufenthalt ist bei vielen in der Biografie vorgesehen. Georgier oder Tschetschenen, die aus diesem Milieu kommen haben keinerlei Interesse an Resozialisierungsmaßnahmen. Im Zusammenhang mit ausländischen OK Tätern auch völliger Unfug. Die sind sozialisiert, aber halt anders, wie wir uns das vorstellen. Hinzu kommt, dass sie mit unseren Lebensvorstellungen in ihrem Umfeld maximal eine Woche überleben würden. Gleichfalls ist eine Integration absoluter Blödsinn. Die wollen hier nicht Leben, eine Familie gründen und ein Haus bauen. Sie gehen ihren Geschäften nach. Selbst eine Ausweisung ergibt keinen Sinn. Die kommen wieder oder es wird Ersatz gestellt. Im Zweifel bekommen sie zu Hause eine frische Identität.

Und das ist nur das Fußvolk. An die richtigen Kandidaten kommt kaum einer heran. Die Herrschaften arbeiten global, da wo es gerade passt. Vornehmlich in instabilen Staaten, in denen sie physisch selten auftreten, die erlangten Gelder in unsere Wirtschaft investieren und ein schickes Apartment in Berlin – Wilmersdorf bewohnen. Andere sitzen in Berlin als gut versorgte Statthalter und regeln entspannt aus einem Café heraus die Geschäfte. Das da etwas nicht stimmt, merkt man selten, wenn nicht gerade ein Fahrzeug hält und die Konkurrenz das Feuer eröffnet.

Bei allen geht es um eins: “Möglichst viel Geld mit geringstem Arbeitsaufwand unter Ausnutzung aller Optionen zu verdienen.” Die Gesellschaft, ein soziales Leben, Engagement für die legale Gesellschaft, die Herde der Opfer, national, international, ist denen vollkommen egal. Das haben sie alle gemeinsam. Wenn sie so etwas wie eine Gesellschaft haben, dann ist es die, welche sie sich selbst konstruiert haben.

Daraus ergibt sich ein Dilemma. Mit rechtsstaatlichen Mitteln, ethischen und moralischen Grundsätzen, ist denen nicht beizukommen. Aber genau diese Prinzipien bestimmen das legale Leben und sind das Spiegelbild. Bekämpfen könnte man sie nur mit ihren eigenen Regeln. Dies mündet in einer Gewaltherrschaft, die neue Probleme erzeugt und ausschließlich die primitiven Stärken bedient. Man kann ihnen das Leben nur so anstrengend wie eben möglich gestalten. Und auch hier gibt es einen Haken.

Immer, wenn der Verfolgungsdruck erhöht wird, passieren zuverlässig zwei Dinge. Zum einen kommt Unruhe ins Milieu und es wird sichtbar, was vorher durch Arrangements im Dunkeln eine regulierte Koexistenz pflegte. Schießereien, Entführungen, Messerstechereien und so weiter sind die Folgen. Das mobilisiert die Bürgerschaft. Dabei sind solche Ereignisse immer ein Zeichen davon, dass die Ermittlungsbehörden etwas richtig gemacht haben.

Zum anderen melden sich diejenigen zu Wort, denen dieses Milieu fremd ist und eigene Maßstäbe anlegen. Sie vermuten Rassismus, Diskriminierung und Ausländerfeindlichkeit. Wenn beispielsweise ein Gastronom nicht dazu in der Lage ist seinen Laden sauber zu halten und sich dort die “Unterwelt” trifft, wäre es eine Option, dort mit der Polizei häufiger vorbeizuschauen. Doch nach kurzer Zeit wird er sich beschweren und von einer Geschäftsschädigung sprechen. Im gewissen Sinne gar nicht mal falsch. Aufgebrachte sozial denkende Menschen werden von einem “Racial Profiling” sprechen. Und am Ende wird er und damit dann auch seine Gäste, wieder seine Ruhe haben. Doch wie gesagt, in der Regel trifft es ohnehin nur das Fussvolk.

Noch spannender wird es auf der nächst höheren Ebene. Da kommt nämlich Geld ins Spiel. Unser Wirtschaftssystem bietet mannigfaltige Möglichkeiten den wahren Geldgeber zu verschleiern. Davon profitieren nicht nur die klassischen Kriminellen, sondern auch die halbseidenen Geschäftemacher, die sich in einem eigenen Regelwerk bewegen.

Erinnern Sie sich an das Gezeter, als die Abschaffung des 500 EUR Schein bekannt gegeben wurde? Kaum jemand hat im normalen Leben Kontakt mit diesem Schein gehabt. Leute die große Summen Schwarzgeld schmuggeln durchaus. Das Gewicht ist nicht ausschlaggebend. 1 Million EUR wiegen bei 200 EUR Noten 5,4 kg und in 500er Noten die Hälfte. Aber das Volumen wird zum Problem. Ich habe mal 1 Million EUR in unterschiedlichen Noten in einem Bankschließfach deponiert. Bei den Standardfächern ist das nicht einfach.

Amüsanter Weise echauffierte sich bei kürzlich geführten Bundestagsdebatte ausgerechnet Frau Alice Weidel von der AfD über die geplanten verschärften Maßnahmen bei Bargeld Geschäften. Wo wohnt sie doch gleich? Aber das nur am Rande. Zurück zur Berliner OK – Szene. Immobilien, Geschäftsmodelle mit hoher Bargeld Fluktuation, Wohnungsbau, Baufirmen, Speditionen und Investitionsmodelle sind für die Geldebene der OK immer interessant. Vor einigen Jahrzehnten musste ich herzhaft lachen, als ein befreundeter Banker, der Investitionshilfen seiner Bank verkaufte, mir sagte: “Es gibt da eine Klientel, den muss ich immer sagen, dass wir ihnen Geld geben und nicht sie uns.” Die OK Täter gehen in diesen Bereichen mit scheinbar oder tatsächlich legalen Wirtschaftsvertretern händchenhaltend durch Berlin.

Im November gab es eine bundesweite Razzia gegen das sogenannte Hawala – Banking. Sachgüter und Bargeld im Wert von 22 Millionen EUR wurden beschlagnahmt. Der Täter betrieb u.a. ein Pfandleihhaus in Berlin. Ein Täter! Nur einer, über den illegale Bargelder international verschoben werden konnten.

Alles dreht sich um einen zentralen Punkt. Alles Geld, welches außerhalb des gesetzlichen Rahmens erlangt wurde, muss irgendwie in die legale Wirtschaft, sonst hat man nichts davon. Prinzipiell muss man sich bei jeder Firma, Geschäftsmann, Person, die Frage stellen: Woher hat die oder der das Vermögen? Kann das passen? Im Zweifel müsste genau nachgeschaut werden. Das ist logisch, aber nicht durchführbar. Wer will sich dem Sturm der Entrüstung aussetzen, wenn man beispielsweise den kometenhaften Aufstieg einer aus dem Ausland eingereisten Familie merkwürdig findet und deshalb einige Großgastronomien auseinandernimmt? Oder will man sich des Neids bezichtigen lassen, wenn man den doch recht sorglosen Umgang mit Geld einiger wichtiger Personen merkwürdig findet, weil keiner, der sein Geld mühsam und ehrlich verdient hat, so damit herumwerfen würde? Man müsste sich theoretisch nur mal ansehen, wer welche Summen beim legalen und illegalen Glücksspiel investiert.

Wenn Berlin sich wirklich der OK widmen will, müssen einige Leute erheblich umdenken und ein ganzes System neu betrachten. Aktuell stehen alle Zeichen auf Bauen. Die Investoren aus aller Welt stehen vor der Tür. Kann man es sich leisten, nur die makellosen zu nehmen? Ist man bereit, sich der russischen Verflechtung zwischen OK und Politik entgegenzustellen oder nimmt man das Geld der Oligarchen? Will man Hochhäuser errichten, die von Versprechungen begleitet sind, bei denen jeder Ermittler sich vor Lachen ausschüttet? Ist die Politik bereit, Ross und Reiter zu benennen? Kann sie eine Aufklärungskampagne umsetzen, in der den biederen Bürgern die Realität jenseits der Illusionen erläutert wird?

Ich erinnere mich an eine zurückliegende Diskussion über Racial Profiling. In der gab ich ein Beispiel. Vier polnische Staatsbürger kommen mit dem Flugzeug in Berlin an. Beim Verlassen des Flugzeugs kannten sie sich noch. Spätestens am Laufband kennen sie sich nicht mehr. Ab da beginnt das Geschäft. Einer sondiert, einer lenkt ab, einer greift zu und der letzte in der Kette bringt die Beute in Sicherheit. Vier klassische Abgesandte einer organisierten Struktur in Polen, die europaweit agiert. Keiner kann sagen, wie viele unterwegs sind und sie haben ständig Nachwuchs. Sie kommen aus einer bestimmten Region. Die Flugtickets werden ihnen bezahlt und sie arbeiten nicht auf eigene Rechnung. Der Umsatz ist beträchtlich und irgendwie gelangt das Geld in den Wirtschaftskreislauf. Prompt bekam ich den Vorwurf Polen zu stigmatisieren und Ausländerfeindlich zu sein. Was würde wohl passieren, wenn ich auch noch gezielt nach Polen aus dieser Region Ausschau hielte? Und das sind nur Polen! Die gehören keiner komplizierten Volksgruppe an.

Was wäre, wenn ich alleinstehende Männer aus Litauen, die sich in Berlin nur einige Wochen als Touristen aufhalten, unter eine Art Generalverdacht stellen würde. Vor allem, wenn sie in seltsamen Häusern absteigen, die irgendwie gar nicht nach einem Hotel aussehen. Wie würde es ankommen, wenn ich in meinen Verdacht gleich noch den Hausbesitzer und seinen Steuerberater mit einbeziehe? Schlimmer noch! Ich könnte auf die Idee kommen, aufzuhorchen, weil ein bestimmter Rechtsanwalt in der Akte auftaucht.

Ja … die Organisierte Kriminalität ist ein weites Feld. Betrachtungen hierzu führen immer wieder zur Frage: Wer verdient eigentlich alles daran und kann sie ohne eine Kritik an unser Wirtschaftssystem diskutiert werden? Eigentlich nur, wenn man sich auf das Fußvolk beschränkt, ein paar übliche Verdächtige ärgert und ansonsten ab und zu den Bürger beruhigt. Eins tut allerdings immer ein wenig weh. Dieses hässliche Gelächter, wenn man sich auf internationaler Ebene darüber austauscht. Die Deutschen und ihre seltsamen Vorstellungen.

On the road – Nord Laos

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Weiter geht es auf dem Trip durch Südostasien. Diesmal geht es um den Norden von Laos. Laos ist für den neugierigen Reisenden mehr Landschaft, Kultur, Dschungel und Elefanten. Das Land ist auch Zeuge eines Krieges, der meine Generation beeinflussen sollte. Nachdem  Tonkin-Zwischenfall 1964, begann die Flächendeckende Bombardierung von Nordvietnam, Kambodscha und Laos. Zwei Jahre vor meiner Geburt. Die aktiven Kriegshandlungen endeten 1975 mit dem Abzug der USA Truppen. In Deutschland empörten sich die Studenten und Vietnam wurde Teil der 68er Bewegung. Eine Folge des Kriegs war eine Massenflucht aus Vietnam, weil sich die neuen Machthaber rächten. Auch damals bekleckerte sich Deutschland nicht gerade mit Ruhm. Die Aufnahme der Boatpeople erfolgte eher zurückhaltend.

Auch Laoten trieb es ins Exil in die USA. 2005 deckte das FBI eine Verschwörung auf, bei der ehemalige US Militärangehörige zusammen mit Exil – Laoten einen Putsch in Laos planten. Bei den Verschwörern handelte es sich vornehmlich um Angehörige der Hmong. Auch um die geht es bei der Schilderung meiner Eindrücke.

Der Krieg, die Gründe und das dahinterliegende Denken, sind immer noch aktuell. Ebenso wie die Folgen, die an jeder Straßenecke in Laos zu sehen sind. Laos ist mit 90 % bekennender Buddhisten ein zutiefst spirituelles Land. Allein wenn die in den frühen Morgenstunden in den Klöstern die Trommeln angeschlagen werden und die Mönche sich auf den Weg machen, die Spenden einzusammeln, merkt der Mitteleuropäer, wie intensiv Gesellschaft und Buddhismus in Laos miteinander verbunden sind.

Kolonialherren, Kommunisten, Neoliberale, chinesische Imperialisten, versuchen erfolglos die Mönche auf ihre Seite zu ziehen. Wenn man nicht ausschließlich der blinde Tourist sein will, der die uralten Kunstschätze bestaunt und auf Elefanten reitet, ist Laos ein guter Platz, um über das nachzudenken, was vor 3000 Jahren im alten Indien formuliert wurde.

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