Was ist dieses rechts?
Im Beruf habe ich eine Menge merkwürdige Verhaltensweisen kennengelernt, die ich für mich selbst als einen etwas lächerlichen Kriegerkult oder Machismus bewertete. Dieses Verhalten kenne ich auch von anderen Ländern. Letztlich sind sich da alle gleich. Ich glaube, das steckt im Menschen drin. Kampf! Stärker sein, als der Angreifer, niemals die Ehre oder das Gesicht verlieren. Das ist nicht rechts. Es ist das Verhalten von Menschen, die sich in einer ständigen Verteidigungshaltung befinden und jeden Tag Gewalt ausgesetzt sind. Dazu gehört vieles. Patches, Rituale, ein besonderer Umgang und die Ablehnung von Menschen, welche sich nicht an die ungeschriebenen Regeln des Kampfes halten. Wer das nicht lange Zeit erlebt hat, wird es nicht verstehen. Aber eins steht fest, es verbindet weltweit eine bestimmte Sorte Mensch. Nein, dies mag bisweilen auf andere rechts wirken, hat aber meiner Auffassung damit wenig zu tun. Sollte es doch an dem sein – bin ich ein Rechter.
Rechts ist für mich persönlich nochmal etwas anderes. Es ergibt sich aus einer Haltung dem Menschen gegenüber. Konkret aus dem Ziehen eines Unterschieds zwischen wertvollen und zu vernachlässigenden Leben. Außerdem aus der Annahme, dass es Menschen gibt, die das natürliche Recht besitzen andere zu führen. Im schlimmsten Fall, dieses auch noch vom Geburtsland abgeleitet wird. Deutsch zu sein ist wieder en vogue.
Es gab mal eine Zeit in Deutschland, da wurde viel von den Vorzügen der Deutschen gesprochen. So als wäre ein Deutscher etwas ganz besonderes unter all den anderen. Was denn ein Deutscher ist, war und wird immer eine Frage bleiben. Historisch wird das niemals abschließend zu klären sein. Deshalb verlegte man sich irgendwann auf die deutschen Tugenden. Pünktlich, ordentlich, fleißig, strebsam, widerstandsfähig, folgsam, ergo der ideale Arbeiter für eine auf Dominanz ausgerichtete Nation. Der Deutsche! Die Deutsche! Immer ein wenig erfolgreicher als der mehr erlebnisorientierte Italiener, der lebensfreudige gelassene Grieche, der etwas schnoddrige Franzose. Vor allem den weit entfernteren Ländern, mit viel Sonne und Nahe dem Äquator liegend, weit voraus.
Die Sprache und das Denken entwickelt sich. Heute spricht man von Leistungsträgern. Und wenn es Leistungsträger gibt, muss es auch das Gegenteil geben. Nämlich den, der nichts Produktives leistet. Wobei “produktiv” eine Frage der Definition ist. Was genau produziert ein Jurist, ein Investmentbanker, ein Versicherungsmakler oder ein Immobilienmakler? Aber immerhin, es gibt augenscheinlich für die Gesellschaft wertvolles und weniger wertvolles Leben.
Deutsch! Dieses Wort hat wieder Bedeutung bekommen. Die Deutsche Wirtschaft, deutsche Innovationen, der deutsche Facharbeiter, die deutschen Exporte und die deutsche Leitkultur. Überall wird von Deutsch geredet. Die Deutschen sollen wieder eine weltpolitische Führungsrolle übernehmen. Deutsche Soldaten sollen in der Welt eine regulierende Rolle für die Weltsicherheit übernehmen. Ausländer, bitte ausschließlich Leistungsträger und Integrationswillige, bevorzugt junge Pflegekräfte für alte Deutsche, dürfen ins Land kommen. Der menschliche Ausschuss soll gefälligst da Hungern, wo sie oder er geboren wurde.
Die deutsche Jugend soll nicht mehr hart wie Kruppstahl sein. Es genügt heute, wenn sie schnell, arbeitswillig, folgsam, mit Durchhaltevermögen ausgestattet, durchsetzungsfähig und kampflustig, der Industrie zur Verfügung stehen. Früher, im Dritten Reich, wurden Intellektuelle ein wenig schräg angesehen. Solche Leute waren verweichlicht, jüdisch, entartet. Willfährige Physiker und Ingenieure waren gefragt. Wenn es Philosophen und andere Geisteswissenschaftler gab, dann sollten sie den Menschen als ein Wesen darstellen und begreifen, welches in der Gruppe eine Führung von oben her benötigt.
Heute ist auch das anders. Mit Bologna hat man sich auf eine sehr deutsche Art international angepasst. Das Studium hat nicht viel mit dem in England zu tun, aber immerhin hat man die Bezeichnungen übernommen. Es wurde arg verkürzt, damit die Absolventen schneller dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Geisteswissenschaftler? Ja, die soll es noch geben, aber im Wesentlichen spielen die keine Rolle in der gesellschaftlichen Diskussion. Wenn, dann sind es diese Linken, deren Einfluss auf die Gesellschaft minimiert werden muss. Lang genug führten sie Deutschland in ein verweichlichtes unproduktives System, in dem nicht mehr Klartext gesprochen und starre Hierarchien angezweifelt wurden.
Oha! Wenn ich mir das nochmals durchlese, schimmern seltsame Dinge durch. Sollte es tatsächlich der Fall sein, dass diverse Leute ähnliches wollen, aber sich über den Weg nicht einig sind? Aber sind sie sich nicht im tiefsten Innern einig in ihrem Bild vom Menschen? Wie sagte Kalbitz von der AfD im Interview? “Natürlich sagen wir nicht einfach Ausländer raus. Wir behalten uns eine Auswahl vor!” Sagte Spahn von der CDU bei der Tagung zum Pflegenotstand nicht ähnliches? Der stellte ebenfalls auf qualifizierte Kräfte ab, während man den anderen gegenüber eine harte Linie fährt.
Nun gut, vielleicht sehe ich Gespenster. Der Deutsche braucht wieder eine Orientierung, sagen sie. Die Gesellschaft muss wieder geeint werden. Der Arbeitgeberverband setzt alles dran, dieses Umzusetzen. Der Deutsche soll mittels Einfluss auf die Leitmedien von einer Neuen Sozialen Marktwirtschaft überzeugt werden. Die Rangplätze müssen wieder manifestiert werden. Die Menschen sollen sich mit ihrer angestammten Rolle in der Gesellschaft anfreunden oder besser abfinden. Die Einflussnahme des Staats soll zurückgedrängt werden. Das klingt modern. Wie war das damals mit Ford? Warum unterstützte der Hitler?
War es nicht Ford, der einerseits seinen Arbeitern gute Löhne zahlte, andererseits ein striktes Reglement aufstellte und Hausbesuche durchführen ließ, um die Einhaltung zu überwachen? Ja sogar Schläger für diesen Zweck beschäftigte? Und war er nicht der Unternehmer, der im Zweiten Weltkrieg doppelt verdiente, in dem er die US Army und die Wehrmacht ausstattete?
Viel Ähnliches, aber wenig Gleiches. Was ist Rechts? Was ist Neoliberal? Wo sind die Überschneidungen? Wir sind alle Menschen, mit Fehlbarkeiten, Schwächen, Stärken? Jeder von uns geht hinten rechts auf die Toilette? Alt, Jung, im besten Alter, jeder hat die gleiche Wertigkeit? Oder hat sich das längst erledigt?
Es macht einen Unterschied, ob ich mir in der Innenstadt einer Metropole eine Wohnung leisten kann oder am Stadtrand in der zehnten Etage lande. Neuerdings soll die Polizei verstärkt in der Innenstadt aktiv werden. Was wird dann wohl passieren? Bisher rühmte sich die deutsche Politik, so etwas wie Banlieus verhindert zu haben. Ist nicht auch diese Unterscheidung zwischen reich und arm ein deutliches Zeichen für das dahinter liegende Menschenbild?
Stillschweigend wurden prinzipiell die Grenzen dicht gemacht. Es hat nur niemand so richtig mitbekommen. Die Folgen sind wie erwartet furchtbar. Auf allen Fluchtkanälen hängen die Flüchtlinge fest und vegetieren unter absolut inhumanen bis zu lebensgefährlichen Verhältnissen vor sich hin. Aber der Deutsche bereitet sich auf ein Weihnachten mit Geschenken, Baum und Familie vor. Eine willkommene Pause von den lästigen Diskussionen über Klima, Waffenlieferungen, Flüchtlingen und den bösen Rechten, oder linksversifften Querulanten, die einen dazu machen.
Dieses ganze Diskutieren, Ermahnen, Zurechtweisen, Untersagen, passt dem Deutschen nicht in den Kram. Die sollen endlich wieder ordentlich zur Schule gehen. Die Rotzgören sollen etwas lernen. Mit den deutschen Tugenden wird man dieses Klimaproblem, wenn es denn überhaupt eins gibt, schon lösen. Langsam muss mal wieder Ruhe einkehren. Der Deutsche lässt sich weder beim Kauf seines Fahrzeugs, noch bei der Geschwindigkeit auf der Autobahn hineinreden. Und irgendwann muss auch mal gut sein mit diesen ganzen Ausländern. Vor allem soll niemand auf die Idee kommen, dem Deutschen seinen Wohlstand zu gefährden, dann ist jeder Spaß vorbei.
Genau dies wird passieren und dann kommt die Sternstunde der Neoliberalen zusammen mit den klassischen Rechten, die sich bei genauer Betrachtung nur sprachlich voneinander unterscheiden. Nein, es wird kein Viertes Reich geben. Nur einen Staat, der von einer getarnten autoritären Clique geführt wird. Die Entwicklung ist bereits absehbar.
Die Kritiker kaprizieren sich auf vermeintlich rechte Polizisten und Soldaten. Sie wurden in dieser aktuell bestehenden Gesellschaft sozialisiert. In erster Linie eine leistungsorientierte Hierarchie. Nunmehr stehen sie zwischen den Fronten, die sich in der Gesellschaft gebildet haben. Es gibt nichts zu entschuldigen und auch nichts zu beschönigen. Doch Fakt ist, es existieren längst drei sauber voneinander getrennte große Gesellschaftsteile. Der Teil, welcher das bestehende System anzweifelt und kämpfend auf die Straße geht. Jener, den wir als die Halbwelt bezeichnen und ein romantisches Bürgertum. Zwischen diesen drei Teilen bestehen starke Spannungen. In einer Art Niemandsland zwischen ihnen befindet sich die Polizei. Das Bürgertum, welches die Regeln bestimmt und die Polizei finanziert, erwartet das Unmögliche. Die Polizei soll als regulär kämpfender Boxer gegen Freefighter antreten. Das funktioniert nicht und führt dazu, dass viele anfangen durchzudrehen oder ihr eigenes Ding machen. Solange, bis Leute daher kommen, die neue Regeln für den Kampf festlegen.
Im Grunde genommen ist das Bürgertum schon raus. Es lebt in einer Blase. Beschützt wie ein rohes Ei, mit sich selbst beschäftigt und laut herumnörgelnd. Jenseits der Blase finden Kämpfe statt, die es nicht mehr versteht.