Freunde der anderen Art

Ich habe auf Lankawi ein paar neue Freunde gefunden. Paul ist schwarz. Ich glaube in seinem Fall, darf ich das so schreiben. Es dürfte sogar zulässig sein, seinen langen Schwanz zu erwähnen. Von den anderen wird er oft angefeindet. Das liegt aber nicht an seiner Farbe, sondern hat eher etwas mit seiner Aufdringlichkeit zu tun. Besonders die beiden ebenfalls schwarzen Kurt und Elfriede, mögen ihn nicht und stimmen stets ein Gezeter an, wenn Paul morgens sein Bett verlässt. Berta, eine jugendlich wirkende grauhaarige Dame, mag weder Paul noch das Paar Kurt und Elfriede. Außerdem ist noch Christian zu erwähnen. Ein Narzisst, wie er im Buch steht. Er kleidet sich geckenhaft, produziert sich stets lautstark und wähnt sich im Besitz des gesamten Areals. Zudem beutet er gnadenlos die vielen Gespielinnen aus. Besonders mag ich Tom. Tom ist eine wahrlich beeindruckende Erscheinung. Er hat alles, was ein Security Mann benötigt. Seine Fähigkeiten werden selten herausgefordert. Aber wenn es dazu kommt, möchte man ihm lieber nicht in Quere kommen.
Keiner weiß, wo Paul plötzlich herkam. Er war einfach eines Tages da und nahm seinen Platz ein. Von den lauten Protestkundgebungen der anderen ließ er sich nicht beirren. Tom sah sich die Angelegenheit kurz an, fühlte sich allerdings nicht zuständig. Berta war die Erste, die ihn bemerkte. Beinahe hätte sie dabei einen anderen ungebetenen Gast übersehen. Ulrich war kurz zu Besuch gekommen. Er schaute sich die allgemeine Aufregung neugierig an. Ich glaube, er verfolgte die alte «Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte! – Taktik». Im letzten Augenblick gelang es Kurt und Elfriede, die gesamte Familie zusammenzutrommeln und eine Okkupation durch Ulrich zu verhindern. Der zog irgendwann entnervt davon. Doch Paul blieb.
Ich selbst halte mich aus den täglichen Streitereien heraus. Paul hat sich mein Handtuch geliehen und scheint es nicht wieder zurückgeben zu wollen. Na ja, den Verlust kann ich hinnehmen. Was mich ein wenig stört, ist der morgendliche Lärm. Christian ist ein echter Frühaufsteher und nimmt keinerlei Rücksicht. Kurz danach stehen seine Haremsdamen und seine zahlreiche Nachkommenschaft vor meiner Tür. Paul, stets auf der Suche nach Anschluss, zeigt sich dann. Was wiederum Berta, Kurt und Elfriede auf den Plan ruft. Ich schätze an Paul seinen unnachahmlichen neugierigen Blick. Trotz seiner seltsamen Gesichtszüge spiegelt er die pure Wissbegierigkeit, die von einer zur Schau getragenen Unschuldsmiene begleitet wird. Kurt und Elfriede wirken eher verschlagen. Berta strahlt eine gewisse Grundaggressivität aus. Das mag an ihrer Kleinwüchsigkeit liegen.
Mich würde interessieren, was die Bande von mir hält. Paul und ich haben gewissermaßen Ähnlichkeiten. Nur, dass ich um einiges größer bin und deutlich weniger Haare habe. Genau genommen, sollten sie alle zusammen über meine Anwesenheit besorgt sein. Christian möchte nicht wissen, wie viele seiner Nachkommen ich bereits mit Chili, Reis, Gemüse, verspeist habe. Berta, die Squirrel Dame, muss ständig fürchten, dass ihr meine Artgenossen den Baum wegnehmen. Das Krähenpaar muss aufpassen, dass es nicht das Opfer eines schießwütigen Malaien wird, der sein Luftdruckgewehr testen will. Ulrich der Uhu darf sich beim Berliner Tagesspiegel bedanken.
Dort wurde ein Artikel veröffentlicht, in dem die Sorge der Deutschen vor der sich verändernden Umwelt kritisiert wurde. Demnach ist das Artensterben viel weniger gravierend, als allgemein angenommen wird. Gefährdet würde immerhin nicht ausgestorben bedeuten. Der Zynismus des nackten Affen mit trockener Nase. Was würde Ulrich in einem Interview sagen? «Ja, Nee, ist OK! Hauptsache ihr seid nicht gefährdet. Alles gut … dann sterbe ich eben vielleicht aus. Werde mir Mühe geben. Ich bin ja kein Orang Utan.» Ein klassischer Artikel aus der PR Abteilung des Prinzen Prospero, der bei Edgar Allan Poe den «Roten Tod» aussperren wollte. «Tanzt, vögelt, fresst und sorgt Euch nicht!»
Paul, der Totenkopf Affe, dessen Vorfahren nicht den Baum verließen, muss sich wenigstens nicht beleidigen lassen. Die anderen Affen auf der Insel, werden allgemein als «Assholes» bezeichnet, weil sie die Mülleimer plündern und gelernt haben, den nackten Primaten die Sachen zu klauen. Tom? Der hat mit seinen geschätzten 11 kg den Bogen raus. Er ist der größte Kater weit und breit. Doch die bei uns praktizierte Kastration und spätere Verwendung als Männer – bzw. Kinderersatz bei Frauen um die 40 würde ihm vermutlich auch nicht gefallen.
Von mir hat die Truppe nichts zu befürchten. Letztlich bin ich ja nur zu Besuch.