27 Februar 2020

Geschlossene Grenzen, eine Frage der Sittlichkeit?

Lesedauer 3 Minuten

Die Konservativen und diejenigen, welche diese Weltanschauung extremer ausbauen, wünschen sich geschlossene Grenzen. Wenn ich Oscar Lafontaine gedanklich folge, ist die Existenz einer Grenze, im Sinne einer Einhegung eines Sozialsystems notwendig. Das ist aber noch lange keine physikalische Grenze, deren unkontrolliertes Überschreiten verhindert werden soll. Kontrollen sind nicht zweckfrei. Manch einer darf hinein und andere wiederum nicht. Gleiches gilt für Waren.

An irgendeiner Stelle wird festgelegt, wer hinein kommt oder unerwünscht ist. Das bedeutet, es gibt Leute mit Wunschkatalogen. Da gibt es die, welche ausschliesslich qualifizierte gesunde junge Leute haben wollen. Andere wünschen, dass Religionsangehörige, unproduktive Familienmitglieder draussen bleiben. Die Augen werden schmal, wenn es sich um “Wirtschaftsflüchtlinge” handelt. Jene sollen gefälligst im eigenen Land bleiben. Ganz besonders empathische Zeitgenossen, machen sich Sorgen über die Herkunftsländer. Wer soll die wieder aufbauen? Eine Art Treppenwitz der Geschichte. Aus diesen Gründen liess ein Walter Ulbricht einen Teil der Deutschen einsperren, weil alle im Westen arbeiten wollten. Besonders ehem. Bürger der DDR sollten darüber mal intensiver Nachdenken.

Rein wirtschaftlich betrachtet ist das alles ein katastrophales Denken. Selbst ein nicht arbeitender Flüchtling trägt mit seiner Anwesenheit in Deutschland zur Konjunktur bei. Und wenn er Gelder, egal wo sie herkommen, in die Heimat schickt, werden damit anteilig deutsche Exportgüter gekauft. Im Zweifel können immer noch deutsche Waffen zum gegenseitigen Abschlachten erworben werden. Ja, so zynisch kann die Welt sein.

Andere Spezialisten des Denkens sprechen von einer bedrohlichen Überfremdung. Was sollen dazu die Länder sagen, in denen jährlich europäische Rentner einfallen, die von der heimischen Bevölkerung eine Anpassung an ihre Gewohnheiten fordern. Aber die bringen doch Geld! Weit gefehlt, diese Rechnung hat viele Unbekannte. Die großen Hotels werden von ausländischen Firmen geführt. Einige Inländer bekommen so einfache Jobs. Alles was im Leitungsbereich stattfindet, wird an Europäer, US Bürger, Canadier o. Australier vergeben. Der deutsche Rentner will seine gewohnten Speisen u. Produkte. Einheimische profitieren hiervon nur, wenn sie diese Bedürfnisse bedienen.

Aber zurück zur Grenze. Deutsche Politiker umschiffen eiskalt das völkerrechtlich verbürgte Asylrecht. Die Drittstaatenregelung befreit Deutschland bei einer geschlossenen Grenze von Asylgewährung. Und denen, welchen das Erreichen Deutschlands möglich wäre, wird es aus politischen Interessen nicht gewährt. Die Odysseen von Assange u. Snowden sprechen Bände.

Die Lebenssituation in den Ländern, aus denen die Leute flüchten, wird langfristig nicht besser werden. Dafür wird der Klimawandel sorgen. Was macht man mit denen, die an der Grenze auflaufen? Entweder sie brechen durch, dann gilt es sie abzuwehren oder es entstehen wilde Camps vor der Grenze. Beides wirkt sich katastrophal aus.

Hat der Mensch eine ihm innewohnende Moral oder entsteht sie extern? Menschen haben Emotionen, bei denen es um Andere geht. Kommt es zu Ungerechtigkeiten, sinnen wir zum Ausgleich auf Rache. Gleichsam haben wir das Bedürfnis Wohltaten mit einer Gegenleistung zu bedenken. Zusätzlich können wir Missbilligung empfinden, wenn einem Anderen Unrecht widerfährt, weil uns das Nachempfinden des Schicksals möglich ist. Diese Befähigungen haben auch einige andere Spezies. Daraus die Abstraktion abzuleiten, dass alle das Recht haben, nicht ungerecht behandelt zu werden, ist ein menschliches Alleinstellungsmerkmal. Hieraus entsteht moralisches Denken.

Kommt es zu Verstössen, entsteht die Notwendigkeit einer Rechtfertigung, weil sich kaum einer eingestehen will, unmoralisch zu handeln. Was also sind die Rechtfertigungen für Grenzen gegen Flüchtlinge? Menschen, die aus einem schlechter gestellten Land in einer besser gestelltes gelangen wollen? Wie bringt man sie in Gleichklang mit den historischen Grundlagen, bei denen sich Europäer selbst das Recht gaben, in andere Regionen einzudringen, gezielt die vorhandenen Kulturen zerstörten, Rohstoffe u. Arbeitskraft ausbeuteten? Kann ich mich von den Handlungen meiner Vorfahren lossagen, wenn ich die Früchte ihrer Handlungen geniesse? Ist eine Wiedergutmachung überhaupt möglich, wenn ich nicht ermitteln kann, wo die Länder ohne meine Eingriffe ständen? Wir kennen mehrere Demokratieformen. War es zulässig anderen Staaten unsere Version aufzuzwingen und es bisweilen immer noch zu tun?

Gibt es ausser dem Egoismus von Nationen, eine Begründung, vor dem Angerichteten Flüchtende abzuweisen? Und ist Egoismus eine Rechtfertigung? Gibt es ein Recht, auf das sich dies beziehen lässt?

Gibt es nicht vielmehr eine historische Verpflichtung, die Folgen des entstandenen Schadens mindestens mitzutragen? Auch wenn dies massive Einschränkungen und Unbilden bedeuten könnte?

Wenn uns die Abstraktion vom animalischen Anteil unterscheidet, ist sie dann nicht das Attribut, welches uns überhaupt zu Menschen macht?

Gesetze helfen da nicht weiter. Sie werden erlassen u. sollen häufig bestimmte Gruppen bevorzugt behandeln, die praktischerweise diese selbst erlassen. Nein, die anstehenden Bewegungen aller Lebewesen, müssen anders analysiert werden. Wir können vom Klimawandel ausgelöste Wanderungen beobachten. Gehen wir dagegen vor? Teilweise schon! Auch hier konzentrieren wir uns lieber auf die Abwehr, als das alte begründende Verhalten zu überdenken und Änderungen einzuleiten.

Mit alledem verlieren wir das, was uns vom Tier unterscheidet und die Zivilisationen fallen auf ein primitives Niveau zurück, welches bisweilen tiefer liegt, als von anderen Lebewesen.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Nach Kant sind wir gehalten, die Menschheit in unserer Person und der eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck u. niemals als blosses Mittel zu behandeln. Der Mensch ist Selbstzweck u. darf nicht verzweckt werden. Wenn ich nur die hineinlasse, welche zweckdienlich für die Wirtschaft sind, ist dies ein klarer sittlicher Verstoß. Für Konservative eigentlich ein Unding, weil viele ihrer gedanklichen Wurzeln angeblich auf Kant zurück gehen. Tatsächlich ist das eher weniger der Fall und mehr ein Ding der Sozialisten.


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Verfasst 27. Februar 2020 von Troelle in category "Uncategorized

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