9 April 2020

Mobil Control Notizen …

Lesedauer 3 Minuten

Heute erreichte mich auf WhatsApp eine gute Nachricht. Nach mehrwöchiger Haft wurde ein malaischer Bekannter gegen Zahlung von 9000 Ringit entlassen.

Kurz nach Verhängung des Mobil Control Edikts trafen wir uns an seiner Wohnung und tranken paar Bier. Ein kleiner Raum, 20 qm, in einem Flachbau. Davor eine kleine Stellfläche mit einem Maracuja Baum, einem Tisch. Das Ganze ein gutes Stück abseits der Hauptstrasse. Spread the Virus? Mit dem Mann hatte ich bereits mehrfach zusammengesessen. Wenn dann hatten wir bereits über Wochen alles verteilt. Ein paar Einheimische, die jeden Abend am Strand zum Sonnenuntergang die Zeit verbrachten. Dreimal fuhren wir gemeinsam zu einer kleinen Insel, schliefen dort und hörten Reggae. Die Jungs verstehen sich als Beachboys. Legitime Nachfolger der Root Guys aus Kingston. Immer ein Auge auf die Polizei, weil sie Marihuana rauchen. Immer gerade das Geld für Reis, Chicken, Zigaretten, ein paar Bier in der Tasche. Wenn sie nicht gerade zusammen hängen, stets auf der Suche nach naiven Backpackerinnen. Die schätzen die Kerle. Sie werden auf Rollern durch die Gegend gefahren, bekommen ein kleines Abenteuer geliefert und sie erfreuen sich an der vermeintlichen Exotic. Eine Win/Win Strategie.

R., mein Bekannter, ragt da als Barbesitzer, von einer Deutschen geschieden, ehemals in Deutschland Arbeitender und Reisender, heraus. Als wir uns trafen, waren wir uns einig, dass die anderen während der Mobil Control eine Gefahr darstellen. Zu Ungestüm, zu sorglos, zu rebellisch.

Kiffer, Junkies, Aussteiger, eigentlich tun sie niemanden was und wollen einfach nur von der Gesellschaft in Ruhe gelassen werden. Aber mit ihrer Art zu leben, sind sie die personifizierte Anklage. Der Stachel im Fleisch. Die haben sich gefälligst wie alle anderen an die Regeln zu halten. Wo kämen wir hin, wenn alle lebten, wie die? Nun, jedermanns Stil ist es nicht, im Freien und von der Hand im Mund, ohne Sicherheiten zu leben. Das sind keine Ganoven, die nichts tun, aber trotzdem auf dicke Hose machen wollen und deshalb linke Dinger abziehen. Im Gegenteil, ich hab selten solch ehrliche Typen getroffen.

Zweimal trafen wir uns dort an der Wohnung. Dann wurde mir die Polizeipräsenz zu heiss. Zwei Tage später sollte ich leider Recht behalten. Die Jungs trafen sich zu sechst. Das war zu viel und zu unkontrolliert. Prompt kam die Polizei. Zwei hatten ein wenig Gras in der Tasche. In Berlin hätte man diese minimale Menge wahrscheinlich nicht einmal gefunden. Musik, Weed, Verstoss Mobil Control … ein gefundenes Fressen. Vor allem in einem Land, an dessen Spitze ein ultra religiöse alte Männer sitzen, die Frauen empfehlen sich nett zu benehmen, damit sie während des Shutdown nicht verprügelt werden.

Knast läuft in Malaysia anders, als in Europa. 6 Mann in der Zelle, ein Eimer für die Notdurft, kein Mobiliar, abwechselnd auf dem Boden schlafen oder 9000 Ringit zahlen. Ein Vermögen, welches einer deutschen Geldbusse in Höhe von 10.000 EUR für einen Tagelöhner entspricht. R. hat über Deutschland und Kontakte das Geld zusammen bekommen. Ich verfolgte auch die Kommentare auf der Facebookseite der Polizei Langkawi. Der nackte Hass, gemixt mit religiösen Eifertum. OK, viel anders ist dies bei uns in D. auch nicht. Häme, Hass und Denunziantentum haben bei uns gerade Hochkonjunktur. Ich denke dabei an die Schulzeit zurück. “Ich hab den nicht verraten, sondern ihm geholfen. Das war nicht gut für ihn.” Oder der ehemalige Kollege der Volkspolizei, der meine Waffe aus dem Schreibtisch nahm und sie dem Chef gab. Begründung: Da hätte was passieren können. Ich weiss, dass Leute wie ich in der linken Szene abgrundtief gehasst wurden, weil ich als Ziviler für sie zum Verräter wurde. Aber das sehe ich nochmals ein wenig anders. Ein simples Schachspiel mit menschlichen Spielfiguren. Kopf gegen Kopf, und wenn die nicht richtig aufpassen, war das für mich deren Problem. Ebenso bei Schwerkriminellen. Ist halt ein Spiel, ein böses, aber es ist eins.

Nein, die da denunzieren sind anders. Sie wollen sich wichtig machen. Oh … ich liebe diese Sauber/Frauen/Männer, die immer alles richtig machen, weil ihnen der Mumm fehlt, Wege jenseits des beschilderten Wanderwegs zu erkunden.

Aber egal … R. ist wieder draussen. Ein feiner Kerl, der gut Deutsch spricht, jederzeit in D. eine Aufenthaltsgenehmigung bekommt und weiss, was Arbeit mit den Händen ist.

In D. wird wenigstens nur ein wenig diskriminiert. Da steht er drüber. Dies hat er vier Jahre in einer deutschen Kleinstadt bewiesen. Hier in Malaysia sieht die Zukunft mit dem Stigma eher schlecht aus.


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Verfasst 9. April 2020 von Troelle in category "Uncategorized

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