Tage im Guesthouse

Ich musste vor einigen Tagen mein bisheriges Guesthouse auf Langkawi verlassen. Das GECKO musste von der Besitzerin während des Shutdown geschlossen werden. Dieses Schicksal hat auch einige andere getroffen. Glücklicherweise kenne ich hier mittlerweile ein paar Leute. Deshalb konnte ich in wenigen Minuten einen neuen Platz organisieren.
Ich mag das Gecko wegen des Flairs. Es hat diesen Kult Status, der einen über vieles hinweg sehen lässt. So wie diese alten Kneipen, in denen es säuerlich verraucht riecht, und ein seltsamer Effekt dafür sorgt, dass am hellichten Tage alles Licht verschwindet. Was auch gut ist, weil niemand das Elend sehen will.
Die neue Unterkunft heisst Soluna und die Besitzerin Claudia. Eigentlich gehört es ihr und ihrem einheimischen Ehemann, aber sie ist das Aushängeschild. Claudia kommt aus dem italienischen Teil von Südtirol. Sie hat mir erzählt, dass sie die Berge erdrückten. Manchmal hatte sie das Gefühl, die Menschen dort enden mit ihren Gedanken an der nächsten Felsformation. Eine etwas andere Sicht von der bei uns im Flachland herrschenden romantischen Vorstellung über die Dolomiten. Ich war einige Male in der Gegend. Mir kamen die Einheimischen immer schrullig vor. Wie es ist, dort als junger Mensch zu leben, malte ich mir nie aus. Es zog sie nach Australien, dann nach Malaysia und prompt blieb sie hängen.
Das Guesthouse ist etwas Besonderes. Beinahe ein wenig Bauernhaus Urlaub auf Langkawi. Alles hat Stil, ist durchdacht, die Deko macht was sie soll, ohne sich penetrant in den Vordergrund zu spielen, wirklich eine runde Sache.
Der Shutdown zeigt auch hier Spuren. Neben mir wohnen hier derzeit nur ein Pärchen aus Finnland und eine Familie, die sich aus einer Kanadierin, einem Franzosen und deren gemeinsamer Tochter zusammensetzt. Die Finnen … Nein, es ist beinahe unmöglich etwas über sie zu schreiben. Sie sind anwesend. Sprechen, Aktion, Aktivität ist nicht ihre Welt. Ich glaube, sie sind Anfang 30, es könnten aber auch 80 Lebensjahre sein.
Die Familie hat da schon mehr zu bieten, auch wenn sie kaum sprechen. Es beginnt damit, dass sie ihre Tochter (ca. 14) selbst unterrichten. Jeden Tag sitzt sie mehrere Stunden vor einem Tablett und löst irgendwelche Aufgaben. Ab und zu steht sie auf, stellt dem Vater eine Frage und macht dann weiter. Mit Stift und Papier habe ich sie noch nie gesehen. Dreimal am Tag essen sie, doch gesprochen wird dabei kaum. Die Kleine tur mir leid. Geburt ist eine der Besonderheiten des Lebens. Falscher Ort, falscher Platz, falsche Eltern und Du kannst Dir für Jahre, wenn nicht sogar bis zum Tod die Karten legen.
In Kanada ist das eigene Unterrichten der Kinder (Homeschooling/Distance Schooling) erlaubt, während es in Frankreich untersagt ist. Das Leben in Kanada scheint der Familie zu teuer zu sein und nach Frankreich können sie nicht. Mir kommen die merkwürdig vor und ich würde mich nicht wundern, wenn sie noch ganz andere Gründe haben, unterwegs zu sein. Doch wie ich immer wieder betone: Ein Traveller mischt sich nicht ein, sondern beobachtet. Irgendetwas scheint der Typ online zu veranstalten. Jedenfalls liegt er jeden Tag mit seinem Tablett in der Hängematte.
Um mich herum haben sich die anderen Backpacker in den letzten offenen Guesthouses verteilt. Bemerkenswert ist das Yasmin. Ich nenne es analog zu China Town “Little Backpacker Town”. Ein unübersichtlich verschachteltes Ensemble von Flachbauten, mit zahlreichen Verbindungen und Räumen, die teilweise wild gestaltet sind. Das dort noch nicht die Polizei eingeritten ist, verwundert mich ein wenig.
Die meisten Markets befinden sich im Besitz von geschäftstüchtigen Exil Chinesen. Ihre Strategie besteht darin, die wirklich notwendigen Dinge des Lebens im Angebot zu haben und einfache einheimische Billiglöhner zu beschäftigen. Anhand der Darbietung der Produkte und Bestückung der Regale fällt einem Deutschen schnell auf, mit welcher perfiden Präzision bei uns der Konsum gesteuert wird. Das Wegfallen jeglicher Verkaufspsychologie im Chinese Market machen einem die heimischen Taktiken überdeutlich. Wobei zwei Sachen funktionieren auch dort. Die günstige Ware liegt unten und Kleinmengen sind im Verhältnis zu den Grösseren quasi wucherhaft überteuert. Auf eine angenehme Präsentation, die zum Kauf einlädt oder Rabattierungen geben die Chinesen einen Dreck. Kaufe oder nicht! Seit 3 Tagen verfaulen im Regal die Kartoffeln. Auf dem Boden hat sich bereits eine Pfütze mit dem Faulwasser gebildet. Das schert niemanden. Es stört auch keinen, dass viele Gänge durch Kisten völlig blockiert sind. Das ist halt so. Aber aktuell wird keiner mehr ohne Maske (egal welcher Art) und Temperaturkontrolle eingelassen. Wie überall eine Farce. Sollte ich tatsächlich 35,9 Grad haben, dürfte dies ein Problem werden. Und eine Staubmaske, die wegen der stickigen Luft immer mal wieder abgenommen wird, bringt bestimmt auch nicht den gewünschten Erfolg.
Offiziell gibt es auf Langkawi 4 Corona Fälle! Es ist wie überall jenseits der westlichen Welt. Eine Diagnose wäre eine Katastrophe, also lässt man es lieber. Ohne Zwang, und an dem haben die Offiziellen ebenfalls kein Interesse, passiert da gar nichts. Gestorben wird wie immer und meistens weit vor der europäischen Lebenserwartung.
Malaysia ist an sich ein schönes Land mit freundlichen Leuten. Die Ethnien sind durcheinander gewürfelt und in einigen Gebieten leben die Leute noch sehr ursprünglich. Wenn es da nicht die Regierung und den Islam gäbe. Ich betone immer wieder, dass ich Religionen respektiere, aber in der Politik haben sie vor 100 Jahren ausgedient. Das vertrete ich auch gegenüber jedem bayrischen Katholiken. Mit dem charmanten Unterschied, dass ich in Deutschland dafür nicht in den Knast gehe. Südostasien ist nicht Teil der freien Welt. Selbst Thailand mit seinem Königs Kult ist weit davon entfernt.
Der Nachmittag bricht an und ich schau mal, was der Tag noch so bringt.
„Geburt ist eine der Besonderheiten des Lebens. Falscher Ort, falscher Platz, falsche Eltern und Du kannst Dir für Jahre, wenn nicht sogar bis zum Tod die Karten legen.“ Das gilt teilweise auch noch bei uns. Doch seit dem Ende des Ständestaats gibt es Abzweigungen vom vorgezeichneten Weg. Die gab es früher äußerst selten, wenn ein „Talent“ entdeckt wurde und einen Gönner fand. Manche Sozialarbeiter sprechen übrigens – resignierend oder abfällig – vom Sozialhilfe-Adel.