Rassismus Debatte im 21. Jahrhundert

Lesedauer 15 Minuten

Die Debatte über Rassismus in Deutschland empfinde ich persönlich als absolut verwirrend. Vorab: Es liegt mir fern, einen anderen Menschen wegen seines Aussehens in irgendeine Schublade zu stecken. Ich schreibe ganz bewusst nichts von beleidigen oder diskriminieren. Denn täte ich dieses, stände die Behauptung im Raum, dass das Aussehen hierfür ein geeignetes Mittel wäre. Beleidigungen und das Verletzen eines anderen Menschen ist meiner Auffassung nach ohnehin ein schwieriges Thema. Dazu gehören mindestens zwei Personen. Der Sender mit der Motivation des Beleidigens oder Verletzen, und der Empfänger, welcher die Botschaft aufnehmen muss und sie als solche empfindet.

Gleichsam möchte ich klarstellen, dass ich nicht im Geringsten bestreite, dass es in Deutschland Rassismus und Diskriminierung gibt. Für mich ist immer dann von Rassismus zu sprechen, wenn die Grundaussage, dass alle Menschen abschließend taxonomisch als Homo sapiens  mit identischen Grundvoraussetzungen zu betrachten sind, in Zweifel gezogen wird. Jeder, der den Begriff erweitert, muss klären, welche Definition oder Assoziationen sie/er dazu hat. Wenn beispielsweise die Aussage verwendet wird: “Es gibt keinen Rassismus gegenüber Weißen!”, gilt es einiges hinzuzufügen. Als Gary Moore seine legendäre Blues – LP aufnahm, gab es Musiker, die anerkennend sagten: “Für einen Weißen nicht schlecht!” Rassismus? Wenn die Machtkompenente und das Politische mit hineingenommen wird, ist es keinesfalls der Rassismus, welcher allgemein zur Debatte steht.

Was ist mit dem Verhalten der Mitteleuropäer untereinander? Auf der einen Seite die “Krauts” und “Kartoffelfresser”, andererseits die “Froschfresser” oder die “Spaghetti – Fresser”, mal ganz abgesehen von den “Inselaffen mit 1000 Jahre Inzucht!”. Rassismus? Oder rudimentäre Überbleibsel eines Nationalismus, der in den Zweiten Weltkrieg führte? Was ist mit dem nationalsozialistischen  Propagandafeldzug, in dem alle “Slawen” zu Untermenschen deklariert wurden? Und letztendlich, eher vorrangig, der Holocaust. Von einer jüdischen Rasse zu sprechen, ist eindeutiger und geschichtlich einmaliger Rassismus, doch eben von Weißen gegen Weiße. Der Holocaust zeigte die ganze Abstrusität des Rassismus. Aus einer Weltanschauung eine Rasse zu machen – in diese geistige Verwirrung muss man erst einmal hineingeraten. Da kann nur Kalkül dahinter stecken.

Rassismus ist meiner Meinung nach in erster Linie ein Instrument in den Händen von kalt kalkulierenden Strategen, die damit weniger rational aufgestellte Menschen manipulieren. Die am Ende rassistisch unterwegs sind und handeln, sind die willfährigen Gefolgsleute. Als sich die mitteleuropäischen Entdecker auf die Reise machten, ging es im Hintergrund um Geld. In ihrem Gefolge befanden sich kirchliche Missionare, die die “neuen” Heiden, fehlgeleitete Kinder Gottes, auf den richtigen Weg bringen sollten. Die Missionare mögen daran geglaubt haben, die Kirchenfürsten hatten Geld und Macht im Sinn. Heiden, die Bezeichnung stammt von den alten Riten der mitteleuropäischen Völker ihre Götter auf der Heide anzusprechen, konnten trotz entgegengesetzter biblischer Vorgaben getötet und gefoltert werden. Alles was in der Zeit des Sklavenhandels und während der Kolonialisierung stattfand, musste spirituell und ideologisch passend begleitet werden.

Der Homo sapiens tötet in der Regel nicht grundlos und erst recht gehört es nicht zum Grundverhalten, andere Angehörige der Spezies zu quälen. Immer bedarf es einer Konstruktion, mit der das Verhalten begründet wird. Und diese kommt häufig aus dem Kopf anderer, die selbst nicht töten oder in Aktion treten. Meiner Auffassung nach ein deutlich unterschätzter Faktor. Denn wenn es anders wäre, also das Verhalten in dem einem  Menschen oder einer Gruppe aus einer Zeit begründet ist, könnte es einfach aussterben. Doch im anderen Fall, existieren gedankliche Prämissen, die in Familienverbänden, gesellschaftlichen Strukturen und Ideologien, teilweise unterbewusst weiter gegeben werden.

Das aktuelle Geschehen anzugehen ist immer ein temporärer Akt, die Ursachen zu bekämpfen, führt zum gewünschten Erfolg.

Wie auch immer, ich kann solche Dinge nur erfolgreich angehen, wenn ich sauber und trennungsscharf die Ursachen erkenne. In der Praxis sehe ich im Moment eine Auswirkung, gegen die ich etwas konkret unternehmen kann. Das ist das Blattwerk eines unerwünschten Beikrauts im Beet. Aber gehe ich nicht auch die Wurzel an, werde ich eine Woche später wieder Blätter haben und wenn ich Pech habe, noch mehr als zuvor.

Ich halte es für einen schweren Fehler aus Nationalismus, Rassismus, Diskriminierung, Antisemitismus, Anti – Islam, eskalierenden sozialen Spannungen, bürgerlichen Ängsten, Geschlechterkampf, religiösen Fanatismus, wieder aufstrebenden Moralismus, eine  Suppe zu kochen. Ein dunkel pigmentierter Mitbürger kann durchaus ein  übler deutscher Nationalist sein, so wie jeder Homosexuelle zum Rassisten werden kann oder Gender – Aktivist durchaus zum Islam – Hasser werden kann. Die Spielarten sind mannigfaltig.

Kommunikation ist die absolute Notwendigkeit für eine positive Veränderung

Die Schwierigkeiten bei der Kommunikation zwischen Menschen sind mit die mit am meisten unterschätzten Probleme. Es beginnt mit der Frage: Warum will ich kommunizieren? Was ist mein Motiv? In Kommunikationsseminaren wird hierzu ein Rollenspiel inszeniert. Zwei Personen werden in eine Kommunikationssituation gesetzt. Bevor es losgeht, muss einer der Teilnehmenden auf ein Blatt sein Ziel notieren. Diese Notiz wird später bei der Auswertung einbezogen. Ich habe in Seminaren selten erlebt, dass das Gespräch dort endete, wo der Notierende hin wollte.

Bei Videoaufzeichnungen lassen sich Mikro – Störungen erkennen. Ein kaum wahrnehmbarer körperlicher Ausdruck, ein falsch benutztes Wort, eine kleine unscheinbare unterschiedliche Interpretation, eine unbekannte negative Konnotation mit einem Begriff, lässt ein Gespräch schlagartig eine Wende nehmen. Oftmals ist dann eine/r schlagartig verschlossen und nicht mehr für die Worte der anderen Seite zugänglich. Im Grunde genommen, kann das Gespräch an der Stelle abgebrochen werden.

Wenn ich also in das Gespräch mit dem Ziel einer Verhaltensänderung oder wenigstens einen Anstoß für ein Umdenken geben will, muss ich auf solche Sachen achten. Alles andere läuft darauf hinaus, dass ich mal meine Meinung gesagt habe. Vielleicht könnte man es noch als ein Signal für andere betrachten. “Hallo, hier stehe ich, dies ist meine Meinung, treiben sich hier noch Gleichgesinnte herum?” Richtig schiefgelaufen ist es, wenn ich die andere Seite nicht nur “zu” gemacht habe, sondern sie gegen mich aufbringe. Jedenfalls, wenn ich dies nicht wollte. Selbstverständlich kann dieses aus der “Reserve” locken ein taktisches Mittel sein. Dann sollte ich mich allerdings nicht darüber wundern.

Ich erwähnte den Zustand des sich beleidigt oder sich verletzt zu fühlen. Oftmals begegnen mir Menschen, die zu mir sagen: “Dies darfst Du so zu mir nicht sagen,  weil es mich verletzt.” Was kann ich für die Verletzlichkeit eines anderen? Im Prinzip kann ich mit dieser Aussage alles unterbinden. Ich lege einfach willkürlich fest, dass mich etwas verletzt und schon darf niemand mehr dieses oder jenes machen. Bei mir gibt es eine simple Regel: Ich kann über eine andere Person denken und sagen, was ich will, solange ich dies auch der anderen Seite zugestehe und umgekehrt.

Es erstaunt mich immer wieder, wie viele Leute mit dieser Regel ein Problem haben. Zumeist wird mir dann mangelnde Empathie vorgeworfen. Eine interessante Interpretation. Ich merke durchaus, was auf der anderen Seite los ist, aber aus Gründen habe ich kein Interesse darauf einzusteigen. Es ist jedem frei überlassen sich mit Befindlichkeiten das Leben schwer zu machen.

Verkrampfungen und Tabus sind nicht förderlich

Quasi jährlich wird eine neue korrekte Bezeichnung für Leute mit dunkler Hautfarbe erschaffen. Afro – Amerikaner, PoC, Farbige, usw. Fakt ist, die Erwähnung der Hautpigmentierung ergibt nur in speziellen Kontexten einen informellen Mehrwert. Beispielsweise, wenn ich aus irgendwelchen Gründen heraus eine Person beschreiben muss. Es wäre ziemlich dämlich bei einer Personenbeschreibung diesen Faktor unerwähnt zu lassen. Geht es darum, dass jemand etwas gesagt oder gehandelt hat, ist die Erwähnung der Pigmentierung, des Geschlechts, Religion, obsolet. Im 21. Jahrhundert kann ich mir auf einer Social Media  Plattform ein Profil erstellen, in dem ich eine afro- amerikanische Jüdin bin. Im Anschluss amüsierte ich mich darüber, wenn mir Personen unterstellen, dass ich diese oder jene Meinung vertrete, weil ich eben dies bin. Problem: Die Leute begreifen es nicht.

Die Frage hinter der Frage ist doch: Warum wird mit den Worten so jongliert? Ein Kollege, Sohn eines “afro – amerikanischen” US-Soldaten, meinte mal zu mir: “Wenn Du mich als People of Colour oder Farbiger bezeichnest, gibt es etwas auf die Rübe. Du bist im Winter blass, im Sommer erst leicht rötlich und in der Mitte stark gebräunt und ich habe keine bunten Sams – Punkte auf der Haut. Genau sowenig bin ich Afro –  Amerikaner. Ich war noch nie in Afrika und ob meine Vorfahren von daher kommen ist ebenfalls nicht geklärt. Ich bin, wenn überhaupt, schwarz.”

Gleichfalls halte ich es für völlig daneben, statt eines Hinweises darauf, dass irgendein Penner “Nigger” gesagt hat, von der Verwendung des “N-Wortes” zu sprechen. Weiß doch jeder was gemeint ist, also kann man es auch sagen. Dies kommt mir vor, als wenn von einem “F – Wort” gesprochen werden würde. Ich sage Kinder nicht, dass sie das “F-Wort” nicht benutzen sollen, sondern ich erläutere, dass Fotze grob, vulgär und heutzutage in der Regel beleidigend gemeint ist.

Es gehört zur Entwicklung von Jugendlichen dazu, dass sie provokativ Grenzen überschreiten. Damit die dies tun können, müssen erst einmal welche bestehen. Geschlechtsteile, bestimmte Symbole und Wörter sind mit gesellschaftlichen Grenzen, Tabus, belegt. Also malen sie genüsslich Penisbilder, Vaginas, Hakenkreuze, an die Wand, beschimpfen sich gegenseitig mit Jude, Nigga und Fotze. Ihnen wurde gesagt, dass man das nicht macht, also betrachten sie dies als Handlungsaufforderung. Meine jüngste Tochter stand mal vor mir und schleuderte mir voller Zorn mit bebender Stimme: “Du Kumpel!” entgegen. Irgendwer hatte ihr gesagt, dass das nicht in Ordnung ist. Ich glaube selbst derjenige gewesen zu sein, weil ich zur Älteren  irgendwann mal sagte: “Ich bin nicht Dein Kumpel oder der zufällig Älteste im Raum, sondern Dein Vater!”

Verläuft die Sozialisierung im Sinne der Gesellschaft, ist der ehemalige Jugendliche zu Verhaltensweisen und Überlegungen imstande, die per Definition als erwachsen bezeichnet werden. Offensichtlich geht da eine Menge schief und beschäftigt Psychotherapeuten/innen, Psychologen/innen und Psychiater/innen. Manch ein Rassist ist weniger ein intellektuell Überzeugter, sondern ein in Teilen seines Wesens pubertär stehen geblieben. Und die Zeitgenossen, welche diese Problematiken nicht erkennen, machen es nicht besser. Ich denke dabei zum Beispiel an Hakenkreuz – Schmierereien auf Tischen in der Polizeischule, die sofort als “rechtes” Problem bei der Polizei interpretiert werden. Mir macht dabei etwas ganz anderes Sorgen. Auf Tische zu Kritzeln ist in erster Linie pubertär. Wir leisten es uns, Menschen die noch nicht zu Handlungen eines Erwachsenen fähig sind, eine Waffe in die Hand zu geben und ihnen die Möglichkeit zu geben, in die Rechte anderer massiv einzugreifen. Außerdem schicken wir diese noch nicht gefestigten Menschen in psychologisch schwer zu bewältigende Situationen. In der Schweiz müssen Polizeibewerber eine abgeschlossene Berufsausbildung haben und meistens, entweder Militär – oder Ersatzdienst geleistet haben. Der Präsident der Kantonspolizei  Zürich sagte zu mir: “Wir Schweizer wollen nicht, dass halbe Kinder in die Rechte Erwachsener eingreifen.”

Rassismus, Diskriminierung u.a. haben immer etwas mit der Persönlichkeitsstruktur zu tun.

In meiner Zeit als Konfliktberater begegnete mir zum Thema Mobbing eine grundlegende Aussage: “Menschen setzen andere Menschen mit Worten, Handlungen, Mobbing, Diskriminierung, Rassismus herab, um den eigenen sozialen Status zu heben.” Seither bin ich in solchen Situationen immer auf die Suche nach den Defiziten beim Mobber, Rassisten oder was auch immer gegangen. Ausnahmslos bin ich fündig geworden. Oftmals lag es daran, wie die allgemeine Struktur aussah. Sie verursachte nicht die Defizite, die wurden bereits mitgebracht, aber sie wirkte verstärkend. Demnach habe ich zwei Dinge zu analysieren. Welche Defizite bestehen in der Persönlichkeit, woher kommen die und was kann ich dagegen tun und inwiefern fördert die bestehende Situation dies?

Spätestens seit dem Stanford – Experiment sind die speziellen Gegebenheiten im Gefangenenwesen bekannt. Damals stellten die Gefangenen und ihre Aufseher Studenten. Die Bedingungen auf Gefangenensammelstellen sind hart, belastend und extrem wirksam auf die Psyche. Wenn ich eine solche Dienststelle mit in anderen Teilen der Polizei gescheiterten Führungskräften und in der Persönlichkeit sehr einfach strukturierte und schlecht bezahlte Angestellte bedenke, bastle ich eine Zeitbombe. Exakt dies ist in der Vergangenheit passiert. Das erwartbare Geschehen und tatsächliche Ergebnis, welches mich auf den Plan rief, hatte nichts mit Rassismus oder sogenannten “rechten” Gedankengut zu tun, sondern ist das Ergebnis einer Psycho – Dynamik. Da kann ich die vermeintlichen Rechten und Rassisten austauschen so oft ich will, nach einem halben Jahr habe ich wieder den gleichen Zustand. Und wenn ich jemanden einen Vorwurf machen kann, dann sind es Stellen, die Stanford ignorierten und sich an Aufbau – Schablonen und Traditionen orientierten.

Was könnte man tun?

Wer spricht eigentlich mit wem in welcher Art und Weise? Da wären die selbsternannten Experten. Zu ihnen gehören u.a. sich selbst als Journalisten bezeichnende Personen, denen es oftmals am biografischen Hintergrund, echtem Wissen und vor allem am Qualitätsanspruch mangelt. Auf den Social Media Plattformen tummeln sich die unterschiedlichsten Typen. Bisweilen prallen Traumatisierte, was wenigstens bei den Opfern von Rassismus, Mobbing und Diskriminierung absolut nachvollziehbar ist, auf Egozentriker, die sich jede hingehaltene Jacke gern überstreifen. Kaum jemand ist dazu in der Lage den notwendigen emotionalen Abstand einzunehmen oder wenigstens die Eingebundenheit zu erkennen und entsprechend zu berücksichtigen.

Ohnehin sind diese Plattformen denkbar ungeeignet. Selten besteht der Anspruch auf einen echten fruchtbaren Austausch. Es geht um Selbstdarstellung, Narzissmus, Herausposaunen der meistens eher wenig fundierten Meinung und das Fahren von PR Kampagnen. Doch am hinderlichsten ist meiner Meinung nach etwas anderes. Ein Antagonist zum Rassismus ist das differenzierte Denken, welches das Individuum würdigt. Bei Konflikten, die einen negativen Verlauf nehmen, kann dies ausgeschlossen werden. Kontrahenten suchen sich Kombattanten, die sie stützen. Nach einer Weile prallen Gruppen aufeinander, die sich gegenseitig dämonisieren. Eine differenzierte Betrachtung ist damit nicht mehr möglich.

Von Nöten sind gut ausgebildete und aufgestellte Geisteswissenschaftler aus den Fakultäten Psychologie, Soziologie und Philosophie, die in der Lage sind ihre Erkenntnisse öffentlich verständlich zu präsentieren und auf diese Art einen echten Einfluss bekommen. Doch leider erscheinen die mir teilweise wie chinesisch sprechende Wissenschaftler, die sich in einem Labor tagtäglich  gegenseitig therapieren.

Von denen würde ich mir Anstöße erhoffen, die die Menschen umdenken lassen und sich nach und nach vom Ist – Zustand der Kategorisierung von allem und jedem, entfernen lässt. Menschen werden damit des Individuellen beraubt und zum abstrakten Teil einer Gruppe mit Konnotationen gemacht. Dies funktioniert überall und vor allem bereits zu lange. Ich frage mich bei Gewalt, insbesondere wenn es ums töten und foltern geht, wie Menschen die inneren Barrieren überwinden, die sie normalerweise davon abhalten. Im Krieg gehen nicht irgendwelche Psychopathen aufeinander los, sondern der Jedermann aus der Nachbarschaft kämpft gegen sein Pendant aus einem anderen Land. Es ist die Gruppe, die Anonymisierung des Gegners, die alles möglich macht. Selbst wenn man den Einzelnen kennt, er aber zu einer abgelehnten Gruppe gehört, wird alles leichter.

Schon aus diesem Grund sehe ich neue Gruppenbezeichnungen wie PoC und LGBTQI+ skeptisch. Erneut kommt es zu Konnotationen und die sind nicht zwingend positiv. Sie werden von unterschiedlichen Gruppen benutzt und für eigene Zwecke missbraucht. Die sich dort gern in die Gruppe einfügen lassen, suchen dort den Schutz der Gemeinschaft, aber das kann auch nach hinten losgehen. Jede Gruppe findet ihre Anführer. Gute, suchen einen Weg, und im Falle von Diskriminierung und Rassismus, das Verbindende, welches nach und nach einen breiten Rückhalt erzeugt. Schlechte, gehen den Weg der Konfrontation, womit sie Sympathisanten und Unterstützer zu Außenseitern machen oder sie gar verprellen. Dabei geht es nicht darum, dass die plötzlich zu Rassisten werden. Aber sie wenden sich ab, statt zu unterstützen. In diesem Zusammenhang ist der stetig kommende Hinweis auf die Privilegierung des “Weißen” extrem kontraproduktiv. Gerade in den Kreisen, der in der Gesellschaft weniger mit  Privilegien bedachten, den Underdogs, ist der Rassismus und die Ausländerfeindlichkeit ausgeprägt. Hingegen gehören die Sprecher/Aktivisten/Anführer der Gruppen “PoC” und LGBTQI+ oftmals zu denen, die es geschafft haben. Hohes Bildungsniveau, Auskommen, gesellschaftlich anerkannte Berufe, Titel und  eine gute sprachliche rhetorische Ausbildung. In einer Gesellschaft mit sich einer stets weiter öffnenden sozialen Schere kann dies problematisch werden. Kritiker meiner Aussage, werden mich darauf hinweisen, dass es um die allgemeine Ausgangslage geht. Dieser gedankliche Schritt setzt Abstraktionsfähigkeiten voraus, die nicht gegeben sind.

 

Der funktionale Rassimus des deutschen politischen Establishment

Neben den Underdogs gibt es Personen, die von ganz Oben den Rassismus befeuern und für eigene Zwecke benutzen. Für mich ist ihr Verhalten absolut verwerflich. Moria, die Toten im Mittelmeer, die Sterbenden in den Wüsten, die Arbeitsverhältnisse der osteuropäischen Arbeitskräfte, all dies lässt sich ausschließlich über unterschwelligen Rassismus bewerkstelligen. Es ist nicht mehr der offen sichtbare des Kolonialismus, wenn er auch exakt die Funktion dessen übernimmt. Die Folgen für die Zukunft sind unabsehbar. Bei den meisten Betroffenen handelt es sich um junge Frauen, Männer und Kinder. Die werden die seelische Last des Erfahrenen Jahrzehnte tragen. Wer hat das Recht den ersten Stein zu werfen, wenn sich unter ihnen Leute radikalisieren? Und was ist mit denen, die in Unterkünften landen? Sie werden dort untereinander wildfremd zusammengepfercht. Die Auswirkungen sind vorhersehbar. Welch Geistes Kind sind Zeitgenossen, die Dankbarkeit einfordern und von einer Wohlverhaltenspflicht des Gastes sprechen? Untersuchungen ergaben, dass junge Soldaten des Zweiten Weltkriegs sich vor dem Gang zur Front nahmen, was sie wollten, weil sie wussten, dass ihr Leben keine Perspektive mehr hat. Aber soweit ins Extreme muss man nicht schauen. Ich habe erlebt, wie Polizisten nach einer dreitägigen Unterbringung in einer Sporthalle miteinander umgehen. Was muss ich mir nach einem Jahr in einer Unterkunft mit Gemeinschaftstoiletten, keinerlei Privatsphäre, verdammt zur Untätigkeit, vorstellen? Dann auch noch mit Leuten, die Vergewaltigungen, Folter, Schläge, Entbehrungen, Hunger, Durst, Kälte, schreiende und sterbende Kinder hinter sich haben?

Dies alles wird von außen her erträglich, wenn ich die Betroffenen entmenschliche und sie zum Teil von etwas Bedrohlichen mache. Sie gehören zu einer Flüchtlingsflut, die Europa überschwemmt. Sie sind ein Problem, welches eine Krise erzeugt. Gleichfalls sind sie ein Produkt, mit dem Handel betrieben wird und Profite erzeugt werden. Da ist es nur logisch, wenn man von Asyltourismus spricht, ein widerliches Wort, welches erneut die Würde nimmt und eine Flüchtlingsindustrie ins Spiel springt. Würden sich der Einzelne mit dem Individuum auseinandersetzen, sich ihre Geschichten anhören, wäre alleine das Zuhören für eine Traumatisierung geeignet. Ich bin hart im nehmen, aber auch an mir geht es nicht spurlos vorbei, wenn einer sein T – Shirt hochreißt, um mir seine lange Narbe zu zeigen, die vom Versuch ihn als Kind aufzuschlitzen herrührt.

Machen wir uns nichts vor. Ein großer Teil der Menschen, die ihr Ursprungsland verließen, werden schräg angesehen. Was können wir dafür, wenn die in ihrem Land nichts auf die Reihe kriegen? Das wird schon seine Gründe haben. Was mich zu den beiden letzten Punkt führt, die mir unter den Nägeln brennen

Wäre Deutschland eine Person ...

Vor meinem geistigen Angesicht stände dann ein arroganter Fatzke, der selbstgefällig von sich behauptet alles richtig gemacht zu haben und deshalb den anderen die Welt erklären kann. Einer der sich selbst als die Antwort auf alle Fragen sieht und keinerlei Interesse an der Vorgehensweise anderer und deren daraus gezogenen Vorteilen interessiert ist. Gleichzeitig wäre es ein Jammerlappen, der täglich davor Angst hat, dass ihm etwas weggenommen wird. Ein alter Krämer mit Zipperlein, der allen von seinen schlimmen Schmerzen berichtet.

Forschte jemand in der Vergangenheit, käme eine schmutzige Biografie zum Vorschein. Weggenommen wurde den jüdischen Mitbürgern viel, teils verurteilte man das Verhalten, aber zurückgegeben wurde wenig und niemals freiwillig. Auch wurde stillschweigend dankbar der Erlass von Schulden und die Reparatur der Schäden hingenommen. Obendrauf wurde ein Mythos gesetzt: das Wirtschaftswunder, entstanden aus den vermeintlichen fantastischen Fähigkeiten des jammernden Krämers. Nach und nach könnte sich das Bild eines gewissenlosen Geschäftemachers ergeben, der sich stets geschickt tarnte, während er mit jedem dahergelaufenen Gauner Geschäfte machte. Einer, der nicht alles richtig gemacht hat, aber es im Leben richtig gut gelaufen ist.

Eben jenes Trugbild wird vom politischen Establishment benutzt. Und da wir konsequent seit 200 Jahren im Aufwärtstrend liegen, muss es gut und richtig sein, während die in den Hallahalla – Staaten nichts hinbekommen haben. Man könnte bösartig auch sagen, der Kriminelle in der S – Klasse, welcher abfällig auf die Idioten, dumme menschen II. Klasse schaut, welche sich auf der Baustelle abrackern.

Ich hab mich hier im BLOG bereits mehrfach über das Wort “Leitkultur” echauffiert. Dabei schwingt genau das oben Beschriebene mit. Dabei bin ich mir auch noch nicht ganz sicher, ob die europäischen Staaten die eine Führungsrolle der Deutschen einfordern, Masochisten sind oder einfach jemanden brauchen, der beim Bau der Festung Europa einen Ausputzer suchen, der die Drecksarbeit übernimmt. Immerhin ist Deutschland dabei fast so etwas wie eine Fachkraft.

Teile und herrsche

Der Großteil der Diskussionen, Debatten werden auf einer mittleren gesellschaftlichen Ebene geführt. Selten konstruktiv, meistens innerhalb von unnötig verhärteten Konflikten. Welche Ursachen ich dafür vermute habe ich dargestellt. Ich empfinde dies als ziemlich unbefriedigend, weil ich für meine Kinder gern eine Welt mit minimalem Rassismus und konstruktiven Auseinandersetzungen zwischen Leuten, die gar nicht weit voneinander entfernt sind, sehen würde. Aber statt eine Bewegung dahin zu sehen, beobachte ich eine davon weg. Ich kann schlecht zu Aktivisten gehen und sie anbrüllen: “Nimm doch mal deine persönliche Betroffenheit aus dem Rennen, überlege, was Du erreichen willst und stelle Deine Rhetorik darauf ab! Vor allem schnapp Dir die richtigen Adressaten.”

Persönliche Betroffenheit, Frustration, Angriffe, verkomplizieren die Kommunikation und lassen die Leute auseinanderdriften. Und wie es in der Volksweise richtig heißt: Streiten sich zwei, freut sich der Dritte. Anstatt sich mit den politischen Kampagnen zu beschäftigen, die wirklich rechten und rassistischen Gruppen anzugehen, verzettelt man sich in niederschwelligen Themen und wenn gar nichts geht, ist die Polizei immer ein willkommener Boxsack. Dabei gäbe es da draußen ausreichend echte Gegner, wie Verlagsinhaber aus der Szene der Neu Rechten Bewegung,  Betreiber von Plattformen, die rechtskonservativen und zum Teil rassistisch aufgestellten schlagenden Verbindungen, der rechte Rand der CDU/CSU, einzelne Mitglieder der FDP,  Vordenker, Autoren usw..

Aber was passiert? Man hält sich mit Pillepalle – Diskussionen über Straßennamen, die ohnehin niemanden interessieren auf, erregt sich künstlich über Süßspeisen oder Restaurant – Namen, durchforstet Kinderbücher, von denen rechte Schläger niemals etwas hörten oder spricht in einer Sprache, deren Verständnis einer kleinen Gruppe vorbehalten ist. Das riecht häufig nach selbstgefälliger Betroffenheit, vermeintlicher moralischer Überlegenheit ländlicher Kirchgänger, und eitler Beschäftigung mit sich selbst

Teile und Herrsche setzt eine Instanz voraus, die im Hintergrund für die Teilung sorgt und die Beschäftigung mit dem Banalen forciert. Daran glaube ich nicht. Eine Entwicklung, die aus einem dynamischen Prozess ergeben hat, halte ich für deutlich wahrscheinlicher. Über jeden hingehaltenen Stock zu springen, aus dem Flachen einen Hype zu machen, aus jedem einen Experten oder Expertin zu machen, entspricht dem Zeitgeist und wird immer schlimmer. Infolgedessen geht das Tatsächliche, was Menschen in Unterkünften oder den Lagern täglich erleiden müssen, unter. Ebenso geraten die unzähligen Übergriffe in den überwiegend neuen Bundesländern aus dem Fokus. Gar nicht mehr betrachtet werden die Vertreter der etablierten Parteien und ihre propagandistisch aufgestellten Parteiblätter, wie die WELT, SZ oder BILD. Obwohl sie doch die Voraussetzungen schaffen und wenn man einzelnen etwas genauer zu hört, Fragen bezüglich derer Menschenbild aufkommen. Diskutiert werden Filmchen von Polizeieinsätzen, unkorrekte Ausdrucksweisen und Mitbürger/innen aller Couleur (in dem Falle mal buchstäblich), sowie Befindlichkeiten.   

Die genetischen Schalter, welche für die Pigmentierung der Haut und Phänotyp verantwortlich sind, haben nichts mit Intelligenz, charakterliche Eigenschaften, Persönlichkeit oder Empathie zu tun. Erst recht nichts mit der Befähigung zur Analyse, dem logischen Denken und Weisheit. Dies alles wird erlernt. Schrill, schräg, provokativ, rockt den Laden.

Die andere Seite

Es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen kritikwürdig und verurteilenswert. Letzteres trifft es nicht einmal, wenn man an die Reaktionen denkt, denen Aktivisten ausgesetzt sind oder waren, deren Verhaltensweisen durchaus als kritikwürdig angesehen werden können. Was passiert da in Teilen der Gesellschaft. Wie muss man beim Schreiben von Hassmails mit widerlichen Inhalten an wildfremde Personen unterwegs sein, von denen man lediglich Worte gelesen hat, versendet? Schreiben ist immerhin noch mal etwas anderes, als das schnell gesprochene Wort in der Kneipe.  Ich glaube, diese Leute sind nicht einmal rechts oder Rassisten, die sind schlicht durchgeknallt. Gut, ich habe in meinem Leben einige seltsame Exemplare der Spezies Homo sapiens kennengelernt. Darunter befanden sich bestimmt welche, die Mails schreiben, Briefe verschicken oder sich in Netzwerken organisieren. Wahrscheinlich ist an dieser Stelle eins der größten Probleme zu finden.

Vielleicht ist Rassimus gestern und andere üble Sachen folgen.

Ich neige immer mehr dazu, den Radikalen, die die Social Media und ähnliche Optionen für Netzwerke, für eine der größten Gefahren der modernen Welt halten, zuzustimmen. Was wäre, wenn Rassismus, Diskriminierungen, aus einer Metaebene betrachtet, ähnliche Schalterstellungen darstellen, wie die, welche zum Verhalten im Internet führen. Es geht in der virtuellen Welt nicht mehr um Pigmentierungen, Herkunft, Aussehen. Die sind frei wählbar. Ich kann mir jederzeit einen Fantasie – Account zulegen. Was bleibt ist das innere Wesen des Menschen. Hass, Neid, Streben nach Macht über andere, sexuelle Befriedigung am Quälen anderer,  im Netz nicht physisch, dafür psychisch, Narzissmus, die komplette Breite der Persönlichkeitsstörungen können ausgelebt werden. Man braucht dafür nur ein Mobiltelefon und ein Datenvolumen. Jedes kranke Gehirn auf allen sieben Kontinenten, alle Ausgeburten und Fehlgeleiteten eines sich krebsartig über den Planeten ausbreitenden unmenschlichen Konstrukts, treiben jeden Tag ein wenig mehr ihr Unwesen. Es war schon schlimm genug, als der Mensch noch eine unmittelbare Rückmeldung vom gegenüber bekam. Es ist zu befürchten, dass diese virtuellen Freaks immer mehr werden. In der Konsequenz muss die Psychologie des Menschen u.U. mit neuen Kriterien betrachtet werden.

Für mich persönlich fürchte ich, damit nichts mehr zu tun zu haben, weil ich zu weit entfernt bin. Mir werden diverse Verhaltensweisen immer fremder und undurchschaubarer. Selbst beim Verstehen der in den Diskussionen verwendeten Sprache bin ich raus. Damit will ich heute enden. Beim Schreiben des Beitrags, die Schauspieler melden sich, stolperte ich über die Bezeichnung “Blockchain Evangelist”. Bitte? Was ist das denn? Ich recherchierte und stolperte prompt ins nächste Sumpfgebiet. Es gibt Menschen, die sind davon begeistert! Ich werde den Begriff für jene, die auch nicht damit anfangen können, hier nicht auflösen, aber ich kann so viel sagen: “Wenn ihr alle keinen Bock mehr habt Mensch zu sein, schließt Euch doch an einen Rechner an und spielt Matrix. Ohne mich, ich gehe ins Exil.”

Dorthin, wo Leute mit dunkler Pigmentierung und gebräunte Europäer friedlich zusammen an einem Feuer sitzen, den zusammen gefangenen Fisch braten und sich an den Kopf fassen, weil ein Nerd zu dämlich ist, einen Platz zum Pinkeln zu finden.


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Verfasst 25. April 2021 von Troelle in category "Gesellschaft

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