Die Sache mit den Sternchen

Lesedauer 4 Minuten

Liebe Leser*innen,
so könnte ich in nächster Zeit meine Beiträge schreiben. Ich täte es, wenn ich es für eine gute Idee oder besser einen innovativen Prozess hielte, an dessen Ende etwas Gutes bei herauskommt. Die Leser, also plural, wird von den Befürwortern als unzulässige Verwendung des Maskulinum interpretiert. Warum nicht Leserinnen? Gut, darüber könnte langfristig diskutiert werden, doch bisher nimmt der Durchschnitt in diesem Fall an, ich würde die Frauen ansprechen. Dann gäbe es noch diejenigen, welche sich aufgrund des Umstands, weder das eine, noch das andere zu sein, ausgeschlossen fühlen. Schreiben ist nochmals anders als Sprechen. Alles, was ich in letzter Zeit in der neuen Sprechweise hörte, klang in meinen Ohren nach albernen gekünstelten aufgesetzten Wortschwall, dem man nach wenigen Minuten nicht mehr folgen konnte.

Kommunikation, miteinander sprechen, reden, sich unterhalten, ist eine, da wiederhole ich mich immer wieder, komplizierte Angelegenheit. Mit einer einzigen Geste, einem falschen Wort oder eine missverständliche Betonung, kann ein Gespräch in Millisekunden kippen oder gar beendet sein. Es ist nun einmal eine Tatsache, dass die Gesellschaft weder homogen ist, noch alle an einem Strang ziehen. Vielfach wird über das sogenannte Amtsdeutsch gelästert. Manch eine oder einer treibt es auf die Spitze und wird deshalb von anderen im günstigsten Fall belächelt. Dies ist für Verwender dieser verqueren Ausdrucksweise insofern misslich, als die u.U. durchaus interessante Botschaft in der Lächerlichkeit untergeht. Jede Fachsprache hat ihre Tücken. Das Begriffe, im beruflichen oder wissenschaftlichen Umfeld, eine andere Bedeutung innehaben, macht es nicht einfacher.

Neben diesen beruflich geprägten Sprachen existieren noch die Ausdrücke, welche von gesellschaftlichen Untergruppen zur Abgrenzung von der Allgemeinheit verwendet werden. Jugendlichen, Influencern, YouTubern zu folgen, ist für Außenstehende, entweder altersbedingt oder Desinteresse am gerade herrschenden Zeitgeist, nicht einfach. Muss es aber auch nicht. Die Verwender sagen mit der Sprache zwischen den Zeilen deutlich: Für Dich ist das alles nicht bestimmt. 

Nun gibt es allerdings Bereiche, die uns alle angehen sollten oder wenigstens jedem, jeder, zugänglich sein sollten. Ich kann nicht von jedem, jeder, erwarten, dass die neue Sprache erlernt oder akzeptiert wird. Wenn es zu Veränderungen kommt, die bei allen ankommen, braucht es dafür Jahrzehnte. Zum Beispiel wird gern völlig außer Acht gelassen, dass eine große Anzahl Deutscher kein Englisch sprechen. Gleichsam werden neuerdings zahlreiche Fremdwörter, Entlehnungen, verwendet, die in der Breite kaum verstanden werden. Den Zuhörern bleibt nur übrig nachzufragen, zu tun, als ob alles verstanden wurde oder sich schlicht klein und dumm zu fühlen. Das kann es nicht sein. Einerseits gibt es Publikationen, die sich auf eine einfache Sprache konzentrieren, um alle zu erreichen und andererseits kommt es zur Erschwernis.

Überall wird von einer immer deutlich werdenden Spaltung der Gesellschaft gesprochen. Will ich dem entgegenwirken, gilt es verbindende Elemente zu finden und nicht den nächsten Keil aus der Kiste zu holen. Ohnehin ist mit der Digitalisierung der Einfluss auf die Sprache als Werkzeug der Manipulation erheblich angestiegen. Von den heutigen Möglichkeiten, konnten Werbefachleute, Spezialisten für Kampagnen und Politiker in den Achtzigern nur träumen. Euphemismen, Umdeutungen, erzeugen von Assoziationen, Stigmatisierung von Gruppen, blockieren des eigenen Denken, sind alltägliche Begleiter. Meine Lieblingsbeispiele sind stets Klima – und Umweltschutz. Tatsächlich geht es darum, aktive schädigende Eingriffe zu unterlassen, suggeriert wird die Möglichkeit mittels Handlungen einen Schutz zu bieten. Am besten sollen die dann von Konzernen, Erfindern, Wissenschaftlern, ausgehen. Es ist klar, worum es wirklich geht: Geld. Der Mensch im 20. u. 21. Jahrhundert ist erfinderisch, wenn es Profite zu erzielen gibt. In diesem Zusammenhang denke ich auch an Worte wie Recycling. Anstatt der Industrie eine Produktion von immer mehr Plastik, giftigen Produkten, zu untersagen, wurde ein Recycling – System erdacht, welches letztlich dazu diente, die Industrie aus der Schusslinie zu nehmen.

Egal, darum soll es mir hier nicht gehen. Ich kann den Gedankengang, der hinter der Idee des Gendern steht, nachvollziehen. Ja, es muss sich etwas tun. Doch ich bestreite die Theorie, dass ich über eine “aufgedrückte” Sprache, das Denken der Menschen verändern kann. Erst muss ich in den Köpfen einiges bewegen, dann folgt die Bereitschaft andere Wörter in meine Sprache zu übernehmen. Ohne diese Bewegung, wird Widerstand, Unmut und Unwillen erzeugt. Dies mündet dann in Aggressionen, die sich entgegengesetzt zum Gewollten auswirken.

Aktuell kämpfe ich mich durch einen “Wälzer”, im Sprachstil der 20er geschrieben, in dem der Autor die buddhistische Philosophie erläutert. Besonders spannend ist dabei, dass er als Schriftgelehrter für Sanskrit und Pali stets versucht eine halbwegs passende Entsprechung für die Gegenwart zu finden. Oftmals ist dies nicht möglich oder es bedarf einer ganzen Abhandlung, was vor 3000 Jahren mit einem einzigen Wort gemeint war. Ein Mann der Frauen hasst oder sich per Geburt über sie gesetzt fühlt, ein homophober Schläger, ändern sich nicht, weil sie Gendern. Die innere Haltung, das Zusammenspiel aus allen Faktoren, gibt den Ausschlag. Anders, eine Speise kann fantastisch und lecker aussehen, aber mein Hineinbeißen wird zum Desaster, wenn ich die Deko aus Plastik erwischt habe.

Überhaupt entwickelt sich dies aktuell in den Social Media zum Problem. Eine einzige Information bringt mir gar nichts. Wenn ich in weiter Ferne auf einem Feld eine aufrechte Silhouette sehe, könnte es sich um einen Menschen handeln. Wenn ich näher komme und rufe, plötzlich einer aus dem Gras aufspringt, werde ich annehmen, dass die Silhouette eine Täuschung war, aber durchaus ein Mensch anwesend war. Rennt nun plötzlich auch die Silhouette weg, waren es zwei Menschen. Oder es passiert überhaupt nichts, dann ist es unter Umständen eine Vogelscheuche. Meine Sinnesorgane liefern dem Verstand korrekte Informationen, allein was ich daraus mache, meine Rückschlüsse, passieren im Verstand. Was habe ich bei Twitter, Facebook, Instagram? Exakt was ich sehen kann und interpretiere. Die Sternchen bringen mich dabei nicht weiter. Hinter jedem Account kann sich alles Erdenkliche verbergen und dennoch werden die Dispute geführt, als wenn  alles klar wäre. Im Zeitalter der PR Kampagnen, der verfälschten Informationen oder wenigstens manipulativ gesetzten, ein sehr dünnes Brett.

Nein, ich werde auch in Zukunft innerhalb dieses BLOG nicht gendern. Der gesamte BLOG, die Zusammenhänge, innerhalb derer ich Beiträge schreibe, schlicht die gesamte Suppe macht aus, was ich serviere. Wer sich inhaltlich an Sternchen festhält oder stört, ist am Inhalt nicht interessiert. Damit kann ich gut leben. Beleidigungen funktionieren bei mir ohnehin nicht, da kein Einfluss auf das gegenüberliegende Bild von mir möglich ist und ich im Gegenzuge keine innere Leinwand anbiete, auf der böswillig etwas hinterlassen werden könnte.

Boomer?

Lesedauer 6 Minuten

In den Social Media und im Internet wird seit geraumer Zeit der Kommentar: “OK, Boomer!” verwendet. Ich weiß nicht, wer ihn aufbrachte oder wo diese Bewegung entstand, auf jeden Fall halte ich sie bei näherer Betrachtung für völligen Quatsch bzw. hat sie keinerlei Aussagewert. Die Bezeichnung bezieht sich auf die Geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegszeit. In etwa Mitte der Fünfziger ging es los und endete mit dem Pillenknick der ausgehenden Sechziger. Gemeint sind also Frauen und Männer, die heute zwischen Ende Fünfzig und Anfang Siebzig sind.  Teilweise sind sie damit Kinder der Kriegs – und der Nachkriegsgeneration.  In der Zeit der 68er – Bewegung waren sie noch Kinder und den Nachlauf erlebten sie als Jugendliche. Ihre Glanzzeit hatten sie in den ausgehenden Siebzigern und Achtzigern. Politisch war diese Zeit weitestgehend von der Nachkriegsgeneration geprägt. Die echte politische Macht treten die Boomer heute an. Wer sich seitens der Jüngeren aufstellt und sich wütend für die Klima – Krise, Umweltverschmutzung und ähnliches bedankt, sucht sich damit schon einmal den falschen Adressaten.

Schaue ich in die Parteien, sehe ich an wichtigen Stellen Boomer und Vertreter meiner Generation (Pillenknick). Wer sich meiner Altersgenossen nicht gerade in der Jungen Union oder bei den Jungen Liberalen engagierte, war meistens eher unpolitisch oder beteiligte sich außerparlamentarisch, dabei unterscheidet sich diese Zeit gar nicht so sehr vom aktuellen Geschehen. Und wie in jeder Generation gab es jene und solche. Selbstkritisch muss man einräumen, dass uns der “Nullbock Generation” ein wenig mehr das Streben nach Macht hätte interessieren sollen. Leider überließen wir vieles den eher provinziellen und konservativen Teilen. Die damals mit einem Aktenkoffer und einer programmierbaren Digitaluhr zur Schule kamen, waren in der Minderheit und selten gut gelitten. Auf meinem Gymnasium war zu meiner Zeit ein einziger bei der Jungen Union und einer bei der FDP.  Selbst Kai Wegner, der auf der Konkurrenzschule unterwegs war, kam erst Jahre später und war ein Exot. In deren Folge sie sich in Zirkeln zusammentaten, mit vorwiegend alten Männern in Burschenschaften, Studentenverbindungen o.ä. Veranstaltungen abhingen. Schaut man sich die Biografien der aktuellen CDU/CSU, FDP, Politiker an, sind sie nahezu alle das Ende von Seilschaften und Typen wie ein Philip Amthor zeigen, dass sich die Tradition fortsetzt.

Meine Generation war eine der Ersten, die an der Mauer der politischen Macht abprallte. Das Bild des Politikers wandelte sich in den Achtzigern. Bis zur Übernahme der CDU angeführt von Helmut Kohl, stritten Frauen und Männer, die in großen Teilen auch eine berufliche Biografie aufweisen konnten oder die “heissen” Zeiten der Nachkriegszeit erlebten über Themen. Ab Kohl und seine Helfershelfer bei der FDP ging es um die politische Macht als Selbstzweck und Geld verdienen. Geld, Profit, wirtschaftliche Macht spielte ohnehin eine herausragende Rolle. Der Westen wollte endlich dem “Kalten Krieg” ein Ende setzen. US-Präsident Reagan erklärte sich zum General und Maggy Thatcher wurde zum Feldmarschall. Dabei wurde jede vermeintliche Bremse ohne Rücksicht auf Verluste gelöst. Alle Erkenntnisse, dass da etwas mit dem Klima aus dem Ruder läuft, diverse ökologische Katastrophen ins Haus stehen, wurden für den Sieg über den Ostblock  unterdrückt.

Die erwähnte Mauer der Macht ist ein heikles Thema. Gefühlt, sind meine Altersgenossen diejenigen, welche die Politikverdrossenheit als Erste voll erwischte. Bis zum Ende der 80er herrschte im Westen noch etwas wie eine Aufbruchstimmung. Wir waren gegen den Konsumterror, rebellierten gegen den Leistungsdruck, traten gegen Atomkraft ein, interessierten uns für die Denker und Intellektuellen der Vorgeneration, setzten uns für weniger Müll und Verbrechen gegen die Natur, verübt von BASF, SCHERING, ESSO, BP, RWE und wie sie alle hießen, ein. Wir sahen keinen Sinn im Kalten Krieg und fragten, warum es wichtig sei, die Welt mit Atomwaffen 100, 50 oder 10 – fach zu vernichten. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs zur DDR änderte sich über Nacht alles. Eine beinahe erledigte CDU erholte sich. Im Osten startete alles von vorn. Konsum wurde wieder großgeschrieben. Plötzlich wurde alles, was irgendwie mit sozialer Gerechtigkeit, progressiven Veränderungen in der Gesellschaftsstruktur, alternativen Lebensmodellen, Widerstand gegen die Machtvollkommenheit einer herangewachsenen abgesetzten arroganten politischen Klasse zu tun hatte, zu links, und verhassten Sozialismus. Eine mit Franz – Josef Strauss fast ausgestorbene Hetze gegen alles, was bei den Worten Rüstung, Kapitalismus, Leistung, deutsche Kultur, nicht in stehende Ovationen ausbricht, nahm wieder Fahrt auf und erfährt derzeit mit der Werteunion eine neue Dimension. Nicht zuletzt, weil sie die mit ’89 erstarkende Neue Rechte wieder einfangen wollen. Was ich bei Strauss nie verstand, war der Umstand, dass ihm die anderen Politiker niemals eine Rechtsradikalität vorwarfen. Für mich, der mit ihm in der Politik aufwuchs, war er nichts anderes.

Und wenn alle endgültig die Hasskappe aufsetzten, dann beim Thema ’68er, völlig den zeitlichen Hintergrund außer Acht lassend, als noch echte Nationalsozialisten, Opportunisten, in den Behörden, an den Universitäten und in der Justiz herumgeisterten. Was bei mir zeitlebens den Verdacht nährte, dass vieles, was den Nationalsozialismus möglich machte, also aus der Zeit vor der Gründung der NSDAP, immer noch in der sogenannten deutschen Seele schlummerte. Mich hierbei bestätigende befreundete Historiker machten und machen es nicht besser. Der mindestens bis 1989 andauernde Kalte Krieg hatte für die gesellschaftliche Weiterentwicklung eine katastrophale Folge. Die Suche nach Alternativen zum Bestehenden landet immer in einem Vergleich mit der Sowjetunion und der DDR. Für mich den West – Berliner war bereits als Kind klar, dass bei der Bezeichnung “Real existierender Sozialismus”,  etwas nicht stimmen kann, wenn eine Armee den gleichen Schritt hat, wie die Wehrmacht. Ebenso verstörend war die Diskrepanz zwischen den Analysen der Denker am Beginn des Jahrhunderts und dem realen Gebaren auf der andern Seite der Mauer. Bei mir hallten immer die Worte meines Großvaters, einem alten KPD Mann wieder, der ’61 im Angesicht der “Gruppe Ulbricht” gesagt haben soll: “Wenn Thälmann wüsste, was ihr veranstaltet, würde er im Grab rotieren.”

Meine Generation hat eine böse und vergiftete Lektion bekommen. Wenn es auf der Straße nicht knallt, kein Widerstand organisiert wird, geht in Deutschland alles seinen gewohnten Gang: nämlich den des Geldes und des maximalen Profits. Die hätten deutlich mehr CASTOR Transporte über die Schienen geschickt, BASF hätte gnadenlos weiter Dünnsäure verkappt und die Gewässer kaputt gemacht, SCHERING hätte sich einen Dreck geschert, RWE hätte gerodet, bis auch noch die letzte Hecke weg gewesen wäre, usw., usw., usw. Keine Sauerei irgendeines Konzerns wäre gestoppt worden. Heute, streben wir auf etwas Neues zu und reagiert wird mit den bewährten Strategien. Aber das ist kein Ding der Boomer. Bestimmte Leute greifen nicht mehr wohl dosiert zum Gift, sondern holen gleich ganze Kanister aus dem Schrank.

Heute ist Vatertag, eigentlich ein christliches Fest, aber längst gekidnappt worden. Als Vater schaue ich, wie mit meinen Töchtern und deren Altersgenossen/innen umgegangen wird. Teilweise zu jung und auch nicht finanziell gut aufgestellt, sehen sie ihre Felle in der Zukunft wegschwimmen. Ein kluger Mann stellte letztens fest: “Wer in Deutschland politisch etwas erreichen will, muss sich mit anderen zusammentun, Geld sammeln und einen Lobbyisten kaufen. Je nach Betrag, steigen die Chancen, dass die Forderungen umgesetzt werden.” Können vor Lachen, wenn man zwischen 18 und Ende 20 ist. Tja, und dann kommen die üblichen, vom Leben verkorksten Typen um die Ecke gebogen. Die müssen erst einmal etwas leisten, sollen Respekt zeigen, sich durchkämpfen und sie dürfen sich nicht wundern, wenn das Establishment reagiert. Ernsthaft?

Weltweit nimmt nach und nach alles Fahrt auf. Die Jungen sind aktuell nicht in der Position etwas zu regeln, aber niemand kann es ihnen verübeln, wenn sie sagen: “So nicht! Ihr macht alles kaputt.” Früher gab es dieses Spiel, bei dem man ein kleines Kind am langen Arm an der Stirn auf Abstand hielt und es verzweifelt versuchte mit rudernden Armen einen Treffer zu landen. Die Lösung ist einfach. Abtauchen und gegen das Schienbein treten. Ich habe in letzter Zeit Laschet, Merz, Kramp – Karrenbauer, Scholz, Lindner und Konsorten erlebt. Gelebte Arroganz und Selbstgefälligkeit mit PR Agenturen im Rücken. Welche Botschaft wollen die vermitteln, wenn sie auf das Urteil des Verfassungsschutzes reagieren wie eine Teflon – Pfanne? Eins weiß ich für mich selbst auch: Baerbock ist alles, aber keine Lichtgestalt. Die werden sich noch wundern, wie zügig die GRÜNEN einen Schwenk in Richtung Wirtschaft machen werden. Und auch die LINKE hat nicht wirklich etwas aufzubieten. Die Folge ist eine Außerparlamentarische Bewegung, bei der noch offen ist, wer dort die Führungsgestalten werden. Es ist ihnen zu wünschen, dass sie nicht die Fehler meiner Generation machen und die aus dem Blickwinkel verlieren, welche bereits Geld gesehen haben.

Armin Laschet ist Jahrgang ’61, Merz, Jahrgang ’55, ist gerade mal so Boomer, Scholz Jahrgang ’58, ist schon im Intervall, sich rückblickend bei den Boomern zu beschweren ist verfehlt, wir bekommen es jetzt mit ihnen zu tun. Und selbst wenn die GRÜNEN die Wahl gewinnen, sind 3/4 des Bundestags voll mit Boomern und wir, die anderen, haben im Lauf der Jahre ein wenig geschlafen. Ich denke, es war keine gute Idee, alles einer Meute Opportunisten  zu überlassen, die mehr oder weniger nie was anderes getan haben, als sich um ihre politische Karriere zu kümmern. Da werden einige auf ihre alten Tage noch einmal gefragt sein.

Anzufügen ist, dass das Geplänkel um Neubauer wirklich an Albernheit kaum noch zu übertreffen ist. Sie hat über Maaßen gesagt, was zu sagen ist. Er selbst hat sich nicht Antisemitisch positioniert. Was er getan hat, ist sich auf Plattformen zu sonnen, die eben dies tun. Und das hat er nicht als irgendjemand getan, sondern als ehemaliger Vorsitzender einer Behörde, die sich genau um diese Plattformen kümmern soll. Alles und jeden jenseits der Werteunion als extreme Linke zu verorten, spricht nicht wirklich für seinen eigenen Standort. Der Mann ist nicht einmal rechts, sondern vermutlich nur in Sachen Macht ein wenig unterzuckert, immerhin stand er mal an der Spitze einer Behörde, da tut es weh, wenn man plötzlich nur noch über den eigenen Haushalt und vielleicht örtlichen Kegelverein gebieten kann.

Die Macht der Gier

Lesedauer 17 Minuten

Das Großhirn erzählt sich eine Geschichte

Befolge keine falschen Gesetze; sei nicht unachtsam; glaube keine falschen Lehrmeinungen. Folge nicht dem Weg der Welt.

Buddha, Pali Kanon

Auf dem Planeten Erde existiert Leben. Bei der für das menschliche Gehirn unvorstellbaren Anzahl von möglichen, der Erde ähnlichen Planeten, ist die Wahrscheinlichkeit für die Existenz weiteren Lebens, wie wir es kennen, ebenso hoch, wie die Möglichkeit der Einzigartigkeit. Aber für die Betrachtung der Erde ist dies unerheblich.  Lebewesen des Planeten Erde benötigen Sauerstoff und Wasser. Hinzu kommt etwas, was wir als Element bezeichnen, innerhalb dessen  ein Lebewesen lebt. Säugetiere, die nicht fliegen können oder im Meer leben, benötigen Grund unter sich. Die meisten Vögel können nicht ohne den Luftraum auskommen und Fische nicht ohne Wasser. All dies sind existenzielle Voraussetzungen für etwas, was vor 3,5 Milliarden Jahren seinen Anfang hatte.

In all diesen Zeiten konkurrierten die Spezies um diese Lebensgrundlagen. Aus dieser Konkurrenz entstand ein fragiles Gleichgewicht, welches nach und nach die Entwicklung vom Einzeller zum komplexen Organismus ermöglichte. Es ist ein bekanntes Gedankenspiel, sich diese Zeit als eine Uhr vorzustellen und die Existenz des Homo sapiens einzuordnen. Mit einem analogen Zeiger ist es nicht machbar. Richtig schwierig wird es, wenn man sich ausschließlich auf den modernen Menschen oder sich nur auf die letzten 300 Jahre bezieht.

Damit steht fest, dass weder Religionen, Ideologien, Theorien, Thesen, Gesetze, noch Gesellschaftssysteme etwas mit der Evolution, dem Lebenssystem Erde zu tun haben. Es sind Konstrukte des Großhirns. Wirklich relevant sind die Regeln, welche zur Entwicklung der Spezies führten. Womit sie höherrangig sind. Dies wird immer wieder verdrängt, wenn Menschen über Systeme, Regeln oder Gesetze sprechen. In Zeiträumen, die wir nicht überblicken können, setzt sich am Ende immer die im System Erde innewohnende Logik durch.

Die Idee, dass Mitglieder einer Spezies Grund und Boden, Ressourcen, Wasser, Luft und anderes, was das Lebenssystem anbietet, als persönlichen Besitz betrachtet und darüber hinaus gegen eine Erfindung, die vom Großhirn als Geld definiert wurde, veräußern darf, ist recht jung und wird eines Tages rückblickend einen minimalen Zeitraum in der Geschichte der Erde darstellen. Dessen sollte man sich bewusst sein. Konjunktiv! Faktisch ist dies nicht der Fall. Ich stolpere immer wieder über den Begriff “Menschenrechte”. Er suggeriert, dass die Spezies Homo sapiens eine besondere Stellung innerhalb des Systems hat. Objektiv ist dies innerhalb des Systems nicht vorgesehen.

Alles worüber Menschen diskutieren und debattieren hat allein innerhalb der Welt, die das Großhirn konstruiert, eine Berechtigung. Nichts, kein Gesellschaftssystem, keine vom Menschen erdachten Gesetze, Moral, Religion, hat den Charakter eines Naturgesetzes. Alles, was bisher erdacht wurde, kann verändert oder beibehalten werden. Dabei muss für jedes Mitglied der Spezies eine Maxime gelten: Inwieweit ist mein Verhalten und Leben konform mit übergeordneten Prinzipien.

Durchblick? Wissen?

Ich möchte eins vorwegschicken. Ich gehöre nicht zu den Wissenden, erhebe keinen Anspruch darauf und genau genommen schreibe ich in diesem BLOG, eben weil ich vieles nicht verstehen kann oder oftmals mich verweigere. Meine Lieblingsgeschichte zu diesem Thema ist vom Dorftrottel, der sich von einem “Heiligen Mann” beraten ließ.

Die Geschichte vom Dorftrottel

Vor langer Zeit – im letzten Jahrhundert oder so – lebte in einem kleinen russischen Dorf ein Mann, der als Kind manches etwas langsamer gelernt hatte als andere Kinder. Deshalb kam man im Dorf zu dem Schluss, er sei etwas dumm. Und das sagte man ihm auch bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit. Der Mann bemühte sich sehr, alles genau so zu machen und zu sagen wie seine Mitdörfler, aber je mehr er sich bemühte, desto mehr nahmen sie seine Bemühungen als Beweis, dass er eben dumm, kurz: ein Trottel, sei. Sie lachten ihn aus und hänselten ihn. Der Mann konnte das nicht verstehen: Er machte doch alles genau so wie die Anderen und trotzdem wurde er immer nur wie ein Trottel behandelt.

Eines Tages kam ein Heiliger auf Wanderschaft in das Dorf. Er unterhielt sich mit den Dorfbewohnern über Sorgen und Nöte, Gott und die Welt. Die Dorfbewohner waren sich einig, dass dies ein wirklich weiser Mann war. Da fasste sich unser Dorftrottel ein Herz und er sprach den Fremden im Vertrauen an. Er schilderte ihm sein Problem, was seinen Mitdörfler von ihm dachten und wie sie ihn behandelten.

Der Heilige hörte sich die Geschichte an, sah den “Dorftrottel” intensiv an und sprach: “Das ist leicht zu ändern. Du musst nur Folgendes tun: Jedesmal, wenn ein Dorfbewohner mit dir spricht und dabei eine Aussage macht oder von einer Erfahrung berichtet, dann antworte: ‘Das glaube ich nicht, beweise es mir!’ oder ‘Wie kannst du dir dessen sicher sein?'”

Der Heilige fuhr nach kurzer Pause fort: “Der Witz an der Sache ist: Diese Fragen sind nicht zu beantworten. Es gibt nichts zu beweisen. Wenn jemand zu dir sagt: ‘Heute ist aber ein schöner Frühlingsmorgen’, und du sagst: ‘Beweise mir, dass der Morgen schön ist! Woher willst du wissen, dass das wahr ist?’, dann wird dieser Mensch verstummen und sich beschämt fühlen, denn er kann es nicht beweisen. Und wenn jemand sagt: ‘Die Rosen duften wunderbar!’, dann sagst du einfach wieder: “Beweise es mir, dass die Rosen wirklich wunderbar duften.’ Die Leute werden sich dir automatisch unterlegen fühlen.”

Der Heilige überzeugte sich noch, dass unser “Dorftrottel” die Sache richtig verstanden hatte, dann sagte er: “Ich reise morgen weiter. Nächstes Jahr will ich wieder hier im Dorf sein, dann berichte mir, wie sich die Sache angelassen hat.”

Ein Jahr später war der Heilige wieder im Dorf. Der ehemalige Dorftrottel war jetzt der Einberufende des Dorfrates und wurde wegen seines großen Wissens und seiner Weisheit von vielen Dorfbewohnern um Rat gefragt – kurz: er genoss ein großes Ansehen. Zu dem Heiligen aber sprach er: “Es ist komisch: Letztes Jahr war ich noch der Dorftrottel, jetzt gelte ich als weise. Ich habe alles befolgt, was du mir geraten hast. Und dabei bin ich doch noch derselbe Mensch! Das alles nur, weil ich die Menschen immer wieder auffordere, mir zu beweisen, dass die Dinge wirklich so sind, wie sie sie erleben. Ich hätte nicht gedacht, dass es so einfach ist.”

Da sah ihn der Heilige lange an und sprach dann endlich:
“Was glaubst du, wie ich ein Heiliger geworden bin?”

Quelle: unbekannt

Ich habe mir angewöhnt, mich nicht von meinen Wunschvorstellungen, wie Menschen sein sollten, leiten zu lassen. Meiner Erfahrung nach bestehen die Hauptziele eines Menschen darin, von den ihn umgebenden Leuten anerkannt zu werden, einen Status und eine Identität zu begründen, seine Bedürfnisse zu befriedigen, zu denen das Vorgenannte auch gehört, sowie seine Streicheleinheiten zu bekommen. Damit dies alles funktioniert, gibt er sich gern Illusionen hin und verbiegt das Tatsächliche gern zu etwas angenehmen. Es gibt keinen Altruismus,  bei allem, was ein Mensch unternimmt, spielt der eigene Vorteil und sei es nur das gute Befinden, eine Rolle. Wie dieses sich gut fühlen beim Einzelnen aussieht, ist sehr individuell. Grundsätzlich habe ich nichts dagegen einzuwenden, mir gefällt es nur nicht, wenn andere deshalb leiden müssen, weil sich diverse Zeitgenossen in die eigene Tasche lügen.

Europäer, allen voran die Deutschen, sind nach meinem Empfinden Meister darin, sich als die Heilsbringer zu verkaufen. Dabei leben wir objektiv auf Kosten und dem Leid vieler anderer. Aber dies zuzugeben wäre schmerzlich und erforderte Ehrlichkeit. Ich wäre dafür, dass jeder vor eine Entscheidung gestellt wird. Was willst Du? Weiterleben, wie bisher, mit all dem Wohlstand, der immer weiter in die Dekadenz führt und sich auf Kosten der restlichen Welt abspielt? Dann nimm zur Kenntnis, dass dieses nicht ohne jede Menge Sauereien abgeht und halte gefälligst den Mund, wenn  staatliche Institutionen eben jenes in Deinem Namen veranstalten. Oder willst Du, dass sich die gesamte Menschheit der vorhandenen Ressourcen bedienen kann und wir alle etwas davon haben? Beides Fragen, die niemals gestellt werden. Ich glaube, besonders jüngere haben das Ausmaß von allem noch nicht realisiert. Sie wollen beides. Sie spüren, da passiert einiges, was ganz und gar nicht in Ordnung ist. Wenn sich ein Politiker, wie Horst Seehofer vor die Kameras stellt und glücklich verkündigt, dass die zu seinem Geburtstag passende Zahl Afghanen abgeschoben wurde, zeigt sich, wo wir stehen. Menschen werden etwas Abstraktes, lästige Themen, Zahlen, politisches Mittel. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Da sind wir schon lange nicht mehr.

Die Distanz zum Menschlichen

Wenn dem einzelnen Menschen eine Chance gegeben wird, ist er eigentlich ein recht verträgliches Lebewesen. Viele fühlen sich gut, wenn es anderen gut geht. Wir können uns in die Lage anderer Wesen hineinversetzen, ihnen helfen und mit ihnen zusammenleben. Es steht und fällt  mit der Motivation und den Umständen. Sicher gibt es Ausnahmen, aber ich glaube so viele sind dies gar nicht. Trotzdem wird sinnlos gemordet, andere Lebewesen gequält, das Elend von Mitgliedern der eigenen Spezies ignoriert oder sie werden ausgebeutet. Die Natur wird missachtet, zerstört, vermüllt.

Solchen Sachen gehen Distanzierung, Abstraktion, Versachlichung, Verlust der Verantwortlichkeit für das eigene Handeln, Trugbilder und Manipulationen voraus. Nicht ohne Grund wurden sogenannte Distanzwaffen entwickelt. Ein Mann zu erwürgen oder mit einem gezackten Bajonett im Graben aufzuspießen, ist etwas anderes, als in Rammstein einen Joystick zu bedienen und in mehreren tausenden Kilometer Entfernung eine Familie zu killen. Für den unmittelbaren Kampf brauche ich mehr Aufwand bei der Manipulation. Oder für Karl – Heinz und Elfriede ist das Mittelmeer ein schöner Platz, aber die meiste Zeit des Jahres ein ferner Ort. Und in der Regel sehen sie den Strand mit dem seichten Küstenbereich. Sie könnten objektiv auch an einem großen See mit Salzwasser liegen, der Unterschied würde ihnen nicht auffallen. Sie sind keine Seeleute, womit zum Begriff Meer und was da stattfindet, eine Distanz entsteht. Sie haben keinerlei Vorstellung davon, was es bedeutet mit Verdurstenden, Verängstigten, Verhungernden, Frauen, Kindern, Männern, in einem Schlauchboot auf dem offenen Meer zu treiben. Würden sie selbst in einem Schlauchboot sitzen, wegen meiner nach einem Schiffbruch, sähe alles ganz anders aus. Selbst wenn ihnen Bilder, ohne Ton, Geruch, Schreie, präsentiert werden, schützen sie sich, in dem sie behaupten, dass alles eine Fälschung ist. All dies sind Verstöße gegen das übergeordnete Prinzip. Dies gilt insbesondere, wenn wiederum andere aus der Distanz eine Regel aussprechen, der nach Menschen, die sich nicht in der Distanz befinden, keine Hilfe leisten dürfen. Jene haben dann gar keine andere Option mehr, als gegen die in fremden Großhirnen entstandenen Regeln zu verstoßen. In einem nächsten Schritt verfallen die Regelaufsteller auf den Plan, die notwendige Distanz wieder herzustellen und untersagen den Helfenden, sie mittels Auslaufen der Boote zu überwinden.

Das Verb distanzieren ist interessant. Ich kann mich nur distanzieren, wenn ich zuvor an einem Ort war und mich davon entferne. Der entstandene Zwischenraum ist dann die Distanz. Im Grundsatz sind bei der Geburt alle Menschen seelisch und in ihrer Eingebundenheit in die Ordnung alle am gleichen Punkt. Großhirn, Intelligenz, Empathie, körperliche Fähigkeiten und Ausstattung, alles ist noch vorhanden, dies gibt die Ordnung, mit Ausnahmen vor. Eine Ausnahme bilden Menschen mit speziellen Abweichungen, bei denen man nie wissen kann, ob sie eventuell die nächste Stufe der Evolution ankündigen. Dies zu beurteilen, liegt fern der Fähigkeiten des Großhirns. Ein besseres Wort wäre oftmals die Abgrenzung. Es besagt, dass ich selbst eine Haltung habe, eine Art inneres Terrain, auf dem meine Regeln gelten.

Egal um welchen Verstoß gegen das Übergeordnete es geht, die meisten Menschen reagieren völlig anders, wenn sie unmittelbar konfrontiert werden. Die Distanz muss nicht zwingend räumlich bestehen. Auch eine seelische innere Distanz, erzeugt den gleichen, von manchen gewünschten, Effekt. Sie ist die effektivste. Irgendwie muss erreicht werden, dass eine Entfernung zwischen dem entsteht, als das der Mensch geboren wurde, und was er sein soll, damit er innerhalb des menschlich erdachten Systems funktioniert. Hierfür kann ich Menschen von einem Individuum zum Teil einer abstrakten Gruppe werden lassen, der ich dann wiederum übergreifende zusammenfassende Eigenschaften zuordne. Oder ich kann Leute davon überzeugen, dass sie eine wichtige Funktion innehaben und ihre Aufgaben nur dann bewältigen können, wenn sie sich selbst distanzieren. Sozialisation, an sich ein neutraler Begriff, wird oftmals positiv besetzt. Ich bin da vorsichtig. Mafiosi, Gefängnisinsassen, Dealer, Investmentbanker, Waffenhändler, Terroristen, werden passend zu der Struktur sozialisiert, in der sie leben. Sozialisation ist die Anpassung an eine Struktur, durchgeführt von Individuen, die sich bereits innerhalb befinden und sie angenommen haben. Wer von einer erfolgreichen Sozialisierung spricht, muss sich auch anschauen, an welche soziale Struktur die Anpassung stattgefunden hat.

Diese seelische Distanz spielt noch in einem anderen Zusammenhang eine Rolle. Ich meine die Traumatisierung, in der die dem Menschen gegebenen inneren Strukturen an ihre Grenzen geraten. Die Folgen sind Dissoziationen (Abspaltung/Trennung von ehemals zusammengehörenden Gefühl, Emotionen, Ratio, Körperempfinden, Impulsdurchbrüche) sowie Distanzverluste. Gesunde Menschen, verfügen über einen natürlichen Schutzbereich zu anderen. Der lässt sich gut testen, in dem man Leuten sagt, sie sollen aufeinander zugehen und sie sollen “Halt!” sagen, wenn sie ein inneres Gefühl des Unwohlseins verspüren. Traumatisierte sagen entweder gar nicht oder sehr spät etwas. Ihr Schutzraum ist auf ein Minimum reduziert und innerlich verkapselt. Dies hat ihnen ein oder mehrere Ereignisse beigebracht, in den der Schutzbereich brutal verletzt wurde und die letzte Zuflucht das Innere war. Ein Inneres, welches mit dem Panzer der Ratio geschützt wird und die Emotionen tief drinnen in Sicherheit bringt. Im schlimmsten Fall kommt es zur Reaktion des Kleinkinds, welches sich zu Boden wirft und eine embryonale Hockstellung einnimmt. Raus aus der Welt, geschützt von der Außenhaut, zurückgezogen ins Innere.

Auch hier zeigt sich mir, wie wichtig dem Menschen der Abstand zu Dingen, Handlungen, Geschehnissen ist, die mit der ursprünglichen Programmierung nicht ausgehalten werden können. Übrig bleiben diejenigen welche beruflich dazu aufgefordert sind, sich dem im Auslieferungszustand unerträglichen zu stellen und sich anpassen müssen. Ein Kollege sagte mal, bei der Polizei bekommst Du in den ersten drei Jahren eine grundlegende Traumatisierung, die Dich befähigt den Dienst zu machen. Ein Stück weit kann ich dies bestätigen. Wie vermutlich die meisten hielt ich mich und meine Reaktionen für das Normalste der Welt, während mir andere oft etwas seltsam vorkamen. Es ist ein komisches Gefühl, wenn man in einer Psychosomatischen Klinik nach und nach begreift, was denn die gesunden Verhaltensweisen sind. Bedrückend wird es, wenn eine Psychologin einen selbst für ein Beispiel einer multitraumatisierten Persönlichkeit vorstellt. Nun, insofern glaube ich, ein wenig mitreden zu können.

Virtuelles Leben

Ein indischer Meister sagte : Wenn ein Kind mit einem teuren Schmuckstück spielt und man es bittet, es herzugeben oder eine Puppe hinhält, wird es nicht über den Gegenwert in Geld nachdenken.

Ich unterscheide zwischen echten anfassbaren realen Leben und  einem künstlichen, virtuellen, distanzierten, fernab dessen, was der Mensch per Geburt ist. In den letzten drei Jahren gab es in meinem Leben einige Ereignisse, die vielleicht nicht alles auf den Kopf stellten, aber deutlich meine Sicht veränderten. Viel früher gab es mal den Spruch eines Bekannten, der meinte: “Du bist doch kein Spießer!” Ich antwortete: “Da bin ich mir nicht sicher. Über 80 Quadratmeter Wohnfläche, Garten, zwei Terrassen, alles auf einem Kirchengelände, Beamter, verheiratet, zwei Kinder, ein Opel Kombi und ein VW Bus auf eigenem Parkplatz. Wie genau definierst Du Spießer?”

Dieses Leben ist längst Vergangenheit. Zwischenzeitlich saß ich im Norden Laos in einer Hilfseinrichtung für Kinder der Hmong, eins von vielen gebeutelten Völkern im sogenannten Goldenen Dreieck, habe die Slums von Ulan Bataar gesehen, schaute mir China Town in Bangkok an und freundete mich mit dem Leben der “Beachboys”, den malaiischen Rebellen meiner Generation und jünger auf den Inseln an. Und ich kam mit diversen buddhistischen Mönchen, Äbten, ins Gespräch.

Es gibt überall auf der Welt so etwas, wie ein alltägliches Leben. Fast nirgendwo ist dieses derart eng mit staatlichen Institutionen, Vorgaben und Regeln verbunden, wie in Deutschland. Die Deutschen leben mit der Erwartung, dass die Institutionen für sie alles richten sollen. Ich kenne auch andere europäische Staaten. Zum Beispiel nimmt der Einfluss der Politik in Griechenland, Italien, Frankreich, immer mehr ab, desto mehr man sich von Athen, Rom oder Paris entfernt. In Südostasien ist sie in den entlegenen Regionen kaum noch spürbar und wenn, dann meistens repressiv. Etwa wie der Elternteil, der sich immer heraushält, dazu gezwungen wird einzuschreiten, und dann besonders autoritär auftritt. Ich hab bisher auch noch nicht verstanden, wie einige dieses Korruptionsranking aufstellen. Woher bekommen die ihre Zahlen? Von denen, die Geld dafür genommen haben, die passenden Werte zu liefern?

Und dann gibt es die Leute, welche sich dazu berufen fühlen, Politik zu machen und ich glaube, nach dem Aufwachen ist der erste Gedanke Kaffee und der zweite dreht sich in irgendeiner Form um Geld. In einer deutschen Talkshow saß letztens eine studierte Wirtschaftsjournalistin, die ein typisches Statement abgab. Sie fände es problematisch Reiche zu besteuern oder zu kritisieren, weil dann bei jungen Menschen die Motivation sinken würde, selbst Unternehmer zu werden. Da war es wieder: Geld!

Mit Geld bekommt man kein Schiff aus einer Brandung, keiner kann damit alleine eine schützende Hütte auf einer Insel bauen, Fische fangen, Feuerholz schlagen, notdürftig die Schnittwunden eines Kindes behandeln, essbares von ungenießbaren unterscheiden, trösten, beschwichtigen oder andere menschliche Züge zeigen. Geld war einmal eine geniale Erfindung. Wer will schon 10 km mit ein paar Schweinen ins nächste Dorf ziehen, um sie gegen die notwendigen Lebensmittel und Werkzeuge für die kommenden Tage einzutauschen? Unter diesem Gesichtspunkt ist Geld eine echte Erleichterung. Leistungen ohne Produkt, also Beratungen, Wissensweitergabe, geistige Bereicherungen, wurden einst in Naturalien bezahlt. Bei den Mönchen im Goldenen Dreieck läuft das immer noch in dieser Art ab. Und wenn die Mönche Hilfe im Kloster brauchen, kommt das Dorf zusammen und arbeitet das Notwendige ab. Solche Abläufe sind echtes Leben.

Handwerk ist echtes Leben. Es wird gemeinsam gearbeitet und am Ende schaut man auf Gegenständliches. Dabei herrscht auch mal rauer Ton, gegenseitige Beschimpfungen passieren und wer sich herausnimmt, bekommt eine Ansage, doch letztlich haben alle ein Ziel vor Augen oder müssen gemeinsam den Misserfolg tragen. Es läuft alles auf eine Gewichtung hinaus. Was ist wirklich von Bedeutung und worüber kann hinweggesehen werden? Wie auch immer, erst die Distanzierung vom echten Leben, die Virtualität, das Abstrakte, machen  möglich, was ums uns herum passiert.

Nur noch sehr wenige Menschen haben zu dem, was wir alltäglich verspeisen, einen realen Kontakt. Die Mehrheit kennt Fleisch in der Verpackung. Selbst die Darbietung, wie sie in vielen Ländern noch üblich ist, bei der die Pfoten an Keulen gelassen werden oder die Köpfe in den Auslagen liegen, verstören deutsche Kunden. Daran, ein Tier selbst zu töten, ist gar nicht zu denken. Die Sprache spiegelt es deutlich. Wir sprechen von Fleischerzeugern, die hochwertige Produkte herstellen und sie dem Verbraucher präsentieren. Die Erzeugung von Fleisch ist nach meinem Verständnis die Geburt eines Lebewesens, die Herstellung eines hochwertigen Produkts, ist das Heranwachsen eines Tieres und der klinisch sauberen Präsentation geht das blutige Handwerk des Schlachtens voraus.

Bauern sind mittlerweile überwiegend hoch spezialisierte Agrar – Ökonomen, die sich neben dem eigentlichen Gebiet auch mit Wirtschaft, EU Recht und dem neuesten Stand der Technik und Gen – Forschung auskennen müssen. Das Wort Lebensmittel ist ein Hohn, die können sich nur gut verdienende Leute leisten, alle anderen bekommen Designer – Nahrung, eine Art AGAR für Menschen.

Es wäre verfehlt, in diesem Zusammenhang von der Menschheit zu sprechen. Diese Abstraktion findet im Wesentlichen in den westlichen Industriestaaten statt und wirkt auf alle anderen ein, ob die nun wollen oder nicht. Wobei auch westliche Industriestaaten längst überholt ist. China, Japan, Korea, sind ebenfalls betroffen.

Schlagworte sagen nichts aus

Links, rechts, Faschismus, Sozialismus, Öko – Sozialismus, Öko – Diktatur, Anti – Faschistisch, rassistisch, Kommunismus, Faschismus … die Liste der Bezeichnungen, mit denen komplexe innere Gedankenkonzepte bezeichnet werden, ist lang und ständig werden es mehr. Worum geht es denn?

Menschen treffen auf Menschen und müssen in irgendeiner Form ihr Zusammenleben regeln. Aus umherziehenden Familiensippen wurden Horden, einige begannen zu siedeln, andere zogen weiter umher. Es entstanden Völker, die um Gebiete konkurrierten. Es bildeten sich Staaten, Imperien, mal mehr und mal weniger erfolgreich. Bis zur Zeit x gab das übergeordnete System vor, wo die Grenzen all dieses Treiben liegen. Da der taktische Schutz eines Gebirges, dort fruchtbarer Boden, Flüsse, Seen, Meere, Vulkane, all dies nahm Einfluss. Kain erschlug Abel, weil der sich als Hirte nicht an die Grenzen des siedelnden Kain hielt. Ganze Völker der Antike gingen unter, weil sie es mit der Ausbeutung der Umgebung übertrieben. Archäologen gehen davon aus, dass der einzige Grund für das Ansiedeln am Fuße eines Vulkans das dort reichlich vorhandene Gold war.

Lange vor den Sozialisten und Kommunisten machten sich Frauen und Männer ihre Gedanken darüber, wie man es hinbekommt, dass dieses ständige gegenseitige Töten und Überfallen mal ein Ende hat. Für mich ist der Knaller dabei, dass sie ausnahmslos zu einem identischen Ergebnis kamen, welches sie in Nuancen voneinander abweichend formulierten. Im Grunde genommen waren Lao Tze, Konfuzius, Buddha, Moses, Jesus, Johannes der Täufer, Mohammed, jeder Weise der Hindus, allesamt etwas, was man heute als Anti – Kapitalist, Sozialist, Kommunist o.ä. bezeichnen würde. Babylon, Sodom und Gomorrha, die Lehrreden der alten asiatischen Weisen für die Kaiser, Fürsten, die aufgestellten Regeln, der Wandel des brutalen Kriegsherren Ashoka zum Verbreiter des Buddhismus, der Kampf gegen den Pharao, seit etwa 5000 Jahren dokumentiert und vermutlich schon davor, dreht sich alles immer um eins: Die Gier des Menschen und wie man damit am ehesten umgehen kann. Äußerst spannend finde ich dabei auch die Entwicklung der alten Debatten. Im Alten Testament ging es noch richtig zur Sache. Selbst das Halten von Sklaven und das Töten anderer, wenn sie dem falschen Glauben anhingen, zur damaligen Zeit de facto einer anderen Volksgruppe angehörten, war O.K.  Mit Jesus kam die Erkenntnis ins Spiel, dass das kontraproduktiv ist. 

In Asien gab es einen Philosophen, der es zum Dreh und Angelpunkt seines kompletten Gedankengebäudes werden ließ: Gautama Siddhartha, genannt der Erleuchtete, der historische Buddha. Wobei sich seine Lehren, nicht im großen Maße von Lao Tze und Konfuzius unterscheiden. Gier, ist eine problematische Übersetzung des Gemeinten. Bei Gier haben Europäer einen schlingenden Hund vor Augen.

Es geht um die Unzufriedenheit, die daraus entsteht, wenn man stets mehr haben will, als benötigt wird. Ein Armer, der zu Geld kommt, wird nicht zu einem besseren Reichen. Oftmals wird von Verzicht gesprochen. Dies ist der Fall, wenn ich bewusst auf die Befriedigung meiner Grundbedürfnisse verzichte, aber nicht, wenn ich von dem loslasse, was ich alles nicht brauche. Ich verzichte nicht auf ein Auto, ich benötige es schlicht nicht. Wenn dies der Fall ist, besorge ich mir eins für den Zweck. Würde ich verzichten sagen, bedeutete dies, dass ich als Mensch einen Anspruch darauf hätte.

Im Zusammenhang mit der Gier wird auch gern von Neid gesprochen. Grundsätzlich habe ich kein Problem damit, wenn eine oder ein Anderer mehr hat, doch hängt daran meist eine Menge hinten dran. Diese Eigenart des Menschen immer mehr haben zu wollen erzeugt überall Leid, Not und Zerstörung, die alle Menschen betrifft. Damit wird die oder der Reiche zum Problem. Autos sind bei uns ein Statussymbol. Eine Daimler – Benz S – Klasse hat de facto keinen höheren Nutzen, als ein Fahrzeug aus der Mittelklasse. Gleichermaßen verhält es sich mit Fahrzeugen, die zwar einen E – Antrieb haben, aber  auf eine maximale Geschwindigkeit von 250 km/h  ausgelegt sind. Anstatt sich auf die sinnvolle Reichweite zu konzentrieren, wird auf eine unsinnige Geschwindigkeit geachtet. Der Entwickler des AUDI Quattro hat einen Motor gebaut, der mit Ethanol läuft, aber leider nur eine Geschwindigkeit von 130 km/h leistet. Außerdem haben sich alle so sehr auf die E – Fahrzeuge gestürzt, dass ihm am Markt keine Chancen gegeben werden. Erneut geht es um Geld, Profit, Gewinn, statt um die Vernunft.

In einer Fernsehsendung beschrieb eine Autorin ein Spiel, welches funktionieren würde, wenn die Spielregeln eingehalten werden. Sie erläuterte, dass sie unterschiedliche Entlohnungen und Statussymbole durchaus favorisiert, wenn jeder die Chance bekommt mit Arbeit und Strebsamkeit daran Teil zu haben. Aktuell würde es aber auf ein Monopoly Spiel hinauslaufen, in denen manche jedes Mal 1000 EUR kassieren, wenn sie über Los ziehen, während der andere Mitspieler nur 100 EUR bekäme und auch noch nur einen Würfel bekäme. Viele könnten sich abrackern wie sie wollen, würden aber niemals ein Vermögen aufbauen können.

Ich finde, sie hat dies nicht zu Ende gedacht. Arbeiten, nicht um zu leben, sondern zum Aufbau eines Vermögens. Eins der Bauteile des Gier – Systems. Oh Graus, was würde passieren, wenn diese Anreize nicht mehr existierten? Chaos, die Wirtschaft bricht zusammen, kein Konsum, kein Kauf völlig unsinniger Produkte, einfach alles, was uns einen Sinn stiftet, wäre weg. Wir könnten Status, Freiheit, Identität, Liebreiz, Attraktivität, Eros, nicht mehr Produkten ersetzen. Naturwissenschaftler müssten wieder der Neugierde folgen und nicht dem Geld. Wahrlich eine Horrorvision der Zukunft.

Naive utopische Gedanken?

Selbstverständlich weiss ich, dass ein Systemhack des im Menschen vorhandenen Gier – Programms, bei aller tatsächlich bestehenden Notwendigkeit, eine pure Utopie ist. Aber ich will es nicht naiv nennen. Naiv ist für mich die Annahme, dass sich ohne jemals etwas verändert. Utopien erfahren ihre Berechtigung darin, dass sie zeigen, was möglich ist oder passieren kann. Schlecht ist es, wenn sie wie “1984” oder “Eine schöne Neue Welt” zur Blaupause der Politik werden.

Die wenigsten Deutschen oder Einwohner aus einem der reicheren Industrieländern haben eine Vorstellung davon, wie eiskalt, abgebrüht und ausschließlich den Regeln der Taktik folgend ein Teil der Gesellschaft unterwegs ist. Früher war dies ein wenig anders. Die Leute waren härter, rationaler und realistischer. Meinem Gefühl nach, besteht mittlerweile eine klare Grenzlinie zwischen einer Mehrheit mit Wunschvorstellungen, wie Menschen sein sollten und einer Minderheit, die sich die Realitätsferne zunutze machen.

So wie ich es erfahren habe, sind weder die Charaktere noch die Verhaltensweisen von einem Dealer, der einige hundert Gramm Kokain verkaufen will, einem Falschgeldhändler, der eine Million Blüten an den Mann bringen will, einem Politiker dem Geld versprochen wurde oder windige Freischärler der ehemaligen DDR, von gravierenden Unterschieden geprägt. Wenn sie Geld gesehen oder gar angefasst haben, gibt es kein Halten mehr.

Damit steht und fällt meiner Meinung heutzutage die Politik, Wirtschaft und alles was sich um die für die zukünftig notwendigen Richtungsentscheidungen rankt. Alle Ideen, Theorien, Abhandlungen, die von Neoliberalen Vordenkern aufgestellt wurden, haben einen Haken. Keiner von Ihnen lebte jemals in einem kriminellen oder von Nachrichtendiensten geprägten Milieu. Außerdem stammen sie ausnahmslos aus reichen Industriestaaten. Ein Umstand, der mit Sicherheit das Denken prägte.

Sie gingen und ihre Jünger gehen  heute noch von Prämissen aus, die zwar als nahezu absolut vorgegeben gelten, dennoch Konstrukte des Gehirns sind und somit von Menschen ihrer Zeit als Vorgaben hingenommen werden. Hayek, einer der Godfather des Neoliberalismus wollte künftige Kriege verhindern. Aber er ging nicht so weit, dass er die Grundideen der Menschen anzweifelte. Zu seiner Person muss ergänzt werden, dass er sicherlich niemals die globale Begrenztheit der Ressourcen und die daraus resultierenden Verhaltensweisen der Menschen im Hinterkopf hatte.

Warum soll Grund und Boden nicht Allgemeingut wie bisher Wasser und Luft sein? Bisher – diese Einschränkung deshalb, weil die ersten auch nach dem Wasser ihre Finger ausstrecken. Dies tun sie immer, wenn etwas knapp wird, menschliches von selbsternannten Sittenwächtern (Alkohol, Prostitution) oder wegen angeblicher Moral (Waffenembargo) verboten wird. Unter dem Strich geht es auch bei Waffen, die Herstellung und wer sie bekommen darf, ausschließlich um Geld. Ich gehe davon aus, dass in Zukunft auch für verträgliche Luft und der Aufenthalt in zum Leben geeigneten Regionen bezahlt werden muss. Wer nicht zahlt, wird von denen, die welche haben dürfen, mit Waffen abgewehrt. Im gewissen Sinne ist dies bereits der Fall. Der neoliberale deutsche Politiker Christian Lindner sagte in einem Interview, dass es kein Menschenrecht wäre, sich seinen Aufenthaltsort frei auszusuchen. Fakt ist, für Reiche gilt dieses sehr wohl. Geld öffnet jede Grenze und wie ich es mir besorge, ist von meinen Möglichkeiten, meinen Skrupeln und meiner Kreativität abhängig.

Wie ganz am Anfang gesagt, ist alles von Menschen erdacht. Kein anderes Lebewesen auf diesem Planeten konstruiert sich ein eigenes Lebenssystem, teilt Grund und Boden zu, sieht sich in der Position ins übergeordnete System einzugreifen, oder erfindet den Kauf – oder Verkauf von Dingen, die zum Leben unabdingbar notwendig sind. Ebenso ist keins in der Lage, zum echten Leben eine Distanz herzustellen. In der Theorie könnten wir genauso gut vollkommen anders herangehen.

Also bleibt eine Frage offen: Warum tun wir es nicht? Meine persönliche Antwort: Gier und Anhaften an dem, was die Gier erzeugt hat. Ein primitives Überbleibsel aus der Zeit, in der Menschen in Höhlen lebten und vom Horten das Überleben abhängig war. Doch wer weiß, vielleicht wird dieses Verhalten, wenn Utopisten, Apokalyptiker, die Szenarien wie Mad Max, Flucht aus L.A. ( The Snake), Das Buch Eli, oder Klassiker wie H.G. Wells “die Zeitmaschine” ersannen, richtig liegen, wieder wichtig. Auf jeden Fall ist die Mehrheit in den reichen Staaten auf dem absteigenden Weg. Die beschäftigen sich mit sich selbst und realisieren nicht, was auf dem restlichen Erdball passiert.

Ein paar Freunde und ich schauen bisweilen mit bitteren Gedanken auf dieses Trauerspiel. Vergleiche wurden schon viele angestellt. Es wird über Sozialismus, Kapitalismus, Verbote, Freiheit, Beschränkungen und was weiß ich noch alles diskutiert. Die Krönung von allem war die Empörung einiger, als Aktivisten vollkommen korrekt formulierten: Die Natur verhandelt nicht! Der Umstand, dass dies den Horizont einiger Entscheidungsträger sprengte, zeigte das volle Ausmaß der Misere. Sie glauben tatsächlich an das Gebilde, welches im Großhirn entstanden ist, nämlich an ihren selbst zugeteilten “Gott” – Status. Diese Haltung entspricht einem Politiker, der sich auf einer Hallig einer Sturmflut entgegenstellt und mit ihr diskutieren will oder einem Vulkan versuchen einen Termin für den nächsten Ausbruch abzuringen.

Die Lage ist eindeutig: Entweder ein halbwegs dem Leben der tausenden vorhergehenden Generationen ähnliches, oder ein menschlich konstruiertes auf Technik basierendes Leben, mit dem erheblichen Risiko in einer üblen Dystopie zu landen.

Bereits jetzt 2021 ist die erste Option recht unwahrscheinlich geworden. Denn es geht nicht nur um das Klima, sondern auch um die Veränderungen, die die Verschmutzung und die anderen Eingriffe mit sich bringen. Wenig Hoffnung macht auch das Feilschen um Zahlen und Werte. Die sind bei vernünftiger Betrachtung erst einmal zweitrangig. Sie bekommen erst Priorität, wenn es mal wieder um Profite und Gier geht. Würde ernsthaft jemand sagen: “Ups, das ist jetzt aber doof, wir sind 10 Jahre zu früh klimaneutral.” Oder: “So ein Mist, jetzt haben doch glatt 1000 Arten mehr überlebt, als wir kalkuliert haben.” Also in meiner Gedankenwelt ist das ziemlich hirnrissig.

 

Ich begann mit einem Zitat aus dem Pali Kanon und will damit auch enden:

Wer das zentrale Lebensgesetz übertritt, wer unwahr redet oder sich über künftige Leben lustig macht, ist zu jeglichem Bösen fähig.

1. Mai Nachlese

Wenn Oma schimpft Lesedauer 6 Minuten

In einem Chat mit alten Freunden, deutete ein Freund an, dass er das Hingehen zur Mai – Demo als Krawalltourismus interpretieren würde. Ich widersprach ihm. Tourismus hat etwas von unbeteiligt sein, so als wenn man sich Fremdes ansieht. Die Symbolik des Tages ist nichts, was nichts mit mir zu tun hätte. Letztens schrieb ich bei Twitter, wie ich die Entwicklung beim Klima sehe. Eine letzte Chance wäre ein radikales Verändern der Wirtschaft, Energieeinsparung bzw. Reduzierung des Verbrauchs, statt ständig mehr zu verbrauchen und mit erneuerbaren Energien einen stetig steigenden Hunger zu decken; nur noch Produkte am Markt zuzulassen, bei denen geklärt ist, dass genug Energie vorhanden ist und die Entsorgung geregelt ist. Außerdem bei Produkten vollkommen andere Maßstäbe angelegt werden müssen. Der Profit darf und kann nicht mehr das Kriterium sein. Auf die Menschen an sich muss eingewirkt werden. Immer mehr zu horten, noch mehr haben zu wollen, muss verändert werden. Und ein erster Schritt wäre dabei die Veränderung des Entlohnungsprinzips und die Hierarchien in der Arbeitswelt. Wer so etwas fordert, landet in der Ecke linksradikal. Dies ist ein Abwehrmechanismus des vor ca. 200 Jahren installierten Systems, welches seitens der Neoliberalen bis zur Perfektion ausgebaut wurde.

Also beschloss ich, mich von meinem Vorhaben nicht abbringen zu lassen. Letztlich geht es um Masse zeigen und auf Bildern zu repräsentieren: Da sind nicht nur Autonome unterwegs, sondern auch Mitmenschen der älteren Jahrgänge, die durchaus mal nachgedacht haben. Mein erster Weg führte mich zum Mariannenplatz. Dort hatte die “PARTEI” ihren Auftritt. Die Verkörperung des zynischen, sarkastischen, Intellektuellen, welches sich gegen den ganzen politischen Irrsinn, welcher sich vollkommen verselbstständigt, hat, mit anderen Mitteln nicht mehr zu wehren weiß. Mit Vernunft, Verstand und Ideen, kommt niemand mehr gegen die Gier, die Wollust am Verwalten, Kategorisieren und narzisstischen Machtgehabe an. Die “PARTEI” ist für ihre Sprüche bekannt und so blieb am Ende für mich zur Erinnerung ein Aufkleber: “Hetz nicht so, wir sind nicht in Sachsen.”

Danach lief ich mit einem Freund zusammen durch Kreuzberg. Wir beide haben in den letzten Jahrzehnten aus unterschiedlichsten Perspektiven Demonstrationen erlebt. Zum frühen Abend baute sich eine seltsame Stimmung auf. Überall bildeten sich Gruppen von Frauen und Männern, die zu unserem Jahrgang gehörten. Sie wirkten unschlüssig. Noch ein letztes Mal mit einem Aufbäumen, sich gegen den allgemeinen Trend stellen?

Neben der Neuen Rechten hat sich das bequeme Bürgertum geschickt des politischen Mainstreams bemächtigt. Zur Taktik gehört das stetige Wiederholen der Behauptung, dass es in Deutschland oder gar Europa eine Linkstendenz gäbe. Alles Progressive, zur Veränderung Bereite, Innovative, wird dabei als links abgestempelt. Selbst die GRÜNEN, aus der bürgerlichen Mitte in den elterlichen  Partykellern der ausgehenden Siebziger, bei Pink Floyd, Frank Zappa, Genesis, Krautrock und Haschisch, im Rahmen eines Ablösungsprozesses entstanden, werden zu Linken. Mülltrennen, sich auf eine “korrekte” Sprache konzentrieren, bis zum Verschließen der Haustür für alles und jeden, Verständnis zu zeigen, ist für manche bereits Zeichen genug, dass es sich um einen Revolutionären Geist handelt.

Die Grauhaarigen, die sich da sammelten, waren ein anderes Kaliber. Sie erinnerten mich an einen 1. Mai vor einigen Jahren, als die Punkband “SLIME” auf der Coretex unweit vom SO36 auftrat. Stundenlang verfolgten wenige junge PUNKS, die bei der Menge der Softies um sie herum nahezu untergingen, die Bands auf der Bühne. Flankiert wurden sie von überwiegend mit schwarzen Ska – Klamotten gekleideten grauhaarigen Männern, denen es nicht am notwendigen Kleingeld fürs Bier mangelte. Als kurz vor dem SLIME – Auftritt eine Durchsage kam, in der mitgeteilt wurde, dass in der Nähe AfD – Vertreter gesichtet wurden, rollten sie mit den Schultern, zogen die Augenbrauen zusammen und begann zu lauern. Gut, dass sich letztlich keiner blicken ließ. Die hätten kein Verständnis gezeigt, von Gewaltfreiheit gesäuselt oder eine verbale Auseinandersetzung gesucht. Als dann SLIME auftrat, kam Bewegung in die “Alten”. Spätestens als das Riff von “Deutschland muss sterben, damit wir leben können.” anklang, bildeten sie mit ca. 200 Leuten eine Front vor der Bühne und reckten die Fäuste. Ich denke, mit dem Song “Unsere Lieder” hat SLIME den Nerv dieses Teils meiner Generation gut getroffen.

Am Hermannplatz änderte sich das Bild.  Etwas unübersichtlich verteilten sich Tausende auf dem Platz und den großen Zufahrtsstraßen. Die CLUB – Szene harrte der Dinge, die Fahrraddemo strömte nach und nach hinzu, die “Alten” warteten weiterhin, die Polizei hatte die strategischen Punkte auf den Mittelinseln besetzt und jede Menge “Partyvolk”, die Generation “Ich bin doof – was soll’s, ich hab Spaß!” waren zum ersten großen Event des Jahres gekommen. “Erster Mai? Keine Ahnung, was das ist, so ähnlich wie CSD oder Love Parade? Oder?” Und wie es zu erwarten war, stellten sie nach und nach die Mehrheit. Mitten drin immer wieder neugieriges Clan – Establishment und ihr Fußvolk, die angehenden “Jung – Gangster”. Da lange der Verkehr nicht herausgenommen wurde, kam es für den Beobachter zu einem nachdenklich werdenden Kontrast. Dumpfe primitive Gangster mit den üblichen glänzenden Bärten in Protzkarren, die sich über die zukünftigen Doofen in den Shisha – Bars amüsieren.

Es sollte lange dauern, bis Bewegung aufkam. Ein verschwindend geringer Teil der üblichen “Schwarzjacken” tauchte in die Seitenstraßen ab, um rechtzeitig an die für sie günstigen Stellen zu gelangen. Hysterisch schreiende Aufklärerinnen auf Fahrrädern, versuchten zügig an den gemütlich laufenden Partyvolk vorbeizukommen. Wenn es viele waren, dann hatten sich knappe 150 autonome Kids vorgenommen, ein wenig Stress zu veranstalten. Sie sollten nicht weit kommen. An der Flughafenstraße war für sie alles vorbei. Und ich? Ich stand im Niemandsland zwischen zwei Kreuzungen mit dem Rücken an der Wand. Links eine Einheit aus Sachsen – Anhalt, die auf dem Funk mühsam den Standortmitteilungen folgten, rechts die Bambule auf der Kreuzung Flughafenstraße und in der Seitenstraße hinter mir die wartenden Gefangenentransporter. Im Abstand von fünf Minuten führten die Berliner Festnahmeeinheiten Festgenommene an mir vorbei. Wie üblich gefolgt von einem Schwarm Anhänger. Da stehst Du da als 55 – jähriger und siehst in einer 18 – jährigen, die nackte Verzweiflung ausbrechen. Aufgeregt schreiben sie sich die Namen der Festgenommenen auf die Unterarme, melden brav, wie man es ihnen gesagt hat, alles weiter. Links von Dir steht ein Typ aus Sachsen – Anhalt, vielleicht Mitte 20, der auch nur macht, was man ihm gesagt hat. In der Seitenstraße kollabiert vor lauter Aufregung eine junge Festgenommene und die Sanis, kreischend und überschlagend herbeigerufen, lassen sie in die Tüte atmen. Ich dachte mir: “Was hat man Euch gesagt? Chile? Russland? Ukraine? In Deutschland verschwindet niemand nach einer Festnahme. In 25 Jahren wird die junge Dame, die Geschichte ganz anders erzählen. Als sie, die Heldin, eiskalt den Bullen die Stirn bot.”

Demo – Folklore oder im Hintergrund ein Krieg, in den wir Kinder schicken, der von den Alten geführt werden sollte? Wie beschrieben: Ich war da nicht alleine unterwegs. Mein Freund, schaute genauso skeptisch auf das Treiben. Und dann war doch noch jemand. Eine meiner Töchter. Kein Kind mehr und durchaus besonnen, interessiert an dem, wie sich die Welt verändert. Für mich die Generation dazwischen. Kurz nach dem Mauerfall gefühlt in West – Berlin geboren, für die Eskapaden der 90ger, dem damals Schwung aufnehmenden Rechtsruck, zu jung, begleitet von einem, dem man mit Fug und Recht als Linken bezeichnen kann und einem Vater, den Ex – Bullen, der niemals aufhörte links zu sein, aber heute erkennt, wie falsch es war, die Augen zu verschließen. Zwei alte Schlachtrösser der Berliner Straßenkämpfe und sie, die mit der Zukunft.

Wenn ich gestern noch voller Überlegungen war, hat sich dies heute mit Lesen der Nachrichten gewandelt. Ab der Mainzer Straße war ich immer mitten dabei. Ohne Uniform, Beobachter, Aufklärer, Zivi, Verdeckter, Szenekundiger und was sonst noch alles dabei war. Lese ich heute die Nachrichten, sind es Beschreibungen eines eskalierten 1. Mai, der das Format der ausgehenden 80er hatte. Die CDU benutzt die paar Hundert für ihre Propaganda gegen Rot/Rot/Grün, die wahrlich gar nichts mit dem Tag gestern zu tun hatten. Die sich da mit Statements melden, sind diejenigen, welche mal irgendwo mit Leuten ihres Alters in Berlin gegenüber stehen sollten. Dann machen wir miteinander aus, was sie mit der Zukunft der Kinder machen und warum sie reden, wie sie reden. Und manche kennen sich noch aus der Schulzeit. Könnte spannend werden nach all den Jahren die ganzen Lebenslügen auseinander zu nehmen.

Ich halte nichts davon, der durch Dekadenz retardierten und hedonistischen Party Jugend einen Vorwurf zu machen. Wir haben die Voraussetzungen geschaffen und sie darin aufwachsen lassen. Der Ball liegt auf unserer Spielseite. Die Unverbesserlichen, die sich weiter in ihrer Bequemlichkeit suhlen wollen, den deutschen Way – of – Life des Bürgertums als Enklave in einer sich immer mehr von Selbstzerstörung geprägten westlichen Industrielandschaft aufrecht halten wollen, kommt diese Generation entgegen. Lachend halten sie sich die Bäuche. Änderung? Wir haben Euch längst mit Iphone, PC – Spielen, Billig – Musik, der Gier nach Status, Belanglosigkeit, Oberflächlichkeit und Partys angefixt. Wir müssen nur warten, dann zieht Ihr den Anzug an und zieht in den Elfenbeinturm ein.

Dennoch war es richtig hinzugehen. Allein schon, um diesen Beitrag mit Wissen und nicht aus zweiter Hand zu schreiben. Rio’s Lied, der Traum ist aus, eine Vision, hat seine Berechtigung. Der Traum derjenigen, welche in den 80ern an die Möglichkeit einer Kursänderung glaubten, ist ausgeträumt. Es wird alles kommen, wie es der eingeleitete Prozess vorgibt. Letztlich ist auch das konservativ. Der Wunsch nach dem Bestand einer alten Lebensqualität, mit Freiheit, geistiger Weiterentwicklung und einem kleinen Schritt in die gemeinsame Entwicklung aller Menschen, der sie vom Kurs der Selbstzerstörung abbringt. Nun … zusehen und eigenes Leben favorisieren, scheint die richtige Devise zu sein.