Das ewige Thema Impfen

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Vorweg oute ich mich. Zum Beginn der 90er Jahre drohte ich zum Impfskeptiker zu werden. Damals als junger Vater stand ich unter dem Einfluss von Homöopathen und wollte für meine Kinder, wie alle anderen jungen unerfahrenen Eltern nichts Falsches machen. Erst wollte ich es nur jemanden recht machen, später keimte kurz, aber immerhin, in mir die Saat. Seither weiß ich, wie schnell das gehen kann. Und es war noch alles ohne Digitalisierung und Internet. Obwohl ich feststelle, dass mir der Stuss, welcher auf den Telegram – Kanälen verbreitet wird, wahrscheinlich frühzeitig die Augen geöffnet hätte. Ich betone, dass ich zu dieser Zeit bereits ein Abitur besaß, mit Esoterik überhaupt nichts am Hut hatte und selbst komplett durchgeimpft war.
Von Impfschäden wusste ich bereits vor der Geburt der Kinder. In der Grundschule erwischte es einen Mitschüler, der nach der Polio – Impfung auf den Stand eines Dreijährigen zurückfiel und dort sein Leben lang bleiben wird. Aber genauso hatte ich in den 70ern die Auswirkungen der Kinderlähmung gesehen. Ich denke niemanden aus meiner Generation der in den 60ern Geborenen sind die Kinder mit den Gestellen und Lähmungen entgangen.

Die Homöopathie und alles, was damit zusammenhängt, Impfkritik, Bachblüten, Steiner, die Anthroposophie, das Milieu der Esoteriker/innen begegneten mir dann mit Ende Zwanzig. Die meisten Menschen, die ich in diesem Zusammenhang kennenlernte, wirkten auf mich im Grunde genommen tief verunsichert und ängstlich. Eine Angst, die sich nicht auf etwas Konkretes bezieht, sondern sehr diffus ist. Oftmals stecken hinter allem Mängel bei der Bewertung von Lebensrisiken. Rückblickend stelle ich nebenbei fest, dass die ganze Szenerie von vielen Frauen geprägt wurde, die merkwürdigerweise männlichen Führungspersonen folgten. Die Gurus der Szene, waren durch die Bank Männer, welche mit allem ziemlich gutes Geld verdienten.
Aber das am Rand bemerkt. Ich war von Anfang an nicht sonderlich ängstlich und hörte mir das ganze Gerede der Ärzte und einigen selbsternannten Fachleuten für Kinder, über gefährliche Bakterien und diesen ganzen Zeugs skeptisch aber unbesorgt an. Mein Tipp an junge Eltern: lest keine Bücher oder Artikel über den korrekten Umgang mit Kleinkindern. Solltet ihr eine Einweisung benötigen, schnappt Euch in einer Hochhaussiedlung am Rande der Stadt eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern. Sie wird Euch alles Notwendige sagen. Diese kleinen halslosen Monster sind von Natur aus gegen Schmutz und Bakterien widerstandsfähiger, als man denken mag. Spätestens, wenn sie auf dem Kinderspielplatz mit einer Hundewurst vor einem stehen und das berühmte: “”meckt nich … bah!” sagen, ist es Zeit das Hygienekonzept aus den Büchern zu überdenken.
Dies gilt nicht bei ernstzunehmenden von Viren verursachten Krankheiten wie z.B. die Masern, Polio, Röteln. Ja, sie können unauffällig verlaufen, aber das Restrisiko ist mir ursprünglich zu hoch gewesen. Ich wusste noch nicht viel über Psychologie. Heute weiß ich, dass Menschen ein aktives Handeln riskanter erscheint, denn ein passives Unterlassen. Ist aber eine klare Fehleinschätzung, die der Verteidigungsstrategie eines Igels bei einem herannahenden Auto entspricht.

Ich könnte mir heute noch selbst eine verpassen, weil ich entgegengesetzt zu meinen Instinkten handelte. Meine Kinder hatten Glück, dennoch hätte die Nummer anders ausgehen können. Mit einer Erkrankung trotz Impfung hätte ich leben können. Wenn man nach besten Gewissen handelt und sich am Wissen der Zeit orientiert, hat man wenig andere Optionen. Nach dem eigenen Ermessen, also dem eines Laien oder einiger Küchengelehrter zu entscheiden, führt in die persönliche Hölle.

Ein Leben ohne Gefahren und der damit einhergehenden Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten, die Hinnahme von Restrisiken und auch ein Vertrauen ins Leben, ist nicht möglich. Die menschliche Psyche, das Großhirn, hat unterschiedliche Taktiken beim Umgang damit entwickelt. Manche haben eine göttliche Instanz, die die Geschicke lenkt und vor allem Schutz bietet ins Leben eingebaut. Andere vertrauen in die medizinische Entwicklung und unterteilen zwischen unbedeutenden Krankheiten, ernsthaften, aber mit der modernen Medizin behandelbaren und wirklich ernsthaften Problemen, bei denen es um alles oder nichts geht. Wieder andere senken den Kopf, preschen durchs Leben und finden sich mit der Endlichkeit ab. Ich denke, man darf Männern, auch ohne sofort zum Chauvinisten abgestempelt zu werden, eine höhere Risikobereitschaft unterstellen. Vielleicht liegt da der Grund für die hohe Zahl der Vertreterinnen in der Homöopathie. Wie auch immer, unter dem Strich geht es immer darum, wie die/der Einzelne mit diesen zentralen Themen Leben, den Zerfall, die Endlichkeit und begleitende Krankheiten umgeht.

Krankheiten gehören zum Leben und dem natürlichen Lebenssystem Erde.

Solange der Mensch existiert, hat er versucht Möglichkeiten der Linderung, Behandlung und Heilung zu finden. Je mehr die Menschen in Siedlungen zusammenrückten, desto mehr stiegen die Wahrscheinlichkeit für die Ausbreitungen von Seuchen. Die Medizin erlebte ihre Höhen, gefolgt von Tiefen, bis sich Wissenschaftler bei der Forschung auf Standards einigten und es steil nach oben ging. Homöopathie und Esoterik wird häufig mit Heilpraktik zusammengeworfen. Historisch gesehen waren die ersten Heilpraktikerinnen die Hebammen. Über die Geburtsvorgänge hinaus kannten sie sich mit dem Körper aus und verfügten über ein untereinander verbreitetes Wissen bezüglich der Wirksamkeit von Heilkräutern. Die Ärzte waren eher eine Gefahr, denn hilfreich. Zu Zeiten des Begründers der Homöopathie, Samuel Hahnemann, stiegen die Überlebenschancen, wenn man keinen Arzt konsultierte. Darin bestand das ganze Geheimnis. Der Mann verzichtete auf die üblichen tödlichen Experimente seiner Zunftgenossen und verabreichte harmlose wirkungslose Wässerchen. Deshalb starben bei ihm weniger Leute und deren Körper bekamen die Chance sich ohne Aderlass, Arsen und Schnippeleien an den falschen Stellen zu erholen. Mit seinen Wässerchen hatte dies nichts zu tun.

Nach den finsteren Zeiten befreite die Medizin den Menschen von vielen Krankheiten und verlängert die Lebenserwartung, zumindest in den Regionen mit Wohlstand stetig. Das hat viele neue Fragen aufgeworfen. Organspenden, Intensivmedizin, Genetische Eingriffe, Lebenserhalt mit Maschinen und Sterbehilfe. Mittlerweile geht es so weit, dass ich mich aktiv gegen eine Transplantation entscheiden muss, anstatt eine Zustimmung auszufüllen. Ein ähnliches Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass u.U. nicht mehr die Natur über meinen Tod entscheidet, sondern diejenigen, welche den Stecker an den Geräten ziehen.

Bei alledem geht es begleitend um Freiheit, Verantwortung, Spiritualität und bekanntlich leider auch immer wieder um Geld. In vielen Regionen der Erde entscheidet immer noch die Natur und die Notwendigkeit das Leben des Körpers mittels Abschalten von Lebenserhaltungsmaschinen zu beenden entfällt. Schlicht, weil es keine Krankenhäuser mit passender Ausstattung gibt. Segen oder Fluch? Aber es geht für mich bei den deutlich niederen Schwellen los. Warum übergeben Gesellschaften manchen Zeitgenossen das Recht über die Einnahme von Drogen entscheiden zu dürfen oder gar manche für die Einnahme bestrafen zu können? Freiheit? Weil sich eine oder einer damit schädigt? Da gäbe es diverse andere Dinge, die nicht verboten sind, ganz im Gegenteil, eher erwünscht sind. Niemand verbietet gesundheitsschädigende Berufe oder Mixturen, die zwar die Bezeichnung Nahrungsmittel bekommen, davon aber weit entfernt sind. Niemand verbietet übermäßigen Sport oder die Völlerei. Wen interessieren ernsthaft die Unmengen an Antibiotika, welche resistente Keime zur Folge haben?

Das Prinzip Impfen überschreitet die Sphäre des Individuums

Impfen ist erst einmal eine Maßnahme, die unter bestimmten Voraussetzungen übertragbare Infektionskrankheiten bekämpfen kann. Eine Aussage, bei der bereits einige mir bekannte Skeptiker und Gegner nicht mehr mitgehen. Doch das stelle ich einen Augenblick zurück. Infektionskrankheit impliziert zunächst, dass sie sich nicht mehr nur in meinem Privaten abspielt. Meine Entscheidungen wirken über meine Person weit hinaus. Mich würde mal interessieren, wie viele damit leben müssen, dass ihre Kinder nach einer dieser Masernparties schwere Folgen davon trugen. Nicht impfen zu lassen, weil man hofft, am Thema vorbeizukommen ist eins, aber das Kind bewusst einer Infektion auszusetzen ist schlicht Körperverletzung.

Gut, grundsätzlich haben Entscheidungen immer weitergehende Folgen, aber meistens nicht so deutlich sichtbar. Damit befinde ich mich in einer Verantwortung gegenüber einer unbestimmten Anzahl von Personen. Die Industrialisierung hat mit sich gebracht, dass sich die Leute trotz Infektionskrankheiten zur Arbeit schleppten. Was sollten sie machen? Ohne Arbeit wäre die Alternative Verhungern gewesen. In Deutschland folgten nach dem Zweiten Weltkrieg die Durchhalteparolen, die dummerweise mindestens eine Generation weiter vererbt wurden. Deutsche sind stolz darauf, wenn sie sich heroisch zur Arbeit schleppen und damit die halbe Belegschaft anstecken. In den Schwellenländern herrschen noch die alten Verhältnisse. Als die indische Regierung in der Pandemie Gebiete abriegelte, kam es zu tausenden Tragödien, weil die Wanderarbeiter nicht mehr zu ihren Familien zurückkehren konnten. Deren Abwägungen kann ich nachvollziehen. Am Virus zu sterben ist nicht sicher. Ihr Leben, ist im Angesicht von immer mal wieder ausbrechenden Pest – Epidemien, Lepra, AIDS, Cholera ohnehin gefährlich. Hingegen ist der Hungertod eine reale unmittelbare Gefahr. Aber was haben Deutsche mit dieser Lebensrealität zu tun?

Im Zusammenhang mit einer weltweiten Anstrengung gelang es eine große Geißel der Menschheit, die Pocken, auszurotten. Pest, Cholera, Blattern, Lepra, Typhus, gibt es immer noch, aber nicht mehr im alten Ausmaß. Impfen ist teilweise eine taktische Entscheidung. Ich weiß, dass die Wirksamkeit von der Anzahl der Geimpften Personen abhängt. Je mehr Leute sich dafür entscheiden und tatsächlich geimpft sind, desto höher wird die Sicherheit gar nicht oder leicht zu erkranken. Alle werden nie geimpft werden können, da dies bei einer gewissen Anzahl an Personen medizinisch nicht möglich ist und weltweit betrachtet, nicht alle erreicht werden können. De facto verhält sich eine Person, bei der eine sehr minimale Wahrscheinlichkeit eines Impfschadens besteht und einen Zugang zu Impfstoff hat, dem Rest der Weltbevölkerung, bei dem dies anders aussieht asozial. Ich weiß, dies ist ein böses Wort. Doch genau genommen ist es lediglich das dialektische Gegenteil von sozial, also auf die Gemeinschaft abgestimmtes Verhalten.

Wer mit Homöopathen und Esoterikern zu tun hat, wird schnell merken, dass viele von ihnen mit solchen Betrachtungen ein Problem haben. Sie wollen sich keinesfalls bewusst asozial verhalten. Grundsätzlich gilt, dass es Teil der menschlichen Freiheit ist, meine eigenen Belange und des nahen Umfelds für wichtiger zu erachten, als die der Gemeinschaft, des Staats oder des Volks. Ein körperlicher Eingriff berührt selbstverständlich die persönlichen Belange. Besonders, wenn sie Eltern sind, stellen sie sich zu recht die Frage, welche Auswirkungen ihr Verhalten auf Kinder hat, die noch keine Entscheidungen treffen können. Was richtet ein Medikament im Körper eines Kindes an? Im Idealfall wird es gesund, aber man hat auch schon Fällen gehört, in denen es schiefging. Wie soll man dann damit leben? Eine äußerst wichtige Frage! Von Gott hat es so entschieden, Schicksal, Fatalismus bis hin zur lebenslangen Selbstkasteiung oder Hass auf alles, was mit Medizin zu tun hat, ist da eine Menge möglich. Das ist nur lösbar, wenn ich eine Risikobewertung vornehme. Wie gut und beruhigend, wenn mir dies scheinbar abgenommen wird. Im Glauben der Homöopathen und anderer Esoteriker sind die jeweils favorisierten Methoden geeignet, vor der Krankheit zu schützen oder wenigstens einen schwachen Ablauf zu ermöglichen. Alles ohne Nebenwirkungen und dem Risiko eines Impfschadens. Das dicke Ende kommt später. Nämlich, wenn die Krankheit dennoch ausbricht und einen schweren Verlauf nimmt. Doch soweit denken die wenigsten. Im Übrigen kann man sich dann immer noch darauf zurückziehen, dass das mit Impfung auch passiert wäre. Wer soll den Gegenbeweis antreten? Manche praktizierende Homöopathen/innen finden noch einen ganz anderen Weg. Sie behandeln die Impfung begleitend. Damit suggerieren sie, dass die möglichen Schäden dank der Homöopathie verhindert werden. Immerhin hatten die Jünger der Homöopathie 200 Jahre Zeit eine nahezu alles abwehrende Rhetorik aufzubauen.

Im Gegensatz zu anderen Regionen auf der Erde gibt es bei uns die Möglichkeit darüber nachzudenken, Veröffentlichungen zu lesen, den Luxus sich anderen Behandlungsmethoden zuzuwenden, sich zwischen diversen Ärzten zu entscheiden, mit Geld alternative Wege zu gehen. In den Schwellenländern gibt es all dieser Überlegungen, Abwägungen nicht, jedenfalls nicht, solange nicht die Organisation “Homöopathen ohne Grenzen” auftaucht. Ein Truppe, die den Beweis antritt, dass das Ganze nicht so ungefährlich ist, wie immer behauptet wird. Sie tauchen auch in Gebieten auf, in denen entweder Seuchen bereits grassieren oder möglicherweise auszubrechen drohen, um dann dort mit ihren Globulis um sich zu werfen.

Fluch oder Segen?

Es ist ein Dilemma! Die Befürworter und die Mehrheit der Wissenschaftler behaupten, dass die Impfung das Beste ist, was getan werden kann, gleichzeitig existiert ein riesiger Markt mit Literatur, Medien, Internetseiten, die anderes behaupten. Mich beschleicht der Verdacht, heutzutage muss sich überall eine Gegenbewegung bilden. Leute die behaupten, dass die Erde eine Scheibe wäre, einen Klimawandel gibt es nicht und wenn doch, dann hat der nichts mit dem Menschen zu tun. Dabei scheint denen nicht aufzufallen, dass sie jeden Tag für die Verbreitung ihrer kruden Theorien auf die Wissenschaft zurückgreifen. Elektrizität, Halbleitertechnik, komplizierte technische Komponenten, Atom – Strom, Funkwellenausbreitung usw. sind immerhin die Grundlagen, ohne die es ein Internet, Smartphones, nicht gäbe. Doch ich habe im Leben leidvoll gelernt, dass diese Menschen mit logischen Überlegungen nicht belastet werden wollen. Im Zweifel erfolgt der Gesprächsabbruch mit: “Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die sich der Mensch nicht erklären kann.”
Vollständig heißt es bei Shakespeare: “Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, Horatio, von denen sich eure Schulweisheit nichts träumen lässt.” *Hamlet. Ich gehe davon aus, dass 400 Jahre später durchaus eine ganze Menge erklärt werden kann.

Der Umstand, dass es sich bei den Verfassern und publizierenden Personen teilweise um Mediziner, Hochschulabsolventen, Akademiker oder vom Glauben abgefallene renommierte ehemalige Befürworter handelt, macht es nicht einfacher. Ergänzt wird alles von propagandistischer Desinformation und den üblichen Skrupellosen, die an allem Geld verdienen. Im Milieu kursieren Geschichten, in denen von Jenner, einem der ersten Forscher auf dem Gebiet, behauptet wird, dass er zum Ende seines Lebens alles anzweifelte. Andere beziehen sich auf Lungenärzte, die Angehörige verloren und deshalb zu Kritikern wurden. (Ich will mit Namensnennungen keinen Vorschub leisten.) Wie gesagt: Wer viel Zeit hat, kann sich jahrelang mit Literatur auseinandersetzen, selbst die Statistiken analysieren und sich damit ein Medizinstudium angedeihen lassen. Zu allem kommen praktizierende Ärzte/Ärztinnen hinzu, in Deutschland traditionell mit einem “göttlichen Status” ausgestattet, die durch ihren Beruf ganz eigenen psychologischen Belastungen ausgesetzt sind und ebenfalls an der Diskussion teilnehmen. Damals hatte ich davon einige im Bekanntenkreis. Für mich kann ich feststellen, dass sie mir unfreiwillig in meiner eigenen Entwicklung halfen. Menschen bleiben Menschen mit einem Großhirn, welches die eingehenden Informationen der Sinne verarbeitet und dabei Erfahrungen, unbewusste Einflüsse, Lebensumstände, erworbene Denkstrukturen/Denkmuster, in jedem menschlichen Gehirn vorhandene Denkfehler, einbezieht. Sich mit der Physiologie eines Menschen auszukennen ist nicht alles. Einen großen Teil macht die Psychologie, weniger die der anderen Menschen, sondern die eigene aus. Noch, also ohne eine Impfpflicht, wie sie einst bei den Pocken bestand, besteht die freie Wahl. Aber auf Basis welcher tragfähigen Informationen.

Woran soll oder ich mich orientieren? Wem oder was kann ich vertrauen?

Man gebe mir fünf Bücher über Quantenphysik mit unterschiedlichen Ansätzen in Grenzfragen! Ich werde sie lesen und nach jedem Buch sagen: Jedes ist in sich schlüssig. Quantenphysik ist ziemlich hoch gegriffen. Drei eher populäre Abhandlungen über Philosophie genügen völlig. Innerhalb des komplexen modernen Lebens komme ich nicht daran vorbei, Vertrauen zu entwickeln.

Grundsätzlich lebe ich nach dem Motto: Ich kann bei Menschen darauf vertrauen, dass sie alles tun, wozu sie fähig sind, was ihnen einen Vorteil verschafft und zugelassen wird. Vorteil klingt negativ, ist von mir aber nicht so gemeint. Der Vorteil kann darin bestehen, dass sich mein Gegenüber besser fühlt.

Meiner Erfahrung nach der Hauptgrund für menschliches Verhalten. Leider ist es häufig schwierig herauszufinden, womit sich eine/r besser fühlt. Geht es um Anerkennung? Befriedigung der Bedürfnisse, die allen sozial lebenden Wesen eigen sind? Geld? Status? Macht? Identität? Befriedigung des Narzissmus? Kompensation? Warum wird eine/r Mediziner? Forscher? Was hat er/sie davon ein Buch zu schreiben? Warum der Gang in die Öffentlichkeit? Welche Intention steckt dahinter, wenn eine/r sich vehement gegen den herrschenden wissenschaftlichen Grundkonsens stellt? Auf höherer Ebene über Grenzfragen und neue Forschungsgebiete zu diskutieren ist davon ausgenommen, weil dies zur Vorgehensweise in der Wissenschaft gehört.

Ich bin Wissenschaftlern wie Harald Lesch oder Mark Benecke dankbar. Nur wenn jemand etwas wirklich verstanden hat, ist es ihr/ihm möglich dies für weniger sich im Thema befindliche Personen zu erläutern. Er und ein paar andere machen deutlich, was mittlerweile bestehendes Grundwissen ist und wo in der Wissenschaft noch Uneinigkeit besteht, innerhalb derer sich die Forscher nach guter alter Tradition empor irren. Spätestens wenn von jemanden gesichertes Wissen infrage gestellt wird, sollten Zuhörer skeptisch werden. Ein weiterer Grund nachdenklich zu werden sind schlüssige Ausführungen, die mir aufzeigen, was für ein merkwürdiges Zeug einige von sich geben.

Das Auch ich hatte damals die Wahl. Das Erste, was mich hellhörig werden ließ, war die Inkonsequenz. Mir wurde aus dem Kreis der Impfgegner und Homöopathen gesagt, dass es Krankheiten gäbe, bei denen ein Impfung eventuell angesagt wäre und bei anderen wiederum nicht. Die setzten also auf die Seltenheit bzw. schweren Verlauf der Krankheit, welche damit das Verhältnis nachteilig zum Risiko eines Impfschadens veränderte. Impfgegner sind große Zahlenjongleure. Bei Polio zeigen nur so und so viel Prozent Symptome, noch geringer fällt die Zahl der temporären und der dauerhaften Schäden aus, usw., usw. Immer ausgespart wird die Weitergabe der Krankheit und die Verhinderung lokaler Epidemien. Bei Tetanus verlieren sie fast alle die Nerven. Spätestens im Krankenhaus auf der I. Hilfe – Station stimmen sie klammheimlich der Spritze zu. Womit aber klar ist, dass es nicht um das Prinzip des Impfens geht.

Impfplicht als Weg?

Das Vertrauen in Institutionen aller Art ist bei großen Teilen der Bevölkerung nicht mehr vorhanden. Vieles wurde von denen selbst zerstört und was noch übrig blieb, übernahmen die Aasgeier, welche aus unterschiedlichen Motiven heraus ihrerseits ein Angebot unterbreiten wollen. Menschenfänger! Religionen, Sekten, Gurus, Zweifelhafte Gruppen. Kann eine Pflicht das Problem lösen? Auf jeden Fall ist sie eine Kapitulationserklärung. Es war augenscheinlich nicht möglich, alle mit Argumenten und Vertrauen zu überzeugen. Einmal hat sie funktioniert: bei den Pocken! Doch das war eine Zeit, in der nicht lange gefragt wurde. Es gab auch kaum Widerspruch. In den Wohlstandsgesellschaften haben sich die Zustände deutlich verändert. Allein das Verhältnis zur Gemeinschaft, die Bereitschaft für diese zu Handeln versus einer Teilnahmslosigkeit, ist anders geartet. Und was soll eine Pflicht bringen, wenn in diversen Nachbarländern und interkontinental andere Konzepte gefahren werden?

Die Pandemie ist wieder einmal eins dieser Ereignisse, die zeigen, wie es bei uns wirklich aussieht. Autoritäre Staaten fackeln nicht lange und ziehen ihre Bekämpfungsmaßnahmen durch. Wir, gesegnet mit Freiheit und Demokratie, müssen durch einen Überzeugungsprozess. Doch wovon müssen die Leute eigentlich überzeugt werden? Wie viele Leute sich dem Milieu zuordnen, die die Existenz eines Virus anzweifeln, die Pandemie in einen Zyklus aus verschiedenen Mythen einordnen, dürfte schwer einschätzbar sein. Aber sie stellen keine ernsthaft relevante gesellschaftliche Gruppe. Die Gegner von einer Impflicht und Verweigerer dürften deutlich mehr sein. Die gab es bereits lange vor der Pandemie und die Lobby der Homöopathie ist nicht zu verachten. Große Verlage können regelmäßig nicht der Versuchung widerstehen mit Werbung für Scharlatanerie aller Art Geld zu verdienen. Das beginnt mit der Nahrungsmittelergänzungsindustrie und setzt sich in die Homöopathie fort. Problematisch ist dabei, wem die Menschen in die Arme getrieben werden. Aber so ist es nun einmal in einer freien Gesellschaft. Wo Licht ist, ist auch Schatten.

Mich persönlich müsste man vom Zynismus wegbringen. Es ist schrecklich für all die Unschuldigen, Gebrechlichen und bereits mit Vorerkrankungen belasteten Menschen. Ebenso übel für diejenigen, die besonders heftig auf den Virus reagieren. Man kann nur hoffen, dass bei den meisten Geimpften ein glimpflicher Verlauf stattfindet. Dennoch kann ich nicht darüber hinwegsehen, dass ich in einer von Dekadenz, Wohlstand, Kapitalismus, Egozentrik, geleiteten Gesellschaft lebe. Engagierte schlaue Leute haben sich lange die Mühe gegeben, die Mehrheit aufzuklären. Pflegekräfte haben alles gegeben, was ihnen möglich war. Krankenhausleitungen haben die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und betrügerisch Geld eingefahren. Politiker der CDU konnten es wie üblich nicht lassen und füllten sich die Taschen. Womit sie dem Ansehen des Parlaments einen unüberschaubaren Schaden zufügten. In Talkshows tauchten Politiker und Selbstdarsteller auf, die beinahe bockig wie kleine Kinder gegen die Engagierten wetterten, einfach nur um Dagegen zu sein. Das sogenannte Establishment hat auf der gesamten Breite versagt. Das Gesundheitssystem hat alle Masken fallen lassen und gezeigt, worum es wirklich geht. Der Patient als Zahl in der Buchhaltung. Erst kürzlich stürzte nach einer Bein – OP der an Alzheimer erkrankte Vater eines Bekannten und brach sich, weil er ohne Beobachtung erwachte, die Schulter. Dem arbeitenden Personal ist kein Vorwurf zu machen, den Verantwortlichen für den Personalschlüssel durchaus. Ich habe mich daran gewöhnt, dass man in diesem Land alles sein darf, nur nicht alt, krank, gebrechlich und unvermögend, dann kannst Du Dir die Karten legen und solltest, solange Du noch kannst, über ein selbstbestimmtes würdiges Ende nachdenken. Die Pandemie ist noch längst nicht vorbei.

Impfen gibt keine Garantie, aber es wäre einen Versuch wert. Doch den mit Leuten angehen, die den Luxus einer Impfung ablehnen, während sie in ärmeren Ländern gerne würden, aber nicht können? Ein Versuch, der weltweit angegangen werden muss? Wie passt da die Blockade der Deutschen bei den Impfpatenten?

Was sagt Herr Spahn dazu? Es liegt nicht an den Patenten, sondern am Technologietransfer und man müsse die Rechte der Wissenschaftler schützen. Alles klar! Es geht um Geld und den Schutz der technischen Entwicklungen, mit denen die sich unabhängig machen könnten. Aber wie will man eine Pandemie unter Kontrolle bekommen, wenn man nicht alle Staaten einbezieht? Und was sagt mir das zu einem ganz anderem Thema, dem Klimawandel? Die Paladine der Deutschen Wirtschaft verrichten wieder treue nationale Dienste. Wie soll man unter diesen Voraussetzungen einen Sinn in einer Impfpflicht erkennen? Damit plädiere ich nicht gegen ein Impfen, beim besten Willen nicht. Aber vor dem Hintergrund all dieser Umstände und den Sauereien staatlicher Institutionen, haben diese die Legitimation eingebüßt, diese aufzuerlegen. Und wer eine Pandemie national angehen will, hat bei mir wahrlich jede Reputation verspielt.

Die modernen Ketzer

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So wie irgendwo eine Äußerung von Luisa Neubauer auftaucht, meldet sich ein wütender Mob zu Wort: Sie hätte noch nichts im Leben geleistet, heißt es dann. Leider erfolgt nie eine Konkretisierung was dabei unter einer Leistung verstanden wird. Darüber kann trefflich je nach Weltanschauung gestritten werden. Außerdem stellt sich die Frage, ob eine Meinung an eine wie auch immer geartete Leistung gebunden ist. Nietzsche studierte und wurde mit 24 Jahren Professor an der Universität in Basel. Einer, der sich selbst gern als die letzte konservative Bastion des deutschen Journalismus bezeichnet, Jan Fleischhauer, gern den wütenden Mob bedient, begann seine Karriere beim SPIEGEL mit 25 Jahren und erntete mit seinen Artikeln keinen Shitstorm, schlicht, weil es sowas 1989 noch nicht gab. Nach dem Lesen seiner Texte glaube ich ein wenig verstanden zu haben, was er bedienen will oder ihm gegen den Strich steht. Es scheint, dass er damit den Nerv einiger trifft.

Schwierig wird es immer dann, wenn man versucht, aus seiner politischen Haltung moralischen Mehrwert zu schlagen. Vom Übermenschen erwartet man auch übermenschliche Disziplin.

https://www.focus.de/politik/deutschland/schwarzer-kanal/die-focus-kolumne-von-jan-fleischhauer-im-minus_id_13525344.html

Er und andere wittern bei Neubauer und den jungen Menschen, die sich bei FFF engagieren, eine zur Schau getragene moralische Überlegenheit, die einer näheren Überprüfung nicht Stand hält. Das dies in Deutschland ein Thema ist, sehe ich genauso. Allein schon, weil unser Lebensstandard auf diversen Sauereien fußt, aber völlig anders verkauft wird. Im gleichen Zuge betrachte ich skeptisch die Rolle Deutschlands innerhalb der Europäischen Union.
Nur sehe ich weder bei Neubauer noch bei den Schülern diesen Anspruch im eigentlichen Sinne. Man könnte sich eventuell an Spins wie “Alter weißer Mann” oder “Boomer” stoßen. Ich finde, ab einem gewissen Lebensalter, kann man die Gelassenheit entwickeln diese Spins, als Teil eines Generationskonflikts zu sehen. Mangels der fehlenden Möglichkeit auf ein Leben zurückzuschauen, welches sich aus Fehlern, Erfolgen, up-and-down einer Biografie zusammensetzt, verleitet einen in jungen Jahren zur Annahme, dies im eigenen Leben verhindern zu können. Schwierig finde ich, wenn Ältere eine Scheinheiligkeit vor sich hintragen, die immer einem Versteckspiel vor sich selbst entspricht. Dazu gehört auch, die eigene zurückliegende jugendliche Arroganz zu leugnen.

Aber was haben die verändernden Eingriffe ins Klima, zurückliegend und heute, die Zerstörung der Lebensgrundlagen durch Emissionen aller Art mit Moral zu tun? Ist die zentralistische Betrachtung des Menschen, die zu Begriffen wie Umwelt und Umweltschutz, welche von einem Geschehen um den Menschen herum geprägt sind, statt ihn als untrennbaren Teil des Gesamten zu sehen, moralisch gerechtfertigt? Stichwort: Anthropozän – das vom Menschen gestaltete Erdzeitalter. Hat sich der Mensch nicht falsch eingeschätzt? Ist der Wunsch nach dem Überdauern eines natürlichen Weltgeschehens versus einem nur mittels technischen Schutz möglichen Überlebens des Menschen bei gleichzeitigen opfern aller anderen Lebewesen eine Frage der Moral? Im gewissen Sinne schon. Aber sollten dann nicht gerade Konservative, die sich mehrheitlich zu einer übergeordneten Gottheit und Schöpfung bekennen, sich für einen Erhalt aussprechen? Für mich ist dieser Widerspruch nur lösbar, wenn sich die Bezeichnung konservativ nicht auf Schöpfung, Erhalt und den christlichen Glauben bezieht, sondern eher auf das Streben nach Überwindung der natürlichen Abhängigkeitsverhältnisse und die Installation eines globalen Systems, welches nach den Ideen des Großhirns funktioniert. Gut, manche mögen daran glauben, dass dies funktionieren kann. Meiner persönlichen Beobachtung nach sind die von Naturwissenschaftlern festgestellten Prozessverläufe ein deutliches Zeichen für das Scheitern.

In einem anderen Vorwurf heißt es, sie käme aus einer wohlhabenden Familie und im Übrigen wäre sie selbst auch schon geflogen. Dies weist auf einen typischen menschlichen Wesenszug hin. Im Grunde weiß man wie irrational und möglicherweise schädlich das eigene Verhalten ist. Doch was wäre das für ein Leben, wenn man sich nicht einmal etwas gönnt, über die Stränge schlägt und sündigt? Mich fasziniert dies immer wieder. Die menschliche Unvernunft, die sich gegen einen selbst richtet, wird mit der Auflehnung gegen etwas Höheres legitimiert, das dann im Nachgang Gnade walten lässt. Ebenso wird das Recht auf Unvernunft angesprochen. Die Reichen und Wohlhabenden, welche sich alles leisten können und die Armen, welche sich abmühen müssen, um auch ein wenig Spaß zu haben. Macht es für die Lebewesen im Erdboden einen Unterschied, ob ein Reicher oder ein Armer illegal einen Kanister Mineralöl ausleert? Nun mag man sagen, dass das Fliegen eher unter Vergnügen läuft, denn einer illegalen Chemikalienentsorgung. Aus der Perspektive aller anderen Lebewesen ist es eine Schädigung. Ist der Wahrheitsgehalt der Aussage vom Status oder dem eigenen Verhalten abhängig? Worum es doch geht, ist das Wissen darüber. Ich weiß von der Schädlichkeit und tue es trotzdem. Darf ich Schaden zufügen, wenn ich weiß, dass mein Handeln einen verursacht? Juristisch nennt sich das Vorsatz! Wenn jemand ein Fahrzeug in zweiter Spur abstellt und die Warnblinkanlage einschaltet, ist offensichtlich das Wissen um die Gefährlichkeit des Handelns vorhanden. Deshalb kostet diese Vorgehensweise mehr, als das ungesicherte Abstellen. Jeder von uns weiß nach dem aktuellen Wissensstand, dass der Flug anteilig eine Schädigung darstellt. Damit muss ich irgendwie umgehen. Wer sich dies nicht eingestehen will, muss eine Rechtfertigung finden. “Mein Flug fällt bei der Anzahl der Vielflieger nicht weiter ins Gewicht.” “Warum sollte ich verzichten, wenn alle anderen ebenfalls und sogar noch mehr schädigen?” “Sollen doch erst einmal die anderen, die Reichen, ihr Verhalten ändern, dann können wir über meinen kleinen Anteil sprechen!” Oder wie es die/der Besitzer/in des angesprochenen abgestellten Fahrzeugs formuliert: “Herr Wachtmeister, kümmern sie sich doch erst einmal um die richtigen Verbrecher und nicht um mich.” Diese Rechtfertigung wird schlagartig hinfällig, wenn wegen des Hindernisses ein Motorradfahrer ausweichen muss und das Opfer eines unachtsamen anderen Fahrers wird. Denkbar ist auch die Entstehung eines Staus, der die Einsatzfahrt eines Rettungswagen zu einem Verletzten verlangsamt.

Ich selbst fliege und kritisiere. Einerseits zeige ich damit mit dem Finger auf mich selbst, und andererseits auf meine Zeitgenossen. Wie halte ich das aus? Bei mir ist eine Resignation die fadenscheinige Rechtfertigung. Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass der Zug abgefahren ist. In dieser Lage kann ich nur noch das Beste für mich selbst herausholen.

Ich sitze mit einer Partygesellschaft in einem Bus, der mit zunehmender Geschwindigkeit und einem “zugekoksten” Fahrer am Steuer auf eine Betonwand zu rast. Vielleicht haben drei oder vier Mitfahrer die Lage erkannt. Meine Möglichkeiten beschränken sich darauf den Fahrer zu erschießen und dazu bin ich zu feige, schon deshalb, weil sie mich danach lynchen. Die anderen verfügen eventuell über mehr Möglichkeiten. Wenn sie eine Idee haben, werde ich sie mit allen Mitteln unterstützen. Doch ich werde sie bestimmt nicht besoffen und grölend beschimpfen. Dies übersehen einige geflissentlich. FFF, Neubauer, und viele andere, kämpfen mit Überzeugung für alle und nicht allein für sich selbst. Ob sie einen Weg gewählt haben, der den Bus vor dem Einschlag in die Wand bewahrt, wird sich zeigen.

Schaue ich mich um, sehe ich keinen Grund, denen zu glauben, die sich an den Schalthebeln der Macht befinden. Wer ernsthaft das Ende einer Ausbeutung fossiler Ressourcen plant, erschließt nicht täglich neue Ölfelder, Erdgasvorkommen oder Kohleflöze. Wem es mit der Sache ernst ist, plant keine Weltmeisterschaft in Qatar, um sich bei denen “Liebkind” zu machen.

Zurück zu Frau Neubauer und ihren Aussagen. Im Kern geht es zunächst einmal um den Hinweis, dass Politik in einigen Bereichen nicht umhinkommt, nicht nur den Rat von Wissenschaftlern einzuholen. Notwendig ist es auch, die politischen Entscheidungen darauf basieren zu lassen.

Weiterhin merkt sie an, dass zwar viele kostenlose Worte ausgesprochen werden, aber keine konkreten Handlungen folgen. Kurzum, sie stellt keine eigenen Forderungen. Sie gibt das wieder, was Wissenschaftler seit Jahrzehnten sagen und fordern. Doch die nimmt sich keiner vor, schon gar nicht jene, deren Ruf nahezu unantastbar ist und international anerkannte Beiträge leisten oder leisteten. Wenn überhaupt, wenn sie allgemein für jedermann verständlich aufbereitet sind, kommt es zur üblichen Reflexreaktion: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Irrationalität trifft auf wissenschaftliche Nüchternheit.

Angesichts der Flutkatastrophe kam eine neue nicht weniger verkorkste Entgegnung ins Spiel. Frau Neubauer oder FFF solle/n sich derzeit zurückhalten, weil der Hinweis auf all die Unterlassungen bezüglich des Klimawandels von den Missständen bei der Katastrophenbekämpfung ablenken würde. Der Klimawandel, laut Wissenschaftler aus dem Verhalten der vergangenen Jahrzehnte resultierend, bedingt immer kürzer werdende Zeitintervalle beim Auftreten von Ereignissen wie Stürme, Starkregen, Fluten, Hitze, Dürren. Da die Aussagen der Wissenschaftler konsequent ignoriert wurden, vernachlässigte man auch den Katastrophenschutz bzw. die notwendigen Schutzmaßnahmen. Anders herum aufgezogen, kann ich schwer erhebliche Ausgaben für den Schutz begründen, wenn ich den Klimawandel und den Eigenanteil daran abtue. In dem Moment müsste jeder nachfragen, warum ich neben dem Schutz nicht gleichzeitig alles unternehme, damit die Phänomene nicht auftreten. Ich denke, die Wahrheit liegt woanders. Die Damen und Herren gingen davon aus, dass es wie üblich die südliche Hemisphäre treffen würde, während man in Mitteleuropa fein raus ist. Nun, dies scheint sich als Irrung herauszustellen.

Dann gibt es noch die Zeitgenossen, die Frau Neubauer auffordern, statt zu reden, ins Krisengebiet zu fahren und dort bei den Aufräumarbeiten zu unterstützen. Warum sollte sie dies tun und was hat das mit ihren Aussagen zu tun? Muss jeder Kritiker oder wegen meiner auch jede/r Politiker, der das Unterlassen von schädlichen Eingriffen in die Lebensgrundlagen des Planeten und Klima fordert irgendwo hinfahren und Hilfe leisten? Machen demnächst einige Abgeordnete einen Ausflug in die Sahelzone? Oder schicken wir Politiker (dafür wäre ich sogar offen), die militärische Interventionen fordern mit der Waffe in der Hand in die Region? Stellt sich der vergreiste Horst Seehofer demnächst an die Europäische Außengrenze? Ich denke, jede/r sollte tun, was sie/er kann und dabei auch den Nutzen berücksichtigen. Wer in der Gegend wohnt, passende Kenntnisse hat und auch noch die Möglichkeiten hat, sollte helfen, alle anderen sind eher hinderlich und bringen im Zweifelsfall Retter in Schwierigkeiten. Inwiefern die Nichtteilnahme an den Arbeiten im Katastrophengebiet ein Qualitätskriterium für die Aussagen ist, erschließt sich mir nicht. Dieses Konstrukt wirft eher ein Licht auf diejenigen, welche sich in dieser Art äußern.

Liegt die Fokussierung daran, dass sie sich an die 26 800 Wissenschaftler, die sich bei Scientist for Future engagieren nicht herantrauen? Könnte es so einfach sein?

Sie sagt, man solle auf die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen hören. Andere halten ihr entgegen, dass Wissenschaft nicht alles wäre. Wissenschaft ist nicht Wissenschaft, und spätestens seit der Erfolgsserie “Big Bang Theory” kennen wir die Haltung eines Sheldon Coopers zu allen Wissenschaften jenseits der Physik. Bei allem, was sich um das Klima dreht, sind wir mitten in den Naturwissenschaften und zumeist in der Physik. Im 21. Jahrhundert sind die meisten von uns auf vielen Gebieten Anwender und verstehen nicht ansatzweise, was technisch vor sich geht. In den 80ern konnte ich noch an einem Fahrzeug herumschrauben. Heute öffne ich die Motorhaube und habe nur Fragezeichen auf der Stirn. Dies ist bei vielen Dingen der Fall. Was bleibt mir übrig? Ich muss mir im Zweifelsfall jemanden meines Vertrauens suchen. Habe ich beispielsweise zwei Virologen mit völlig unterschiedlichen Aussagen vor mir zu stehen, tendiere ich dazu den Selbstdarsteller und Freund des Partyvolks zu meiden und dem etwas verpeilt wirkenden Nerd zuzuhören. Wenn der dann auch noch der BILD Zeitung sagt, dass er keine Zeit hat sich mit ihnen zu beschäftigen, sind bei mir die Würfel gefallen. Das ist wie mit dem Gebrauchtwagenkauf. Lieber kaufe ich einen Wagen bei einer einfachen Garage, in der mit Öl verschmierte Mechaniker herumspringen, als das ich ihn bei einem Händler mit 20 Fahnen auf dem Parkplatz kaufe. In Bezug auf Virologen scheine ich da nicht alleine zu sein. Ich finde es Prima, dass das so ist und folge dem gern. Dem Schnellaufsteiger im Anzug hätte ich mehr Skepsis gegenüber aufgebracht. Ist das eine linke Position? Wenn es nach Herrn Fleischhauer geht, wohl ja, aber Anzugträger und Karriereristen ziehen sich gegenseitig an, mich bringen sie eher auf Abstand. Wer echte Kompetenz innehat, benötigt keine Kultur – Kostüme. Bei Kompetenz geht es mir nicht um das alleinige Wissen über die Zusammenhänge, sondern menschlich kompetent ist für mich ein Mensch dann, wenn das Wissen zum Wohl der Gemeinschaft einsetzt. Denn ohne diese Gemeinschaft ist er nichts. Fast nichts von dem, was mich umgibt, kann ich wirklich alleine herstellen oder in Gang bringen. Aktuell befindet sich die Automobilbranche in Nöten, weil die Pandemie und vermutlich auch einige Katastrophen den Nachschub an Computerchips zum Versiegen gebracht hat. Was wird aus dem viel gelobten Hightech – Plan, wenn Teile des Planeten unbewohnbar werden? Können sich die Industrieländer autark machen und auf all die Produktionsstätten verzichten? Wäre es nicht logischer, als wohlhabendes Land an der einen oder anderen Stelle zu verzichten, damit die ärmeren Länder weiter produzieren? Nur so ein Gedanke von mir.

Die Grundidee bei der Kritik besteht darin, dass Naturwissenschaften Erkenntnisse liefern, aber der Umgang damit von diversen anderen Faktoren abhängt. In Tschernobyl konnten die Naturwissenschaftler mit Sicherheit sagen, dass die ersten Einsatzkräfte nach kurzer Zeit sterben werden. Damit fanden die sich Zugunsten einer weit größeren Menge an Toten und Verstrahlten ab. An der wissenschaftlichen Erkenntnis gab es nichts zu deuten. Wir wissen, dass demnächst die giftigen Hinterlassenschaften des II. Weltkriegs nicht nur große Teile des Lebensraums Meer zerstören, sondern das Schweröl aus den Tanks Küstengebiete verseuchen wird. In der Ostsee hat dies bereits angefangen. Die Wissenschaft und Aktivisten haben darauf hingewiesen, oder anders: Das Wissen weiter gegeben. Vor der Aufgabe die Katastrophe abzuwenden stehen mehrere Staaten. Da es sich um Hinterlassenschaften aus dem II. Weltkrieg handelt, wird diskutiert, ob sie in der Verantwortung der Herkunftsstaaten der am Meeresgrund liegenden Schiffe mit Schweröl in den Tanks und Unmengen von versenkten TNT liegt, die “Zerstörer” der Schiffe und Entsorger der Kriegsmunition (Allierte) gefragt sind oder die von der eintretenden Katastrophe betroffenen Staaten sich selbst des Problems annehmen müssen. Tatsächlich geht es um die Kostenübernahme. Einige Länder setzen auf eine nachträgliche Säuberung der Küstenlinie, was dem Meer nicht hilft. Die Nordeuropäischen Staaten haben nach einer wissenschaftlichen und ökonomischen Berechnung erkannt, dass die Kosten bei einer zerklüfteten Küste extrem nach oben schnellen und eine Lösung am Meeresboden für sie günstiger ist. Wie beim Klima und der Zerstörung wird das Wissen hingenommen und ein anderer Faktor vorangestellt. Geld, welches zur Abwendung des ultimativ eintretenden Schaden investiert werden muss. Wie wahnsinnig es auch sei, im Gehirn des Menschen hat der temporäre Besitz und die Mehrung Vorrang.

Hiergegen treten Neubauer und Co an. Nicht nur, in der Kritik an andere und ihrem Verhalten, sondern auch bei sich selbst.

Kaum jemand spricht beim Thema Klima über die realen Konsequenzen. Damit meine ich nicht die, vor denen in jüngerer Vergangenheit weltweit die Opfer der Katastrophen in Australien, China, USA, Russland, Südostasien standen und nunmehr sich auch in Deutschland zeigen. Das gesamte aktuelle System, inklusive der dahinter liegenden Gedankengebäude und Urstrukturen des Menschen steht vor dem Ende. Der Versuch, sich den Folgen mittels Technologie entgegenzustellen, ist ein verzweifeltes Aufbäumen, welches geeignet ist, das System zu schützen, aber mit absoluter Sicherheit nicht das bestehende natürliche Lebenssystem Erde retten wird. Vielleicht überlebt der Mensch mittels Technologie zusammen mit einigen ihm genehmen Spezies, aber das ursprüngliche sich selbst tragende Lebenssystem geht drauf.

Die Wut und der Hass sind systemimmanent

Das Wachstum, Profite, ein Geldsystem, der Wohlstand, die grenzenlose Neugier des Menschen als unabänderlich zu sehen, die Sesshaftigkeit und die Folgen als Vorteil zu bezeichnen, sind neben diversen anderen Betrachtungen reine Ergebnisse des Großhirns, die auch vollkommen anders gesehen werden können. Glaubensgemeinschaften, indigene Völker, Nomaden, die sich bewusst dagegen entscheiden, sind der Beweis. Jeder der behauptet, die vorgenannten Verhaltensweisen sind die einzigen, zu denen der Mensch fähig ist, macht sich etwas vor und versucht irgendwie die eigene Entscheidung zu rechtfertigen. Wenn es denn überhaupt eine Entscheidung ist. Die Mehrheit der in industrialisierten Staaten lebenden Menschen treffen keine Entscheidung zwischen verschiedenen Ansätzen, sondern passen sich, ohne jemals darüber nachgedacht zu haben ins vorgefundene System ein. Die Gemeinschaft der Amisch kennt die Zeit des “Rumspringa”, in der sich in der Gemeinschaft geborene Jugendliche ab dem 16. Lebensjahr, nachdem sie eine Zeitlang außerhalb gelebt haben, für einen Beitritt entscheiden können.

Und nun kommen junge Menschen daher und stellen diese stets als Selbstverständlichkeit betrachteten Doktrin infrage. Schlimmer noch! Sie üben diese Kritik, während sie innerhalb dessen leben, was als das Nonplusultra ersehen wird. Sollen sie doch gehen! Wir leben in einem freien Land. Da gibt es einen Haken. Die dominante Lebensweise und Anschauung zerstört langfristig alle anderen Optionen. Es ist quasi eine feindliche Übernahme aller anderen Lebenssysteme, die mit einer Art Heilsversprechen verknüpft wird. Mich erinnert dies an die alten christlichen Missionare oder die brutale Zeit, in der in Europa zwischen dem wahren Glauben und der Ketzerei unterschieden wurde. Was die jungen Klimaaktivisten betreiben kommt der Blasphemie gleich. Wie wütend Rechtgläubige darauf reagieren, wissen wir aus der Geschichte. Blasphemie und Ketzerei gefährden nach dem Glauben alle, weil sie das Göttliche, hier den “Freien Markt”, “das Wachstum und den Fortschritt”, herausfordern bzw. anzweifeln.

Die Aussagen, das pure Wissen, der Naturwissenschaftler anzuzweifeln ist vor dem Stand der Wissenschaft, in dem die Quanten – Physik entwickelt wurde, Wissen um den Aufbau von Atomkernen erlangt wurde und Teilwissen über die Zusammenhänge im Universum besteht, vollkommen irrational und geht damit in Glauben über. Bei Glaubensfragen wird es traditionell kompliziert und häufig aggressiv. Aus der Kirche des “Mammon” selbst heraus wird Kritik geübt. Das entspricht Mitgliedern der katholischen Kirche, die vom Papst bis hin zum gesamten Klerus, alles infrage stellen. Wen wundern da noch die Reaktionen auf FFF, Neubauer, Greenpeace u.a.? “Alles was nicht konservativ ist links.” Ja, und alles, was nicht der Linie der Katholischen Kirche folgt, ist Ketzerei.

BILD – neue Grenzziehungen?

Die verkommene Jugend Lesedauer 5 Minuten

Meiner Auffassung nach hat die BILD – Zeitung mit einer Reaktion auf den Tweet einer Mitarbeiterin (Beamtin)  einer Behörde, die mit dem Katastrophenschutz betraut ist, eine neue Dimension der Publikationen in der Bundesrepublik Deutschland eröffnet.

Was ist passiert? Die Mitarbeiterin echauffierte sich bei Twitter über die übliche und immer wieder in der Kritik stehende Berichterstattung der BILD aus dem Katastrophengebiet und der dem Niveau entsprechenden Wortwahl. Hierbei vergriff sie sich im Ton. Nun, ich denke, dies könnte oder besser sollte ein “Riese” wie die BILD und das dahinter stehende Imperium SPRINGER – Verlag durchgehen lassen können. Wohlgemerkt griff sie nicht namentlich einen Redakteur oder Journalisten persönlich an, sondern beschränkte sich auf das, was man als Institution bezeichnen könnte. Da gab es in der jüngeren Vergangenheit, z.B. aus der Rapper und Rocker Szene ganz andere Aktionen, in der die menschliche Größe bzw. der gezeigte Gleichmut der unmittelbar und individuell betroffenen Redaktionsmitglieder der BILD und BZ bemerkenswert positiv ausfiel.

Für mich ist dies stets ein wichtiger Aspekt. Es macht sehr wohl einen Unterschied, ob ich mich dagegen stelle, was z.B. die BILD an sich darstellt und was sie in der Gesellschaft bedient, oder ich die konkrete Auseinandersetzung mit einer/m Mitarbeiter suche. In diesem Zusammenhang fand ich die bei Streaming Diensten veröffentlichte Reportage über die BILD Redaktion recht aufschlussreich. Dort offenbarten sich wahrlich sehr interessante Charaktere, mit denen eine persönliche Auseinandersetzung bestimmt spannend verliefe. Nun, jeder muss für sich alleine entscheiden, wie viel das eigene Gewissen wert ist oder ob so etwas überhaupt Platz in der eigenen Weltanschauung hat.

Im konkreten Fall reagierte die Redaktion (Wer auch immer dafür verantwortlich zeichnet) zum einen kleinlich und bockig, zum anderen mit breiter Publikation der verfassten Tweets und dem dazugehörigen ACC – Bild, allerdings mit Schwärzung des Namens. Eine eher zu vernachlässigende Maßnahme, da jeder mit dem Bild und wenigen Klicks fündig wird. Und wie i.d.R. der seitens der BILD bediente Mob reagiert ist hinreichend bekannt. Die Intention ist klar erkenntlich: Der kleinen Beamtin zeigen wir mal, wo der Hammer hängt. Passend wird im Artikel süffisant auf das Mäßigungsgebot aus dem Beamtenrecht hingewiesen.

Mir fällt es immer schwer, die BILD als einen echten Bestandteil der Presse bzw. Journalismus zu sehen. Für mich geht es dort mehr um eine Dienstleistung. Der Hunger des Pöbels nach Blut, Empörung, Sperma, Tragödie, Leid der anderen, Mord, Glamour, Totschlag und Spektakel will gestillt werden. Mit Informationen über das lokale und überregionale Weltgeschehen, welche Bürgern die Möglichkeit gibt, die in der Demokratie geforderten Eigenschaften, informiert, mündig, verständig, zu entwickeln, hat dies nichts zu tun. Fairerweise muss ich aus meiner Position heraus zugestehen, dass dieses in den wenigsten deutschen Publikationen stattfindet, da es weniger um Hintergründe geht, sondern eher um ein Aktivieren der Neugierde, mit der Klicks provoziert werden, die sich dann in Geld verwandeln.

Aus diesem Grund scheint die Beamtin die Nerven verloren zu haben. Ihrer Anschauung nach, ist es verwerflich mit der Not und dem Elend der von der Katastrophe Betroffenen Geld zu verdienen. Dies finde ich nachvollziehbar oder wenigstens eine Position, die man akzeptieren kann. Im persönlichen Gespräch würde ich vermutlich fragen, wo sie die Grenzen zieht. Nichts anderes praktizieren aktuell die Spitzen einiger Parteien, denn politischer Machtgewinn geht mit erheblichen Geldzuwendungen einher.

Die Überschrift lautet: BILD – neue Grenzziehungen? Die angesprochenen Themen oder besser Niederungen des menschlichen Wesens auszuschlachten ist eins, kleine Leute, die derzeit alles geben, um die Krise zu managen, an den Pranger zu stellen, nachhaltig zu schädigen und persönlich anzugehen, ist nochmals eine andere Nummer. Die BILD Redaktion scheint sich, parallel zum propagandistisch nach US – amerikanischer Machart geführten Wahlkampf, den dort bereits länger bestehenden Plattformen anzupassen. In einer Dokumentation über die weltweit agierenden PR Agenturen fand ich eine Aussage besonders interessant. Russische Akteure schilderten, dass sie zeitweilig noch härter, brutaler und grenzenloser agierten, wie die amerikanischen Kollegen. Doch irgendwann kam es zu einer stillen Übereinkunft. Sie erkannten, dass irgendwo Grenzen gezogen werden müssen, weil sie sich sonst eines Tages selbst “zerlegen”.

Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, einhergehend mit der Digitalisierung, sind erschreckend und lassen bei fortschreitendem Verlauf nichts Gutes für die Zukunft annehmen. Die in den Auseinandersetzungen verwendete Sprache wird immer mehr auf Spin – Begriffe reduziert und verhindert so eine differenzierte Bearbeitung der Gesellschaftsthemen. Politische Informationen werden wie Burger von Fastfood Ketten unters Volk gebracht. Die Distanz, Analyse und Meta – Ebene des Journalismus muss mit viel Aufwand gesucht werden. Feindbilder, Polarisierungen, billigster Populismus, Desinformation, von PR Agenturen belieferter Journalismus, ist längst der Standard.

Die Folge ist, dass sich Teile der Bevölkerung immer mehr zu einem gelenkten Mob entwickeln. Und an dieser Stelle ist die BILD ganz vorn mit dabei. Die Eigenschaften, welche den Deutschen bereits mehrfach Probleme bereiteten, werden gezielt getriggert. Da braucht es nur noch die politischen Führer, die sich geschickt dieser erzeugten Atmosphäre bedienen. Die USA sind für uns, die Deutschen, eine Zeitmaschine. Aber die USA haben nochmals eine andere Geschichte und gesellschaftliche Regeln. Wohin sich bei uns ein Trump, Foxnews, Breitbart entwickeln könnten, möchte ich nicht erleben.

Vielleicht trügt mich meine Erinnerung. Die BILD hat sich schon immer damit hervorgetan, Existenzen zu vernichten, Menschen ihrer Würde zu berauben und Teile der Bevölkerung aufzuhetzen. Selbst die Entwicklung von Attentätern basierte auf der Hetze gegen Kritiker der herrschenden Verhältnisse. Aber nunmehr leben wir im digitalisierten Zeitalter und die Folgen sind nochmals weitreichender. Eins ist bei der BILD hilfreich – mit wenig Anstrengung des Intellekts kommt man ihr auf die Spur. Bei den anderen Publikationen, die sehr unterschwellig die seitens der PR Agenturen gewünschten Botschaften und Anschauungen implementieren, ist das schwieriger zu durchschauen.

Politisch betrachtet ist der konkrete Artikel eher kontraproduktiv zur Ausrichtung des SPRINGER Verlags, weil die Behörde der favorisierten Partei zuzurechnen ist. Es geht eher um das Bedienen von Ressentiments ggü. von Beamten und eine, wie bereits angeführt, bockig beleidigte Reaktion, die wahrscheinlich von einem Narzissten in der Redaktion ausgeht. Aber vielleicht denke ich nicht weit genug. Gambit! Das Opfern eines Bauern um das Schachspiel zu gewinnen. Immerhin erzeugt die BILD das Bild, die Vertretung des einfachen Zeitgenossen gegen die böse Staatsmacht, hier vertreten von einer alimentierten Beamtin, zu sein, um dann an anderer Stelle passenden Support für die klassischen Auftraggeber, aus der Union, Arbeitgeber – Lager und restlichen Konservativen, zu leisten.

Bezüglich früher und heute lasse ich mich gern vom Gegenteil überzeugen. In meinem Alter kennt man die Enthüllungen von Günter Wallraff und auch noch die Geschichte des Attentats auf Rudi Dutschke. Vielleicht bin ich sensibler geworden. Ich will auch nicht ausschließen, dass ich das Opfer der Social Media bin und mir die Spaltung der Gesellschaft, bzw. das Anwachsen des Milieus, welches sich früher auf Eckkneipen und billige Curry – Wurst – Buden mit dem örtlichen Trinkermilieu beschränkte, mehr auffällt. Mit Sicherheit ist da etwas dran. Früher stand man im Zeitungsladen und fragte sich, wer all die Magazine, BUNTE, Frau im Spiegel, Revue, St. Pauli Nachrichten, der Landser und die BILD kauft. Heute bekommen sie über die Kommentare unter Beiträgen auf den Plattformen ein Gesicht und das Ausmaß der geistigen Degeneration schockiert einen trotz diverser Jahre Arbeit auf der Straße.

Ich weiß es nicht. Möglicherweise konsterniert mich auch mehr der Umstand, dass Leute, die durchaus über ein gewisses geistiges Potenzial verfügen müssen, sich bei der BILD für diesen Job hergeben. Wahrscheinlich muss ich noch mehr lernen die bösartige Seite der Intelligenz zu akzeptieren. Das geht ein wenig in die Richtung einer Geschichte, die mir mal ein Bekannter erzählte. Er hatte ein Gespräch mit einer Botschaftsmitarbeiterin der Israelis. Die Frau fragte ihn, warum Deutschland so wenig gegen den mangelnden Bildungsstand unternähme, der ursächlich für rechtsradikale Tendenzen in Deutschland wäre. Er antwortete: “Weil sie und wir sehr schlechte Erfahrungen mit intelligenten Rechten gemacht haben?” Das passiert mir häufiger, dass ich unbewusst Intelligenz mit Empathie und Weisheit verbinde. Ich sollte es besser wissen. Gerade intelligente Menschen neigen zu Hybris, Verschlagenheit und fiesen Charakterzügen, während sich wahre Einfachheit und Gelassenheit oftmals durch Güte, Verständnis, Empathie und Aufrichtigkeit auszeichnet. Insofern will ich Pöbel auch nicht falsch verstanden wissen. Die Bezeichnung bezieht sich bei mir nicht auf die geistige Leistungsfähigkeit, sondern auf eine aus Leuten bestehende Meute, die ethisch fragliche Persönlichkeits – und Sozialisationsmerkmale aufweisen.

Ich halte es für keine gute Idee aus einer Redaktion heraus den Pöbel aufzustacheln. Wenn ich nicht bereit bin bei denen mitzumachen und nur an ihnen Geld verdienen will, habe ich wenig Garantieren, nicht eines Tages Opfer zu werden. Und wie gering die Nehmerqualitäten von Redaktionsmitgliedern der BILD sind, hat Julian Reichelt demonstriert, der recht weinerlich den Umgang mit seiner Person bemängelte. Ein altes Problem, das Milieu, welches ich um mich herum erzeuge, macht vor mir selbst nicht halt.

Wut

Lesedauer 5 Minuten

Man hat sich glattgemacht, man hat sich arrangiert
All die hohen Ideale sind havariert
Und der grosse Rebell, der nicht müd wurde zu Streiten
Mutiert zu einem servilen, giftigen Gnom
Und singt lammfromm vor dem schlimmen alten Mann in Rom
Seine Lieder, fürwahr! Es ändern sich die Zeiten

Reinhard Mey, Narrenschiff

Jeden Tag werde ich belogen. Sie versuchen mich hinters Licht zu führen. Was Gestern passierte, ist angeblich niemals gewesen und ich habe es lediglich falsch verstanden. Es gibt keine Fehler, sondern nur Erfolge in Teilbereichen, die kleinere Kurskorrekturen erfordern. Ich soll nicht nach hinten sehen, das bringe nichts, nun müsse man sich der Zukunft hinwenden. Nichts passt zueinander, aber dies wird mit wohlfeilen Worten überspielt. Ihre Worte ohne Inhalt sollen mich benebeln. Manchmal, sehr selten, fällt ein unbedachtes wahres Wort. Sie benehmen sich wie schmierige Schneider, die mit geschicktem Griff das Jackett im Spiegel gut aussehen lassen. In ihrer Hybris halten sie mich für dumm. Sie haben den Überblick über das große und Ganze und ich sehe nur meinen kleinen Ausschnitt. Die Politik sollte den Profis überlassen werden. Sagt mir ausgerechnet einer, der am Neuen Markt, der Spielwiese für windige Zeitgenossen, pleite gegangen ist.

Früher fuhren die Monarchen mit Kutschen grüßend am Volk vorbei, heute sitzen sie in schwarzen Limousinen, treffen sich hinter verschlossenen Türen, laben sich am Buffet und lauschen einer Oper, während in Hamburg die Straßen brennen. Wütet draußen im Land Mutter Erde und zeigt den Menschen die Grenzen, tauschen sie die Anzüge gegen Gummistiefel und lassen sich mit aufgesetztem tragischen Gesichtsausdruck die Auswirkungen ihrer Politik zeigen. Aber das sind die Fehler der Vergangenheit, nun muss man nach vorne schauen. Vergessen, dass die Ermittler für miese Bereicherungen auf Kosten der Natur eben mal aus dem Rennen genommen wurden, weil sie den falschen Leuten auf die Füße traten. Vergessen, dass den Energieversorgern dafür Geld gegeben wurde, damit sie aufhören Mondlandschaften zu produzieren und ehemals zusammenhängende Ökosysteme fragmentierten. Das Belassen der Kohle im Erdreich wird mir als zu großzügiger Gnadenakt verkauft, für den ich mal Dankbarkeit zeigen könnte.

Mein Land, von dem aus ein Krieg ausging, in dem Teile der Welt in Schutt und Asche gelegt wurde, der Osten Europas zu von minderwertigen Menschen bewohnten Gebieten erklärt wurde, spielt ein Menschenleben später in Osteuropa wieder den scheinheiligen Moralapostel und verfolgt doch nur eigene Interessen. Mein Land, aus dem Menschen wegen ihres Glaubens fliehen mussten, in der Welt herumirrten, zeigt mit dem Finger auf Menschen, die ihr Land verließen. Mein Land, in dem eine Religion zum “Feind” erklärt wurde, um finstere Ziele umzusetzen, zeigt wieder auf eine Religion. Erst der Mythos einer “Jüdischen Weltverschwörung”, zusammengebastelt mit Geld US – Amerikanischer Industrieller, dann der Panslawismus, gefolgt vom “Kommunisten – Hass” und nun die angebliche weltweite Islamisierung.

Sie reden von Klimaschutz! Was für eine Hybris! Als ob sie ein über Millionen von Jahren entstandenes System schützen könnten. Vor wem denn? Vor ihnen selbst? Das ist das Prinzip der Schutzgelderpressung. Wenn Du zahlst, kommen nicht meine Schläger zu Besuch. Konzerne machen unmoralische Angebote. Zerstören wir nicht alles, sind wir nicht mehr konkurrenzfähig, also zahlt uns die Ausfälle, dann machen wir auch nichts mehr kaputt. Im Kleinen würde man das Erpressung nennen.

Sie vergiften, verpesten, zerstören, bis sie erwischt werden. Dann ziehen sie sich zurück und verkaufen diesen erzwungenen Rückzug als Einsicht und heroische Leistung für die Umwelt. Die Welt, die vermeintlich um sie herum existiert, während sie doch wie alle, ein Teil dieser Welt sind. Was Du heute kannst besorgen, verschiebe nicht auf Morgen. Nein, besser auf 2030, 2035 oder 2045. Im alltäglichen Leben würde man sagen: “Ich versuche es so schnell wie möglich zu erledigen, wann ich es schaffe, kann ich noch nicht genau sagen, aber bei der Dringlichkeit – in Kürze!”

Die Wissenschaftler sagen, wenn wir heute anfingen, dauerte es noch 80 Jahre, bis zu den ersten merklichen Erfolgen, bis dahin folgt eine Katastrophe nach der anderen. Manch einer macht keinen Hehl daraus, dass sie die Karre in den Dreck gefahren haben. Nun soll ich vertrauen, dass sie mich vor den Folgen ihrer Fehler beschützen. Fehler? Ist Gier nach Macht und Geld ein Fehler? Warum sollte ich nach all den Jahren noch irgendetwas glauben? Seit Jahrzehnten bauen sie an einer Kirche für den Mammon. Nicht einmal vor den Kindern haben sie Halt gemacht. Aber wie sagte einst der Führer der Deutschen: “Wer die Jugend hat, hat die Zukunft!” Schnell raus aus der Schule, in eine Universität, die zur Berufsschule degradiert wurde, die ersten Schulden machen und von da an zum Abzahlen verdammt. Sie nennen es Anreize schaffen, ich sehe Maulesel, die ans Mühlrad gespannt der Mohrrübe folgen.

Geld denkt nicht, Geld fühlt nicht, Computer führen Programme aus, sie kennen weder Gnade, Mitgefühl, noch das Bedürfnis zu leben, sie existieren. Und doch sollen wir ihnen alles an anvertrauen. Sie sollen entscheiden, wer unterstützt wird, wer und woran forschen soll. Mit elektronischer Eiseskälte sollen sie allein dem Prinzip des größten möglichen Profits folgend Geld investieren. Nicht mehr die Lebewesen stehen auf Platz 1, sondern das Geld und der Profit.

Einst träumten die Erfinder von einer Welt, in der Maschinen die Menschen von der Arbeit befreien. Zuvor hatten sie selbst eine Welt erschaffen, in der sich die Arbeiter zum Wohle weniger an den Maschinen zu Tode schindeten. Ohne es zu Wissen setzten sie den Anfang vom Ende. Ich lebe in einem Land, in der nunmehr die erste vollständig von Technologie abhängige Generation lebt. Schaltet jemand denen den Strom ab oder reduziert ihnen die Brennstoffe, fallen sie auf das Level eines hilflosen Kleinkinds zurück. Ich habe sie in diesem Zustand erlebt und wie sie dem Spott der Bewohner vermeintlicher Schwellenländer ausgesetzt waren. Als purer Mensch, mit unseren angeborenen Fähigkeiten, ist der Hauptteil der jungen Generationen nicht mehr lebensfähig.

Ich lebe in einer Zeit der Illusionen. Sie gieren nach immer mehr Energie und reden den lieben langen Tag davon, wie sie noch mehr davon produzieren können. Sie setzen auf Technologien die immer weitere Anstrengungen abfordern. Der Kollaps ist absehbar. Ja, es gibt die Forschung an der Kernfusion, die mit derzeit noch offenen Ergebnis, eventuell in Jahrzehnten, die notwendige Energie liefern könnte. Doch zwischendurch kann ihnen das Ding auch noch um die Ohren fliegen. Denn immerhin kann noch niemand von einem Reaktor sprechen, sondern es handelt sich um Grundlagenforschung. Und selbst die Atomenergie ist nicht in der Lage den immer mehr steigenden Hunger zu stillen, und da sind die anderen zur Neige gehenden Ressourcen noch nicht impliziert.

Meine Zeit steht vor einer Frage, deren Antwort in weiten Teilen der Welt vermieden wird. Mensch, kannst Du und darfst Du so weitermachen, wie bisher? Ich bin der festen Überzeugung, dass die Antwort lautet: Nein! Wir müssen die Erde, den Heimatplaneten als etwas verstehen, dessen Lebenssystem nur funktioniert, wenn alle Lebewesen berücksichtigt werden. Der Mensch ist nicht die Zentrale, sondern ein Teil des gesamten Systems, so wie auch alles andere ein Teil davon ist.

Menschen, die ohne Ratio und Kontrolle unterwegs sind, machen immer genau die Sachen, die sie können und was zugelassen wird. Theoretisch könnte die Ratio siegen und eine Selbstkontrolle übernehmen. Zumindest existiert die Fähigkeit dazu. Auch meine Ratio versagt immer mal wieder und dann steigt die Wut in mir auf. Bei mir im Garten steht ein Schrein mit einem goldenen Buddha. Seine Lehre geht weit über die Erde hinaus und sieht auch das Lebenssystem auf der Erde nur als einen Teil des Universums. Was passiert ist Teil eines komplexen auf Wechselwirkungen basierenden Prozesses und muss vermutlich aus irgendeinem Grund geschehen. Diese Erkenntnis holt mich wieder zurück und lässt mich den Anblick des Leidens ertragen. Aber eins lass ich mir trotzdem nicht nehmen: Das Gebaren diverser Zeitgenossen erfüllt mich mit tiefer Verachtung. Dennoch bin ich dankbar. Denn ihr Verhalten zeigt mir, wie ich nicht sein will. Auch das ist Teil der Lehre, die da bei mir im Garten ihren Platz gefunden hat. Erst wenn ich die andere Seite gesehen habe, erkenne ich meine, so wie ich Licht erst verstehen kann, wenn ich die Dunkelheit kenne. All diese Typen stecken auch in mir, aber ich muss ihnen nicht nachgeben.

Jung und in Partei? Lieber nicht!

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Lesedauer 9 Minuten

Thomas de Maizière sagte letztens in einer Talk – Show zu einer jungen Aktivistin sinngemäß: “Es ist schade, dass viele der guten, klugen, engagierten, jungen Menschen den Parteien fernbleiben. Stattdessen gehen die Karriereristen in die Parteien … das will ich nicht!” Außerdem deutete er an, dass es für einen jungen Menschen nicht schwierig wäre, einen überalterten und desorganisierten Ortsverband zu übernehmen. Teilweise deckt sich dies mit meinen Beobachtungen, doch es gibt da einige Einschränkungen.

In den Ortsverbänden sind vielfach aufrichtig engagierte Bürger unterwegs und man erkennt bei ihnen noch die Partei, der sie angehören. Mit der Landtags – und Bundesebene hat das wenig zu tun. Mit wenigen Ausnahmen sind Parteien feste Hierarchien, die nach den inneren Gesetzen einer Hierarchie funktionieren. Ob man sich nun in einer Behörde nach oben bugsieren will oder in einer Partei, macht kaum einen Unterschied. Es hat einen Grund, warum sich auf der Bundesebene so viele Leute herumtreiben, die Behörden oder große Betriebe mit ähnlichen Strukturen gut kennen. Ein/e junge Handwerker/in wird Schwierigkeiten haben, dass Kauderwelsch der Verwaltung, die künstlichen Hindernisse, gegenseitige Abhängigkeiten und “Kompetenz – Eifersucht” zu verstehen. Hinzu kommt, dass ein junger Mensch, der heute in die SPD oder CDU eintritt, mindestens 20 Jahre benötigt, um über Jusos, Junge Union, in einer Position zu gelangen, bei der es um mehr geht, als nach passender Beratung die Hand zustimmend zu heben oder zu senken. Nicht selten kommt der Umstand hinzu, dass sich in den Verbänden oftmals Menschen eines besonderen Schlages versammeln, mit denen man erstmal klarkommen muss, wenn man etwas anders gestrickt ist. Ich will keinem etwas unterstellen, aber die Mitgliedschaft und Versammlung kann Identität stiften und einen gefühlt aus der grauen Masse hervorstechen lassen, ein Gefühl, welches einigen Anwesenden im Alltag nicht vergönnt ist.

Nach einer langen Zeit, in der sich junge Leute eher auf die berufliche Karriere, denn auf ein politisches Engagement konzentrierten, kommt es wieder zu einer Politisierung, wie sie zuvor Mitte der 80er in der alten Bundesrepublik Deutschland herrschte. Die Entfernung aus der Politik hatte meiner Meinung nach u.a. etwas mit dem Drive zu tun, den die steuernden Wirtschaftsverbände erzeugten. Schnelle Schulausbildung, Abitur so schnell, wie nur irgendwie möglich, Studium am Beruf orientiert und zügig in die berufliche Karriere. Das Handwerk hatte hierbei das Nachsehen. Egal, grundsätzlich favorisiert man jemanden in der Politik, der sich halbwegs ausdrücken kann, über ein Mindestmaß an fundierter Bildung verfügt und ein wenig etwas von Zusammenhängen versteht. Halt! Ohne besonders gehässig zu sein, kommen an dieser Stelle Zweifel auf. Es gibt genügend Parlamentarier, denen man die Organisation der Stammtisch – Reise nach Mallorca zutraut, aber keinesfalls mehr. Was ist da passiert? Doch dazu komme ich später zurück.

Wie war das Lebensgefühl in den 80ern? Ich beschreibe mal, wie ich es damals empfand. Die Engagierten spürten, dass da aus ihrer Perspektive etwas vollkommen Irrationales stattfindet. Warum häufen einige Länder so viele Atomsprengköpfe an, die alle zusammen den Planeten sechsfach zerstören können? Was ist das für eine Vorgehensweise, bei der Energie mit Entstehung von Abfall, der unvorstellbare tausende Nachfolgegenerationen gefährdet, erzeugt wird? Warum erscheinen Kraftwerkleute bei Bauern, erzählen denen irgendetwas und lügen dabei, dass sich die Balken biegen? Und wenn die sich dann wegen der Desinformation wehren, kommt die Polizei mit Hundertschaften? Gleichsam fragten sich die Menschen bereits damals, was zum Teufel dazu führt, dass immer aalglatte Typen in Anzügen auf dem Podest landen. Immerhin führte dies zu bei Bundestagssitzungen strickenden Abgeordneten/innen, die mit farbenfroher Baumwolle gekleidet ans Pult traten. Nebenbei wollte Joschka Fischer ursprünglich nicht mit Turnschuhen vereidigt werden, aber seine Fraktion drängte darauf. Alles hatte damals eine gewisse Endzeitstimmung. Ich denke, die Sorgen waren durchaus berechtigt. Vieles hätte sich völlig anders entwickeln können und unvorhersehbare Einzelleistungen sind kein gutes Argument, wenn es um Atomwaffen geht. Ich erinnere an die Geschichte, in der die CIA den Russen über einen Doppel – Agenten ein fehlerhaftes Steuerungselement unterjubelten, was wiederum eine gigantische Pipeline – Explosion nach sich zog. Dumm, dass das Warnzentrum in den USA davon nichts wusste und die Sensoren den Abschuss von Raketen meldeten. Oder was ist mit dem Offizier, der auf einem russischen U – Boot den Befehl zum Abschuss verweigerte und erst in der Verzögerung die Irrung festgestellt wurde. Die Welt stand vor dem Abgrund! Allerdings nicht nur wegen atomarer Gefahren. Wer z.B. heutzutage den Sauren Regen oder das Ozonloch für eine Panikmache hält, weil nichts passierte, hat den Knall verpasst. Die eingeleiteten Maßnahmen waren geeignet und verhinderten den katastrophalen Ausgang. Freiwillig lenkte die Industrie damals nicht ein. Bei der Chemischen Industrie sah es nicht anders aus. Selbst in der Schule spürte man, was da im Hintergrund für Sauereien passierten. Es lässt einen kritischen Oberschüler skeptisch werden, wenn in neuen Ausgaben von Geschichts – oder Erdkundebüchern Artikel, Namen und Bilder verschwinden. Oder andere Bilder auftauchen, in denen bei AKWs im Vordergrund plötzlich Kinder im Blumenmeer einer Wiese spielen. Bezüglich der Namen müssen diverse Clans, die ihr Vermögen mithilfe der NSDAP aufbauten, ordentlich Parteispenden bezahlt haben.

2021, spüren junge Leute diese Stimmung wieder, wenn nicht sogar deutlicher und eindringlicher. Wenn man auch die Propaganda – Maschinerie nicht immer sofort offen sieht, spürt man sie doch. Und da wo Propaganda zur Anwendung kommt, steckt etwas dahinter, was ich nicht sehen soll. Die Parteien tun sich mit dem Wahlkampf 2021 keinen Gefallen und schädigen massiv den noch verbliebenen Rest der Repräsentativen Demokratie.

In einem anderen Beitrag zitierte ich schon einmal aus einer Rede von Herbert Wehner zum Misstrauensantrag der CDU/CSU, FDP, gegenüber Kanzler Helmut Schmidt, in der er auf Kurt Schumacher verwies, der 1947 sagte:

Erstens: Demokratie beruht auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit und Ehrlichkeit, zweitens: die Demokratie kann nur leben, wenn die Menschen den Willen zur Objektivität haben und Selbstständig sind, aber: drittens, die technokratische, oder nahezu kriegswissenschaftliche Handhabung der politischen Mittel, führt zum Gegenteil

Was wir derzeit erleben, ist das exakte Gegenteil. Mal mehr oder weniger durchsichtig ist die sogenannte Vierte Gewalt, die Presse, zum Teil der Parteipropaganda geworden. Exemplarisch, ist wenigstens keinem politischen Artikel in der WELT, NZZ oder den Kommentaren in den Social Media über den Weg zu trauen. So veröffentlichte letztens die NZZ einen harmlos daher kommenden Artikel, der vorgab historische Katastrophen aufzuarbeiten und welche Auswirkungen sie bei Wahlen hatten. Die Intention ist klar: Die aktuelle Flutkatastrophe wird in einen Kontext gesetzt und dem zukünftigen Wähler wird gesagt: Überlegt es gut, ob ihr Euch davon beeinflussen lasst! Doch der Kontext der aktuellen Katastrophen ist ein anderer. Keine der etablierten Parteien hat sich diesbezüglich in den letzten Jahrzehnten mit Ruhm bekleckert. Ob sie nun Begradigungen zustimmten oder es unterließen, diese rückgängig zu machen, ist letztlich egal. Gleichsam wurde nichts gegen die Verdichtungen unternommen. Das vollkommene Versagen in der nationalen und internationalen Klimapolitik kommt bei alledem noch hinzu. Auch hier springt SPRINGER beidbeinig in die Propaganda Schlacht hinein. Der Klimawandel sei für die aktuelle Flut nicht ursächlich. Alles eine Frage der Formulierung. Ursächlich ist das Tiefgebiet. Die immense Wasseraufnahme ist der Erwärmung zuzurechnen und das die Tiefs deutlich länger verharren, ist dem Jetstream geschuldet, welcher wiederum an der Erwärmung am Pol leidet.

Da fragt sich die junge Frau oder der junge Mann: “Wollen die mich veralbern? Halten die uns für so dämlich?” Ja, tun sie! Als Nächstes folgt etwas, was man in Rechentabellen einen unzulässigen Zirkelschluss nennt. Nur die konservativen Parteien garantieren eine Besonnenheit, Stabilität und wirtschaftliche Stabilität, die den angerichteten Schlamassel nicht ändert, aber vor den Auswirkungen schützt. Keine Rede von Wachstumsgrenzen, Ressourcenverknappung, kaum überschaubare Folgen durch die Schäden in der Natur. Immerhin wurden da nicht einfach nur Einfamilienhäuser mitgerissen, sondern auch jede Menge Keller mit Heizöl geflutet, Fabrikhallen unter Wasser gesetzt usw. Doch ich befürchte, dass die Rechnung bis September aufgehen wird.

Die Jungen unterscheiden nicht zwischen kleiner regionaler und bundesweiter bzw. internationaler Politik. Die haben Parteien und deren Spitzen vor Augen. Keine Partei hat es meiner Auffassung nach vermocht, eine/n Spitzenkandidaten/in aufzustellen, der/die sich von dem Trend der aktuellen Wahlkampfführung lösen konnte. Diesen Spitzen geht es nicht mehr um Profile, Ideologie, eine echte politische Ausrichtung, sondern sie sind Geschäftsführer von Firmen, deren Augenmerk darauf ausgerichtet ist, nicht die Falschen zu verprellen. Der Philosoph und Autor Rüdiger Precht fragte in einem Gespräch Robert Habeck unter dem Motto “Frisst der Kapitalismus die Demokratie”, wie sich seiner Meinung nach die großen Vertreter der Wirtschaft bei einer Wahlmöglichkeit eher für weniger Umsatz und mehr Demokratie, oder für weniger Demokratie, dafür aber mehr Umsatz, entscheiden würde. Habeck antworte, dass er von mehr Demokratie mit Umsatzeinbussen ausgeht. Ich dachte mir: Stellt sich denn diese Frage überhaupt noch?

Eine Grundvoraussetzung für Demokratie ist die Option einer Auswahl zwischen verschiedenen Richtungen. Diverse investigative Journalisten haben die Verflechtungen zwischen den Parteien und den Unternehmen dargestellt. Wer richtig schlechte Laune bekommen möchte, dem empfehle ich den seit Jahren auf diesem Gebiet ermittelnden Autor Mathew D. Rose und sein Buch “Korrupt?: Wie unsere Politiker und Parteien sich bereichern – und uns verkaufen”. Bei einer ernsthaften Wahl, also ausgenommen die Kleinstparteien, wähle ich mittlerweile zwischen Firmennetzwerken, aber keine politischen Ideen. Propaganda kostet Geld, für Kleingeld schreiben Lobby – Journalisten keine Zeile. Mich würde tatsächlich mal das Budget der Initiative für Neue Soziale Marktwirtschaft interessieren. Die Arbeitgeberverbände müssen sich das ganz schön was kosten lassen. Eine der Haupttaktiken ist das “negativ-campaining”, bei dem der politische Gegner diffamiert wird. Folgerichtig steckten die auch hinter der Kampagne, bei der die Kandidatin Baerbock als Moses dargestellt wurde und ich gehe fest davon aus, dass die bei der Plagiatsnummer ebenfalls die Finger im Spiel haben. Die “Moses – Aktion” war zwar negativ gemeint, aber ich finde, sie kann durchaus positiv gesehen werden. Immerhin sind die Zehn Gebote quasi die Grundlage unseres Strafrechts. Die da agieren, sind die Jünger des Freien Marktes, der omnipotenten Lösung aller Fragen.

Doch das mittels eines Freien Marktes, die aus dem Vorgeschehen entstandenen ultimativen globalen Probleme der Menschen des 21. Jahrhunderts, nämlich Klimawandel, Zerstörung der Lebensgrundlagen durch Emissionen, Abfälle aller Art, daran gekoppelte Fluchtbewegungen, notwendige Schutzmaßnahmen usw., gelöst werden können, wagen mittlerweile selbst renommierte Ökonomen zu bezweifeln. Was da heranrollt, kommt einem Krieg gleich und da funktionieren freie Märkte ohnehin nur bedingt. Letztens amüsierte ich mich über ein Video bei “Tichys Einblick“. In einem Anfall von Masochismus hatte sich der Rechtskonservative ausgerechnet die beiden SPD Mitglieder, Fritz Vahrenholt, ehemaliger Hamburger Umweltsenator und den früheren Kampagnen-Chef von Gerhard Schröder, Matthias Machnig eingeladen. Nebenbei mit der Folge, dass die üblichen Zuschauer dieses Kanals steil gingen. Vahrenholdt machte deutlich, dass die anstehenden Lösungen in vielerlei Hinsicht anfangs nicht wettbewerbsfähig sein werden und deshalb einer staatlichen Regulierung und Förderung bedürfen. Mit dieser Auffassung läuft er konform zu Mitgliedern des Club of Rome, die teilweise ehemalige Jünger des Wachstumskult sind, nun aber als gefallene Engel ganz andere Sachen fordern.

Zurück zu den Jungen, die sich in einer Partei engagieren sollen.

Warum? Ihre Forderungen sind radikal, deutlich zu radikal, als dass sie in irgendeiner Partei ernsthaft eine Chance hätten. Sie würden bei den Jugendorganisationen geparkt werden, bis sie die Parteiräson verstanden haben und sich willfährig einem Königsmacher angebiedert haben. Da sind sie in einer Außerparlamentarischen Opposition deutlich besser aufgestellt. Allein das Gezeter des Establishments ist Beweis genug. Was wird da nicht alles aus dem Schrank geholt? Frau Neubauer ist eine Heuchlerin, weil sie selbst Flugreisen unternahm. Die sollen nicht streiken, sondern zur Schule gehen, etwas lernen und mit dem Gelernten die Probleme angehen. Klingt für mich ein wenig nach, die sollen nach Hause gehen und ihr Land wieder aufbauen, haben die Großeltern ja auch gemacht. Bei allem, was da auf dem Tisch kommt, werden geflissentlich ein paar Dinge übersehen.

Wir sprechen in Deutschland von einer Kriegs – und Nachkriegsgeneration. Letztere landete irgendwann im Wirtschaftswunder und zog dann meine Generation heran. Über lange Zeit gab es in Deutschland noch so etwas wie eine Wertschätzung der Dinge. Die Leute mussten teilweise vom Konsum überzeugt werden. Qualität, Haltbarkeit, Kompatibilität zu nachfolgenden Anschaffungen, eine gewisse Skepsis gegenüber überteuerten Marken, spielten eine große Rolle. Die große Aufgabe der Werbestrategen bestand darin, die Konsumenten von praktischen Überlegungen wegzubekommen und das Bedürfnis nach an sich unsinnigen, aber schicken, Status und Lebensgefühl vermittelnden Dingen zu wecken. In den 80ern war dieser Prozess so weit fortgeschritten, das erstmals das Wort “Konsumterror” aufkam. Der Kapitalismus erreichte Höchstform. Alles war zum Produkt geworden. Eltern begannen sich zu rechtfertigen, wenn die Zöglinge nicht die passenden Marken bekamen. In der Schule wurde gemobbt, wer die falschen Schuhe anhatte oder nicht den angesagten Parka zur Demo trug. Die erste Gegenbewegung dazu war der PUNK in deutscher Version. Während er in Amerika und in England von der Unterschicht ausging, waren es in Deutschland Heranwachsende aus der Mittelschicht, die die Sozialisation, den ewigen Kampf um einen gesellschaftlichen Aufstieg, das Häuschen mit Garten, an dem ein halbes Leben abgezahlt wird, die Piefigkeit der Politiker und den Konsum, ablehnten. Die Firmen reagierten schnell und schon nach kurzer Zeit liefen die geschmähten “Kaufhauspunks” durch die Straßen und die Musikbranche vernetzte sich mit den Herstellern der Accessoires. 1989 erfüllte sich der feuchte Traum der Wirtschaft. Jede Menge ausgehungerte Konsumenten mit erheblichem Nachholbedarf, die jede Kritik am Konsum notfalls mit Waffengewalt zu verteidigen gedenken.

Was bei der Nachkriegsgeneration noch unter Konsum lief, ist heute eher Bescheidenheit und bewusstes Leben. Die Grenzen haben sich bis ins Maßlose verschoben. Und in diese Situation wurden die aktuellen Jungen hineingeboren. Wir und kein anderer haben sie entweder geformt oder es zugelassen. Wir haben ihnen im Kindesalter die ersten Smartphones in die Hand gedrückt und sie von A nach B kutschiert. Wir haben ihn vermittelt, dass Urlaub eine Fernreise ist und nicht der Aufenthalt auf einem Bauernhof. Wir haben die Erosion der Werte zugelassen, in dem wir es versäumten Lebensleistung mehr zu honorieren als irgendwelche Quatschköpfe, die irgendetwas mit Medien, Werbung oder Dienstleistung machen und damit genug Geld verdienen, um ein Statussymbol auf vier Rädern in der Gegend herumzufahren. Wir haben zugelassen, dass die SPD mit Hartz IV die kurz vor dem Protest stehenden Arbeitssuchenden, aus Altersgründen auf das Abstellgleis Geschobenen, schlecht Ausgebildeten aus den sozialen Brennpunkten sedierten. Mir würden noch einige andere Sachen einfallen. Sie sind hineingeboren worden und leben innerhalb des Systems, wie es ihnen vorgegeben wurde. Einige von ihnen zeigen jetzt mit dem Finger auf uns und sagen: Ändert etwas, wir können es noch nicht, weil wir noch weit von den Schalthebeln der Macht entfernt sind. Dies ist absolut nachvollziehbar.

Den Trick mit der Abwälzung der Verantwortung auf den Konsumenten haben bereits jede Menge Philosophen, Kritiker und schlaue Denker unserer Zeit verstanden. Auch das steckt hinter dem Freien Markt. Die Verantwortung des Unternehmers für das Gebiet, die Angestellten, die Gesellschaft ist längst Geschichte. Aktionärsversammlungen, Manager, Investoren, kennen keine Verantwortung in dieser Richtung. Wie weit es mit der her ist, zeigte sich nachhaltig bei der Wiedervereinigung, als potenzielle Mitbewerber am Markt aufgekauft und abgewickelt wurden. In der heutigen Lage, in der die Manipulation der Verbraucher so perfekt ausgefeilt ist, ist der Verweis auf den Kunden, der den Markt steuert ein Hohn.

” … Demokratie kann nur leben, wenn die Menschen den Willen zur Objektivität haben und Selbstständig sind!” Dies ist wie zuvor beschrieben, meiner Meinung nach, nicht mehr gegeben. ” … die technokratische, oder nahezu kriegswissenschaftliche Handhabung der politischen Mittel …” Nichts anders sind die Kampagnen, der aktuelle Wahlkampf und der Umgang mit den Geschehnissen.

Mein Statement: Bleibt mal alle auf der Straße und organisiert dort – aber bitte mit ein wenig taktischen Augenmaß und Geschick – die Gegenbewegung. Innerhalb der Parteien werdet ihr nur geschluckt und kalt gestellt.

In einer Hierarchie hat ein kritischer Geist, der sich nicht anpassen und anbiedern will, gegen opportunistische Karrieretypen keine Chance. Rudi Dutschke forderte mal von meiner Generation den Weg durch die Instanzen. Seine Wegbegleiter mussten erkennen, dass er einen Faktor übersah. Die Formkräfte des Systems sind stärker, als der Widerstand dagegen. Und wer sich nicht anpasst, wird schnell begreifen, wie ausgeklügelt die inneren Regeln sind. Ich wiederhole mich: Es ist deren Zukunft in Gefahr, nicht die meiner Generation. Und passt auf, wer sich da aus Eurer Generation in den Parteien engagiert. Besonders die Junge Union und die Jungliberalen züchten sich gerade die nächste Mannschaft heran und da sind ganz üble Kandidaten am Start.