#Polizeiproblem als rhetorisches Mittel in negativen Konflikten
Der Hashtag #Polizeiproblem gehört zur Folklore der deutschen Teilnehmer auf der Plattform Twitter. Außerhalb spielt er kaum eine Rolle. Trotzdem ist er nicht uninteressant. Verwendet wird er von radikalen Gegnern der Polizei, interessierten Beobachtern des Geschehens, mit polizeilichem Bezug, vielen provokativ auftretenden Systemkritikern und auch Accountinhabern, die sich selbst als progressiv sehen und Missstände bei Handlungen sowie Äußerungen von Polizisten/innen bekämpfen wollen. Hinzu kommen noch Kriminologen und Lehrbeauftragte, Dozenten, an Universitäten oder Fachhochschulen. Der Begriff Polizeiproblem ist an sich ziemlich leer. Ein Kofferwort für alles Erdenkliche. Konkreter sind Hashtags wie #Polizeigewalt, #Korruption u.ä. Was denn eigentlich problematisch ist, bleibt oftmals im Dunklen.
Verallgemeinerungen und Schubladen entsprechen dem Zeitgeist der eher belanglosen, simplen, öffentlichen Diskussion. Meiner Auffassung nach eine Folge der allgegenwärtigen das Internet durchziehenden PR Kampagnen, deren Machern wenig an Differenzierungen und Darstellungen komplexer Sachverhalte gelegen ist. Was bei der Betrachtung des Hashtags richtungsweisend sein könnte.
Nahezu alle mir bekannten Abhandlungen, Untersuchungen, Studien zum Thema Polizei scheitern, wie ich bereits mehrfach in meinem BLOG anführte, an der Annahme einer Polizei. Gleichsam unterläuft dieser Fehler auch denen, die sich bemüßigt fühlen, diese eine Polizei mit Herzblut zu verteidigen. Dies kann so weit ausufern, dass ein Hashtag #Polizeifamilie verwendet wird, der dann sogar international gelten soll. Ich denke, dass ich mich im aktiven Dienst dagegen verwehrt hätte, mit diversen ausländischen Polizeiinstitutionen in einen Topf geworfen zu werden. Hierfür existieren definitiv zu viele Diktaturen und weltweite Korruption, oder auch Polizeistrukturen, die eher Geheimdiensten entsprechen. Zwischen der beruflichen Sozialisation von Kriminalbeamten/innen, überwiegend als Sachbearbeiter/innen tätig, Beamten/innen, im operativen Dienst, Schutzpolizisten im Stab, Abschnitt/Revier, geschlossene Einheiten liegen Welten. Weitere Faktoren sind das Bundesland, die Historie (z.B. ehem. DDR) und Aspekte wie Lebensalter bzw. Dienstzugehörigkeit. Schaut man als Beobachter bei den Tweets genauer hin, macht sich dies auch bemerkbar. Mit Untersuchungen meine ich nicht ausschließlich die, welche sich auf Außenwirkung oder Internes beziehen, sondern auch die, welche sich mit Mobbing, Stressbelastung, Burnout – Risiken oder Traumatisierungen auseinandersetzen. Hierzu habe ich jahrelang viele Studien verfolgt und landete irgendwann immer bei dem Absatz, wo die Beauftragten feststellten, dass sie nur einen kleinen Ausschnitt untersuchen konnten.
Warum stolpere ich gerade aktuell über diesen Hashtag?
Ich denke, ganz zu 100 % kommt man aus seiner Haut niemals heraus. Weder wird es mir gelingen über 30 Dienstjahre abzulegen, noch werde ich 10 Jahre als Konfliktmanager und Mobbing – Beauftragter in einer Polizeibehörde aus meiner Biografie löschen können, zumal diese Zeit maßgeblich prägend für meine Haltung gegenüber Hierarchien ist. Unter diesem Hashtag kommt es regelmäßig zu Konflikten, die mich interessiert einrasten lassen. So auch in den letzten Tagen. Zunächst begann es mit einem Accountinhaber, der eigenen Bekunden nach ehemaliger Polizist ist. In welcher Funktion lässt er offen. Hierfür wird er seine Gründe haben. Es gibt diverse Tätigkeiten, die dies durchaus begründen lassen. Warum er dennoch in seinem Account auf seinen ehemaligen Beruf verweist, erschließt sich mir nicht. Jedenfalls geriet er für alle öffentlich sichtbar mit dem Referenten beim Ministerium des Innern und für Sport, Alexander Büchel, in einen harschen Konflikt. Unter anderen ging es um dessen Präsenz beim Berufsportal LinkedIn. Herr Büchel präsentiert dort offen für jeden nachvollziehbar seine Behördenbiografie. Ich weiß nicht, wie es im betreffenden Bundesland aussieht, im Land Berlin würde man von einer erfolgreichen Blitzkarriere sprechen. Es ist Teil der Sozialisation operativ arbeitender Beamter/innen, dass sie diesbezüglich zur Skepsis neigen. Wobei dies nicht der Ursprungskonflikt war. Tatsächlich ging es wohl um einen kontrovers diskutierten Cartoon, der von der Kreispolizeibehörde Unna ins Netz gestellt wurde, welcher prompt mit dem besagten Hashtag belegt wurde. Zu sehen sind zwei junge Männer/Jugendliche im Dialog. Einer sagt, dass sein Vater bei der Polizei wäre. Der andere entgegnet, seiner wäre auch da und fragt, was der Vater des anderen angestellt habe. Ersterer wurde vom Zeichner als eindeutig “weiß” identifizierbar dargestellt, der andere hat Haare in einem Braunton und die Haut entspricht einem mitteleuropäischen Bräunungston. Kritisch kann man auf die Idee kommen, dass hier braune Hautfarbe mit kriminell in Verbindung gebracht wurde. Mit etwas Naivität, und die billige ich der Kreispolizeibehörde zu, kann man es auch als irrelevant sehen. Ich gebe zu, dass ich einen harmlosen Hauptmeister vor Augen habe, der ein wenig Zeichentalent besitzt und den Auftrag bekam, mal einige Zeichnungen anzufertigen. Profi ist er (beim Kürzel gehe ich von einem Mann aus) definitiv nicht, und er wird sich verwundert die Augen gerieben haben, was da im Internet abging. Ich selbst hatte mal einen Auftrag für die GdP. Ich bin schnell verzweifelt. Zu weiß, zu dunkel, zu sehr Hetero, zu Homosexuell, zu bunt, zu wenig Ost, zu wenig West – es ist nicht einfach, solche Zeichnungen zu produzieren. Ich mache es jedenfalls nie wieder.
Prompt erklärte Alexander Büchel, den eher gelassen an die Zeichnung herangehenden anderen Accountinhaber zum Polizeiproblem, obwohl der, wie dargestellt, gar nicht mehr dabei ist. Ich mutmaße, dass er dies auf die Uneinsichtigkeit bezog. Mir signalisierte dies, dass Herr Büchel nicht einmal im Ansatz in Erwägung zog, was ich weiter oben ausführte, mir damit mit Verlaub etwas verbiestert vorkam, wenigstens aber die notwendige Zurückhaltung eines Referenten missen ließ. Wenigstens kam es bei so an. Man kann es anders sehen, aber ich kann nur für mich sprechen. Für mich war es Anlass genug, die Frage zu stellen, welche problematische Aussage er konkret meint. Bis jetzt (21.04 Uhr) bekam ich hierauf keine Antwort. Bei beiden folgten die üblichen BLOCKs bzw. Kommunikationsabbruch. Ich möchte hinzufügen, dass auch ich viele Probleme bei der Polizei sehe. Die beziehen sich allerdings auf die Hierarchie, Führungsverhalten und welche Eigenarten gefördert werden. Da liegt vieles im Argen. Fairerweise muss ich noch anfügen, dass sich Herr Büchel dem Vorwurf ausgesetzt sah, mit seinen Tweets Radikale anzuziehen.
Ein durchaus ernst zu nehmendes Problem. Was auch immer tatsächlich in einem Einsatz geschehen ist, lässt sich keinesfalls anhand eines Videoausschnitts beweisen. Dies gilt für Täter/innen, als auch für Polizeikräfte, die u.U. zum Täter/in werden. Deshalb ist es der Polizei in einem Verfahren untersagt, Video – oder Bildausschnitte in ein Verfahren einzubringen, sondern muss das komplette Rohmaterial sichern. Ich kann nachvollziehen, dass sich aktive Polizisten/innen schützend vor ihre Tätigkeit stellen und eben genau diese Verfahrensweise einfordern bzw. auf den manipulativen Charakter eines Ausschnitts hinweisen. Dies ist kein relativieren, sondern eine professionelle Herangehensweise. Womit nicht im Geringsten behauptet wird, dass es keine überzogene Gewalt, Überreaktionen o.ä. gäbe. Ergänzung 13.12/23:30 MEZ: Ich betone dies nochmals! Während meiner aktiven Zeit und vor allem als Konfliktbeauftragter ist mir so ziemlich alles begegnet, bis hin zu Abgründen. Doch für genau die Fälle gibt es interne Stellen, nicht repressiv, sondern präventiv.
Damit war aber noch nicht genug. Es folgte ein zweiter Account. Diesmal von einem nach eigenen Angaben aktiven Schutzpolizisten aus Hamburg. Ich folge diesem Account schon eine ganze Weile. Er hat eine in Teilen konservative Anschauung, die stark ins biedere Bürgertum geht. Hieraus macht er auch kein Hehl. Meinem Eindruck nach resultiert daraus ein überaus korrektes Dienstverhalten, dem ich früher mit Sicherheit nicht gerecht geworden wäre. Ich hatte oftmals mehr eine “Laissez – faire” Haltung, die in Dienstvorschriften nicht vorgesehen ist. Auch hier zog Herr Büchel den Hashtag. Dieses Mal in einer meiner Auffassung nach bedenklichen Art. Hierzu möchte ich nochmals deutlich darauf verweisen, dass die Polizei, und in dem Falle tatsächlich mal die eine Polizei, ein klares Hierarchiegefüge hat. Dinge und Worte, die ich mir hier in diesem BLOG herausnehme, wären in einem aktiven Dienst in Konkurrenz zu höher dotierten Stellen undenkbar.
Aktiver Schutzpolizist:
– Ich habe sie geblockt, weil sie charakterliche Eigenschaften offenbaren, die ich, in ihrer Funktion für problematisch halte. Was die Basis hier für einen Eindruck von Ihnen bekommt, scheint Sie nicht zu interessieren.
Zur Erläuterung: Hier treffen im Internet zwei völlig unterschiedliche Ebenen aufeinander. Es mögen zwei verschiedene Bundesländer sein, aber auf der oberen Ebene werden die Distanzen per Anruf durchaus klein.
Antwort von Herrn Blüchel:
Und fallen Sie bitte nicht dem Irrglauben anheim, Sie würden viele, gar eine „Basis“ der #Polizei, repräsentieren. Das tun Sie nicht. Sie sind Wenige. Sie offenbaren durch Ihr virtuelles Wirken nur täglich neue Facetten des #Polizeiproblem|s.
Auch hier ließ ich es mir nicht nehmen nachzuhaken, erneut ohne Antwort. Klar ist, einmal ist die Basis im Sinne von Fußvolk gemeint und andererseits im Verständnis einer Art Mehrheit. Und dann eben wieder dieses Verwenden eines Pauschalbegriffs. Alles mit einer gewissen Bedrohlichkeit im Subtext.
Lösung, oder was kann man tun?
In erster Linie geht es mich nichts an und es interessiert mich wenig, ob die Kontrahenten zueinander finden. Was ich ein wenig schade finde, dass sich an vielen offensichtlich wenig ändert. Dies in einer Zeit, wo alle Signale auf “schwierig” stehen. Es gelingt mir nicht, mich von alten Erwartungshaltungen zu befreien. Wobei stets gilt: Erwartungen sind einseitige unausgesprochene Verträge, von denen die/der andere nichts weiß.
Ein ähnlicher Grundsatz wie: Führungsverantwortung heißt andere erfolgreich machen. Gehe ich davon aus, dass die kritischen Institutionen und auch Leute wie Herr Büchel. Polizei Grün e.V., Herr Oliver von Dobrowolski ein Ziel vor Augen haben, werden sie es nicht über negative verhärtete Konflikte erreichen. Dieses Ziel setze ich einfach mal voraus. Sollte es der Fall sein, dass es nur um Selbstdarstellung, Profilierung passend zum Zeitgeist und Verkauf von Büchern über Prominenz sein, nehme ich alles zurück und behaupte das Gegenteil.
Nach dem Konfliktmodell bei negativen Konflikten von Glasl landen die Kontrahenten irgendwann auf der Stufe, wo sie sich sogenannte Kombattanten suchen, die ihnen beistehen. Dabei will ich nicht ausschließen, dass ich da auch ein Stück weit hineingeraten bin. Eine weitere Stufe wird von ihm damit beschrieben, dass Drohungen und Handlungen folgen. Am Ende reißen sich alle gemeinsam in den Abgrund. Im vergangenen Jahr passierte dies mit einigen Berliner Account – Inhabern. Es ist immer eine Option, den Ring einfach zu verlassen. Im Internet gestaltet sich dies eher kompliziert, weil die Kontrahenten trotz gegenseitigen BLOCKEN immer wieder nachtreten. Ab einem bestimmten Zeitpunkt raten Konfliktmanager zu einer Machtintervention. Aber spätestens dann ist das Ziel verfehlt. Dies gilt es zu bedenken.
Vielleicht sollte die Polizeien der Länder und Bund in Erwägung ziehen, ihren Mitarbeitern die Kommentierung polizeilicher Themen in den Sozialen Medien gänzlich zu untersagen und es auf die offiziellen Medienteams beschränken. Früher war es auch untersagt, einfach mal so aus eigenen Stücken ein Interview zu geben. Auf Dauer nimmt dies kein gutes Ende. Wenn selbst die Spitzen, denen man einiges mehr an Zurückhaltung und Weitsicht bezüglich der Wirkung zutrauen sollte, Konflikte öffentlich austragen, ist dies meinem, nunmehr aus bürgerlicher Sicht, Verständnis nach, nicht in Ordnung. Die meisten Accounts, denen ich aus dieser Ecke folge, haben eine positive Eigenschaft. Die Inhaber/innen haben noch nicht die innere Kündigung vollzogen. Das ist keine Selbstverständlichkeit und es wäre betrüblich für ihre Aufgaben, wenn es passiert.
Die Auffassungen sind kontrovers – aber sie haben eine und gehen in Debatten hinein. Dies macht keine/r, die/der mit allem abgeschlossen hat und unerreichbar ist.
Du bist in jüngster Zeit ausgesprochen produktiv! Ich komme kaum mit Lesen nach 🙂
Zwei Bemerkungen zum Beitrag #Polizeiprobleme
” … Wobei stets gilt: Erwartungen sind einseitige unausgesprochene Verträge, von denen die/der andere nichts weiß.” – Ich denke, so absolut ist das nicht. Er/sie weiss sehr oft von meinen Erwartungen, teilt sie aber nicht oder will die ‘Verträge’ aus einem anderen Grund nicht unterschreiben …
Und noch etwas fällt mir so auf die Schnelle auf, was ich in meinen Äusserungen stets zu vermeiden suche: man. Du hast einen Untertitel gesetzt: “Lösung, oder was kann man tun?” – Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mit ‘man’ niemanden anspreche und nichts erreiche. Die Frage müsste heissen: “Lösung, oder was kann ich tun?” oder “Lösung, oder was können wir tun?”
Man … ist dieses alte Seminarthema bezüglich der ICH – Auskunft. War es Heidegger? Ich glaube ja. Er hat eine ganze Abhandlung zum Thema u. der ab und zu notwendigen Verwendung des “man” geschrieben. Hm … gut, vielleicht könnte es hier im konkreten Fall ersetzt werden.
Der Beitrag ist aber auch sehr “speziell”, weil er einen konkreten Anlass mit spezifischen Personen behandelt und – ich gebe es zu – im Subtext die Botschaft enthält, dass der eine oder andere vom Thron herunterkommen soll und andere aufhören sollen, gegen den Thron zu Pinkeln. Was sich dann auch in einem speziellen Deutsch äußerte. Offen gesagt, ist es mir nicht bekommen. Es bereitet mir Probleme, mich mit bestimmten Teilen der Polizeibehörde auseinanderzusetzen. Dachte es würde gehen, funktioniert aber nicht. Ich sollte sie weiterhin meiden.