Gendern? Eine Selbstkritik!

photo of cowboy bar signage Lesedauer 7 Minuten

Es ist jetzt fast 30 Jahre her, dass ich ein Baby auf meinem Unterarm zu liegen hatte und ich mir schwor, bis zum Letzten für die Freiheit dieses Kindes, meiner in diesem Augenblick 3 Minuten jungen ersten Tochter zu kämpfen. Vier Jahre später wiederholte ich diesen Schwur. A priori lagen da ganz neutral zwei Wesen in meinem Arm. Das Geschlecht war mir in diesem Moment vollkommen egal. Ich selbst habe mich in diesen drei Jahrzehnten in vielerlei Hinsicht verändert. Heute sehe ich hinter jeder Erscheinung, die sich mir präsentiert, ein Wesen, welches nicht mit den Augen zu erfassen ist. Doch diese Herangehensweise kann ich nicht von anderen einfordern. Es ist mehr so eine spirituelle Sichtweise.

Der junge Mann, Vater, von damals, ist Geschichte. Er hatte sich wenig mit den Nachteilen für Frauen auseinandergesetzt. Erst Recht nicht mit Sprache und Formulierungen, die eine lange Entwicklungsgeschichte spiegeln. Eine Geschichte, die bis in die Antike zurückreicht, von Religionen und einer Unmenge historischer Prozesse geprägt wurde. Unsere Sprache ist eine Momentaufnahme und gleichsam temporäres Ergebnis des Prozesses. In zweihundert Jahren wird unsere Sprache nur noch von Leuten verstanden werden, die sich mit alten Kulturen auseinandersetzen. Wer mit dem Anspruch lebt, das Alte zu bewahren, hat bereits im Ansatz verloren. Die Geschichte hat gezeigt, dass das nicht funktioniert. Stets lautet die Frage: Wo wird die Reise hingehen?

Die Feststellung meiner Töchter, dass zum Beispiel das generische Maskulinum nicht ohne Grund existiert, ist völlig korrekt. Somit ist auch der nachfolgende Gedankengang, ob man diese Gründe weiterhin akzeptieren muss, sie überholt sind, somit eine Änderung anzustreben ist, zulässig und zwingend. In Mitteleuropa existieren nicht mehr von Anführern geleitete Stämme und Sippen, die Fränkisch, Alemannisch, Slawisch, u.a., sprechen. Die patriarchalische Kirche hat ausgedient. Auch die Hexenverbrennungen sind vorbei. Die lange dauernde männliche Vorherrschaft ist für die Zukunft nicht mehr tauglich.

Bei anderen Begriffen sieht es ähnlich aus. Bei der Verwendung von Worten bin ich kein Chorknabe. Dabei ist mir ein Gedanke gekommen. Ich mache dies nicht unbedarft, sondern bewusst und zielgerichtet. Dies ist nur möglich, weil es eben durchaus nicht egal ist, welche Wörter ich verwende. Sage ich zum Beispiel “Fräulein”, will ich vorsätzlich herabsetzen. Es ist so gemeint und ich will es in diesem Moment auch so verstanden wissen. In anderen Bereichen funktioniert dies ebenfalls. Jahrelang hatte ich keinerlei Problem damit, Salafisten als “Teppichflieger” zu bezeichnen. Dies wird sich auch nicht ändern. Ich bringe damit meine Verachtung für religiöse Fanatiker zum Ausdruck. Die Betonung liegt dabei auf Fanatiker. Für “Verstrahlte Eso’s” gilt dies ebenso, wie christliche Ultras, Nonnen, die bei mir unter “Pinguin” laufen. Ja, ich gestehe mir diese Verachtung zu, wie ich gleichsam anderes mit Achtung betrachte.
Allerdings würde ich niemals behaupten, mir nicht bewusst zu sein, was ich da in diesem Moment tue. Jede/r, die/der sich konsequent maskuliner Begriffe bedient, kann dies gern tun und damit Haltung zeigen, aber darf im 21. Jahrhundert nicht erwarten, dass das als frei von Vorsatz erachtet wird. Es kann hierzu keine Verbote geben. Entscheidend sind Kontext und Zielsetzung. Wenn Kabarettisten/innen bewusst “verpönte” Worte benutzen, ist dies absolut zulässig. Geht es um Behörden, denen dies nicht zusteht, sehe ich eine andere Sachlage. Doch für jeden anderen gilt, das Recht sich mittels Äußerungen darzustellen, wenn sie wegen meiner auch direkt ins gesellschaftliche Abseits führen. Dies muss man aushalten oder schweigen. Insbesondere gilt dies für alle, die das Publikum suchen. Leider ist es mittlerweile Usus auf Liebesentzug weinerlich zu reagieren. Wer schreibt, Kunst jeglicher Art produziert, sollte dies meiner Auffassung nach niemals in Abhängigkeit vom Zuspruch machen. Entweder, ich habe etwas in mir, was herausmuss oder nicht. Ansonsten wird Kunst zu einem Konsumgut. Begleitet wird dies von einer Digitalisierung, die von diversen Leuten dazu benutzt wird, eben jenen Kontext auszublenden. Zusätzlich ist eine Zeit einer bisher nie dagewesenen Propaganda angebrochen. Der Kontext gilt für mich auch bei alten Texten und Büchern. Ich bin ein absoluter Gegner von nachträglichen Veränderungen. Es sind Zeitdokumente, die die damalige Epoche spiegeln. In Erwägung zu ziehen ist, ob man einigen Autoren/innen mit Hinblick auf ihr Lebenswerk eventuell posthum einen Gefallen tut, in dem der Text in ihrem Sinne lektoriert, wird. Dabei denke ich zum Beispiel an Astrid Lindgren und den mehrfach diskutierten Negerkönig bei Pippi Langstrumpf.
Ob nun Gendersternchen die richtige Methode ist, darf trefflich diskutiert werden. Allerdings habe ich persönlich keine Alternative parat. Doch die Intention dahinter ist absolut nachvollziehbar. Eventuell könnte eine Rückbesinnung auf die individuelle Ansprache, weg von abstrakten Verallgemeinerungen, sein.


Früher schaute ich mit Skepsis auf die teilweise radikale Vorgehensweise der Aktivisten und Aktivistinnen. Mein Argument bezog sich stets darauf, dass es keinen Zweck hat, den Leuten vor den Kopf zu schlagen, weil ich damit Abwehrreaktionen erzeuge. Meine Skepsis wurde von der Entwicklung überholt und ich hatte schlicht unrecht. Die Diskussionen und Debatten, die all diese Themen ins Licht gezerrt haben und viele Gedanken anstießen, wären ohne die vornehmlich radikalen Frauen niemals zustande gekommen. Und was denn tatsächlich radikal ist, entscheidet ohnehin die Geschichte. Die Suffragetten am Beginn des 20. Jahrhunderts galten als radikale, durchgeknallte Terroristinnen. Was sich damals allein wegen eines Wahlrechts abspielte, können wir heute nicht mehr begreifen. Gleichsam gilt für mich immer das erwähnte Wesen hinter der Erscheinung. Auch die Frauen unterscheiden sich dabei. Aktuell tobt eine Auseinandersetzung zwischen eher “verhärmten” Dogmatikerinnen wie Alice Schwarzer, die skeptisch auf Transsexuelle schauen. Dazu kann ich nur sagen, dass ich einen Kollegen kennenlernte, der Hermaphrodit geboren wurde, als Kind zur Frau operiert wurde, später seiner inneren Stimme folgte und sich für eine Hormontherapie entschied. Dies war am Ende mehr eine Notwendigkeit, denn der tatsächliche Wunsch. Eigentlich wäre er gern im ursprünglichen Geburtszustand geblieben. Aber die Zeit war noch nicht gekommen und die Biografie endete einsam mit einem Suizid. Insofern gilt für mich, dass ich die Hardlinerinnen lieber meide. Die Auseinandersetzung könnte unschön enden. Wenn ich alles korrekt verstanden habe, steht die biologische und neurologische Forschung noch am Anfang.

Traditionell sind Deutschland und Österreich eher träge und die Konservativen, vornehmlich außerhalb der etwas größeren Städte, setzen sich stur durch. Ohne Radikale würde die deutsche Gesellschaft auf der Stelle treten. Der Sturz der männlichen Vormacht ist, wie bereits bemerkt, mehr als überfällig. Gut wäre es, wenn die Folge nicht ein Machttausch ist. Beides, Patriarchat und Matriarchat, sind alte, überholte Modelle. Ja, es mag Unterschiede geben, die teilweise sogar von Neurochirurgen nachgewiesen sind, doch wir benötigen das gesamte Spektrum. Ich räume ein, dass es mir schwerfällt, mich anzupassen. Aber die Einsicht ist vorhanden. Im deutschsprachigen Raum betreten wir zumindest bei der Sprache Neuland. Alle die Englisch sprechen haben es da einfacher. Immer wenn ich schummle und mir bei Übersetzungen von einem Übersetzungsprogramm helfen lasse, stelle ich dies auf ein Neues fest.

Gegner, so auch ich ehemals, bringen stets vor, dass nicht die Sprache, sondern die Haltung bzw. die Handlungen ausschlaggebend sind. Also ganz simpel der Macho, Chauvinist, welcher sich hinterhältig “gendern” zu eigen macht, aber im Kopf nichts ändert. Der Gedanke ist zu kurz! Da wird etwas angestoßen, was in einigen Jahrzehnten fruchten wird. Ich werde es nicht mehr erleben, dass ein junger Mann wegen seiner erlernten Sprache gar nicht mehr anders denken kann. Aber es wird passieren. Alles fängt eines Tages an. Dann gäbe es noch die, welche hier etwas Diktatorisches mutmaßen. Leute, werdet wach. Strategen/innen aus der Werbung, PR-Agenturen, die Politiker/innen pushen, Meinungsmacher/innen, Influencer/innen, machen dies jeden Tag und ihre Ziele sind häufig nicht einmal ansatzweise gesellschaftlich förderlich. Im Ernst – beim “Gendern” ist Eure Grenze erreicht? Dies ist schlicht albern. Ich habe keine Ahnung, wie oft ich es bereits in meinem BLOG schrieb: Immer wenn es irrational wird, die Vernunft und der Verstand in den Hintergrund geraten, ist es Zeit auf die Suche zu gehen. Irgendjemand hat Angst seine Vormachtstellung zu verlieren oder gute Gründe keine Verantwortung zu übernehmen.

Jeder, der meine Töchter befragt, wird erfahren, dass ich ein Fossil bin. Nachdem ich als Junge “High Noon” gesehen hatte, war mein Lebensweg vorgezeichnet. Zum Leidwesen meiner Mutter manifestierte sich mein Rollenverständnis zusehend. Binärer, als mein Denken, ging kaum noch. Bis mir das Schicksal das Glück zweier Töchter bescherte. Meine Ex-Frau formulierte es anders: Es ist ein großes Glück, dass Du keinen Sohn hast. Heute stimme ich ihr zu. Ich musste lernen, dass Frauen komischerweise alles können, was ich an mir selbst als erstrebenswert betrachtete. Dem Typen, der seine angenommene Pflicht erfüllend die Straße entlang lief, die “Schwachen” beschützend, während die eingeblendete Uhr sich dem Showdown mit den Bösen näherte, wuchsen plötzlich Brüste. Trotz ihrer Weiblichkeit entpuppten sie sich nicht als reine von Östrogen gesteuerte emotionale Wesen. Mir wurde auch klar, dass ich meine Mutter ein wenig falsch eingeschätzt hatte. Anders formuliert, ein chauvinistischer Vater, der sich seinen Töchtern wirklich sehenden Auges stellt, bekommt über die komplette Rundenzahl voll auf die 12. Kurzum, ich war einer Erzählung aufgesessen und wurde eines Besseren belehrt. Mit Verlaub, da wird über “Gendern” nachdenken, ein Flohbiss.


Die Bezeichnung “alter weißer Mann” muss nicht als Beleidigung verstanden werden. Diese Entscheidung obliegt einem selbst. Sie bedeutet, dass man eine Biografie hinter sich hat. Kürzlich formulierte ich: “Jüngere messen nicht daran, was Du getan hast, sondern welche Schlussfolgerungen Du daraus ziehst und Dich dementsprechend verhältst!” Älter werden, ist bekanntlich keine Kunst. Maximal kann man anführen, was man schon alles überlebt hat. Nun, diesen Beweis müssen Jüngere erst einmal antreten. Aber was man aus den Jahren macht, ist eine vollkommen andere Nummer. Also … die Diskussion über “Gendern” ist konsequent und folgerichtig. Doch ein böser Hintergedanke steckt schon noch in meinem Kopf. Frau Alice Schwarzer lieferte sich, als das Fernsehen noch schwarz – weiß war, mit der provokativen Autorin Esther Villar “Der dressierte Mann” ein legendäres Duell, in dem sie der Autorin faschistische Tendenzen vorwarf. Villar wies auf die Nachteile des binären Denkens aus Sicht der Männer, hin. Krieg, Arbeiten bis zum Umfallen, kürzere Lebenserwartung, Aufopferung – dies passte Frau Schwarzer so gar nicht ins Konzept. Ein wenig geht dies in die Richtung der CSU Frontfrau Dorothee Bär, die sich darauf zurückzieht, dass Frauen die freie Wahl haben sollen, sich ins alte Rollenverständnis einzufügen. “Pulle voll, Frau besoffen!” – ist nicht. Wenn, dann ziehen wir in der Gesellschaft die Emanzipation durch. Dann hängen alle in der kapitalistischen Leistungsgesellschaft mit drin. Werden zum Sterben für das Vaterland von irgendwelchen Schreibtisch – Bewachern an die Front geschickt (Ich nicht mehr, Ätsch!) und sterben sozial – verträglich vor Eintritt ins Rentenalter. Ich suche es mir aus, wie es Frau Bär möchte, ist für mich inakzeptabel. Ziehen wir das “Gendern” durch, sitzen wir alle in einem Boot.

Ich habe gelernt – alter weißer Mann – , dass Frauen deutlich rationaler sein können, denn es Männer jemals sein werden. Testosteron – Überschuss und Ratio stehen im deutlichen Widerspruch zueinander. Testosteron reduziert zuverlässig Risikobewertungen, verführt zum “legendären” Schwanzvergleich, bringt Männer zu irren Aussagen wie: “Schaffe ich!”, obwohl sie es besser sein lassen sollten. In diesem Kontext führe ich immer an: “Wie bringt man das männliche Mitglied einer Spezialeinheit zum Suizid? Ganz einfach. Sag ihm, dass er etwas nicht kann. Er wird versuchen eine 8 Meter messende Kluft zu überspringen.” OK, dies hat die Welt an den Abgrund gebracht. Ich habe “High Noon” erwähnt. Vielleicht ist der einen oder anderen der Fehler aufgefallen? Würden sich Frauen ohne Beteiligung von Männern auf diesen Unfug einlassen? Ich denke nicht! Nehmen wir an, die Bösen wären tatsächlich die Männer. Diese “Primitivos” wären komplett “Titten” fixiert und man könnte sie bequem von hinten abknallen. Also, worüber schreibe ich hier? Ukraine, ohne Männer, vorstellbar? Eher nicht! Putin? Mann! Alle Generäle? Männer! Uh, ich Kommunist, Du Kapitalist, ich Russe, Du Amerikaner, ich besser, ich schlauer – ich längeren Schwanz. Lasst uns einfach weltweit umschalten.

Einsatzlage? Chaotisch mit ungewissem Ausgang

planet earth Lesedauer 5 Minuten

Sollte jemand fragen: Wir waren nie hier!

Worte eines Einsatzleiters, 2001

Das Zitat stammt aus einem Einsatz von Berliner Spezialeinheiten MEK/SEK in Brandenburg im Rahmen der Bekämpfung russischer Krimineller. An diesem Tag ging alles schief. Die Kommunikation funktionierte weder technisch noch informell. Die eingesetzte Technik versagte auf der gesamten Linie. Folge war ein völliges Chaos. Ich selbst sah mich mit meinem Teampartner in einer ziemlich realen lebensbedrohlichen Situation. Irgendwo in der Nähe befanden sich schwer bewaffnete Täter, die jederzeit das Feuer hätten eröffnen können. Also ließen wir den Einsatz sein und gingen in volle Deckung. Im Chaos kann man nur noch sich selbst und unmittelbare Mitstreiter retten. Oder ein wenig anders: Innerhalb des Durcheinanders eine Blase erzeugen, in der eine Struktur herrscht. Es blieb nicht das einzige Chaos. Doch damals lernte ich diese Lektion erstmals.


Seit wie vielen Jahren befinden sich nun die beiden großen Denkmodelle für die Gestaltung des menschlichen Zusammenlebens im Clinch? Fest steht, dass der II. Weltkrieg nahtlos in den Kalten Krieg überging. 1989 wurde er mehr oder weniger symbolisch einseitig seitens des Westens für beendet erklärt. Unter Führung der USA setzten die westlichen Industriestaaten alles daran, den von der Sowjetunion angeführten Gegner wirtschaftlich in den Bankrott zu treiben. Längst war seit den 70ern bekannt, was parallel stattfindet. Die Zerstörung der Lebensgrundlagen von allem Leben auf dem Planeten Erde. Die Programme, mit denen Wissenschaftler die Veränderungen mit Satellitenaufnahmen dokumentierten, wurden aus militärischen und taktischen Gründen gestoppt. Alternative Energien, die einen Strukturwandel erfordert hätten, wurden zum Opfer des Kriegsziels.

Der NATO – Generalsekretär Stoltenberg sagte letztens, dass Präsident Putin niemals die Konsequenzen des Kalten Krieges akzeptiert hätte. Anders hätte er auch formulieren können: Putin hat niemals kapituliert! Es war noch nie eine gute Idee aus einem Konflikt mit Gewinnern und Verlierern hervorzugehen. Prompt erleben wir einen II. Kalten Krieg. Der Zeitpunkt für das Einleiten von Veränderungen, die die zerstörerischen Eingriffe wenigstens gemildert hätten, waren die 70er. Heute sind wir längst in der Situation angekommen, dass die großen Staatssysteme auf die Veränderungen reagieren und sich auf das Kommende vorbereiten. Die USA, China, Russland, Europa, Indien und die Mitglieder der ASEAN Vereinigung ringen um die zum Überleben innerhalb des Anthropozäns notwendigen Ressourcen. Geredet wird viel, allein die Taten zeichnen ein vollkommen anderes Bild. Wie Wölfe setzen alle ihre Reviermarken. Wasser, seltene Erden, Öl, Buntmetalle und die Transportwege sind die Kriegsziele des weltweiten II. Kalten Krieges.


Während ich schreibe, läuft bei mir im Hintergrund die Sendung “die Diskussion” auf dem Sender “Phoenix”. Wolfgang Kubicki (FDP) äußert dort, dass er einmal einen Brief an Robert Habeck (Grüne, Minister) richtete, in dem er ihm folgende Logik darlegte. Wenn es nur einen Weg gäbe, den Klimawandel aufzuhalten (*Was in Anbetracht der Tatsache, dass wir bereits mittendrin sind, bereits irreversible Schäden bestehen, nicht mehr möglich ist. Maximal kann man noch von einem “einfrieren” des Ist – Zustands ausgehen.), hätten alle anderen Meinungen keine Gültigkeit mehr. Man müsste dann die Demokratie abschaffen, weil alle anderen, die sich dagegen stellen, direkt in den Untergang führen würden. Deshalb wäre, so Kubicki, die Überlegung, dass es nur diesen einen Weg gäbe, Demokratie und rechtsstaatsfeindlich. /https://www.youtube.com/watch?v=AESODYihHLc 21:30. Er leitet diese Aussage mit dem Hinweis auf eine vermeintliche Uneinigkeit der Wissenschaftler ein.

Die Wissenschaftler sind sich weltweit nicht uneins darüber, dass der Klimawandel stattfindet. Aus alten Theorien ist längst Realität geworden. Nahm man einst noch an, dass es so etwas wie “Klimagase” und hiermit verbundene Auswirkungen gäbe, ist innerhalb eines gigantischen Laborversuchs der Beweis nunmehr messbar. In vielerlei Regionen muss man auch keine Wissenschaftler befragen. Es genügt vollauf, dort lebende Menschen zu befragen. Nicht anders sieht es auf den Weltmeeren aus. Fischer wissen ganz genau, was da im Wasser passiert. Die Antwort auf die Frage, wie es dazu kam und wie man den Prozess wenigstens nicht auch noch beschleunigt, ist ebenfalls wissenschaftlich gegeben worden: Stoppt die schädigenden Prozesse! Fraglich ist einzig, wie man den Homo sapiens, insbesondere den Teil, welcher in den Industriestaaten lebt, davon abhält. Diese Antwort können Wissenschaftler nicht geben. Ausgeklammert wird dabei auch immer wieder, dass es nicht ausschließlich um die für das Klima unmittelbar schädlichen Eingriffe geht. Chemikalien, Müll, nukleare Abfälle, die in die Meere entsorgt werden, auf dem Meeresgrund lauernde Altlasten des II. Weltkriegs, Havarien von Tankern und Bohrinseln, verändernde Eingriffe in Landschaften, übermäßiger Wasserverbrauch, Überfischung, Vergiftung der Atmosphäre mit anderen Substanzen, gehören zur Bedrohung dazu.


Kubicki spricht von Demokratien und einem Rechtsstaat, innerhalb dessen die Völker eine Entscheidungsmacht innehätten. Doch sind die Entscheidungen nicht bereits seit Jahrzehnten weit über die Köpfe der “normalen” Bevölkerung hinaus getroffen worden? Da, wo ich sozialisiert wurde, spricht man von Einsatzlagen. Einem Einsatz geht eine Lagebeurteilung voraus. Für sie werden technische und per Manpower erlangte Informationen ausgewertet: Wetter, Örtlichkeit, zu erwartende Aktionen, von wem, mit welcher Stärke, Motivation, Handlungsbereitschaft usw. Dann werden Expertisen von Spezialisten eingeholt. Wie kann alles mit den vorhandenen Mitteln, der bestehenden Manpower, mit welchen Qualifizierungen, gemanagt werden. Auf Basis dessen wird mit Unterstützung eines Befehlsstabs von einem Einsatzleiter ein Einsatzbefehl formuliert. Ein guter Leiter verlässt sich dabei nicht auf seine eigenen Kenntnisse, sondern sein Talent besteht in der Koordination und der richtigen Auswahl von Beratern.

Die Lagebeurteilung “Zerstörung der natürlichen Lebensbedingungen” ist längst abgeschlossen. Wir befinden uns inmitten eines globalen Einsatzes. Die Wissenschaftler gehören zu den Aufklärern, die bereits vorher Informationen lieferten und nun weiterhin im Einsatzraum aktiv sind und uns den Lageverlauf melden. Was uns gänzlich fehlt, ist ein vertrauenswürdiger Befehlsstab, der alles koordiniert. Schlimmer noch, ich habe den Eindruck, dass der Stab nach Hause gegangen ist und das Geschehen den Störern überlassen hat. Überall laufen vollkommen unkoordiniert Einsatzkräfte in der Gegend herum und versuchen verzweifelt, mit Einzelaktionen an vereinzelten Orten den Störern die Stirn zu bieten. Dies kann nicht funktionieren.

Eiskalte Strategen wissen dies alles. Gerät ein Einsatz zum Chaos, gibt es nur noch eine Devise: “Ich bringe mich und meine Gruppe ohne Rücksicht auf fremde Belange in Sicherheit!” Exakt da stehen wir global gesehen. Die großen Nationen versuchen jeder für sich im sich immer mehr ausbreitenden Chaos zu retten. Zwischen den “Großen” entstehen rein strategische Regionen. Ich befürchte, Mitteleuropäer, die an Allianzen glauben, sind schlicht naiv. Bereits im I. Kalten Krieg, wäre Mitteleuropa in einer heißen Phase nach wenigen Tagen nur noch wüstes Land gewesen.


Russland, angeführt von Putin und den ihn ergebenen alten Veteranen des I. Kalten Krieges, hat lange eine Reaktion auf die aggressiven Sicherungsaktionen der westlichen Industriestaaten vorbereitet. Für Russland geht es nicht um Expansion, sondern um die Überlebensfähigkeit in der zukünftigen Weltlage, nachdem in nicht allzu ferner Zeit die Kipppunkte erreicht wurden und ein neuer stabiler Zustand entstanden ist. Entweder Russland wird zum “Ausbeutungsgebiet” und Anlieferer für Ressourcen oder bleibt aktiver “Player”, der sich beliefern lässt. Bewusst und vorsätzlich haben die westlichen Industriestaaten, den Staatskapitalismus “Russland” in die Ecke gestellt. Ich befürchte, dass das in ein Aufbäumen mündet, welches in einen offenen Schlagabtausch in der Mitte endet, der mit einem K.O. endet. Es sei denn, Russland wird aus der Ecke herausgelassen und bekommt ein zufriedenstellendes Angebot. Setzen sich in den USA die Republikaner durch – knallt es. Die anderen “Großen” können sich ganz entspannt in der Umkleidekabine “anschwitzen” und auf einen Kampf mit einem angeschlagenen Gegner vorbereiten. Dies wird nicht der Untergang der Menschheit sein. Fraglich ist, wer am Ende übrig bleibt und sich mit den vollkommen veränderten Lebensbedingungen arrangiert. Europa wird es nicht sein, der Punkt ist längst überschritten.

Mein Bruder Winnetou

teepee in desert under clear sky Lesedauer 2 Minuten

Als Junge las ich alles, was Karl May geschrieben hatte. Der Umstand, dass er nie selbst in den USA war, sich mehr oder weniger alles aus den Fingern sog, wusste ich noch nicht. Ich las nicht nur Winnetou, sondern auch die angeblichen Reiseberichte des Kara ben Nemsi und einiges mehr. Ich denke, einiges davon prägte mich. Anstand, Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit, Freundschaft, zugegeben alles verbunden mit dem Bild eines “richtigen” Mannes. Heute würde dies nicht mehr durchgehen. Allerdings kann ich mich an keine Stelle in seinem Werk erinnern, in der er Frauen diffamierte oder sie in ein Klischee presste.

OK, er schrieb über Indianer, die heute vollkommen korrekt als Natives bezeichnet werden. Mit Sicherheit würden heute diverse Stellen unter “positiven Rassismus” laufen. Doch interessant ist dabei, dass Karl May zu Lebzeiten aus ganz anderen Gründen der Zensur unterworfen wurde. Seine Schriften galten zeitweilig als jugendgefährdend. Würfe man 2022 den Vertretern und Vertreterinnen der postmodernen Moral seine Bücher auf den Tisch, wäre das Ergebnis vermutlich ein verzogenes Gesicht und man bekäme ein langgezogenes “Problematisch” zu hören. Indianer, Häuptling, toxisches Männerbild, Kolonialismus, usw. Obwohl Old Shatterhand mit seiner Lebensart und seiner Einstellung alles andere als ein Rassist oder Freund der “weißen” Kolonialisierung war. Erneut unterläge Karl May einer Zensur. Da kommt einem der bösartige Gedanke an Parallelen von damals zu heute.

2022 lesen Jugendliche, wenn überhaupt andere Bücher. Ich bin es im Kopf mal durchgegangen. Nach aktuellen Vorstellungen blieben vermutlich nur noch “5 Freunde” übrig, da die wenigstens eine androgyne Person in der Bande hatten. Was damals als “guter” Comic galt, z.B. “Tim und Struppi” oder “Spirou&Fantasio”, ja selbst Asterix&Obelix (z.B. Trabantenstadt mit stereotyper Darstellung der Numidier), landet nach neuen Moralvorstellungen auf dem Index. Sie spielen Ego-Shooter, hören Rap, in dem die Bitches richtig ran genommen werden und die Interpreten ein bis zwei eklatante Probleme mit ihrer analen Phase gehabt haben müssen. 15-jährige Popsternchen singen davon, dass man sie doch bitte mit dem “Rythmen – Stick” über den Teppich treiben solle. Dagegen waren Led Zepplin mit der musikalischen Verarbeitung eines Orgasmus beim Doggy – Stile, beinahe Chorknaben.

Wenn ich bei Twitter die ganzen Aufforderungen zum Gendern, einem anderen Umgang, oder die Aufforderung zur Rücksichtnahme lese, empfinde ich meistens Abscheu vor der Verlogenheit. Besonders, wenn eben mal im Vorbeigehen irgendetwas aus der Vergangenheit herausgegriffen wird. Wenn, dann bitte alles auf den Prüfstein legen und mal eine klare Ansage machen, was denn damit geschehen soll. Soweit ich das überblicke, entsprechen um die 60 – 70 Jahre, Rock’n Roll, Blues, Funk, Jazz, Disko – Pop, die komplette Literatur der Beat – Generation, US-amerikanische Literatur der 60er und 70er, nicht einmal große Werke wie der “Ulysses”, von James Joyce, und schon gar nicht die Comics aus dieser Zeit, den Postmodernen Moralvorstellungen. Aus den öffentlichen Büchereien entfernen? Ein Heer von Sozialpädagogik Studenten/innen, das Problem aufzeigende Abhandlungen schreiben lassen?

Oder machen wir es wie früher? Henry Miller durfte seine Werke lange Zeit nicht in den USA veröffentlichen. Ginsberg wurde wegen Pornografie vor das Gericht gezerrt. Mailer bekam auch so seine Probleme. Großbritannien verbot die Pop – Musik im Radio, woraufhin die DJ’s auf ein Boot außerhalb der Zuständigkeit zogen. Ich habe eine Weile versucht, offen an die Sache heranzugehen. Doch nunmehr überkommt mich das Gefühl, dass ich mich nachträglich mit den Moralwächtern der alten Zeit auf eine Stufe stellen würde. Selbstverständlich gibt es üble Veröffentlichungen, die kritisch zu sehen sind. Da ist auch eine ganze Menge Schund dabei. Aber wenn die Leser/innen und Hörer/innen mit alledem nicht mehr umgehen können, liegt das Problem auf deren Seite und am Intellekt.

Halbherzige Legalisierung

dark green leafed plant Lesedauer 9 Minuten

Nahezu alle unsere Strafgesetze beziehen sich darauf, dass Schaden von einem Individuum oder von der Allgemeinheit abgewendet werden sollen. Die Bestrafung der Täter soll läutern, abschrecken und dem Anspruch der Opfer auf Sühne genügen. Man kann sich trefflich darüber streiten, wie die Gewichtung zwischen Eigentumstaten und der Schädigung der Unversehrtheit eines Menschen ausfällt. Hier kommt ein wenig zum Ausdruck, worauf kulturell mehr geachtet wird. Doch wie sieht es mit Handlungen aus, bei denen ich mich ausschließlich unter Umständen selbst schädige, aber niemanden anderen behellige? Ganz heftig ist hierbei die Selbsttötung umstritten, die umgangssprachlich auch Selbstmord genannt wird. Mord grenzt sich vom Totschlag oder einer Körperverletzung mit Todesfolge durch den Vorsatz und die niederen Beweggründe. Wo sollten die zu finden sein, wenn sich jemand selbst das Leben nimmt? Für mich ist das ein Relikt aus einer Zeit, in der die christliche Religion den Leuten vorschrieb, wie sie zu leben haben. Ob sie nun gläubig waren oder nicht, spielte keine Rolle. Die Kirche bestimmt und bei der war die Selbsttötung eine Sünde.

Straftat ohne Fremdschaden

Deutlich weiter unten angesiedelt ist alles, was sich um das Betäubungsmittelgesetz abspielt. Aber auch hier schädigt sich ein Mensch selbst, in dem er eine Substanz zu sich nimmt. Ein Akt, den der Mensch quasi seit seiner Existenz vollzieht. Alkohol trinken, getrocknete Blätter rauchen, Tee, Sud aus Kräutern, Pilze, die Liste ist lang und der Konsum findet seit mehr als 100.000 Jahren statt. Erst später, mit fortschreitender Entwicklung der medizinischen, biologischen und chemischen Kenntnissen, wurden die rein natürlichen Substanzen, Drogen, verfeinert oder synthetisiert. In der Moderne entstehen täglich neue Substanzen, die als Rauschmittel geeignet sind und eingenommen werden. De facto besteht ein dauerhaftes Bedürfnis danach. In wahrsten Sinne des Wortes werden die Konsumenten und die Hersteller, insofern sie keine Genehmigungen haben, im Auftrag von Leuten in Entscheidungspositionen über legal und illegal, verfolgt. Verfolgen bedeutet hinterherrennen, denn die anderen sind immer einen Schritt voraus. Warum fühlen sich Leute bemüßigt andere zu verfolgen, die ihnen weder etwas getan haben, noch andere schädigten? Wissen sie mehr? Sind sie vernünftiger, verantwortungsbewusster, intelligenter? Handeln sie im Auftrag von etwas Höheren, was über allen steht? Gott? Ein globales gemeinsames ethisches Verständnis, wie ein Leben zu führen ist? Wo fängt man da und wo hört es auf?

Während der Prohibition in Amerika gab es zwei Zielrichtungen. Da war die Sorge, dass die Arbeiter ihre Leistungsfähigkeit für die Industrie einbüßen würden und außerdem passte religiösen Eiferern das gotteslästerliche Trinken inklusive der Begleiterscheinungen nicht in den Kram. Als die Prohibition endete, war der Leiter der zuständigen Behörde mit samt seiner Mitarbeiter über Nacht arbeitslos. Eine neue Kampagne musste her. Dies war die Stunde Null des Feldzugs gegen Cannabis. Im II. Weltkrieg konsumierte ein großer Teil der deutschen Bevölkerung Amphetamine. Den Soldaten und der Heimatbevölkerung sollten mit der Droge eine höhere Leistungsfähigkeit ermöglicht werden. Was eben noch legitim war, passte in den beiden neuen deutschen Republiken nicht mehr ins Konzept. Zumindest nicht offiziell, denn die Bundeswehr unterhielt noch lange Zeit Bestände. Größtenteils steckte dahinter kein echter Sinneswandel, sondern die Pharmaindustrie entwickelte Drogen, die nun Medikamente hießen, die effektiver und mit weniger Begleiterscheinungen wirkten. Die härteren Sachen schluckten und spritzten die GI’s im Vietnamkrieg, während Uncle Sam mindestens beide Augen zudrückte. Und da die US Army sich überall herumtrieb, landeten LSD, Heroin, auch in Deutschland. Wobei es im Falle von Heroin eine Rückkehr in die Heimat war.

Ob eine Droge legitim ist oder nicht, wird am Schaltpult der Macht nach Bedarf entschieden, die Konsumenten haben da wenig Mitspracherechte. Steigt man in die Thematik ein, ist es ein Stolpern von einer unlogischen Argumentation zur nächsten. Immer wenn dies der Fall ist, spielen mit Sicherheit Geld, Macht, Religionen, Ideologien (insofern sie nicht eine Form der Religion sind) und Emotionen eine Rolle. Diese Faktoren hebeln zuverlässig Vernunft und Verstand aus.


Die Rhetorik der Polizeigewerkschaften

Die Polizeigewerkschaften haben sich in letzter Zeit die Rhetorik zurechtgelegt, dass eine Legalisierung von Cannabis nicht zu einer Verringerung des polizeilichen Aufwands, sondern ganz im Gegenteil zu einem größeren führt. Hierbei zeigen die Sprecher (Ich bin GdP – Mitglied, insofern kann ich nicht schreiben, die Gewerkschaften) auf den Nachbarn Holland. Sie verschweigen geflissentlich, dass dort eine echte Legalisierung niemals stattfand. Die Abgabe aus den Shops geht in Ordnung, aber wo die Ware herkommt ist eine andere Sache. Damit ist die Begleitkriminalität im Hintergrund vorprogrammiert bzw. zwingend. Des Weiteren verweisen sie auf einen entstehenden Schwarzmarkt, weil nicht alle die aufgerufenen Preise inklusive Steuern zahlen wollen. Einfache Lösung: Dann macht einfach Haschisch und Gras nicht so teuer!
Ein Staat ist unbestreitbar auf Steuern angewiesen. Doch bei den Genussmitteln, so werden manche Drogen euphemistisch auch genannt, werden die erhobenen Steuern als erzieherisches Mittel benutzt. Sucht oder wegen meiner Genuss wird zum Luxus für gut Verdienende. Wer Geld hat, darf sich als Kettenraucher die Lunge schädigen oder mit hochwertigen Spirituosen die Leber zerstören, während Ärmere gefälligst Fusel trinken sollen oder sich Kippen von der Straße aufzuklauben haben. Mich erinnert dies ein wenig an die Geschichte der allseits gehuldigten US – Demokratie, in deren Anfängen klar gesagt wurde, dass die politischen Geschicke von Reichen bestimmt werden sollen, weil die Armen nur Unsinn veranstalteten. Aus dieser Überlegung gingen die Wahlmänner hervor. Bei Drogen ist die Annahme offensichtlich, dass wirtschaftlich erfolgreiche Leute, besser mit Drogen umgehen können. Die Praxis spricht eine andere Sprache. Es ist egal, ob der Fahrer einer S – Klasse drei Flaschen Wein intus hat oder die Corsa Fahrerin 6 Bier getrunken hat. Ganz egal ist es nicht. Der mit der S – Klasse hat größere Chancen einer Standkontrolle zu entkommen. Aber wo kämen wir hin, wenn sich das örtliche Trinkermilieu vor dem Discounter das Leben mit einem Scotch, statt mit billigem Wodka, schöner saufen würde? Bei anderen Drogen ist es noch dramatischer. Diverse prominente Musiker haben vorgemacht, dass man mit gutem Heroin, Koks, sehr alt werden kann, während die weniger erfolgreichen Pusher auf der Straße bereits in jungen Jahren verrecken.

Doch selbst auf den Wodka werden noch ordentlich Steuern erhoben. Eine etwas skurrile Situation. Obdachlose und Bedürftige, die eigentlich mit Steuergeldern bedacht werden sollten, zahlen selbst mittelbar Steuern. Letztens las ich einen Artikel über die Krise in den USA. Ein Reporter fragte einen Obdachlosen, ob denn nicht der Drogenkonsum die eigentliche Ursache für das Elend der Leute wäre. Der einst erfolgreiche Musiker antwortete, dass erst der Absturz käme. Die Drogen würden folgen, um das Leben am Boden erträglich zu machen. Ich bin kein Sozialromantiker. Viele waren nie oben und konnten abstürzen. Sie waren immer unten und müssen sich damit arrangieren. Nun, es läuft immer auf das gleiche Ergebnis hinaus. Warum auch immer besser gestellte Leute, die sich selbst alle Drogen leisten können, selten ins Visier der Strafverfolgungsbehörden geraten, verbieten sie entweder oder sorgen dafür, dass sie teuer sind.
Einige argumentieren, dass die Schäden, medizinische Behandlungen, Krankenhausaufenthalte, irgendwie finanziert werden müssen. Ganz dünnes Eis. Wenn wir diesen Maßstab an alles anlegen, was die Krankenhäuser und Arztpraxen füllt, die Pharmaindustrie reich macht, wird es lustig. Wo wollen wir beginnen? Zucker? Billigend in Kauf genommene erhebliche berufliche Belastungen? Mikroplastik? Schadstoffe? Karzinogene in Schädlingsbekämpfungsmitteln? Antibiotika in der Massentierhaltung? Modische Eskapaden? Sportarten? Nein, dieses Argument ist sehr leicht angreifbar. Der Staat finanziert einen Teil seiner finanziellen Bedürfnisse über die Sucht der Staatsbürger. Würde es sich um eine Person handeln, müsste man von einem Dealer sprechen. Dabei wird billigend die Entstehung eines Schwarzmarkts hingenommen, auf den wiederum der Zoll und die Polizei losgelassen wird. Eine Institution, die eigentlich keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme benötigt. Also, Ja, ein Schwarzmarkt für Cannabis wird entstehen – wenn es durch offizielle Abgabe und Steuern, teuer gemacht wird.

Ganz abgesehen von allen, erscheint es mir suspekt, wenn sich meine Berufsvertretung in die Diskussion einmischt. Meinem Verständnis nach befindet sie sich weit außerhalb ihres Bereichs. Weder steht ihnen eine soziologische, medizinische, noch eine politische Expertise zu. Kernbereich wäre ein Hineinhorchen in die Polizeibehörde und Untersuchung, inwieweit innerhalb ein Drogenproblem besteht. Hierzu könnten die internen sozialen Dienste einiges erzählen. Ich hörte davon, dass Alkoholismus, Spielsucht, Kokain, Amphetamine, Anabolika (auch die Körpermodifikation ist eine Sucht) nicht zu übersehende Themen sind. Es soll auch Arbeitsbereiche geben, wo die gängigen Schmerzmittel Bestandteil des täglichen Frühstücks sind.


Anmaßung oder Selbstüberschätzung der politischen Entscheider


Politisch wird argumentiert, dass die Welt schon schlecht genug ist und man sie nicht noch schlechter machen muss. Schlimm genug, dass man nicht Alkohol und Nikotin aus der Geschichte entfernen kann, dann muss man nicht auch noch andere Drogen hinzufügen. Arme Irre! Sie existieren, werden je nach persönlicher Ausrichtung konsumiert und sind überall, bis auf wenige Exoten, käuflich. Ebenso könnten sie versuchen, Menschen vorehelichen Sex zu verbieten. Es wirkt mittlerweile ein wenig verzweifelt, wenn das alte Märchen der 70er von den sogenannten Einstiegsdrogen erzählt wird.

Erstmalig wurde diese Hypothese 1975 in den USA unter den Schlagworten “stepping-stone theory ” oder auch “gateway theory” veröffentlicht. Menschen begännen zunächst mit weniger “gefährlichen” Drogen und würden sich dann nach und nach an die “harten” Sachen heranwagen. Ich halte fest: USA, 70er! Wir befinden uns mitten in der Hippie – Bewegung, die sich gegen ein Amerika im Vietnam – Krieg und eine Gesellschaft gezeichnet von ultra – konservativen Republikanern wendet. Es ist auch die Zeit der psychedelischen Experimente, einer dazu passenden Musik und kulturellen Bewegung, sowie Drogen in der Art von LSD, Heroin, Pilze. Marihuana, keine Droge mit psychedelischer Wirkung, ist Teil des Protestes. Zur Betrachtung stehen demnach Konsumenten, die sich von der Entwicklung abwenden, womit sie zu subversiven Elementen werden. Alkohol, Zigaretten, sind quasi der amerikanische Way of Life. Der Marlboro – Mann reitet auf seinem Pferd, die Packung Lucky Strike dekoriert den Helm des Soldaten und Johnny Walker & Co werden im Fernsehen völlig unbekümmert wie Orangensaft getrunken. Aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass bei den damaligen Untersuchungen ein wenig der soziologische Aspekt übersehen wurde.

Damals wie heute sind Alkohol und Zigaretten, sowie einige pushende Medikamente (z.B. Tilidin, Novalgin, Tramal) wenig für eine rebellische Abgrenzung geeignet. Bei Cannabis ist dies schon eher der Fall. Dennoch sind die ersten Drogen im Leben eines deutschen Jugendlichen immer noch Alkohol und Zigaretten. Cannabis ist dann neben der Rebellion auch eine Frage des Geschmacks. Viele bleiben beim Alkohol, weil ihnen die Wirkung des Cannabis nicht zusagt. Bei denen, die bereits in jungen Jahren zum Dauerkiffer werden, müssen noch diverse andere Faktoren hinzukommen. Die Wirkung ist bei Heranwachsenden durchaus dazu geeignet, Langeweile, Perspektivlosigkeit, mangelnde Reize, erträglich zu machen. Beim gestressten Erwachsenen kann es die Entspannung oder die Pause sein, aber was will man bei einem Jugendlichen, dessen Leben sich auf PC – Spiele und Abhängen in hässlichen Wohngegenden beschränkt, entspannen? Hierzu könnte ich noch einiges ausführen. Mich wundert jedenfalls das Verhalten einiger Kandidaten in einer fest vorbestimmten Welt überhaupt nicht. Einmal weggerutscht, am falschen Ort geboren, eine Phase gehabt, weg ist man vom Fenster. Im Übrigen beschränken sich diese Kandidaten/innen nicht auf Cannabis. Mich wundert bei Ärzten immer, wie die genau sagen können, welche Droge die bestehenden Schäden verursacht haben. Mir erscheinen in diesem Zusammenhang stets die kleinen bunten Pillen aus Ost – Europa verdächtig.

Der Einstieg in die Welt der Drogen ist der Komposthaufen, auf den die Saat fällt. Daran kann politisch etwas verändert werden, jedoch nicht bezüglich der Existenz der Substanzen. Notwendig ist hierbei eine offene, schonungslose Analyse, welche Faktoren Jugendliche, Heranwachsende, in die harte Drogensucht führen. Die Ergebnisse dürften einiges enthalten, was diverse politische Strömungen nicht hören wollen. Um diese Analyse möglich zu machen, sollte auch mal darüber nachgedacht werden, wen man befragt. Wenn ich wissen will, was auf der Straße los ist, muss ich die “Straße” mit Leuten befragen lassen, die die Sprache verstehen.

Anekdote: Als Jugendlicher musste ich Mitte der 80er an einer Präventionsveranstaltung teilnehmen. Uns wurde ein Film gezeigt, in dem Probanden einmal nüchtern und ein zweites Mal mit Cannabis einen Slalom mit einem Auto fahren sollten. Beim ersten Mal wichen alle brav den Pylonen aus. Im zweiten Durchgang nagelten sie alles um. Die Botschaft war klar. Wer gekifft hat, bekommt nichts mehr auf die Reihe. Ein neben mir sitzender Freund hatte eine ganz andere Theorie. “Alter, wenn ich einen durchgezogen hätte, würde ich mir auch den Spaß machen alle umzufahren.” Nein, Prävention funktioniert anders. Es wird auch nicht besser, wenn man Wirkungen in Aussicht stellt, die nicht der Realität entsprechen. Wer weiß, wenn die keine Ahnung von Cannabis haben, lügen sie vielleicht bei Heroin auch. Mit Verlaub, was diverse Politiker diesbezüglich von sich geben ist hanebüchen.

Schadensabwägung

Es wird im Fall einer Legalisierung darauf ankommen, wie konsequent und umfassend sie gestaltet wird. Massive Steuern zu erheben, den Erwerb kompliziert zu gestalten, den Besitz eigener Pflanzen (z.B. Thailand 2 Stk.) zu verbieten, Heranwachsende mit einer Flut schlecht gemachter Broschüren und Veranstaltungen zu nerven, wird zu einem Desaster. Die Altersspanne der Konsumenten reicht mittlerweile von 14-Jährigen bis zu über 70-Jährigen. Gut verdienende Besitzer von Einfamilienhäusern besitzen längst zwei – drei Pflanzen. In den Schmuddelecken treiben sich nur noch die Jüngeren herum, alle anderen verfügen über Jahrzehnte hinweg gewachsene und Verfolgung gewohnte Netzwerke. Auf der Konsumentenseite werden immer die gleichen Typen erwischt, weil sie sich passend zur mit einher gehenden Lebenseinstellung geben und damit die Aufmerksamkeit der Fahnder auf sich ziehen. Das komplette “Establishment” fliegt unter dem Radar. Nebenbei sieht es bei Kokain und Amphetaminen nicht anders aus. Unsere Gesellschaft ist eine Drogengesellschaft, in der Stress, Leistungen, Schmerzen, Depressionen, sozialer Abstieg, subkulturelle Zugehörigkeit, von Substanzen begleitet wird. Polizisten und vor allem die Fraktion Kriminalbeamte, die dies nicht sehen oder sehen wollen, sollten sich ein Revier auf einer Hallig suchen. Der biedere puritanische Ansatz, den Menschen zu einem besseren Wesen machen zu wollen, insofern ohne Drogen besser ist, muss als gescheitert angesehen werden. Richtig albern wird es, wenn Alkoholiker und Tablettenabhängige darüber richten wollen, welche Drogen nun die besseren sind.

Die bestehende Situation, dass ein Mensch niemanden schädigt, tut, was andere auf andere Weise tun, aber im Gegensatz zu den Untergruppen der legalen Subtanznutzer oder mit ausreichend Geldmitteln ausgestatteter Leute, zum/zur Kriminellen wird, war von Anfang an unhaltbar. In allem steckt die Art, wie wir den Menschen, unsere Position gegenüber anderen, sehen. Die Zeiten, in denen die Männer Gottes bestimmten, wie ein gottesfürchtiges richtiges Leben zu führen ist, sind vorbei. Solange ich keinen anderen schädige, geht meine Lebensart niemanden etwas an. Wenn ich mich als Beamter dazu verpflichte meine Arbeitskraft nach besten Gewissen zu erhalten, gehe ich bewusst einen Vertrag ein. Ein Arbeitgeber kann von mir erwarten, dass ich die Aufgaben erfülle, für die ich bezahlt werde. Doch die Gesellschaft im Allgemeinen kann von einem Individuum nicht einfach mal so verlangen, zu jeder Zeit sich den Leistungsansprüchen zu unterwerfen. Sollte dies jemals der Fall sein, poche ich darauf, dass alle, die sich lediglich die eigenen Taschen füllen, zu Arbeiten/Diensten für die Gesellschaft herangezogen werden. Denn der mögliche Ausfall oder die geminderte Arbeitsleistung sind die einzigen Schäden für die Gesellschaft. Und machen wir uns nichts vor: An Kranken, Süchtigen, Therapien, Betreuung, Alkohol – und Zigarettenkonsum, verdienen eine ganze Menge Leute verdammt viel Geld. Sollte dies jemand ernsthaft bestreiten, müssten wir uns mal intensiv über Kapitalismus unterhalten.

Nachtrag

Einen Aspekt ließ ich aus. Die Sogwirkung auf umliegende Länder. Ein durchaus ernstzunehmendes Risiko. Es ergeben sich positive und negative Effekte. Doch schaue ich mir die deutschen Großstädte an, stellt sich mir die Frage: Wer soll denn noch kommen, der/die noch nicht da ist? Deutschland wird in Zukunft allein aufgrund der mitteleuropäischen sicheren Lage ohnehin zum Magnet. Da wird man sich mit auseinandersetzen müssen …aber dies ist ein anderes Thema. Bezüglich Cannabis kann es nicht schlimm werden, denn die Mehrheit der “Kiffer” sind eher eine Bereicherung, denn Problemfälle.

Die infantile Illusion des Wohlstands

Lesedauer 10 Minuten

“Ick kann janich so viel fressen, wie ick kotzen möchte!”

Max Liebermann

Zum oben genannten Zitat gibt es verschiedene Entstehungsgeschichten. In einigen soll es der Maler gesagt haben, als er vom Balkon aus einen Fackelmarsch der SA beobachtete, in anderen sagte er dies zu Käthe Kollwitz. Sehe ich die aktuellen Demonstrationen, längst an der Spitze angeführt von Hooligans, die “Bock” auf einen Kampf mit der Polizei haben und Kampfgruppen der rechten Szene, geht es mir ähnlich. Frauen und Männer, die sich der Leute bedienen und aufgrund einer Schwäche der Republik ins Parlament gelangten, machen es nicht besser. Doch richtig ekelhaft wird es, wenn Leute aus Parteien, denen traditionell eine Verfassungstreue unterstellt wird, die Geschehnisse für ihr Ziel benutzen, Deutschland wieder in die alten konservativen, autoritären, Strukturen, zurückzuführen. Ich fühle mich bei denen unangenehm an eine Zeit erinnert, in der ausländische Milliardäre, deutsche Stahl – Barone und Industrielle aus der Chemiebranche, mittels Zahlungen ihre Günstlinge in Stellung brachten. Doch gleichzeitig habe ich mir vorgenommen, mich vom Geschehen nicht treiben zu lassen, sondern auf die Suche zu gehen, warum alles ist, wie es ist. Mir persönlich hilft es, wenn ich verstehen und nachvollziehen kann. Wenn man die Folgen von Verbrechen sieht, besonders wenn sie Kinder betreffen, gibt es im Kopf eine verzweifelte Frage: Warum? Erklärungen sind keine Rechtfertigung oder Relativierung, sondern entsprechen dem Bedürfnis des Großhirns aus allem eine nachvollziehbare Erzählung zu stricken. Darum soll es hier gehen! Was passiert meiner Auffassung nach gerade.


Wir befinden uns täglich in verschiedenen inneren Zuständen und wechseln diese je nach Einwirkung innerhalb von Sekundenbruchteilen. Vom Lebensalter her als Erwachsene einzuschätzende Menschen verhalten sich mal rational, vernünftig und verständig, während sie im nächsten Augenblick infantil, bockig oder pubertär wirken. Einige Psychologen sehen die Begründung in der Wechselwirkung zwischen zwei Personen. Tritt beispielsweise eine Person gegenüber einer anderen mit einem paternalistischen Gebaren auf, landet die andere schnell in einem kindlichen Zustand und wird sich auch entsprechend verhalten. Andererseits kann sich eine/r kindlich, hilflos präsentieren und damit das Eltern – ICH auf der anderen Seite erwecken.

Mir begegnete diese Herangehensweise an einige psychologische Phänomene vor etwa 25 Jahren. Bis zum Streit wirkt sie banal, doch nach einem Streit, denkt man häufig: “Verdammt, da ist etwas dran!” Seither habe ich mich unzählige Male gefragt: “Moment, in welchem Zustand befinde ich mich gerade?” Oftmals musste ich einräumen, dass da ein wütendes, bockiges Kind agierte. Warum auch nicht? Wenn es um nichts Existenzielles oder wenigstens ansatzweise wichtiges geht, kann man sich das leisten. Entscheidend ist das Erkennen und die Option auf andere Zustände umschalten zu können. Besonders, wenn einem etwas grundlegend falsch kommuniziert wird, aber deshalb noch lange nicht inhaltlich verkehrt sein muss. Es ist unklug, bockig in ein Minenfeld zu laufen, nur weil einem ein Posten eine unfreundliche autoritäre Ansage machte. Ja, er hätte es anders sagen können, aber das interessiert die Mine nicht, so wie ich und nicht der Posten sterben wird. Das Beispiel klingt etwas drastisch, doch es ist nicht allzu realitätsfern. Wenn die Polizei wegen eines Bombenfunds ein Gebiet absperrt, passiert dies häufig. “Ich möchte da nur schnell mit meinem Fahrrad durchfahren! Lassen sie mich gefälligst durch.”

Gut, die Bombe hat es seit dem Krieg nicht notwendig erachtet hochzugehen. Dies verleitet zur Annahme, dass sie es weitere 10 Minuten nicht tun wird. Tatsächlich ist es ein Gedankenfehler. Seit sie dort landete, hätte sie es jederzeit tun können und in jeder Minute war die Wahrscheinlichkeit gleich hoch. Eine Nachschau könnte technische Details zeigen, die eine Explosion verhinderten, doch davon weiß erstmal niemand etwas. All dieses zu verdrängen, ist nicht rational und damit auch nicht das, was wir unter einem erwachsenen Denken verstehen.


Verhielten sich alle Erwachsenen vernünftig und verständig, könnten wir den Hauptteil aller bestehenden Regeln und Gesetze streichen. Jeder weiß, dass dies nicht der Fall ist, also wurden schon im Altertum Gesetze erlassen. Eine an sich spannende Sache. Immer und überall bestand ein Bewusstsein dafür, dass der Mensch es zwar besser weiß, aber nicht danach handelt. Bei uns werden häufig die Leistungen des Großhirns vollständig umgangen. Es gilt: Was nicht in einem Gesetz explizit verboten wurde, ist erlaubt und wird auch gemacht. Erlaubt ist ein logisches Gegenteil von verboten, aber ob ich etwas mache, sollte nach anderen Kriterien entschieden werden. Im Alltagsleben ist dies kaum ein Thema. Anders sieht es aus, wenn es um Wirtschaft und Produktionsverfahren geht. Obwohl genau erkennbar ist, dass andere geschädigt werden oder massiv zerstörerisch in die Lebensgrundlagen eingegriffen wird, lautet die Frage einzig: Ist es irgendwo verboten? Nein? Dann tun wir es. Da helfen nicht noch mehr Regeln, sondern nur ein Umdenken.

Ich sehe Deutschland als ein überreguliertes Land. Dies ist ein Zustand, der sich aus einem langen Prozess ergeben hat. Hinzu kommt ein meiner Auffassung der beschriebene problematische Umgang mit den Regeln. An sich sind sie richtig angewandt etwas Zweckmäßiges. Jedes komplexes System benötigt sie. In einem Motor oder einem Computer müssen mehrere Komponenten mit speziellen Aufgaben kommunizieren und nach Regeln zusammenspielen, damit sie ihre bestimmungsgemäßen Ergebnisse produzieren können. Gleichermaßen sieht es mit Spielen aus. In ihnen gibt es Spieler mit Rollenzuweisungen, die unter Beachtung von Regeln miteinander agieren. Spontan denkt man dabei an Spiele wie beim Sport oder Gesellschaftsspiele. Doch bei genauerer Betrachtung spielen wir täglich mit anderen Zeitgenossen Spiele mit immer wiederkehrenden Abläufen.


Wo sehe ich die Probleme? Wenn beim Fußball ein Schiedsrichter nicht mit Augenmaß und Spielverstand jeden minimalen Regelverstoß pfeift, wird aus dem Spiel nichts. Ebenfalls schwierig wird es, wenn Menschen zu viele Entscheidungen mittels irgendwann festgelegter Regeln abgenommen oder vorgegeben werden. Noch die geringste Folge ist der Verlust der Kreativität. In Behörden ist nahezu alles vorgegeben, besonders wenn es um die Verwaltung und die Schriftsätze geht. Zeilenabstand, Schrifttyp, Position der Absätze, Grußformeln und wann etwas zu verfassen ist, werden nicht den Verfassern überlassen, sondern haben sich an Vorschriften zu orientieren. Das Ergebnis sind oftmals sperrige, unverständliche und vor allem überflüssige Vermerke, Berichte, interne Rundschreiben. Im Alltag ist das hinzunehmen, doch wenn es darum geht, komplizierte Themen abzuhandeln, wird es schwierig. Deshalb scheren Sachbearbeiter/innen immer mal wieder aus, was dann regelmäßig einen Rüffel von weiter oben nach sich zieht. Im Verlauf von Jahrzehnten werden Menschen in solchen überregulierten Systemen sozialisiert. Die Regeln werden zu etwas diktatorischen. Das eigene Denken schwindet und die Regeln werden zu einem Selbstzweck, während ihre ursprüngliche Intention und der Vorgang, welcher einst zur Aufstellung führte, völlig in den Hintergrund gerät. Im Zuge dessen passiert noch etwas anderes. Regeln, deren Sinn wir nicht verstehen oder nicht verstehen wollen, kennen wir aus der Kindheit. Einst lernten wir, dass das Befolgen einerseits bequem ist und gleichzeitig Ärger vermeidet. Doch wir ließen es uns nicht nehmen, wenn es auch unvernünftig und jenseits allen Verstandes war, sie zu brechen. Allerdings hatte es auch Vorteile, sich unliebsame Entscheidungen von den Eltern abnehmen zu lassen. Immerhin konnte man dann den Misserfolg ihnen aufbürden und musste sich nicht selbst Fragen stellen.


Bei einigen Mitmenschen scheint sich dieser infantile Zustand manifestiert zu haben. Egal wie gut oder schlecht in der aktuell herrschenden Pandemie die Lage und das Regelwerk zur Abwehr der Gefahren kommuniziert wurde, kommt keiner an der Existenz eines Virus vorbei. Ebenfalls nicht am Umstand, dass man mit Viren weder verhandeln noch diskutieren kann. Gleiches gilt für die Prozesse rund um das Klimageschehen.
Ich gehe auch davon aus, dass bei der Mehrheit der Erwachsenen ein Verständnis für die Logik besteht, der nach ein/e Einzelner für sich selbst mittels der ihr/ihm bekannten Informationen eine Risikobewertung vornehmen kann, hingegen bei einer Zugehörigkeit zu einer Gruppe, auf eine Koordination der Gruppenmitglieder angewiesen ist. Jede Dorfgemeinschaft funktionierte früher danach. Der Schmied hat nichts gewonnen, wenn es seinem Holzlieferanten oder dem Müller schlecht geht. Im Prinzip begann die Pandemie mit einer ambitionierten optimistischen Hoffnung. Böse treffen würde es “nur” Schwächere, bereits Kranke und Alte. Weniger nett formuliert, könnte man es als die Arroganz der Leistungsgesellschaft sehen, dass alle “Starken” lediglich einen Schnupfen bekämen. Davon sind wir mittlerweile weit entfernt. Augenscheinlich scheinen die Mediziner im Dunkeln zu tappen, wer denn de facto anfällig für einen schweren Verlauf ist. Die Überlebenschancen steigen, wenn man bei einer Hospitalisierung kräftig ist, das ist aber auch alles. Was wir wissen ist die Wahrscheinlichkeit, geimpft einem schweren Verlauf zu entkommen.

Es erscheint legitim, wenn jemand dieses Risiko eines schweren Verlaufs auf sich nimmt. Doch dann bitte in der Tradition des Mittelalters. Zurückziehen und irgendwo isoliert sterben. Anderen, die aus welchen Gründen auch immer eine intensive medizinische Behandlung benötigen und sie in Anspruch nehmen wollen, den Platz wegzunehmen, scheidet dann aus. Neuerdings wird auf die Situation von Zeitgenossen/innen hingewiesen, die rauchen, übergewichtig sind oder Extremsportarten betreiben. Ganz ohne kognitive Dissonanz meinerseits ist dabei ein wenig differenzieren angesagt. Die Angesprochenen schädigen sich nicht erst seit gestern und zumeist bereits lange Jahre vor der Pandemie und darauf haben wir uns eingestellt. Seuchen nehmen eine Sonderstellung ein. Corona ist eine unter vielen. Weltweit wütet immer noch die Cholera, immer mal wieder meldet sich die Pest zurück, die Syphilis, Aids, Lepra, Ebola, usw. Andere, teilweise noch unerforschte befinden sich in Lauerstellung. Ich schätze, ganz werden wir weltweit Corona nicht mehr loswerden. Die 7. Pandemie der Cholera dauert seit 1961! an. Es läuft also immer auf ein Eindämmen, Zurückdrängen und rechtzeitige Reaktionen hinaus. Hierfür sind Maßnahmen erforderlich, die Opfer verschiedener Art fordern.


Es fällt auf, dass Anhänger und Aktive der AfD, sich immer zu Wort melden, wenn es unlogisch wird oder es gilt komplexe Sachverhalte wenigstens ansatzweise nachzuvollziehen. Aktuell wettern sie gegen die Maßnahmen zur Pandemie – Bekämpfung, weil die Zahlen sinken würden und wieder Bettenkapazitäten beständen. Dabei ist es nicht einmal sonderlich kompliziert. Man stelle sich ein defektes Wasserohr vor, welches man notdürftig mit Isolierband geflickt hat. Es wird immer noch ein wenig lecken, aber eben nicht heraussprudeln und alles unter Wasser setzen. Jetzt besteht Zeit eine passende Schelle zu organisieren, ein neues Rohr vorzubereiten und vor allem auf die Suche nach dem Absperrhahn zu gehen. Wenn nicht ein Depp von der AfD vorbeikommt, der das Klebeband abmacht. Nun sind aber bei der AfD nicht nur Deppen unterwegs. Also stellt sich die Frage, warum sie diesen Unsinn verbreiten. Ich denke, sie kalkulieren die Schäden ein. Sie bedienen das Infantile und wiegeln gegen die bestehende Autorität auf. “Mama und Papa sind doof! Die verbieten Dir immer nur alles. Schau mal, ich habe tolles Spielzeug im Auto, Du kannst mir vertrauen, ICH, gebe Dir alles, was Du willst.”

Damit dies funktioniert, benötige ich Kinder, die darauf hereinfallen, sich ködern lassen, die Verbote der Eltern nicht nachvollziehen können, vielleicht weil es nicht gut erklärt wurde, die Gefahr, welche vom lockenden Täter ausgeht, nicht erkennen und anfällig für das Lockmittel sind.


Mit allem im Überfluss ausgestattete Wohlstandsgesellschaften verlieren augenscheinlich irgendwann den Bodenkontakt. Essen, gern auch mit allen Raffinessen, Trinken, sauberes Trinkwasser, selbst zum Wegspülen von Fäkalien oder Körperhygiene, wohltemperierte Behausungen, eine all umsorgende Gesellschaft, die den Einzelnen in jeder Lebenslage auffängt, die Übertragung jeglicher Verantwortung an staatliche Institutionen, teilweise sogar das Abnehmen von Denken, sowie die Abwehr aller nur erdenklichen Gefahren durch eigens hierfür bezahlte Sicherheitskräfte und deren Entscheider, werden zur absoluten Selbstverständlichkeit. Ein indischer Wanderarbeiter muss in einer Pandemie völlig andere Bewertungen und Entscheidungen vornehmen. Medizinische Versorgung ist bei ihm ein Glücksfall. Corona ist neben Verhungern, Katastrophen, anderen Seuchen, wie die Cholera, eine zusätzliche Bedrohung. Eindämmende Maßnahmen, können den sicheren Tod bedeuten, während Corona möglicherweise das Leben beendet. Streetkitchen – Besitzer, sind auf ihre komplette Familie angewiesen. Da kann nicht mal eben die gesamte Familie in Quarantäne gehen, weil eins der Kinder erkrankt ist. Ähnlich sieht es bei Leuten aus, die in abgelegenen Gegenden leben, wie zum Beispiel auf Inseln im hohen Norden Skandinaviens. Ein Corona – Ausbruch wäre eine Katastrophe, besonders wenn es keinerlei Schutz gegen einen schweren Verlauf gibt. Dort gibt es keinerlei Diskussionen, wenn die Chance auf eine Impfung besteht. Leugner der Pandemie, Impfskeptiker oder Verweigerer, die Propagandisten des Profits und Wirtschaftswachstums auf Kosten der Sterbenden, sind in erster Linie ein Problem der satten Wohlstandsgesellschaften.

Mitglieder von Wohlstandsgesellschaften leben in einer Illusion. Sie glauben sich freikaufen zu können. Alles Böse und Schlechte findet irgendwo anders statt. Die unerfreulichen Sachen, sind entweder die Fehler von Institutionen, die Machenschaften dunkler Mächte im Hintergrund oder wenn es gar nicht anders geht, das Unvermögen der Betroffenen. Seuchen, Naturkatastrophen alter Art oder neue Szenarien, die vom hausgemachten Klimawandel und Massensterben der das biologische System tragenden Arten, passen nicht ins Konzept. Hierzu müsste zu viel infrage gestellt werden. Fragen, die sich auf Zeiten vor dem Wohlstand beziehen.


Nach und nach schwindet die Illusion und es zeigt sich die Verletzlichkeit. Dies kommt einer Demütigung gleich. Jahrzehntelang wurde den Menschen etwas anderes vorgegaukelt. Versicherungen suggerierten, dass man gegen die Zahlung eines monatlichen Betrags alles abfangen könne. Politiker und Politikerinnen traten vor die Mikrofone, warfen alles Negative den gerade Regierenden vor und behaupteten, sie würden alles, bis hin zum Ausbruch eines Vulkans oder Erdbeben verhindern können, wenn man sie nur wählte. Selbst Philosophen und Naturwissenschaftler propagieren eine Zukunft, in der alles mittels Technik, medizinischen Fortschritt, weiteren Wissen, gelöst werden kann. Selbstverständlich bräuchte man hierfür jede Menge Geld, doch dies würde sich quasi durch die Technik selbst ergeben.

Was wäre, wenn es sich völlig anders verhält? Alles unterliegt einer Wechselwirkung. Ich kann nichts tun, ohne dass eine Wirkung bzw. Veränderung, Reaktion, erfolgt. Die Wechselwirkungen auf dem Planeten sind derart komplex, dass der Mensch sie vermutlich niemals vollständig erfassen kann. Selbst wenn wir die Momentaufnahme aller Prozesse verständen, wäre das nächste Problem das Nachvollziehen aller Folgen, die durch eine einzige minimale Veränderung entstehen. Eins haben wir bei den Prozessen mittlerweile verstanden. Das globale System strebt seit der Stunde Null ein Gleichgewicht an. Selbst nach Phasen des Chaos findet es sich immer wieder in ein stabiles Gleichgewicht ein.

Auf der Erde existieren diverse Missverhältnisse, die sich stetig weiter von einem Gleichgewicht entfernen. Früher, in den ausgehenden 60ern sahen einige Philosophen eine Zukunft, in der nach und nach die Unterschiede wenigstens auf ein akzeptables Maß reduziert würden (u.a. Adorno, Marcuse, Horkheimer). Als größte Gefahr machten sie einen Atomkrieg aus. Diese Prognose hat sich nicht bestätigt. Sie übersahen die negativen Auswirkungen der Industrialisierung, welche sich heute im Wandel des Klimas und Zerstörung der Lebensgrundlagen bis zum Armageddon (Zitat: Mark Benecke) aller neben dem Menschen existierenden Lebewesen, zeigen. Die nördliche Hemisphäre steht in einem krassen Gegensatz zum Süden und der Äquatorlinie. Der jetzt bestehende Wohlstand könnte das absolute Maximum des Möglichen sein und zum Zenit werden. Wie bei einem hochgeschossenen Ball, der irgendwann dem Reibungswiderstand und der Schwerkraft nicht mehr trotzen kann und herunterfällt. Dies könnte bedeuten, dass die Wohlstandsgesellschaften fallen, während die anderen einen Aufstieg erfahren und sich alle im günstigen Fall auf einem Gleichgewicht einfinden. Vorausgesetzt, es kommt nicht zu schwerwiegenden Ereignissen, die alle gemeinsam in den Abgrund reißen. Denn zum Gleichgewicht gehören auch alle anderen Lebewesen und Gegebenheiten des bisher einzigen bekannten belebten Planeten. Es wird noch andere geben, aber die kennen wir halt nicht.

Wie auch immer, ich persönlich schließe mich denen an, die von einem Zenit und einem bereits begonnenen langsamen Abstieg ausgehen. (Dafür sprechen z.B. Untersuchungen bezüglich eines seit den 70ern sinkenden Durchschnitts – IQ. Bitter amüsant ist hierbei, dass sich die Forscher wieder einmal zur Aussage “Menschheit” hinreißen lassen. Ihnen dürfte Vergleichsmaterial von z.B. indigenen Völkern fehlen.) Das aktuelle Geschehen entspricht einem Abstiegskampf. Kleine Kinder stampfen empört mit den Füßen auf, weil sie glauben, jemand nähme ihnen den Lutscher weg. Doch dieser Jemand existiert genauer betrachtet nicht. Das übergeordnete Lebenssystem des Planeten beginnt zu wirken. Viren, Bakterien, Anstieg des Meeresspiegels, Süßwasserverknappungen, Überschwemmungen, entfesselte Stürme, hieraus resultierende Änderungen der Bevölkerungsverteilung, sind zwingende unaufhaltsame Folgen, denen wir wenig entgegensetzen zu haben. Diesbezüglich haben wir uns, die Mitglieder von im Überfluss lebender Wohlstandsgesellschaften überschätzt. Man könnte dies knurrend anerkennen und sich fügen. Gemeinsam mit allen anderen gelte es dann vernünftige und verständige globale Lösungen zu finden. Oder sie greifen zur Alternative, was ich für wahrscheinlich halte, in dem sie sich mit Waffen gegenseitig töten. Wie das ausgeht, kennt jeder vom Buddelkasten. Eine oder einer fängt an, die Sandkuchen der anderen kaputtzumachen und alle gehen am Ende heulend nach Hause. Dies wird alles noch ein wenig dauern. Doch die Anfänge sehen wir bereits auf unseren Straßen und mit dem Erstarken der Erz – Konservativen, religiösen Fanatikern und der Neuen Rechten, die geschichtlich immer eine Folge von Demütigungen, Untergang und verletzten Stolz waren.