Kurze Gedanken #9

Die Fabel
Es gibt eine Fabel, von der es zwei sehr interessante Versionen gibt. Von der ersten hörte ich in meiner Jugend. In ihr sammeln die Tiere einer Waldwiese im Spätsommer allerlei Vorräte für den kommenden Winter. Über ihnen sitzt in einem Baum eine Zikade, die die ganze Zeit singt. Solange bis die ersten kalten Tage kommen. An einem steht sie vor dem Bau eines Fuchses und erbittet Einlass, weil ihr draußen zu kalt ist. Der Fuchs schaut sie an und sagt: “Du hast den ganzen Sommer über nur gesungen. Nun, tanz Dich doch einfach zu Deiner Musik warm.” Die Botschaft ist deutlich. Spaß und Freude sind ganz nett, aber wichtig ist es Vorsorge für schlechte Tage zu treffen.
Mit um die 30 Jahre hörte ich eine andere Version. Auch in ihr sang die Zikade und sonnte sich auf dem Baum, während die anderen Tiere emsig sammelten. Doch in ihr versammeln sich alle Tiere in einem gemeinsamen Bau. Als die Zikade anklopft, wird sie hineingelassen und ein Dachs sagt zu ihr: “Während wir am Arbeiten waren und wenig vom Sommer mitbekamen, hast Du auf dem Baum gesessen, die Sonnenstrahlen aufgenommen und den Sommer gesehen. Bitte singe uns Lieder über den zurückliegenden Sommer, damit wir in der dunklen kalten Zeit ein wenig Freude haben und nicht vergessen, dass wieder einer kommt.” Die Botschaft ist eine völlig andere.
Nicht jeder kann singen und die Leichtigkeit leben, ebenso, wie nicht jeder andere Zeitgenossen/innen unterhalten oder positiv stimmen kann. Aber wir benötigen diese Menschen. Da liegt der Dachs vollkommen richtig. Geld, Nahrung, Vorräte sind nicht alles im Leben. Allzu oft verlieren wir dies beim Arbeiten, Sorge um die Sicherheit und dem Befolgen allerlei zweckmäßiger, aber auch bisweilen inhaltsleerer Regeln, aus den Augen.