Einsatzlage? Chaotisch mit ungewissem Ausgang

Sollte jemand fragen: Wir waren nie hier!
Worte eines Einsatzleiters, 2001
Das Zitat stammt aus einem Einsatz von Berliner Spezialeinheiten MEK/SEK in Brandenburg im Rahmen der Bekämpfung russischer Krimineller. An diesem Tag ging alles schief. Die Kommunikation funktionierte weder technisch noch informell. Die eingesetzte Technik versagte auf der gesamten Linie. Folge war ein völliges Chaos. Ich selbst sah mich mit meinem Teampartner in einer ziemlich realen lebensbedrohlichen Situation. Irgendwo in der Nähe befanden sich schwer bewaffnete Täter, die jederzeit das Feuer hätten eröffnen können. Also ließen wir den Einsatz sein und gingen in volle Deckung. Im Chaos kann man nur noch sich selbst und unmittelbare Mitstreiter retten. Oder ein wenig anders: Innerhalb des Durcheinanders eine Blase erzeugen, in der eine Struktur herrscht. Es blieb nicht das einzige Chaos. Doch damals lernte ich diese Lektion erstmals.
Seit wie vielen Jahren befinden sich nun die beiden großen Denkmodelle für die Gestaltung des menschlichen Zusammenlebens im Clinch? Fest steht, dass der II. Weltkrieg nahtlos in den Kalten Krieg überging. 1989 wurde er mehr oder weniger symbolisch einseitig seitens des Westens für beendet erklärt. Unter Führung der USA setzten die westlichen Industriestaaten alles daran, den von der Sowjetunion angeführten Gegner wirtschaftlich in den Bankrott zu treiben. Längst war seit den 70ern bekannt, was parallel stattfindet. Die Zerstörung der Lebensgrundlagen von allem Leben auf dem Planeten Erde. Die Programme, mit denen Wissenschaftler die Veränderungen mit Satellitenaufnahmen dokumentierten, wurden aus militärischen und taktischen Gründen gestoppt. Alternative Energien, die einen Strukturwandel erfordert hätten, wurden zum Opfer des Kriegsziels.
Der NATO – Generalsekretär Stoltenberg sagte letztens, dass Präsident Putin niemals die Konsequenzen des Kalten Krieges akzeptiert hätte. Anders hätte er auch formulieren können: Putin hat niemals kapituliert! Es war noch nie eine gute Idee aus einem Konflikt mit Gewinnern und Verlierern hervorzugehen. Prompt erleben wir einen II. Kalten Krieg. Der Zeitpunkt für das Einleiten von Veränderungen, die die zerstörerischen Eingriffe wenigstens gemildert hätten, waren die 70er. Heute sind wir längst in der Situation angekommen, dass die großen Staatssysteme auf die Veränderungen reagieren und sich auf das Kommende vorbereiten. Die USA, China, Russland, Europa, Indien und die Mitglieder der ASEAN Vereinigung ringen um die zum Überleben innerhalb des Anthropozäns notwendigen Ressourcen. Geredet wird viel, allein die Taten zeichnen ein vollkommen anderes Bild. Wie Wölfe setzen alle ihre Reviermarken. Wasser, seltene Erden, Öl, Buntmetalle und die Transportwege sind die Kriegsziele des weltweiten II. Kalten Krieges.
Während ich schreibe, läuft bei mir im Hintergrund die Sendung “die Diskussion” auf dem Sender “Phoenix”. Wolfgang Kubicki (FDP) äußert dort, dass er einmal einen Brief an Robert Habeck (Grüne, Minister) richtete, in dem er ihm folgende Logik darlegte. Wenn es nur einen Weg gäbe, den Klimawandel aufzuhalten (*Was in Anbetracht der Tatsache, dass wir bereits mittendrin sind, bereits irreversible Schäden bestehen, nicht mehr möglich ist. Maximal kann man noch von einem “einfrieren” des Ist – Zustands ausgehen.), hätten alle anderen Meinungen keine Gültigkeit mehr. Man müsste dann die Demokratie abschaffen, weil alle anderen, die sich dagegen stellen, direkt in den Untergang führen würden. Deshalb wäre, so Kubicki, die Überlegung, dass es nur diesen einen Weg gäbe, Demokratie und rechtsstaatsfeindlich. /https://www.youtube.com/watch?v=AESODYihHLc 21:30. Er leitet diese Aussage mit dem Hinweis auf eine vermeintliche Uneinigkeit der Wissenschaftler ein.
Die Wissenschaftler sind sich weltweit nicht uneins darüber, dass der Klimawandel stattfindet. Aus alten Theorien ist längst Realität geworden. Nahm man einst noch an, dass es so etwas wie “Klimagase” und hiermit verbundene Auswirkungen gäbe, ist innerhalb eines gigantischen Laborversuchs der Beweis nunmehr messbar. In vielerlei Regionen muss man auch keine Wissenschaftler befragen. Es genügt vollauf, dort lebende Menschen zu befragen. Nicht anders sieht es auf den Weltmeeren aus. Fischer wissen ganz genau, was da im Wasser passiert. Die Antwort auf die Frage, wie es dazu kam und wie man den Prozess wenigstens nicht auch noch beschleunigt, ist ebenfalls wissenschaftlich gegeben worden: Stoppt die schädigenden Prozesse! Fraglich ist einzig, wie man den Homo sapiens, insbesondere den Teil, welcher in den Industriestaaten lebt, davon abhält. Diese Antwort können Wissenschaftler nicht geben. Ausgeklammert wird dabei auch immer wieder, dass es nicht ausschließlich um die für das Klima unmittelbar schädlichen Eingriffe geht. Chemikalien, Müll, nukleare Abfälle, die in die Meere entsorgt werden, auf dem Meeresgrund lauernde Altlasten des II. Weltkriegs, Havarien von Tankern und Bohrinseln, verändernde Eingriffe in Landschaften, übermäßiger Wasserverbrauch, Überfischung, Vergiftung der Atmosphäre mit anderen Substanzen, gehören zur Bedrohung dazu.
Kubicki spricht von Demokratien und einem Rechtsstaat, innerhalb dessen die Völker eine Entscheidungsmacht innehätten. Doch sind die Entscheidungen nicht bereits seit Jahrzehnten weit über die Köpfe der “normalen” Bevölkerung hinaus getroffen worden? Da, wo ich sozialisiert wurde, spricht man von Einsatzlagen. Einem Einsatz geht eine Lagebeurteilung voraus. Für sie werden technische und per Manpower erlangte Informationen ausgewertet: Wetter, Örtlichkeit, zu erwartende Aktionen, von wem, mit welcher Stärke, Motivation, Handlungsbereitschaft usw. Dann werden Expertisen von Spezialisten eingeholt. Wie kann alles mit den vorhandenen Mitteln, der bestehenden Manpower, mit welchen Qualifizierungen, gemanagt werden. Auf Basis dessen wird mit Unterstützung eines Befehlsstabs von einem Einsatzleiter ein Einsatzbefehl formuliert. Ein guter Leiter verlässt sich dabei nicht auf seine eigenen Kenntnisse, sondern sein Talent besteht in der Koordination und der richtigen Auswahl von Beratern.
Die Lagebeurteilung “Zerstörung der natürlichen Lebensbedingungen” ist längst abgeschlossen. Wir befinden uns inmitten eines globalen Einsatzes. Die Wissenschaftler gehören zu den Aufklärern, die bereits vorher Informationen lieferten und nun weiterhin im Einsatzraum aktiv sind und uns den Lageverlauf melden. Was uns gänzlich fehlt, ist ein vertrauenswürdiger Befehlsstab, der alles koordiniert. Schlimmer noch, ich habe den Eindruck, dass der Stab nach Hause gegangen ist und das Geschehen den Störern überlassen hat. Überall laufen vollkommen unkoordiniert Einsatzkräfte in der Gegend herum und versuchen verzweifelt, mit Einzelaktionen an vereinzelten Orten den Störern die Stirn zu bieten. Dies kann nicht funktionieren.
Eiskalte Strategen wissen dies alles. Gerät ein Einsatz zum Chaos, gibt es nur noch eine Devise: “Ich bringe mich und meine Gruppe ohne Rücksicht auf fremde Belange in Sicherheit!” Exakt da stehen wir global gesehen. Die großen Nationen versuchen jeder für sich im sich immer mehr ausbreitenden Chaos zu retten. Zwischen den “Großen” entstehen rein strategische Regionen. Ich befürchte, Mitteleuropäer, die an Allianzen glauben, sind schlicht naiv. Bereits im I. Kalten Krieg, wäre Mitteleuropa in einer heißen Phase nach wenigen Tagen nur noch wüstes Land gewesen.
Russland, angeführt von Putin und den ihn ergebenen alten Veteranen des I. Kalten Krieges, hat lange eine Reaktion auf die aggressiven Sicherungsaktionen der westlichen Industriestaaten vorbereitet. Für Russland geht es nicht um Expansion, sondern um die Überlebensfähigkeit in der zukünftigen Weltlage, nachdem in nicht allzu ferner Zeit die Kipppunkte erreicht wurden und ein neuer stabiler Zustand entstanden ist. Entweder Russland wird zum “Ausbeutungsgebiet” und Anlieferer für Ressourcen oder bleibt aktiver “Player”, der sich beliefern lässt. Bewusst und vorsätzlich haben die westlichen Industriestaaten, den Staatskapitalismus “Russland” in die Ecke gestellt. Ich befürchte, dass das in ein Aufbäumen mündet, welches in einen offenen Schlagabtausch in der Mitte endet, der mit einem K.O. endet. Es sei denn, Russland wird aus der Ecke herausgelassen und bekommt ein zufriedenstellendes Angebot. Setzen sich in den USA die Republikaner durch – knallt es. Die anderen “Großen” können sich ganz entspannt in der Umkleidekabine “anschwitzen” und auf einen Kampf mit einem angeschlagenen Gegner vorbereiten. Dies wird nicht der Untergang der Menschheit sein. Fraglich ist, wer am Ende übrig bleibt und sich mit den vollkommen veränderten Lebensbedingungen arrangiert. Europa wird es nicht sein, der Punkt ist längst überschritten.