Krieg – ein Filmdialog

Lesedauer 2 Minuten

Im 1976 heraus gekommenen Western “The Outlaw Josey Wales” reitet Wales (Clint Eastwood) in das Lager der Comanchen, welche von Ten Bears (Will Sampson, Creek) angeführt werden. Wales will sich nach langer Flucht und Krieg bei ein paar Farmern niederlassen, die mit den Comanchen in Konflikt geraten. Der nachfolgende Dialog gehört für mich zu einem der eindringlichsten in sogenannten Anti – Kriegsfilmen. Beide Protagonisten haben genug vom Schrecken des gegenseitigen Abschlachtens gesehen:

Josey Wales: Du bist Ten Bears?
Ten Bears: Ich bin Ten Bears!
J.W.: Ich bin Josey Wales.
T.B.: Ich habe von dem “Grey Rider” gehört. Du hast keinen Frieden mit den Blauröcken gemacht. Du kannst in Frieden gehen.”
J.W.: Ich werde nicht gehen. Ich kann nirgendwo hingehen.
T.B.: Dann wirst Du sterben.
J.W.: Ich bin hierhergekommen, um mit Dir zu sterben. Oder mit Dir zu leben. Sterben ist nicht so schwer für Männer wie Dich und mich. Es ist das Leben, das schwer ist, wenn alles, was Dir je etwas bedeutet hat, abgeschlachtet oder vergewaltigt wurde. Regierungen leben nicht zusammen – Menschen leben zusammen.
Bei Regierungen bekommt man nicht immer ein faires Wort oder einen fairen Kampf zu hören. Nun, ich bin hierhergekommen, um Dir eines von beidem zu geben oder eines von beidem von Dir zu bekommen.
Ich bin hierhergekommen, damit ihr wisst, dass mein Wort vom Tod wahr ist und mein Wort vom Leben auch wahr ist. Der Bär lebt hier, der Wolf, die Antilope, die Comanchen. Und das werden wir auch. Wir werden nur das jagen, was wir zum Leben brauchen, so wie es die Comanchen tun. Und jedes Frühjahr, wenn das Gras grün wird und die Comanchen nach Norden ziehen, könnt ihr hier in Ruhe ausruhen, ein paar unserer Rinder schlachten und Euch mit Rindfleisch für die Reise stärken. Das Zeichen der Comanchen wird an unserer Hütte sein. Das ist mein Wort des Lebens.
T.B.: Und was sind Deine Worte über den Tod?
J.W.: Sie sind hier in meinen Pistolen und in Euren Gewehren.
T:B.: Die Dinge, von denen Du sprichst, haben wir bereits.
J.W.: Ja, das stimmt. Ich verspreche Dir keine Extras. Ich gebe Dir nur das Leben und Du gibst mir das Leben. Und ich sage, dass Männer zusammenleben können, ohne sich gegenseitig abzuschlachten.
T.B.: Es ist traurig, dass die Regierungen von Doppelzüngigkeit beherrscht werden. Es ist Eisen in Deinen Worten des Todes, das alle Komantschen sehen können, und es ist Eisen in Deinen Worten des Lebens. Kein unterschriebenes Papier kann das Eisen halten. Es muss von Menschen kommen. Die Worte von “Ten Bears” tragen das gleiche Eisen des Lebens und des Todes in sich. Es ist gut, dass sich Krieger wie wir im Kampf um Leben oder Tod begegnen. Es soll das Leben sein.

(Ten Bears zieht sein Messer und schneidet sich in die Handfläche. Josey tut es ihm gleich. Dann fassen sie sich an den Händen und werden Blutsbrüder)

So soll es sein.

Es führt zu nichts Erstrebenswerten, wenn Frauen und Männer miteinander über das Sterben verhandeln, die es entweder nicht kennenlernten oder vom Krieg begeistert sind, weil sie damit ihre Defizite ausgleichen wollen.

Nazis, Faschisten, und was ist Links?

ground group growth hands Lesedauer 7 Minuten

Armin Mohler, Vordenker der Neuen Rechten

Besonders auf den Social Media ist zu beobachten, dass Kommentatoren, Publizisten, Journalisten, aber auch Demonstranten als Neonazis oder Nazis tituliert werden. Nicht ganz zu Unrecht verweisen die Angesprochenen, dass sie keine wären. Wenn, dann würden sie sich als Rechte, Neue Rechte oder auch Rechtskonservative sehen. Die Mehrheit liegt dabei meiner Auffassung richtig.

Die Vordenker der deutschen und französischen Neuen Rechten heißen u.a. Ernst Jünger u. Armin Mohler. Bereits kurz nach dem Krieg setzten sie sich mit dem Scherbenhaufen der deutschen Konservativen, den der Nationalsozialismus hinterlassen hatte, auseinander.
In den 20ern gab es neben dem Nationalsozialismus mehrere weitere konservative Strömungen, welche bei Mohler als die Deutsche Bewegung angesprochen werden, die die Konservative Revolution anstrebten. In Bezug zu den Nationalsozialisten bezeichnet er sie als die Trotzkisten u. Ketzer, welche wie linke Strömungen ins Visier der Nazis gerieten. Letztlich vollzieht er eine Trennung zwischen beiden und bestreitet, dass das eine das andere bedingte oder aus einem gemeinsamen Pool stammen. Nach Mohler erfuhren die Ziele dieser Konservativen bisher keine Verwirklichung. Ähnlich wie die Vertreter anderer Ideologien behauptet Mohler, dass sie quasi vergewaltigt wurden und anhand der Derivate nicht beurteilt werden könne. Damit sind die Neuen Rechten eigentlich alte Rechte der Weimarer Republik, die sich als Teil der Nationalsozialistischen Bewegung verstanden wissen wollen.
Ohne hier genauer darauf einzusteigen, ist die Kenntnis dieser Rhetorik zum Verständnis der Aussagen diverser Politiker, Autoren, Publizisten, aus dieser Richtung erhellend u. liefert Anhaltspunkte, die zum Verständnis notwendig sind. Gauland, Höcke, aber Mitglieder*innen der UNION folgen ihr, in dem sie sich in der Tradition dieser anderen Konservativen sehen. An dieser Stelle erklärt sich z.B. die “Fliegenschiss – Aussage” von Gauland und auch die von Frau Anna Dobler initiierte Diskussion, in der sie sich der Rhetorik der Neuen Rechten anschloss, der nach der Begriffsbestandteil Sozialismus im Nationalsozialismus nicht ohne Grund auftaucht. Wenig überraschend ist dann auch, wer ihr alles zur Seite sprang. Nämlich die komplette Riege derer, die diesen alten Konservatismus favorisieren.

Stark zusammengefasst geht es um eine Sehnsucht nach Bindung und Einigkeit einer nationalen Mehrheit, die sich mit wenigen Radikalen und Extremisten bzw. Minderheiten auseinandersetzen muss, sich aber von diesen nicht den Kurs vorgeben lassen darf. Eine Gesellschaft voller Harmonie, in der eine überschaubare Zahl von Rollen zu besetzen ist. Die Bürger verfügen über einen gemeinsamen Konsens. Was Erfolg und erstrebenswert ist, welche Statussymbole die gewünschten Signale senden, wie sich Ehre, Männlichkeit, Weiblichkeit, darstellen, steht fest und muss nicht mehr diskutiert werden. Ebenso sieht es mit Tugenden, Kultur und vielen anderen Lebensaspekten aus.

Die bürgerliche Mitte – das geeinte Volk

Dies steht der Forderung entgegen, dass sich Minderheiten in einem demokratischen Staat ebenso wiederfinden müssen. Beim Lesen von Armin Mohlers Literatur kam mir ein Gedanke. Die stete Diskussion um Radikale u. Extremisten jenseits einer deutschen gesellschaftlichen Mitte geht in die gleiche Richtung. Die Mitte als das geeinte Volk, welches hier die geforderte nationale Anbindung findet und sich mit positiven Konnotationen als Deutsch präsentieren kann. Deutsche Errungenschaften, Kulturgeschichte, Ingenieurwesen, der Fußball usw. Wenn dieses nicht ständig, insbesondere von denen, welche dem linken Rand zugeordnet werden, madig gemacht werden würde. Hiermit wären selbst Rechtskonservative bis hin zu Rechtsextremen, insofern sie nicht klare nationalsozialistische Positionen inklusive Antisemitismus einnehmen, gar nicht so weit von der Mitte und ihrem Wunsch entfernt. Uneinig ist man sich nur in der Ausgestaltung des Umgangs mit dem als links bezeichneten Rand und wie weit die Akzeptanz einer Diversität geht.

Rechtskonservativ, ein Synonym für Faschismus

Mohler weist selbst darauf hin, dass für die Forderungen, in der Welt ein Synonym existiert: Faschismus. Hier zeichnet sich für mich eine Fehlentwicklung in der populären politischen Debatte ab. Das Augenmerk ist weniger auf den Nationalsozialismus, sondern auf den Faschismus zu richten. Hierzu könnte beispielsweise das Franco – Regime mit all seinen gesellschaftlichen Auswirkungen betrachtet werden. Faschismus und Nationalsozialismus in einen Topf zu werfen ist ein schwerer Fehler, weil sich die Anhänger des Faschismus zurücklehnen können, in dem sie auf den Holocaust, jüdische Mitstreiter in den eigenen Reihen, PoC, usw. hinweisen. Ich hatte hier in meinem BLOG bereits einmal auf Umberto ECO und seine Ausführungen zum sogenannten Urfaschismus (auch hier: die 14 Merkmale des Urfaschismus) verwiesen. Legt man die von ihm aufgeführten Merkmale an, kommt Licht ins Dunkle und die Gegen – Argumentation wird deutlich treffsicherer.

Aktuell treten immer mehr Publizisten*innen, Autoren*innen und Politiker*innen, meist Mitglieder*innen der CDU/CSU hervor, die sich ziemlich offen als rechtskonservativ bezeichnen oder Texte verfassen, die klar in die Richtung gehen. Der ständige Verweis und die Unterstellungen, die sich im Ausdruck “Nazi” darstellen, verstellen den Weg auf die Gefährlichkeit des Faschismus für die Diversität, das Progressive und für in Zukunft notwendige Veränderungen, welche mit der Klimakatastrophe und fortgesetzter Zerstörung der Lebensgrundlagen notwendig werden. Gesellschaften, die mit Veränderungen bei der Besiedlung der Erde, Lösungen, die weit über nationale Grenzen hinaus gehen, nicht klarkommen, gehen auf einen Kollisionskurs, der am Ende in Kriege führen wird. Im Land selbst werden die faschistischen Ansätze beim Umgang mit hinzukommenden Einwanderern furchtbare Folgen haben. Hinzu kommen die sich zwingend ergebenden Verluste beim Wohlstand und Reduktion des bisherigen hemmungslosen Konsums.

Der Mensch als Lenker, und Gestalter im Zentrum des Weltgeschehens

Wenn sie Prozesse aufzeigen, die ihnen nicht dienlich erscheinen, passen Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften nicht ins Bild der Neuen Rechten. Bei ihnen steht der Mensch im Zentrum von allem. Alles Lebende und auch Gegenständliche darf vom Menschen für seine Zwecke und Bedürfnisse genutzt werden. Die Klimakatastrophe und auch die aktuelle Pandemie werden damit beinahe zu einer Art Rebellion, die es zu unterdrücken gilt. Und wer behauptet, dass es sie gibt, der Mensch selbst Verursacher ist und zum Handeln auffordert, wird zum Teilnehmer an der Rebellion.
Alles in geordnete Bahnen zu lenken, ein steuerbares System zu konstruieren, welches sich unter Kontrolle befindet, ist den Neuen Rechten wichtig. Hingegen sind ihnen hochkomplexe Prozesse, die sich der Kontrolle entziehen, zuwider. Entwickelt sich ein Geschehen nicht nach ihren Vorstellungen, muss es ihrer Logik nach an einem Versagen derer liegen, die mit der Kontrolle betraut waren. Diese Logik zieht sich vom I. Weltkrieg über den II. Weltkrieg bis in die aktuelle Zeit.
Deshalb konnten sie von Anfang an nichts mit der Pandemie und der wissenschaftlichen Auseinandersetzung durch die Virologen anfangen. Irgendjemand hatte entweder das Virus in die Welt gesetzt, nicht die richtigen Maßnahmen ergriffen oder vielleicht gab es gar keine Gefahr. Wenn es keine Gefahr gab, wurde alles nur zur Kontrolle der Bevölkerung inszeniert. Man verdächtigt andere immer zuerst der Handlungen und Lügen, die man selbst machen würde.
Selbst wenn sie die Veränderungen des Klimas akzeptieren, sehen sie keine Probleme. Der Mensch, besonders die ruhmreichen deutschen Ingenieure, werden Mittel und Wege finden, mit den Folgen leben zu können, wenn nicht sogar der Natur helfend zur Seite springen. Hierbei ist ihrer Auffassung dabei zu achten, dass dies zunächst einmal von einer sich selbst rettenden starken deutschen Nation ausgehen muss, welche sich in einem zweiten Schritt um die anderen kümmern kann. “Wenn wir gesamt Afrika aufnehmen, werden wir zu Afrika und können niemanden mehr helfen.”

Dass alle Menschen einer globalen Population, nämlich der des neben anderen Spezies gleichberechtigt existierenden Homo sapiens angehören und gleich sind, sprengt jegliches rechtskonservative Denken. Denn wer dieses bejaht, steht schlagartig vor einer ganzen Reihe ethischer Fragen und Probleme. Massentierhaltung, übermäßiger Konsum von Fleisch, Einsatz von Pestiziden, ungerechte Ausbeutung der Rohstoffe anderer Erdregionen zugunsten der eigenen Wirtschaft, Berücksichtigung der industriellen Historie, der Sühneanspruch ehemals überfallener Regionen, und vieles andere erschiene plötzlich in einem völlig anderen Licht. All dies kann nur funktionieren, wenn ich eine Hierarchie annehme, in der erstens der Mensch auf der oberen Ebene herrscht, kontrolliert und Macht ausübt und auf dieser Ebene nochmals ein Ranking besteht, in dem “leistungstragende” Nationen auf den Führungsplätzen angesiedelt sind.

Links ist schon lange nicht mehr mit Kommunismus oder Sozialismus gleich zu setzen. Vielmehr geht es darum, das Kommende realistisch zu sehen und zu akzeptieren, um dann auf dieser Basis Konzepte zu entwickeln.

Die Klimakatastrophe und die Zerstörungen zu leugnen oder mittels Abwiegeln ihre Bedrohlichkeit abzumildern, ist ein logischer Abwehrmechanismus der Neuen Rechten, zu denen ich diejenigen, welche sich als Rechts – oder auch Erzkonservativ bezeichnen, ebenfalls zähle. Würden sie sie bejahen, müssten sie Farbe bekennen und ihre Ansätze auf die Realität anwenden, statt sich an Wunschvorstellungen zu orientieren.
Auch, wenn niemand eine absolute Vorhersage treffen kann, ist es möglich, auf Basis der bisherigen Erkenntnisse und Erfahrungen höchst wahrscheinliche Szenarien zu ermitteln. Nicht möglich ist das Einkalkulieren von unvorhersehbaren Ereignissen, die sich aufgrund der Komplexität ergeben können. Beispielsweise könnten sich alle Ereignisse so weit verdichten, dass es zu einem großen Krieg mit unbekanntem Ausgang kommt.
Bisher ist von massenhaften Fluchtbewegungen und der Entstehung von Erdregionen auszugehen, die am ehesten als Todeszonen bezeichnet werden können. Zurzeit besteht keinerlei Anlass für die Annahme, dass der Verbrauch fossiler Ressourcen und Bodenschätze abnimmt. Selbst die in Aussicht gestellten neuen Techniken steigern den Bedarf. Daraus folgt eine Verknappung, die wiederum die Konkurrenz der Bedarfsträger steigert. In der Vergangenheit war dies Kriegsgrund Nummer 1. Das Grundprinzip der Erde ist nicht auf einen dauerhaften Verbrauch ausgerichtet. Es ist als zyklischer Prozess angelegt, bei dem Verbrauchtes in anderer Form zurückfließt und erneut zur Verfügung gestellt wird. Harald Lesch bezeichnete die Erde in einem Vortrag als “ausgebrannt”. Ich finde diese Bezeichnung sehr treffend.

Die Menschen, welche nicht weniger werden, müssen irgendwo leben und werden sich in die Gebiete orientieren, welche von den Folgen geringer betroffen sind. Bisher gehört Mitteleuropa zu diesen Zonen. Es werden sich Versorgungsengpässe einstellen, die entweder mittels eines besseren Verteilerschlüssels geregelt werden oder auf gewaltsame Interventionen hinauslaufen, bei denen die Hungernden und Verdurstenden in Reservaten sich selbst überlassen werden. Hierfür sprechen die aktuellen Aufrüstungen an den Grenzen. Aktuell werden in der USA “Grenzroboter” getestet, die noch einer menschlichen Kontrolle unterliegen. Doch die allgemeine Tendenz geht in Richtung autonome Waffensysteme, welche Grenzstreifen eigenständig von Eindringlingen frei halten können. Gleichsam können sie gegen ärmere Staaten eingesetzt werden, die ihre Bodenschätze nicht freiwillig hergeben wollen.

Wie sich die fortschreitende Zerstörung der Ökosysteme in den Weltmeeren auswirken wird, steht noch nicht fest. Anzunehmen ist eine Beschleunigung der Entwicklung. Fest steht, dass bisher nicht einmal die Altlasten wie radioaktiver Müll und Hinterlassenschaften des II. Weltkriegs angegangen werden und aktuell auf die bestehenden Probleme neu hinauf gelegt wird. Vermutlich ist alles kaputt, bevor Wissenschaftler auch nur einen Bruchteil der Prozesse in den Meeren verstanden haben.
All dies sind keine düsteren Dystopien, sondern eine oberflächliche Skizzierung der Realität, wie sie diverse Forschungsunternehmen ermittelten und sich eigentlich jeder halbwegs rational denkende Mensch mit einigen Informationen zusammenreimen kann. Dieser Realität muss man sich stellen und wenn man politisch aktiv ist, eine Haltung dazu finden. Ich kann den Weg der Rechtskonservativen, nach alter Bezeichnung faschistoiden Weg gehen oder über progressive Alternativen nachdenken. Wie sagte Jan Fleischhauer bei Kurt Krömer so schön: “Alles, was nicht rechts ist, ist links!” Ich weiß es nicht genau, möglicherweise sagte er auch: “Rechts ist alles, was nicht links ist.”

In meinem Verständnis können die Denkstrukturen der Neuen Rechten schon alleine deshalb nicht funktionieren, weil wir mittlerweile im 21. Jahrhundert vor einer völlig neuen und bisher nie dagewesenen Situation stehen. Auch beim vorhergehenden durch die Industrialisierung ausgelösten Zeitenwechsel musste man sich von einigen Dingen verabschieden. Heute erleben wir eine Digitale Revolution, die Anfänge einer Klimakatastrophe, zur Neige gehende Ressourcen, eine kaum noch aufzuhaltende Zerstörung der Lebensgrundlagen, stehen kurz vor einer neuen Völkerwanderung, Verteilungskämpfen, mit Waffen, die selbst konventionell nie dagewesene Folgen haben können. Hinzu kommen die biologischen, chemischen, nuklearen Waffensysteme. Wer davon ausgeht, dass Vorhandenes nicht auch eingesetzt wird, ist ein weltfremder Trottel.

Das skizzierte ist nicht vom Himmel gefallen. Es sind die Ergebnisse eines kontinuierlichen Prozesses, der sich durch menschliches Denken ergeben hat. Wer nicht will, dass dieser weiter in die sich abzeichnende Richtung geht, muss umdenken. Was dann wohl unter den Arbeitstitel: “LINKS” fällt. Überlässt man den faschistoiden Realitätsverweigerern das Geschehen, kommt dies dem Einsatz eines Brandbeschleunigers gleich. Die kennen nur nationale Lösungen, träumen von einem idealisierten Volk und zetteln im Zweifel Kriege an.

Geht doch erst einmal arbeiten!

people holding banner Lesedauer 4 Minuten

Wenn aktuell in Deutschland Protestaktionen gegen das ausbleibende Umdenken bezüglich des Umgangs mit der Klimakatastrophe und dem Armageddon der Arten auf dem Planeten Erde stattfinden, folgt auf allen Kanälen wütendes Geschrei. “Nicht die richtige Form, falsche Zeit, falscher Ort!”
Hinzu kommen noch Beschimpfungen, die einer alten deutschen Tradition folgen. “Die sollen erst einmal arbeiten gehen, dann würden sie anders drauf sein. Immer diese Ökofaschisten.” In den 60ern – 80ern klang dies ähnlich. In dieser Zeit hieß es: “Diese langhaarigen Gammler sollen mal arbeiten gehen. Wenn es ihnen hier nicht passt, können sie ja zu ihren Kommunistenfreunden rübergehen.” Der Tenor hat sich erhalten. Die früher herum pöbelten, sind meistens bereits Geschichte. Heute sind es ihre Geisteskinder. Manch eine/r mag sich damit unangenehm angefasst sehen, weil sicherlich welche darunter sind, die niemals werden wollten wie ihre Eltern. Dumm gelaufen!

Für mich gibt es drei Positionen.

  • A) Jemand bejaht, dass die aktuelle Entwicklung auf der Erde eine Klimakatastrophe darstellt. Gleichfalls sieht, mit welch rasanter Geschwindigkeit ein Aussterben der Arten vor sich geht und wie desaströs sich die bisherigen Konzepte entwickelt haben. Dennoch besteht eine letzte Hoffnung, mit weltweiten radikalen Veränderungen wenigstens den Prozess deutlich zu verlangsamen, damit auf lange Sicht das planetare System eine Chance bekommt.
  • B) Jemand sieht dies alles, aber schätzt die weltpolitische Lage und die Dominanz der schädigenden Konzepte für derart übermächtig ein, dass sich nichts mehr ändern wird und am Ende in einem Clash mündet, bei dem niemand wissen kann, wie es danach weitergeht. Die Folge ist Resignation.
  • C) Jemand leugnet aus welchen Motiven heraus auch immer den Prozess oder zieht sich alternativ darauf zurück, dass tatsächlich alles passiert, es aber nichts mit dem menschlichen Wirken zu tun hat.

Wer die Position A einnimmt, kann gar nicht anders, als alle Hebel in Bewegung zu setzen und radikale Forderungen zu stellen. Die Zeit für gemäßigte, abwiegende, Verhandlungen und Kompromisse, ist verstrichen. Jeder kann die globale Diskrepanz zwischen Bekundungen und tatsächlichen Handeln sehen. Die Weltmeere werden immer noch kontinuierlich als Müllkippe für Plastikabfälle, Abwässer, Chemikalien und radioaktive Abfälle benutzt. Diese Verunreinigungen kommen zu den bereits bestehenden Altlasten aus den vorhergehenden Jahrzehnten hinzu. Auf dem Festland passiert das Gleiche. Überall wird weiterhin auf die Industrialisierung gesetzt. Insbesondere gilt dies in der Agrarindustrie, was wiederum Zerstörungen durch Pestizide nach sich zieht.
Überdeutlich zeichnet sich ab, dass große Nationen einen globalen Verteilungskampf um die verbliebenen Ressourcen, vornehmlich Fossile, aber auch Bestandteile, die für neue Energiequellen benötigt werden, eröffnet haben. In mehreren Ländern werden längst Pläne erarbeitet, in denen es nur noch darum geht, mit den nach und nach eintretenden Ereignissen der Klimakatastrophe klarzukommen. Hierzu gehört auch das Verlegen von Millionenstädten ins Landesinnere. Letzteres ist ein Argument für die Position B.

Für die Kritiker der Protestaktionen bleiben B und C übrig. Position B hat aufgegeben und will das eigene Leben so gut es geht zu Ende bringen. Das finde ich legitim. Nicht in Ordnung finde ich es, wenn man dann junge Leute beschimpft, die für ihr eigenes noch länger andauerndes Leben kämpfen. Sich über eine Autobahnblockade oder eine Baumbesetzung zu mokieren ist äußerst kleinlich und engstirnig. Ich setze diese Aktionen mal in Relationen zum weltweiten Geschehen. Mitteleuropäer fordern von Südamerikanern einen sorgsamen Umgang mit dem Regenwald, sehen sich aber selbst nicht in der Lage auf ein paar Tonnen Braunkohle zu verzichten. Gleichzeitig konsumieren sie hemmungslos die Produkte, welche auf den Rodungsflächen entstanden. Ganz abgesehen davon, dass die Leute nicht roden, um zu Millionären zu werden, sondern letztlich auch nur leben wollen.
Afrikaner und Inder werden aufgefordert, einen Artenschutz zu betreiben. Faktisch kann eine Elefantenherde die Lebensgrundlagen mehrerer Dörfer mit hunderten Menschen zerstören. Kaum jemand möchte in seinem Vorgarten eine Begegnung mit einem bengalischen Tiger oder einem Leoparden haben. Den Indern muten Europäer dies zu, während zum Schutz niedersächsischer Familien Wölfe abgeschossen werden. Bären und Wisenten ergeht es nicht anders. Sie passen laut Rhetorik nicht in die Kulturlandschaft.
Aktivisten kämpfen auf den Weltmeeren mit allen Mitteln gegen Fischereikonzerne, die mittels gigantischer Schleppnetze alles Lebende töten und am Meeresboden toten Boden hinterlassen. Andere liefern sich regelgerechte Seeschlachten mit illegalen Walfängern, die ebenfalls behaupten, irgendwie überleben zu wollen. Es gäbe noch diverse andere Beispiele. Wir fordern von anderen, vor allem deutlich Ärmeren, sehr viel. Doch wenn es ans Eingemachte geht, ist der Spaß vorbei. Die alte Weltordnung soll weiterhin Bestand haben. Wir, die reichen Mitteleuropäer, leben weiter, wie gehabt und wie üblich sollen die Armen unsere Wäsche waschen. Was ist ein Stau auf der Autobahn im Verhältnis zu dem, was weltweit passiert? Nichts! Und so hart wie es klingt, selbst ein paar tausend Arbeitslose sind nichts im Verhältnis zu Millionen Menschen an Küstenstreifen, die jeden Tag zusehen müssen, wie die Existenzgrundlage zerstört wird. Ebenso nichts gegen Hunderttausende, die ihre Lebensgrundlage, den Fischfang verlieren.

Alles steht und fällt damit, wie viel Abstand man bei der Betrachtung einnimmt. Sehe ich alles nur durch meine Windschutzscheibe o. begrenze mich auf meine Stadt, steigt der Blutdruck, erweitere ich den Blick, komme ich zu einem anderen Ergebnis, welches mich die Aktivisten ganz anders sehen lässt. Position C ist durchschaubar. Fett und rund in die Katastrophe, die Schäden für die Nachkommen sind egal. Die niedrigste Stufe des menschlichen Daseins. Für die Nachkommen nicht zu sorgen, ist eine Frage der Haltung. Mutwillig zum eigenen Nutzen deren Lebensgrundlagen zu vernichten, eine ganz andere Geschichte. Sie unterscheiden sich nicht einen Deut von der Mafia, wenn sie Chemiemüll auf illegalen Deponien entsorgt und billigend die Verseuchung des Bodens mit tausenden Opfern in Kauf nimmt. Womit Position C für mich zu einer kriminellen wird. Mich wundert überhaupt nicht, dass viele mit der Position C auch noch andere kriminelle Handlungen unternehmen.