Gedanken über den Krieg

Lesedauer 12 Minuten
Militärische Intelligenz ist ein Widerspruch in sich.
Groucho Marx
Komiker, Schauspieler, Satiriker

Mit dem Ukraine-Krieg wird wieder einmal ein Krieg geführt, der für die Betroffenen im Kriegsgebiet furchtbar ist, sich aber gleichzeitig in den Industriestaaten zum Unterhaltungsprogramm entwickelt. Was mit den Golfkriegen begann, findet seine weiterentwickelte Fortsetzung. Überall werden Bilder des Krieges gezeigt. Fliehende Menschen, Leichen, kämpfende Soldaten, Politiker und Kriegsherren, die ihre eigenen “Wahrheiten” verkaufen, sind überall im Fernsehen, im Netz und auf den Social Media Plattformen zu sehen. Dabei fallen mehrere Sachen auf. Der Ukraine-Krieg ist einer von mehreren Kriegen der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart. Über keinen anderen wurde und wird in dieser Intensität berichtet. Alles, was dort in der Ukraine passiert, geschieht an anderen Orten ebenfalls. Allein schon der unterschiedliche Umgang mit den Fliehenden, ist auffällig. Augenscheinlich werden die aus Syrien und vom afrikanischen Kontinent kommenden Kriegsflüchtlinge anders aufgenommen und behandelt. Krieg ist ein Oberbegriff für Töten, Vergewaltigungen, Zerstörungen, Elend, Verstümmelung, Grausamkeiten, Traumatisierung über Generationen hinweg. Krieg muss seitens der Kriegsherren verkauft werden. Das Geschehen kostet Geld, fordert Menschenleben, hat langfristige Folgen und kostet ganze Völker das Ansehen.

Der spärlich behaarte Affe ...

Seit die spärlich behaarten Primaten die Fähigkeit entwickelten, ihre Gedanken in für andere verständliche Laute codieren und so Mitteilungen weiter geben zu können, gibt es auch die Lüge, die Manipulation und die Propaganda. Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass selbst Höhlenmenschen in Erzählungen aus einem erlegten hundsgroßen Raubtier einen Säbelzahntiger werden ließen. Oder vielleicht fanden sie einen Kadaver, brachen die Zähne heraus, um dann standhaft zu behaupten, einen Bären getötet zu haben. Nach und nach entstanden immer mehr Wörter. War es anfangs nur möglich, etwas Gesehenes zu benennen und es zu beschreiben, wurden immer kompliziertere Schilderungen möglich.

Ein Affe kann seinen Sieg über einen Konkurrenten lediglich durch gutturale Töne und einige Dominanzgesten kundtun. Eins hat sich allerdings seit dem Herabsteigen vom Baum und dem Verlassen der Höhlen grundlegend geändert. Abgesehen von der hinzugekommenen Fähigkeit, lang und ausgiebig davon zu berichten oder sich zu rechtfertigen, hat sich an diesem Verhalten nicht viel geändert. Heute noch gehen sich Männer wegen einer Frau gegenseitig an die Kehle oder töten den im Ehebett angetroffenen Nebenbuhler. Geschieht dies ad hoc, sind wir sogar bereit, dies als mildernde Umstände hinzunehmen. Die Fähigkeit des modernen Menschen, mit Worten das Handeln gegenüber anderen Mitgliedern der Spezies begründen, erläutern, sich selbst Rechtfertigungen zusammenreimen und diese kundtun, so wie nach dem eine Moral aufgestellt wurde, Be – und Entschuldigungen, formulieren, ist Teil dessen, was Tier und Menschen unterscheidet. Meiner Meinung nach ist das ein wesentlicher Aspekt. Ein Beutetier kann schlecht zu einem Rudel Löwen gehen und sich über die Tötung der Ehefrau beschweren. Ebenso ist es auf dem Affenfelsen dem Newcomer nicht möglich, unfaire Tricks des dominierenden Silberrückens bei einem Schiedsgericht anzumelden. Die Dinge sind für Tiere eben so, wie sie sind und regulieren sich alleine.

Der spärlich behaarte Affe ist ein Prädator und gleichzeitig Pflanzenfresser, der wenige Sachen besonders gut kann. Die Verwandten können besser klettern. Alleine hat er gegen eine Raubkatze, Wolf oder Bär keine Chance. Fliegen scheidet ganz aus, er ist nicht der beste Schwimmer und nach wenigen Minuten muss er zum Luftholen wieder auftauchen. Die Geschichte der Evolution hätte einen anderen Verlauf genommen, wenn da nicht die Sache mit dem gegenübergestellten Daumen, die ausgereifte Sprache und der damit verbundenen Möglichkeit der Kooperation, gewesen wäre. Wir sind nicht von der Speisekarte der anderen verschwunden, weil wir besonders gefährliche Gegner sind, sondern weil wir uns zusammentun, miteinander sprechen, Erfahrungen teilen und unseren Wissensstand nachfolgenden Generationen hinterlassen. Das sind die Eigenarten, die uns von den anderen unterscheiden. Wobei dies viele andere auch tun. Unter Umständen sind Delphine intelligenter als wir.  Aber sie können nicht stundenlang darüber reden. Sie waren nicht einmal in der Lage, sich eine eigene Bezeichnung zuzulegen, wie wir es taten. Weiser Mensch, Homo sapiens!

Ist der Krieg eine unüberwindbare Eigenart des Homo sapiens?

Manche sagen, dass Krieg unumgänglich Bestandteil der menschlichen Natur ist. Andere widersprechen dem vehement. Zumindest kann nicht geleugnet werden, dass Menschen Kriege seit mehreren tausend Jahren führen. Die Art und Weise der Kriegsführung richtete sich stets nach den vorhandenen Waffen. Die Brutalität und Bereitschaft anderen das Grausamste anzutun, was gerade möglich ist, war immer gegeben. Dann setzten sich Frauen und Männer zusammen und setzten Protokolle auf, in denen Kriege ein Regelwerk bekommen sollten. Sie ächteten nicht die Kriegserklärung an sich, aber wenn schon Zerstörung, gegenseitiges Abschlachten, bitte mit Regeln. Für mich eine Kapitulation und Zustimmung an die Fraktion, die Kriege für etwas Unausweichliches halten. Gleichzeitig ein Unterfangen, was nicht funktionieren kann. Wird im Menschen das Programm Krieg abgerufen, kommt ein furchtbares, bösartiges, intelligentes Raubtier zum Vorschein. Für mich ist das die Dualität des Menschen: Ein Tier mit einem Großhirn, welches ihm ermöglicht, das Animalische zu kontrollieren. Dessen sollte sich meiner Auffassung nach jeder bewusst sein. Krieg widerspricht den beiden herausragenden Fähigkeiten des Großhirns: Verstand und Vernunft. Und das beginnt für mich persönlich lange vor dem Ausbruch des Kriegs. Wer Waffen baut, entwickelt, perfektioniert, schafft die Voraussetzungen, damit ein Krieg überhaupt möglich ist. Es gibt auch die andere Position. Wer wehrlos ist, wird auf kurz oder lang überfallen werden. Auch hier zeigt sich das Tier. Ohne Verteidigungsstrategie wird man schnell aufgefressen oder kann sich nicht gegen Konkurrenten aus der eigenen Spezies durchsetzen.  

Die Waffensysteme konnten nur durch die besonderen Fähigkeiten des Menschen immer weiter entwickelt werden. Aber kann die Entwicklung von Waffen, mit denen alles Leben vernichtet werden kann, noch als verständig oder vernünftig bezeichnet werden? Stellt sich diese Frage Frage nicht bei all diesen Mordinstrumenten? Ich schreibe hier nicht von einem normalen Revolver, Pistole oder Jagdgewehr. Es geht um Bomben, die komplette Viertel dem Erdboden gleich machen. Sprengkörper, die der Umgebung den kompletten Sauerstoff entziehen. Geschosse die die Wände und Decken von Bunkern knacken, in denen Menschen Schutz suchen. Munition mit strahlenden Metallen gehärtet, damit sie auch noch die letzte Panzerung durchdringen. Container-Bomben, die kleinere Sprengsätze auf der Fläche eines Fußballfelds verteilen. Diese menschlichen Entwicklungen sollen zerfetzen, verbrennen, Gliedmaßen abtrennen, Hunderte auf einen Schlag töten. Außerdem sollen sie alle Hemmnisse ausschalten. Es ist ein großer Unterschied, ob ich jemanden im Kampf von Angesicht zu Angesicht erwürge, ersteche, erschlage oder ich ein paar tausend Kilometer entfernt mit einem Joystick eine Drohne steuere.

Nebelkerzen gehören zu den Waffen dazu.

„Da gab es vier Jahre lang ganze Quadratmeilen Landes, auf denen war der Mord obligatorisch, während er eine halbe Stunde davon entfernt ebenso streng verboten war. Sagte ich: Mord? Natürlich Mord. Soldaten sind Mörder.“
Kurt Tucholsky
Journalist, Kritiker, Schriftsteller, Satiriker

Eindringliche Anti-Kriegsfilme und Bücher haben eins gemeinsam. Sie entfernen den Schleier der Lügen. Im Krieg gibt es Regeln nur auf dem Papier. Die Realität sieht völlig anders aus. Die erste Lüge ist die Unterscheidung zwischen einer Zivilbevölkerung und regulär kämpfenden Soldaten. Soldat oder Soldatin sind Berufsbezeichnungen. Angehörige des Berufs wissen, wie man mit den Waffen Menschen tötet, verletzt oder verstümmelt. Im Zweifel wenden sie diese an, und zwar gegen Entgelt.
Im deutschen Strafrecht wird geprüft, ob jemand mit einer Handlung einen Tatbestand erfüllt hat. Ist dies der Fall, wird ermittelt, ob es für die Tat eine Entschuldigung gibt oder eine Rechtfertigung aus einem Gesetz abzuleiten ist. Wenn ein Polizist o. eine Polizistin mit der Dienstwaffe schießt, ist erst einmal ein Tatbestand erfüllt. Je nach der Folge kommen Körperverletzung mit allen Qualifizierungen oder im schlimmsten Fall der Totschlag in Betracht.

Danach werden die Aspekte Notwehr, Nothilfe oder Gesetze, die den unmittelbaren Zwang regeln, betrachtet. Bei Soldaten und Soldatinnen geben wir unter bestimmten Umständen das Töten und alle anderen nur erdenklichen Formen der Körperverletzung in Auftrag und bezahlen auch dafür. Ich weiß immer nicht, ob das jedem Zeitgenossen bewusst ist. In unserem Staatssystem drücken die in unser aller Auftrag und Bezahlung auf Knöpfe, infolgedessen etwas zerstört wird, Frauen, Männer, Kinder, ums Leben kommen. Diese Verantwortung an die Politiker und Politikerinnen abzuschieben, funktioniert in einer Demokratie nicht. Wer zur Wahlurne geht, sollte sich bewusst sein, dass dort auch über den obersten “Kriegsherren” entschieden wird und welche politische Ausrichtung im Falle eines Bundeswehreinsatzes bestimmend ist.

Ein weiterer Punkt dringt ebenfalls nicht ins Bewusstsein. Zumeist junge Männer und Frauen werden stellvertretend für alle in Ausnahmesituationen geschickt, in denen Dinge mit Menschen passieren, die sie verändern bzw. aus ihren inneren Tiefen und Abgründen hervorholen, was in jedem von uns steckt. Ich erinnere mich gut an den Aufschrei, als junge Bundeswehrsoldaten in Afghanistan mit Schädeln Fußball spielten. Dies wäre obszön, pietätlos, geradezu barbarisch. Scheinbar haben die alle nicht Apokalypse Now gesehen.

"Wir bilden junge Männer aus, um auf Menschen Bomben zu werfen? Aber ihre Kommandeure wollen ihnen nicht erlauben, das Wort "Fuck? auf ihre Flugzeuge zu schreiben, weil das obszön ist?
Colonel Kurtz
Apokalypse Know

Colonel Kurtz, gespielt von Marlon Brando, bringt es auf den Punkt, Dann gibt es im Krieg angeblich so etwas wie eine zu schützende Zivilbevölkerung. Wird sie dennoch involviert, spricht man von Kollateralschäden. Wer gehört dazu? Nach meinem Verständnis in einer Demokratie alle, die abgesehen von den Kindern, Soldaten/innen für einen Kampf beauftragten und bezahlten, aber nicht selbst Geld für das Kämpfen bekommen. In Diktaturen sieht es ein wenig anders aus. Da sind es alle, die nicht mit offiziellem Auftrag und Gehalt kämpfen. Wie viel die Bezahlung eines Krieges über das Gesellschaftssystem aussagt, kann hier nachgelesen werden:  “Wer die Bomben zahlt” – krautreporter.de
Nehmen Frauen und Männer ohne diesen “offiziellen” Auftrag Waffen in die Hand, werden sie zu Partisanen, Widerstandskämpfern, Guerilla-Kämpfern. Das finde ich auch ganz spannend. Die befinden sich immer in einer Notwehrsituation, verlieren aber den schriftlich formulierten Schutz, der offiziellen Kriegsteilnehmer. Ein regelgerechtes Verhalten wäre sich niedermetzeln oder vergewaltigen zu lassen, um dann in der Statistik entweder als “Kollateralschaden” oder Opfer von Kriegsverbrechen aufgelistet zu werden.

Kriegs|Verbrechen ist auch ein interessantes Wort. Töten, Verstümmeln, geht in Ordnung, solange die Regeln der Haager Landkriegsordnung und die Genfer Konventionen eingehalten werden. Da greift die Sache mit der Rechtfertigung über ein “Gesetz” bzw. Völkerrecht. Zum Verbrechen wird alles erst dann, wenn die Vorgaben überschritten werden. Doch die eingesetzten Waffen können trotz aller Elektronik immer noch nicht zwischen Zivil und bezahlten Soldaten unterscheiden. Bei der Wucht, die diese Waffensysteme haben, wird dies auch niemals funktionieren. Da hilft auch all die Propaganda nicht, bei der Aufnahmen, die wie aus einem Videospiel ausgeschnitten erscheinen, eine chirurgische Präzision suggerieren sollen. In meinem Denken ist der Begriff ein weißer Schimmel. Krieg ist immer ein Verbrechen!

Wenn die Sprache nicht korrekt ist, dann ist das Gesagte nicht das Gemeinte; wenn das Gesagte nicht das Gemeinte ist, dann bleibt das, was getan werden muss, unerledigt; wenn dies unerledigt bleibt, werden Moral und Kunst verfallen; wenn die Gerechtigkeit in die Irre geht, wird das Volk in hilfloser Verwirrung herumstehen. Es darf also keine Willkür im Gesagten geben. Das ist über alles wichtig.
Konfuzius
chinesischer Gelehrter

Der Krieg und wer ihn begann, ist eins. An den Grundlagen für Kriege an sich, sind viele beteiligt.

In jedem Krieg wird in “Guten Stuben”, Talkshows, Interviews, Proklamationen und politischen Reden darüber debattiert, wer denn nun wieder einmal die Käfigtür des Monsters geöffnet hat. Meist wird dabei in die Vergangenheit geblickt und ziemlich schnell melden sich die zu Wort, die es schon immer besser wussten. Ich würde sagen, alle, die nach 1945 nicht gemeinsam die Konsequenzen aus dem II. Weltkrieg zogen. Die Weltgemeinschaft hätte sich nach und nach auf eine Abschaffung aller Kriegswaffen einigen müssen. Zum Beispiel hätte man weltweit die Produktion neuer Waffen verbieten können. Sie folgten einer anderen Logik. Wer es sich leisten kann, muss sich so viel Waffen zulegen, wie es nur irgendwie geht, damit keiner auf die selbstmörderische Idee kommt, den anderen anzugreifen. Gleichzeitig verfolgte man die Taktik der Bündnisse, damit sich die Ärmeren ebenfalls schützen konnten. Wofür sie natürlich Gegenleistungen erbringen mussten. Irgendwie versäumte man es auch, den Krieg an sich zu verbannen. Man hätte ja auch beschließen können, dass egal wer auch immer einen Krieg anzettelt, der nicht vom Rest der Völkergemeinschaft gebilligt wird, ohne zu zögern, von allen gemeinsam auf den Deckel bekommt.

Das Konzept der Abschreckung ist gewaltig in die Hose gegangen. Dabei hätte man sich am Beispiel von Hitler orientieren können. Was passiert, wenn ein Diktator mit imperialen Großmachtvorstellungen und Handlungen, die solche Typen halt so machen, im Besitz der nuklearen Massenvernichtungswaffen kommt? Hitler hätte in aller Ruhe den Holocaust durchgezogen und niemand hätte ihn daran hindern können. Und eben genau diesen Plan hatte er mit all seinen Bestrebungen, eine Atombombe zu bauen und die auf der V2 zu installieren. Putin ist nicht Hitler, da fehlt noch einiges. Aber er ist ein Diktator mit imperialen Vorstellungen. Und nun? Im Ergebnis stehen wir kurz vor einem III. Weltkrieg, der noch übler ausgehen dürfte, als die beiden anderen. Wir sollten uns immer vor Augen halten, dass Milliarden von den Entscheidungen sehr weniger Menschen abhängig sind.

Mir ist die Rhetorik, in der die Expansion der NATO, das Verhalten der westlichen Industriestaaten, in die aktuelle Lage geführt haben, zuwider. Am konkreten Geschehen in der Ukraine gibt es nur Schuldige aus Russland. Nämlich den Diktator Putin mit samt seinen Generälen und Gefolgsleuten. Alles andere würde jeden Gewalttäter rechtfertigen, der sich auf eine verbale Provokation seines Opfers beruft. An den Grundlagen, dass solche Kriege immer wieder stattfinden können, haben weltweit alle industrialisierten Staaten mitgewirkt. Da hängen, bis auf wenige Ausnahmen, alle mit drin. Insgesamt gibt es 25 Staaten ohne Militär. Die meisten davon verlassen sich auf den Schutz eines großen Partners. Bemerkenswert ist Panama, wo 1990 das Militär abgeschafft wurde. Übrig geblieben ist eine nicht wirklich ernst zu nehmende paramilitärische Polizeitruppe.

Teilweise wird auch debattiert, wozu denn der Überfall Russlands die Ukraine rechtfertigen würde. Meiner Meinung nach zu allem, was drin ist. Für mich ergibt sich dies aus der Notwehrsituation. Wenn mich jemand zusammenschlägt, kann ich mich mit allem wehren, was sich irgendwie machen lässt. All das Gefasel über Nationalsozialisten ist vorgeschobener Humbug. Bewegungen, die dieser und der Bezeichnung Faschismus gerecht werden, gibt es in unterschiedlicher Menge überall. Selbst in Russland treiben sich davon genug herum. Und nur, weil sich der Diktator Putin in einem Land befindet, welches einer gewissen Folklore folgend, als kommunistischer Staat bezeichnet wird, ist er noch lange kein Faschist. Mich erinnert er immer an Führungsfiguren aus der Organisierten Kriminalität. Hätte ihn das Leben nicht zum KGB und über dieses Sprungbrett in die “Politik” verschlagen, hätte er mit Sicherheit eine einflussreiche Figur in der Tambow-Bande, russisch: Тамбовская преступная группировка, werden können. Wobei nie ganz sicher geklärt wurde, ob er nicht tatsächlich der politische Arm der Verbrecherorganisation ist. Zumindest sprechen dafür seine Verbindungen zu  Gennady Vasilyevich Petrov (Mit dem Link, verschaffe ich mir eine Menge Freunde und Zugriffe aus Russland! ;-)) Allerdings ist “politischer Arm” eine deutsche Denkweise. Der alte KGB und seine Nachfolgeorganisationen arbeiteten schon immer mit den Kriminellen zusammen. Westliche Dienste tun dies auch, aber mit Auflösung des “Ost-Blocks” nahm das bei den Russen nochmals eine ganz eigene Dynamik auf, die jedem/jeder Ermittler/in ab 1990 bei den für Russen OK zuständigen Landeskriminalämtern den Atem stocken ließen. Ohne mich in Ferndiagnosen zu ergehen, kann ich aus meiner persönlichen Erfahrung sagen, dass unsere Denkmuster bei russischen Mitgliedern der Organisierten Kriminalität scheitern.

Philosophie des Krieges

Der Krieg selbst und alles, was sich darum herum rankt, ist immer auch eine Frage der Lebensanschauung. In meiner gibt es keinen gerechten und auch keinen sauberen Krieg. Erst recht nicht nach 1945. Hierbei unterscheide ich zwischen denen, die einen Krieg beginnen und denen, die sich wehren. Ist das Monster aus dem Käfig heraus, kann es niemand mehr kontrollieren. All die Überlegungen, Traktate, Philosophien, die um das Thema Krieg herum gestrickt wurden, haben für die aktuelle Zeit keinerlei Geltung mehr. Es gibt in unserer Epoche keine Samurai mit einem Ehrenkodex, edle Krieger, über die Lieder und Dichtungen verfasst werden. Selbst früher waren die eher mit Skepsis zu betrachten. Ich erinnere immer wieder an die über 2000 Jahre zurückliegende Geschichte des Königs Ashoka. Trotz aller anzunehmenden Verfälschungen, ist ein gewisser authentischer Kern anzunehmen. Zu seiner Zeit kämpften die Herrscher noch selbst im Getümmel. Etwa im Alter von 40-Jahren zog er mit seiner Armee gegen die Stadt Kalinga und ließ sie schleifen. Nach der Schlacht sah er, was seine Armee angerichtet hatte. 100.000 starben im Kampf oder wurden nachträglich in der Stadt abgeschlachtet. Weitere 150.000 flüchteten aus der Region. Ashoka war hiervon so geschockt, dass er alles auf den Kopf stellte und sich dem Buddhismus zuwandte.

Doch muss man meiner Auffassung nach auch hinnehmen, dass die Zeiten vorbei sind, in denen die Chance bestand über alles zu reden und andere Wege einzuschlagen. Das Tier hat gewonnen und die Vernunft, Verstand, Bewusstsein, haben verloren. Das Monster ist frei und wütet mit immer größeren Hunger. Was bleibt, sind sehr individuelle Entscheidungen. Kämpfen oder nicht kämpfen? Mache ich den Krieg zu meinem Krieg?

Wenn die Reichen Krieg führen, sterben die Armen!
Jean-Paul Sartre
Französischer Existenzialist

Sartre führt zum Thema Freiheit aus, dass jeder die freie Wahl hat. Selbst der Soldat kann sich dem Krieg durch Desertieren oder Suizid entziehen. Ja, wir leben in einer Demokratie mit sehr vielen Freiheitsrechten. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob ein potenzieller Krieg, in dem Deutschland involviert wäre, ein Angriff auf die Demokratie ist. Ich befürchte, dass es um ganz andere Dinge geht. Tatsächlich geht es um Systeme, Verteilung der Ressourcen und Sichern von Notwendigkeiten, die sich aus der Klimakatastrophe ergeben. Die bisherigen Wirtschaftszahlen deuten darauf hin, dass diverse Branchen am Krieg sehr gut verdienen. Die Einschränkungen und Verluste bleiben im unteren Drittel der Bevölkerung hängen. Das beschlossene Rüstungspaket dürfte bei einigen deutschen Firmen Partystimmung ausgelöst haben.

Mich stören die beinahe schon dummdreisten Verlautbarungen. Deutschland ist eingebettet von Nachbarstaaten, die allesamt der NATO angehören. Kommt es im Zuge der Auseinandersetzungen zu einer Beteiligung der NATO, müssen wir zwingend von nuklearen Schlägen ausgehen. Da hilft kein “Iron-Dom” über Berlin, keine Flugabwehr oder sonst irgendetwas. Deutschland liegt bei Waffenexporten auf Platz 5 der Weltrangliste. Darüber hinaus sind deutsche Firmen maßgeblich an der Entwicklung neuer Waffensysteme beteiligt und entsenden diverse Einzelkomponenten, mit denen dann in fremden Ländern innovative Waffen zusammengebaut werden. Nur bei der Bundeswehr ist nicht viel hängengeblieben. Es ist halt lukrativer, das Zeug zu verkaufen, als im Land zu belassen. Noch beschränkt sich alles auf eine konventionelle Kriegsführung. Aber auch wenn ich ein Laie bin, frage ich mich, wo Russland sonst noch konventionell Krieg führen will. Vor allem, wenn dann die Bundeswehr zusammen mit anderen NATO – Kräften eingebunden ist. Die haben jetzt mal eine Zahl herausgehauen, die gut bei der aufgepeitschten Bevölkerung ankommt und einige Aktionäre entzückt. Völlig außer Acht lassen will ich nicht die Bundeswehrfetischisten. Eine Gruppe mit interessanten Persönlichkeitsstrukturen. Sie ziehen darüber eine Menge Anerkennung, Identität und leben ihren autoritären Charakter aus. Früher sagte man, dann sind sie von der Straße weg und machen keinen Unsinn. Aber dieser Truppe für 100 Milliarden Spielzeug zu kaufen, halte ich für übertrieben. 

Die ultimative Entscheidung steht an, wenn sich die NATO dazu entschließt, in irgendeiner Form konventionell einzuschreiten. Putin kann dann feststellen, dass er zu hoch gepokert hat und den Rückwärtsgang einlegen muss oder er greift auf sein letztes Mittel zurück. Nun, dann wird es in Berlin ganz kurz sehr hell und keiner muss sich mehr Gedanken machen.


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Verfasst 5. April 2022 von Troelle in category "Gesellschaft", "Kapitalismus", "Klima", "Kommunismus", "Philosophie", "Politik u. Gesellschaft

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