Angst,Mut,Dummheit,Dekadenz

grayscale photo of explosion on the beach Lesedauer 5 Minuten

Angesichts des Ukraine-Kriegs wird in letzter Zeit die Warnung vor einer Ausweitung des Krieges bis hin zur Eskalation in einen Atom-Krieg als Angstmacherei bezeichnet. Die Angst würde zur Manipulation der Bevölkerung genutzt werden.

Zunächst einmal ist es völlig richtig, dass Angst ein starkes Mittel für die Manipulation ist. Andererseits ist die Angst vor einer Gefahr nicht ohne Grund Bestandteil der menschlichen Emotionen. Doch wie immer gilt es erst einmal sauber die Begriffe auseinanderzuhalten. Was ist Angst und was ist Furcht? Bei DUDEN – Online steht hierzu:

In den Wissenschaften, die sich mit menschlichen Gefühlen beschäftigen, vorrangig in der Psychologie, gilt nämlich Angst per definitionem als eine Emotion, die unbegründet und somit nicht auf ein bestimmtes Objekt bezogen ist. Sobald etwas Konkretes im Spiel ist, seien es Spinnen, Flüge oder Prüfungen, sprechen die Fachleute von Furcht.[1]https://www.duden.de/sprachwissen/sprachratgeber/Angst-oder-Furcht

Ich muss mich also entscheiden, welcher Sprache ich mich bediene, der allgemeinen oder der fachsprachlichen. Da ich kein Psychologe bin, bevorzuge ich die Umgangssprache. Ergo mache ich keine Unterschiede zwischen der Furcht und der Angst. Viel wichtiger finde ich es, die Gefahr genauer zu betrachten. Gefahren und ihre Einschätzung sind das alltägliche Brot der Polizei. Deshalb gibt es dazu klare Definitionen. Es gibt folgende Arten:[2]https://juliandrach.com/gefahrenbegriffe/

Konkrete Gefahr:
Eine konkrete Gefahr ist eine Sachlage,
– die bei ungehindertem Ablauf des zu erwartenden Geschehens
– im Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung führt.
Erforderlich ist also das Aufstellen einer Diagnose (der Feststellung der gegebenen Umstände) und einer Prognose (Abschätzung der Fortentwicklung des Geschehens).

Abstrakte Gefahr:
Sachlage, aus der nach allgemeiner Lebenserfahrung im Einzelfall konkrete Gefahren entstehen können.

Gefahr in Verzug:
Sie liegt vor, wenn unmittelbar gehandelt werden muss, um den drohenden Schaden abzuwenden, welcher ohne ein Einschreiten eintreten würde. Maßgebend ist hier die ex-ante Betrachtung, das sofortige Einschreiten muss dem Handelnden (meist Polizei, Ordnungsamt und andere Ämter) nach pflichtgemäßer Prüfung der Sachlage also erforderlich erscheinen.

Anscheinsgefahr
Eine Anscheinsgefahr, welche aufgrund des Grundsatzes der Effektivität der Gefahrenabwehr eine „echte Gefahr“ im Sinne der einschlägigen Gesetze darstellt, liegt vor, wenn bei der Betrachtung der Sachlage ex-post aufgrund besseren Wissens erkannt wird, dass die Gefahrprognose ex-ante falsch war. Frei nach dem Motto, man kann sich mal irren und hinterher ist man immer schlauer.

Putativgefahr
Eine Putativgefahr liegt vor, wenn der/die Handelnde/n den Sachverhalt ex-ante schuldhaft falsch einschätzte/n und daher das Vorliegen einer Gefahr trotz unzureichender Anhaltspunkte annahm. Dabei muss es einem durchschnittlichen Beobachter möglich gewesen sein, die Situation korrekt einzuschätzen. Im Prinzip der klassische Fall einer harmlosen Spinne, die ihr Leben lassen muss, weil ein kreischendes Etwas durch die Wohnung rennt.

Dringende Gefahr
Eine dringende Gefahr liegt vor, wenn ein bedeutendes Rechtsgut gefährdet ist und eine hohe Wahrscheinlichkeit des baldigen Eintritts der Gefahr vorliegt.

Gegenwärtige Gefahr
Bei der gegenwärtigen Gefahr hat die Schädigung bereits begonnen.

Unmittelbare Gefahr
Hier besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sowie ein enger zeitlicher Zusammenhang.

Erhebliche Gefahr
Wie die Bezeichnung schon vermuten lässt, muss hier eine konkrete Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut bestehen.

Demnach wird denjenigen, welche vor der Möglichkeit eines Atomkriegs oder Ausweitung warnen bzw. sich darum sorgen, die Angst vor einer putativen Gefahrenlage vorgehalten. Nun, unbenommen verfügen die NATO – Mitgliedsländer und Russland über Atomwaffen. In einem Polizeieinsatz käme dies einem Straftäter gleich, von dem ich ganz konkret weiß, dass er in seiner Buchte Sprengsätze aufbewahrt. Also würde ich meine Vorgehensweise darauf abstellen. Jetzt könnte jemand um die Ecke kommen und behaupten, dass das ein total lieber, friedlicher Zeitgenosse ist und die Dinger als Dekoration herumzuliegen hat. Für mich hätte diese Aussage keinerlei Bedeutung. Die Gefahrenlage ist nach verständiger Bewertung konkret und erheblich, woraus sich eine berechtigte Sorge ergibt, dass der seine Spielzeuge zündet. Und weil ich auch noch Angst davor habe, werde ich passende Ausrüstung anfordern, die Umgebung räumen lassen und mir sehr genau überlegen, was ich tue.
Fraglich ist, ob die Gefahr unmittelbar ist. Tja, da scheiden sich die Geister. Ich persönlich finde den russischen Umgang mit der Kernenergie und Atomwaffen etwas arg unbekümmert. Die Sowjetunion testete innerhalb von 40 Jahren im Gebiet von Semipalatinsk, Kasachstan insgesamt 456! Atomwaffen (340 unterirdisch und weitere 116 oberirdisch)[3]https://thebulletin.org/2009/09/the-lasting-toll-of-semipalatinsks-nuclear-testing/. Nicht, dass die anderen Atomstaaten keine Tests durchführten, aber kaum jemand in der hohen Zahl direkt vor der Haustür. Jahrzehntelang entsorgten sie den Atommüll in der Arktis. In Folge des Klimawandels rächt sich dies gerade. Was Russland allerdings nicht daran hindert, die größeren Städte mit Meereszugang mittels schwimmender Atomkraftwerke zu versorgen. Augenscheinlich scheinen die weniger Respekt vor der Strahlung und den Folgen zu haben. Diese Haltung bedingt augenscheinlich eine niedere Hemmschwelle beim Umgang mit Radioaktivität. Ich finde, dies ist ein durchaus zu berücksichtigender Faktor. Auf all das Gerede bezüglich der russischen Einsatzdirektiven von Atomwaffen gebe ich nichts. Entscheidend ist nicht, was der Westen als Bedrohung definiert, nichts anderes als eine Einschätzung der Gefahrenlage, sondern wie ein Putin nebst Militär, Geheimdienst, darüber denken. Ein echter Joker kann hierbei die chinesische Regierung sein, die an solchen Eskapaden hat keinerlei Interesse hat.

Aber einfach alles beiseite zu schieben, frei nach dem Motto: “Ging bisher immer gut, wird weiterhin gut gehen!”, halte ich für dummdreist. Hierfür sind viel zu viele unbestimmbare Parameter im Spiel. Der wird schon nicht “zünden”, weil er unter Umständen dabei selbst draufgeht, ist keine belastbare Aussage. Die Angst vor einem Atomkrieg ist bedingt durch die Existenz der Waffen und den garantierten Folgen nichts Irrationales, sondern durchaus vernünftig. Nur sehr dumme Menschen kennen keine Angst. Sie lässt einen vorsichtig handeln und lässt einen nochmals alles bedenken. Ja, wenn sie fachsprachlich ohne jeglichen Beleg ist, dann wird sie problematisch. Aber davon kann im konkreten Falle nicht die Rede sein.

Mir scheint, ein paar ganz ausgebuffte Propagandisten haben einen kreativen Move gefunden. Die banale Erkenntnis, dass mit mit dem Appell an irrationale Ängste viel verkauft werden kann, wird manipulativ als Beschwichtigung eingesetzt. Das gleiche Prinzip wird beim Klimawandel verfolgt. “Lasst Euch doch keine Angst machen! Die Ökofaschisten wollen damit lediglich ihre Ziele durchsetzen.” Selbst bei einer oberflächlichen Betrachtung eine lächerliche Aussage. Ich muss nur schauen, wer ein größeres Interesse, vor allem finanzielles hat. Da stehen dann besorgte, mittelmäßig bezahlte Wissenschaftler und Aktivisten einem Milliardenmarkt gegenüber. Nein, die Propaganda ist darauf ausgerichtet, Angst vor rational denkenden Zeitgenossen einzuflößen, damit der Konsum beständig anhält.

Aktuell läuft alles auf die Parole “Die oberste Bürgerpflicht heißt Ruhe bewahren.”, hinaus. Friedrich Wilhelm Graf von der Schulenburg-Kehnert[4]Ich habs nachgelesen. Nein, er ist nicht der Namensgeber für die Spandauer Schulenburgstrasse. prägte sie, nachdem Napoleon die Preußen geschlagen hatte und sich abzeichnete, dass der Kaiser nach Berlin vorrücken wird. Mich amüsiert dabei, dass er dabei ausgerechnet vornehmlich die Bürger meines Bezirks, die Spandauer meinte, wo Napoleon wenige Tage später die Zitadelle besetzte.

Einige Jahre später wurde die Parole ein Bestandteil der Geschehnisse um die Karlsbader Beschlüsse herum, weil die Monarchisten Angst vor einer Revolution hatten. Klappe halten, Ruhe bewahren und der Obrigkeit alles Weitere überlassen.

Fairerweise muss ich zugeben, dass es derzeit kaum Alternativen zu einer Beschwichtigung gibt. Was allerdings völliger Quatsch ist, geht mal wieder auf das Konto der Konservativen. Die schreien Zeter und Mordio, weil nicht genügend Schutzbunker vorhanden sind. Erstens lassen sich nicht Millionen sicher unterbringen und zweitens bringt das bei einer Atombombe alles nichts, außer vielleicht eine Verlängerung der Lebenszeit um wenige Tage. Mal ganz abgesehen von den weltweiten Folgen danach. Wer neugierig ist, kann sich unter dem Link hier ansehen, welche Auswirkungen eine Tsar Bomb 50Mt bei einer Detonation über Berlin hat. Aber vermutlich hat eine CDU-Clique oder FDP-Seilschaft gute Kontakte zu Anbietern privater Bunkeranlagen. Für einen schmalen Taler bekommt man schon für ca. 10.000,– EUR einen atomsicheren Schutzraum für das eigene Haus.[5]https://www.bunker-bssd.de/Schutzraum-Atomsicher.

Wie auch immer, diejenigen, welche anderen zum Thema unbegründete Ängste vor einem Atomkrieg vorhalten, gehen mir ziemlich gegen den Strich. Es sind die üblichen Kandidaten, denen alles schnuppe ist. Klimawandel gab es schon immer, die Natur erholt sich schon wieder, die Tiere aus der Massentierhaltung existieren lediglich, weil sie exakt zu diesem Zweck geboren wurden, an den Gesetzen des Kapitalismus kommt auch Putin nicht vorbei, es ging immer irgendwie weiter, … Ich mag auch keine Bedenkenträger, aber zu nassforsch ist keine Alternative, zumal sie diesen Dumpfsinn nur deshalb von sich geben, weil sie Angst vor Einschränkungen haben und merken, dass es langsam eng wird.

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Verfasst 14. Mai 2022 von Troelle in category "Gesellschaft", "Kapitalismus", "Politik", "Politik u. Gesellschaft

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