Kompliziert statt einfach

close up photo of cannabis plant Lesedauer 4 Minuten

Als in den USA am 15.12.1933 die Prohibition endete, saß ein Barkeeper neben einem Telefon und wartete auf einen Anruf. Kaum klingelte das Telefon, goss er sich einen Highball ein und trank legal Alkohol. Jedenfalls wird die Geschichte so erzählt. Fortan konnte man in den Bars, wo ohnehin illegal getrunken wurde, wieder legal trinken. Fertig!
2022. Sogenannte Experten, selbsternannte Fachleute, Psychiater*innen, Psychologen*innen, Politiker*innen, die zu allem ihren Senf dazu geben müssen, Lobbyisten*innen, sie alle debattieren wild darüber, wie man denn eine Legalisierung von Cannabis hinbekommt. Die Textbausteine lauten: Studien A-X hätten ergeben, der Jugendschutz muss gewährleistet werden, der Schwarzmarkt muss unterbunden werden, die Verbraucher müssen vor Beimengungen geschützt werden und ganz besonders wichtig ist die Reglementierung des THC-Gehalts. Lese und höre ich das alles, bekomme ich Kopfschmerzen. Was da erzählt wird, ist ein Schauermärchen. Eins, in dem Cannabis-Konsum ein sich neu verbreitender Trend wäre. Guten Morgen! In Deutschland wird spätestens seit den frühen Siebzigern Cannabis, damals noch zumeist in Form von Haschisch konsumiert. Ab Anfang der 80er wurden in jedem besseren Tabakladen die notwendigen Utensilien wie Longpapers, Bongs, Grinder, pp. verkauft. Dies mit Sicherheit nicht als Dekoration. Wer Cannabis raucht, kann in der Regel gut einschätzen, wie viel er/sie raucht und welche Wirkung er oder sie haben will. Ist es zu viel, geht es ab ins Bett und Schlafen ist angesagt. Kein Übergeben, kein Zoff mit anderen Leuten, kein Getorkel nach Hause, einschlafen auf Parkbänken oder ähnliche Auswirkungen, die beim Alkohol eine Rolle spielen. Ja, man kann es übertreiben und es werden sich langfristig Folgen einstellen. Wie dies halt mit Substanzen so ist, die man sich dauerhaft zuführt. Jugendliche schlucken heutzutage Pillen, probieren LSD (ACID) aus und schlucken Pilze (Magic Mushrooms), versuchen es mit Tramal (besonders gern, wenn sie Leistungssport betreiben), Tilidin, oder trinken alle im Handel erlangbaren Spirituosen (bevorzugt Wodtka, Captain Morgan, Bier). Jugendliche finden immer einen Weg.
Ich bete es in jedem Beitrag zum Thema wie ein Mantra: Wer einen vernünftigen Umgang mit Drogen erreichen will, muss zwei Dinge leisten. Eine ehrliche und aufrichtige Aufklärung ermöglichen und an die Faktoren herangehen, die besonders Jugendliche Drogen nehmen lässt. Dies gilt insbesondere für die, welche erheblich ins Bewusstsein eingreifen. An die Umsetzung des zuletzt genannten glaube ich nicht. Denn die Faktoren sind nahezu identisch mit denen, die Erwachsene tablettensüchtig, alkoholabhängig werden lassen bzw. psychosomatische Krankheiten verursachen. Bleibt am Ende die Aufklärung! Ich bin ja nun auch schon über die 50, aber eins weiß ich ziemlich genau. Kein Jugendlicher oder Heranwachsender lässt sich von einem Polizisten, einem gealterten Sozialpädagogen, oder spießigen Apotheker etwas über Drogen erzählen. (Bitte wahlweise die Frauen einsetzen). Gealtert deshalb, weil wir alle wissen, wie es läuft. Wer nicht mehr an der unmittelbaren Front unterwegs sein kann, wird auf die Tour durch die Schulen geschickt.
Die Illegalität des Cannabis hatte nicht nur Nachteile. Rund herum ist eine Subkultur entstanden, die sich mannigfaltig von der Kultur der klassischen deutschen Alkohol-Kultur unterscheidet. Cannabis-Raucher sind eher selten in konservativen Studentenverbindungen, klassischen Eckkneipen, in Weinstraßen oder auf Bierfesten anzutreffen. Ich befürchte, dass da das Problem liegt. Es ist nicht uninteressant, wer sich da im Bundestag, wie äußert. Schnaps, Champagner, Bier sind in Ordnung, weil sie der „Leitkultur“ entsprechen, während diese ganzen vermeintlichen Exoten nebulös und gefährlich sind. In dieser Art und Weise kann aber nur jemand denken und sprechen, der früh aus der Lebensrealität der restlichen Zeitgenossen separiert wurde. Willkommen im Ablauf einer deutschen politischen Karriere, vor allem wenn sie in der Union oder bei der FDP, SPD, stattfindet.
Ich bleibe dabei: Zweckmäßig ist einzig und allein eine unkomplizierte sofortige Legalisierung, die schlicht und ergreifend eine Reaktion auf die tatsächlichen Verhältnisse in der Gesellschaft darstellt und sich nicht an den Wunschvorstellungen von Leuten orientiert, die sich in einer Blase befinden. Keine Droge ist harmlos! Aber auf die Gefahren mit Verboten zu reagieren, ist absoluter Humbug. Wie sollte man dies konsequent durchziehen? Fliegenpilze im Wald vernichten? Alle Gläser in der Küche prüfen, ob da auch wirklich harmlose Pilze drin sind? Tollkirsche? Die Tabletten von Mama in der Schublade? Farben? Klebstoff? Mir fallen noch ein paar mehr ein, aber ich will niemanden auf blöde Ideen bringen. Wird es nicht konsequent durchgezogen, muss eine Begründung erfolgen, warum diese Substanzen verboten sind und andere wiederum nicht. Bei Cannabis geht es um eine an sich völlig harmlose Pflanze, den Hanf, welche auch noch sehr nützlich und ansehnlich ist. Alkohol selbst zu brennen, bringt einige Risiken mit sich. Es beginnt mit einer explodierenden Destillationsapparatur und geht weiter mit Fusel bzw. Methanolanteilen, die blind machen. Was auch immer ich mit der Hanfpflanze anstelle, abgesehen von Schnapsherstellung, bleibt es ungefährlich. Beim Konsum kommt noch die Alkoholvergiftung dazu. Das Suchtpotenzial ist auch höher. Also bei meiner Prüfung müsste der Alkohol verboten werden. Dass das nicht funktioniert, wissen wir. Aber wie kommt man dann auf die Idee, dass es bei Cannabis klappt? Bisher bin ich auch noch nicht auf die Idee gekommen, das Personal der Apotheke meines Vertrauens nach dem besten Grappa, Whiskey oder Rotwein zu befragen. Gleiches gilt für Zigarren!

Wie verhält es sich mit dem Jugendschutz? Gibt es neuerdings Aufklärung über die Folgen und Gefahren von Hochleistungssport? Oder bezüglich dessen, was sich junge Männer in Fitnessstudios antun und 20 Jahre später Orthopäden und Physiotherapeuten beschäftigt? Warum sind eigentlich so viele Heranwachsende bis über beide Ohren verschuldet? Wie sieht es mit den Ursachen für Essstörungen, Selbstverletzungen und Suiziden aus? Oder wann hört man jüngeren Engagierten endlich mal zu, wenn sie von ihren nicht unberechtigten Ängsten vor einer Zukunft mit Extremwetterereignissen, Artensterben und Verpestung der Erde sprechen? Warum werden die nicht vom Establishment zum Gespräch eingeladen? Habe ich bei Corona und notwendigen Ausbau der Schulen mit Belüftungsanlagen etwas verpasst? Nein, liebe Leute, ihr ergeht Euch im Bundestag in Phrasen und die wenigen, welche wirklich an das glauben, was sie von sich geben, sind mehr als naiv. Unter dem Strich geht es, um was es immer geht! Geld, Business, Vermarktung! Bei großen Teilen einer Generation, die Politikern*innen nicht einen Zentimeter über den Weg trauen, ist dies kontraproduktiv. Doch es gibt ja auch noch die anderen, die bereits angekommen sind. Nun, um die muss sich keiner Sorgen machen. Jedenfalls noch nicht jetzt. Kokain, Alkohol und psychosomatische Kliniken kommen bei denen erst später.
Die Legalisierung von Cannabis ist wahrlich nichts Weltbewegendes. Mit Flüchtlingsströmen, gesellschaftlichen Umbrüchen, sich immer mehr verdichtende Krisen, eine Welt, die sich völlig neu sortiert und dabei extrem gefährliche Spannungen erzeugt, ein Ökosystem Erde, welches künftig vom menschlichen Design abhängig sein wird, kann Cannabis nicht konkurrieren. Aber mal vorsichtig nachgefragt: Wenn ihr dabei schon eine schlechte Figur macht, wie wollt ihr den anderen Kram stemmen?

Noch ein kleiner zynischer Nachtrag. Cannabis hat schon vielen traumatisierten Veteranen gut geholfen. Davon wird es in nächster Zeit mehr geben. Hinzu kommen traumatisierte Grenzbeamte, die die Festung Europa verteidigen müssen und mit dem Elend nicht klarkommen. Da tun sich doch ganz neue Optionen auf.


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Verfasst 9. Juli 2022 von Troelle in category "Gesellschaft

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