Warum – ein wichtiges Fragewort!

Meiner persönlichen Erfahrung nach ist die Frage „Warum?“ ein mächtiges Instrument. Dabei geht es mir weniger um die den Menschen antreibende Neugierde und den Wissensdurst. In unserer Gesellschaft ist es unmöglich nicht Sachverhalten, Regeln, Anweisungen, Vorgaben zu begegnen, bei denen sich die Frage quasi aufdrängt. Ist man nach einigen verständigen und vernünftigen Überlegungen in der Lage eine Antwort zu finden, ist alles gut. Kommt man nicht alleine darauf, besteht die Möglichkeit, nachzufragen. Folgt eine nachvollziehbare Erklärung, stellt sich ebenfalls so etwas wie eine Zufriedenheit ein. Doch allzu häufig kommen Antworten, die da lauten: „Das ist halt so! Ich mache hier nur meinen Job! Das haben wir schon immer so gemacht. Man kann nicht alles ausdiskutieren. Natürlich ist das verboten, ist doch klar. Wir haben Sie aufgefordert, dies auszufüllen, also machen Sie das jetzt.“ In mir formuliert sich bei an mich gerichteten Fragen häufig eine Gegenfrage. „Warum willst Du oder wollen Sie das wissen und was gedenken Sie oder Du mit der Information anzustellen?“ Gefällt mir das Motiv oder ist für mich nachvollziehbar, dass die Auskunft benötigt wird, werde ich antworten. Anderenfalls lasse ich es und verweigere die Antwort. Dies führt immer mal wieder zu Irritationen. Die meisten Menschen sind von Kindesbeinen darauf gedrillt worden, Fragen zu beantworten und empfinden eine ausbleibende Antwort als unfreundlich. Behörden, Institutionen, Firmen haben diesbezüglich einen besonders hinterhältigen Move in der Hinterhand. Es steht einem theoretisch frei, die Fragen nicht zu beantworten, aber dann schalten die im Gegenzuge auf stur. Spätestens nachdem Geld in ihre Richtung geflossen ist, machen die gar nichts mehr, ohne dass man einen Mehrwert, nämlich Daten abliefert. Doch dies nur am Rande.
Meistens stellt sich die Frage nach einem Grund oder Motiv, wenn entweder eine Handlung abgefordert oder untersagt wird. Dies kann u. a. durch eine Anweisung oder ein Verbot passieren. In unserem Staat bin ich zunächst einmal ein freier Mensch, dessen Freiheit durch die Grenzen eines anderen beschränkt werden. Das ist logisch und basiert auf uralten Erkenntnissen. Bisweilen gilt es dabei Kompromisse einzugehen und wenn sich die Leute nicht einig werden, rufen sie eine Instanz an, der sie eine Regelung zubilligen und zutrauen. Allerspätestens diese Instanz wird sich die Frage nach den Gründen für die Entscheidung stellen lassen müssen. Sind die Gründe vollkommen abwegig, kommt es zu einer absolut nicht nachvollziehbaren Bevorzugung einer Partei, kommt der Verdacht auf, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht – gibt es Stress! Hier kommt der Begriff Macht ins Spiel. Einige ich mich mit einem anderen alleine, ziehen wir an einem Strang, sind alle dazu fähig, verständig und vernünftig zu handeln, wird keine Machtposition benötigt. Damit ist Macht per se nichts Schlechtes. Geht sie einher mit Kompetenz, Empathie, Weisheit, natürlicher Autorität, wird sich vieles zum Guten wenden. Dennoch wird man nicht daran vorbeikommen, Machtinhabern*innen für Zweifelsfälle oder bei der Konfrontation mit unvernünftigen, unverständigen Menschen, Machtmittel zur Verfügung zu stellen. Im Idealfall sind die Entscheidungen, Handlungsaufforderungen, Verbote, so transparent dargestellt, dass die Intervention mit den Machtmitteln nicht notwendig wird. Selbstverständlich sind da einige Hürden.
Einerseits kann ich es mit Leuten zu tun haben, deren Verstand und Vernunft durch unterschiedliche Faktoren benebelt sind. Denen kann ich noch so schlüssig erklären, warum etwas notwendig ist, aber ich werde scheitern. Des Weiteren kann es sein, dass sich die Machtposition verselbstständigt hat. Sie wird dann auf den eigenen Vorteil achten. Oder die Machtposition verfolgt eine eigene, wie auch immer motivierte Agenda, die sich rationalen Überlegungen entzieht. Mächtige mit Sendungsbewusstsein, spirituellen, moralischen Motiven, die im Gegensatz zur Ethik temporär und abhängig vom Zeitgeist sind, verdienen stets eine Absage. Leider wird dies selten beherzigt.
Schaue ich mich in den Kreisen der aktuellen Politikergeneration um, entdecke ich viele Persönlichkeiten, die ihre übergebene Machtposition für eben die genannten Punkte missbrauchen. Fairerweise muss ich zugeben, dass sie damit dem Zeitgeist entsprechen. In Behörden, Konzernen, größeren Betrieben sieht es nicht anders aus. Schlimmer noch, in der gesamten Bevölkerung machen sich Gruppierungen breit, die versuchen Macht über den Rest zu erlangen. Heutzutage spricht man von der sogenannten Deutungshoheit, gemeint ist aber die gute alte Moral und die Macht, sie anderen aufzuzwingen. Entscheidend ist die Wirkung meines Handelns. Wenn ich mich selbst verletze, gar selbst töten will, ein Mitmachen verweigere, meine Wahrnehmung oder das Leistungsvermögen mit natürlichen oder chemischen Substanzen verändere, mich fortbilde oder das Lernen verweigere, Leistungen erbringe oder verweigere ist das alles meins und niemand hat sich dabei einzumischen.
Allerdings muss ich auch die Folgen für mich selbst in Kauf nehmen. Für das Gröbste haben wir ein Netz gespannt. Es basiert auf dem Wissen, dass wir alle fehlbar sind. Darüber hinaus gibt es noch einige Wechselwirkungen. Es ist eine künstliche Idee des Großhirns, dass es so etwas wie einen individuellen Besitz oder Eigentum an den Dingen gibt, ohne die ein Leben gar nicht möglich ist. Grundsätzlich gehören die grundlegenden Nahrungsressourcen, Wasser, Luft und Boden jedem Lebewesen zu gleichen Teilen. Jean Jaques Rousseau schrieb hierzu:
„Der Erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu sagen »Dies gehört mir« und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Elend und Schrecken wäre dem Menschengeschlecht erspart geblieben, wenn jemand die Pfähle ausgerissen und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: »Hütet Euch, dem Betrüger Glauben zu schenken; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass zwar die Früchte allen, aber die Erde niemandem gehört«.“
Nun, wenn wir uns schon nicht an diese Maxime halten, halte ich es für legitim, dass wir wenigstens jedem eine Grundversorgung, Hilfe bei Gesundheitsproblemen, auch denen, die sich selbst schädigen, zukommen lassen. Völlig anders sieht es mit allem aus, was eine Außenwirkung auf andere hat. Die Luft, Boden, Wasser, aus Unachtsamkeit oder ökonomischen Gründen zu verpesten, billigend aus egoistischen Motiven das Aussterben anderer Lebensformen voranzutreiben, unfassbares Leid zu verursachen, künftigen Generationen ein defektes Ökosystem zu hinterlassen, strahlenden, tödlichen Müll zu deponieren und vieles mehr, sollte regelmäßig die vernünftige, verständige Machtposition ins Spiel bringen. Im Gegensatz zum abwegigen Gewäsch von Neoliberalen, Konservativen, Faschisten, handelt es sich nicht um ein Machtmissbrauch, sondern um eine unabdingbare Notwendigkeit. Es ist keine Frage der Moral, wenn zum Beispiel der Mensch Landschaften mit Autobahnen durchtrennt und aus puren egoistischen Motiven anderen Lebewesen das Leben schwer bis unmöglich macht. Hier geht es um Ethik. Welche Berechtigung besitzt der Mensch, die eigenen Belange über die Existenz aller anderen Lebewesen zu stellen? Die Antwort: Weil der Mensch die vermeintliche Krönung der Schöpfung ist oder das Abbild eines imaginären Gottes; oder wenn es nach dem Humanismus geht, weil der Mensch im Zentrum des Lebens auf der Erde steht, ist nicht rational und sollte somit nicht die Argumentationsbasis einer Machtposition sein.
Tatsächlich passiert dies täglich. Manche erheben sich über andere und verbieten ihren Mitmenschen selektiv und willkürlich die Einnahme von Substanzen. Mit welcher rationalen Legitimation? Andere versuchen anderen Aussagen zu verbieten. Ich bin kein Freund des Begriffs „Volksverhetzung“. Da gibt es mehrere Seiten. Die Hetzer, jene, welche sich aufhetzen lassen und diejenigen, denen in der Gesellschaft die Aufgabe zuteilwurde, ausreichend Bildung des Geistes und der Persönlichkeit zu installieren, die dieses Treiben ins Leere laufen lassen. Volksverhetzung ist nichts anderes als eine speziell ausgerichtete Propaganda oder moderner ausgedrückt, eine PR Strategie. Die installierten Machtpositionen bedienen sich dankbar der Möglichkeiten der PR Techniken und hegen insofern kein Interesse an wirkungsvollen Gegenstrategien. Sie beschränken sich auf das Verbot unerwünschter Propaganda. Allgemein gegen jegliche Propaganda vorzugehen bleibt bei engagierten Personen unterhalb der Machtebene liegen. Knallhart betrachtet, erscheint derzeit die Hetze gegen politische und wirtschaftliche Flüchtlinge, Migranten, vornehmlich vom afrikanischen und asiatischen Kontinent, für etablierte Parteien wie die CDU, CSU, FDP, sogar einigen Mitgliedern der GRÜNEN und SPD, legitim. Zur illegitimen Hetze wird es erst, wenn es sich um Menschen mit einer mosaischen Weltanschauung handelt.
Gleichfalls in Ordnung ist das Pressen in ein Leben, welches auf Konsum, Heranschaffen von Gütern um jeden Preis, fremdbestimmtes und zumeist entfremdetes Arbeiten bis ins Grab, einhergehend mit der Diffamierung aller Menschen, die dies – was eigentlich gesund ist – nicht vermögen oder aus Gründen heraus ablehnen. In einem wirklich freien Land sollte es auch jedem Individuum möglich sein, sich nicht einer Gruppenmoral unterzuordnen oder gar nicht erst einzusortieren lassen, ohne dass es von Menschen mit anderen Lebensvorstellungen und Machtmitteln gegängelt wird.
Die Rolle des “Warum” in der Krise
Warum? Diese Frage führt in die Freiheit, sie kann einsam machen und lässt einen den Grad der eigenen Freiheit erkennen. Warum tue ich, was ich gerade unternehme? Basiert das Verhalten auf echten, eigenen Wissen? Hörensagen? Habe ich jemals über die Vertrauenswürdigkeit der Quelle nachgedacht? Warum vertraue ich ihr? Warum darf ich dieses oder jenes nicht unternehmen? Warum wurde es mir und vor allem von wem verboten? Welche Motive bestehen für das Verbot oder die Handlungsaufforderung?
Doch die Antworten führen auch zur Einsicht. Deutschland, Europa, die Welt, gerät mit rasanter Geschwindigkeit in multiple Krisensituationen. Erfolgreich lassen die sich nur mit Solidarität, gegenseitiger Hilfe und auch Verzicht bewältigen. Für eine handlungsfähige Mehrheit muss erkennbar sein, an wen welche Forderungen gestellt werden, wer Hilfe und Begünstigungen benötigt, warum und wieso an der einen oder anderen Stelle Freiheiten beschränkt werden müssen. Derzeit passiert dies nicht. Die Machtpositionen erwecken zumindest den Eindruck, dass sie einigen wenigen Privilegien einräumen, während sich die große Masse solidarisch zeigen soll. Dabei entsteht der Verdacht, dass wieder einmal Gewinner hervorgehen sollen, während sich der Pöbel durchquält. Dies wird zu Unruhen mit ungewissem Ausgang führen. Oftmals sind es die kleinen Funken, die am Ende für den Flächenbrand sorgen. Warum darf ein Golfplatz, ein Tennisplatz oder ein Fußballfeld bewässert werden, während an anderen Stellen gespart wird? Es bedarf hierzu einer schlüssigen Antwort. Wenn irgendwo nachts die Lichter brennen, bedarf es einer plausiblen Begründung. Warum können manche Konzerne einen Reibach machen, während alle anderen den Gürtel enger schnallen? Wer wird in der Krise in welchem Umfang zur Kasse gebeten? Solange die Menschen halbwegs genug haben, interessiert sie das Warum nicht. Dies kann sich schnell ändern. Mit einem politischen Establishment, welches vor lauter Hybris kaum noch gehen kann, irrational an einem neoliberalen Glaubenskonzept festhält, wird das nichts werden. Bitter amüsant ist dabei, dass die Vordenker, Gurus, die Handlungsfähigkeit bzw. die Fähigkeit komplexe Sachverhalte günstig zu beeinflussen, dem Menschen absprachen und deshalb auf die sich selbst generierenden Regeln eines Markts setzten. Nun ist es aber so, dass sich der Mensch de facto in den Mittelpunkt gestellt hat, u.a. mit der menschlichen Erfindung eines Marktes, eben genau dieses unternimmt und grandiosen Schiffbruch erleidet. Das Marktkonzept bedient alles, was dem Lebenssystem Erde nicht guttut. Gier, Horten, Wachstum, Konkurrenz, statt Maß halten, mit dem natürlichen System im Einklang leben, Solidarität über die Grenzen hinaus und untereinander leben, die Menschheit als etwas Ganzes auf dem Planeten zu begreifen bzw. sogar als einen Teil des kompletten Lebenssystems.
Theoretisch wäre ich selbst bei einigen dabei und zu vielen bereit. Aber spätestens, wenn die wieder alle anfangen in nationalen Grenzen und Märkten zu denken, multinationale Konzerne alle veralbern, sich über den Globus verteilte Anleger die Hände reiben, gehen bei mir die Rollläden herunter. Gleiches gilt, solange symbolische Figuren wie ein Christian Lindner, Markus Söder oder Friedrich Merz nebst ihrer Befürworter ein Gebaren an den Tag legen, welches ich als asozial empfinde. In einer Gesellschaft, die solchen Leuten Macht in die Hände geben, rette ich mich lieber selbst und versuche dabei möglichst geringen Schaden zu verursachen. Beteiligen werde ich mich nicht an Demonstrationen, die Leute inszenieren, denen lediglich an Zerstörung gelegen ist, aber keine Antworten für ein danach haben.