Zeitenwandel, die Prohibition als Reagenz

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Prohibition – ein Teil von einer größer angelegten Kampagne

In diesem Zusammenhang stolperte ich kürzlich über eine Serie auf dem ARTE-Kanal bei Youtube. Eine im Exil lebende russische Journalistin präsentiert dort die im russischen Fernsehen laufende Propaganda.

Es wirkt, als wenn ein Filmregisseur*in bösartig deutsche Bürgertumklischees bis zur Schmerzgrenze ausreizt. Homophobie bis ins Bizarre, das Ausmalen sexueller Perversitäten (Wobei sich die Frage stellt, warum die sich so etwas vorstellen können), nackter Rassismus und eine völlig schräge Anfeindung von allen soziologisch Innovationen, die sie als Faschismus benennen. Genauso gut hätte Mussolini, Franko als üblen Kommunisten beschimpfen können. Irgendwann fiel mir beim Zuschauen auf, dass die dort teilweise 1:1 von sich gaben, was bei uns die Vertreter u. Vertreterinnen der AfD vom Stapel lassen. Da sind im Background dieselben Texter und Initiatoren am Werk. Ich weiß, das ist nichts Neues, doch so deutlich ist mir dies noch nie aufgefallen. Mir war ebenso nicht in dem Umfang bekannt, dass nahezu alle, ausgenommen die QAnon-Verschwörung, Querdenker-Nummern aus russischen Propaganda-Laboren stammen. Aber ich weiß auch aus eigener Erfahrung, dass stellenweise die Sprüche, Rhetorik und Denkart, wenn es um Rassismus, Homophobie und Frauenfeindlichkeit, geht, bei verschlossenen Türen in der JU, an den Stammtischen der CDU/CSU und Burschenschaften kursieren.
Über allem lässt sich eine Kategoriebezeichnung setzen. Das ist das Werk der Neuen Rechten. Eine Denkrichtung, die sich in der Tradition der Konservativen in der Weimarer Republik sehen. Die dürfen nicht mit den Nationalsozialisten verwechselt werden. In vielerlei Hinsicht waren sie die Wegbereiter und der Komposthaufen, aber nicht identisch. Es scheint beinahe so, als wenn russischer Staatskapitalismus, der in Ausgestaltung des Putinismus eng mit der Russischen OK (Organisierte Kriminalität) verwoben ist, einen gemeinsamen Nenner mit den Rechten gefunden hat. Dies wäre dann eine Analogie zum italienischen Faschismus, der mit der italienischen OK gemeinsame Sache macht. In aller Deutlichkeit zeigte sich dies bei den Ermittlungen zur P2-Loge und Andreotti.

In einer ähnlichen Misere befanden sich die konservativen US-Amerikaner, für die Anslinger in den Krieg zog.

Zum Missfallen der damals rassistisch-religiös ausgerichteten Republikaner, öffnete sich die Gesellschaft und vor allem Jüngere strömten in die Jazz-Clubs. Zu ihrem Entsetzen kam es auch zu Paarbildungen zwischen Schwarzen und Weißen. Das dort konsumierte Gras (Reef), wurde zum Symbol dieser Veränderung. Eine vergleichbare progressive Öffnung mit einer damit einhergehenden Kritik am Establishment und Bürgertum erlebte ich in den 80ern in West-Berlin. Die Gegenwehr war ähnlich wütend, wie heute. Allerdings ohne Digitalisierung, Internet und Globalisierung im heutigen Ausmaß. Zu dieser Zeit war die Neue Rechte, nach ihrer großen Zeit in den 50-70ern, etwas in die Defensive geraten. Aber im Bürgertum war noch genug Gedankengut verankert. „No Future“, „Anti-AKW“, „Friedensbewegung“, „Punk“, “Autonome Bewegung”, „Öko-Bewegung“, kamen nicht sonderlich gut an.
Das Bürgertum beruhigte sich damals mit der Erzählung, dass all die Spontis eines Tages vom Establishment gefressen werden und wenn man ehrlich ist, lagen sie damit oftmals nicht falsch. Typen wie Joschka Fischer spielten ihnen dabei in die Karten. Die These lautet: Wenn man nur genug Geld in die Hand nimmt, sind alle satt, rund und glücklich. Eine Abwandlung heißt: Jeder Mensch hat seinen Preis. Hier stimme ich voll zu. Denn Preis bedeutet nicht zwingend Geld, Wohlstand oder Macht. Auch der Studentenführer der 68er, Rudi Dutschke, übersah dies bei seiner Forderung nach dem Weg durch die Instanzen, bei dem die progressiven (revolutionären) Köpfe irgendwann mal oben landen würden. Problem: Der Weg durch eine Behörde geht an niemanden spurlos vorbei und eines Tages schaut man in den Spiegel, der einem ein fremd gewordenes Bild zeigt.

Heute sieht es anders aus. Klima, Ökosysteme und Arten sind nicht korrumpierbar. Man kann ihnen nichts anbieten, was sie nicht schon hätten. Was seit den 70ern prognostiziert wurde, ist eingetreten. Die Zeit der Warnungen ist verstrichen und der Erfolg ist theoretisch sichtbar. Im Film „Don’t look up!“ ist das perfekt auf den Punkt gebracht worden. Wenn das, wovor gewarnt wurde, eintritt, mag man meinen, dass die Leute nun nicht anders können, als hinzusehen. Wir erleben etwas anderes. Die Leute sind sauer und bockig. Warum? Das ist ein weiterer Aspekt von Propaganda. Wenn ich das Denken ausschalten, die Glaubwürdigkeit von Mahnern oder Wissenden (z.B. Wissenschaftler) unterlaufen will, muss ich Verwirrung schaffen. Dafür muss ich nur mehrere Seiten bedienen, die einander aushebeln. In einer komplexen Welt kann sich niemand mit allem auskennen. Wer soll all die Studien lesen und auch noch die Kompetenz besitzen, sie richtig einordnen zu können? Also sind wir auf Institutionen angewiesen, denen wir vertrauen können. Hier schaltet sich die Propaganda dazwischen. Sie zerstört jede Quelle und liefert zu allem mindestens eine Gegenthese, die am besten auch noch emotional gefärbt ist. Im Erfolgsfalle herrscht das Chaos, die Desinformation und die Orientierungslosigkeit. „Trölle, das kannst Du so nicht sagen, es gibt dazu auch noch andere Studien, Meinungen, Veröffentlichungen. Es ist kompliziert!“ Meine Taktik besteht darin, mir zu den Themen, von denen ich halbwegs etwas verstehe und eine gewisse Urteilskraft zugestehe, verschiedene Politiker*innen, tatsächliche oder scheinbare Experten, Journalisten*innen, anzuhören und ihre Texte zu lesen. Ich betrachte dies als eine vertrauensbildende Maßnahme. Drogen, Substanzen, Süchte, gehören dazu. Wird hierzu irgendwo „Bullshit“ verbreitet, mit Appellen gearbeitet, weiß ich in etwa in welche Richtung es geht und kann die Publikationen, Politiker*innen passend einordnen. Weitere Themen sind bei mir die Organisierte Kriminalität, Kommunikation, Posttraumatische Belastungen und ich verstehe ein wenig etwas davon, wie Nachrichtendienste funktionieren. Ich lass mal offen, wer über diese Themen bei mir aus dem Rennen ist. Die Liste ist lang.

Verschwörungen, PR-Kampagnen, Lobbyismus, Tendenzen

Was im Allgemeinen unter Verschwörungstheorien verstanden wird, ist das Zusammenziehen einzelner Ereignisse zu einer Erzählung, die schwer nachvollziehbares erklärlich machen soll. Im gewissen Sinne sind PR-Kampagnen Verschwörungen. Allerdings oftmals ziemlich lückenlos nachgewiesene. Mit ihnen wurden bereits kontrolliert Kriege ausgelöst, Regierungen ausgetauscht, gesellschaftliche Prozesse, meist zugunsten wirtschaftlicher Interessenvertreter, eingeleitet. Außerdem wird damit ein Meinungsbild erzeugt, welches Politikern*innen eine Wiederwahl beschert. Ich erwische mich immer mal wieder dabei, dass ich Politik immer mehr als ein Geschäftsmodell sehe. Eigentlich sollte doch das Bestreben, die Gestaltung eines friedlichen und gerechten Zusammenlebens aller auf einem Staatsgebiet lebenden Menschen sein. Doch wenn dies tatsächlich das Motiv wäre, müsste man den Leuten mit einer offenen, schlüssigen Argumentation gegenübertreten, in der die Vor- und Nachteile einer Entscheidung dargestellt werden. Appelle an Emotionen, das Ausnutzen menschlicher Schwächen oder das Erwecken niederer Instinkte/Triebe sind Praktiken der kommerziellen Werbung. Es soll etwas mit dem größten möglichen Gewinn verkauft werden und desto minderwertiger, unnütz es ist, umso mehr Werbung mit Appellen ist nötig.


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Verfasst 18. August 2022 von Troelle in category "Gesellschaft

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