Sofortbestrafung – Nein!

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Langsam werde ich sauer. In meinem Freundeskreis und bei mir war es immer erklärtes Ziel unseren Kindern die Möglichkeit zu geben, ein eigenständiges, kritisches Denken, zu vermitteln und ihnen vorzuleben, sich einzumischen, wenn etwas nicht richtig ist. Nun mögen manche trefflich darüber streiten wollen, was denn dieses „richtig“ ist. Meiner Auffassung nach merkt dies ein Mensch mit einer gesunden Persönlichkeitsstruktur ganz alleine. Es gibt da einige Dinge, die schlicht und ergreifend in uns verankert sind.
Teile der jüngeren Generation sorgen sich um ihre Zukunft. Ich kann das nachvollziehen. Man muss schon ausgesprochen ignorant sein, wenn man die Zeichen der Zeit nicht erkennt. Diskussionswürdig ist, welche Maßnahmen Veränderungen herbeiführen können. Simple logische Überlegungen führen mich persönlich zum Ergebnis, dass all die Vorgehensweisen, Konstrukte, Verhaltensweisen, welche in die Misere führten, nicht aus ihr herausführen können. Es braucht Alternativen. Die Theorie des notwendigen Wachstums, das Setzen auf technische Entwicklungen, der Neoliberalismus, haben sich als Irrwege erwiesen. Beim Kommunismus und Sozialismus hat sich gezeigt, wie schnell damit ein Nährboden für Cliquen erzeugt wird, die zügig einen nicht weniger schädlichen Staatskapitalismus installieren. In der Konsequenz muss alles auf den Tisch gelegt und radikal neu betrachtet werden. Die Gestalter*innen des Grundgesetzes waren keine unfehlbaren Götter. Ihre Entscheidungen und Vorgaben beruhten auf den bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Informationen und Erfahrungen aus der zurückliegenden Geschichte. Ihre Intentionen finden sich zwischen den Zeilen.

Wie auch immer: Manche setzen sich auf die Straße, andere verzichten zugunsten eines Protestes auf das Recht zur Schule zu gehen, andere stellen sich denen entgegen, die eine Anschauung der Welt innehaben, die große Teile der Weltbevölkerung bereits einmal ins Verderben schickte. In Anbetracht dessen, dass sie unsere Zukunft sind, die Menschen wie ich, eventuell noch als alter gebrechlicher Mann erleben werden, ist es ein schwerer unverzeihlicher Fehler, nicht mit ihnen zu sprechen, sie zu ignorieren oder sie zu diffamieren. Wenn es noch eine Chance der Veränderung gibt, dann durch sie. Bisher wählten sie den friedlichen Weg. Sie leisten bei den Blockaden keinerlei Widerstand, lassen sich weh tun, anschreien und reagieren bemerkenswert ruhig. Das ist ihre Seite!
Die andere Seite wird teilweise von einem hasserfüllten oder wenigstens wütenden Mob gestellt, der Teil der gelenkten Massengesellschaft ist. Ebenfalls zugehörig sind Volksvertreter, denen per demokratischer Wahl die Macht zuteilwurde und in insofern über Machtmittel verfügen. Angewendet werden diese auftragsgemäß von der Polizei. Die betreibt etwas, was auch intern bei der Polizei als Sofortbestrafung vor Ort bezeichnet wird.

Die Haltung dazu ist recht simpel: Die einzige Bestrafung die der oder die Täter*in bekommt, ist die von der Polizei, weil die realitätsfremde Justiz nicht passend reagiert.

Ich machte nie einen Hehl daraus, dass ich Handlungen verstehen und nachvollziehen kann, was aber keinesfalls einer Billigung gleichkommt oder ein richtig so bedeutet. Wenn Polizisten auf Personen treffen, die eine besonders verstörende Tat begingen oder sich in dieser Richtung verhalten, können bei einem Menschen die Sicherungen durchbrennen. So ist das nun einmal, wenn ich keine Maschine vor mir habe.
Bei der Auflösung der Sitzblockaden geschieht etwas anderes. Die dort aktiven Personen unternehmen nichts Verstörendes, sind nicht brutal oder machen sonst etwas Passendes. Wenn Vollstreckungsbeamte*innen Schmerzgriffe anwenden, völlig unnötige Verletzungen verursachen, steckt da Ratio dahinter. Sie sind frustriert und erwarten eine Gerichtsentscheidung, mit der die Personen in ein Gewahrsam genommen werden können, womit ein erneutes Hinsetzen verhindert werden könnte. Aus diesem einzigen Grund wählen sie eine andere, absolut unzulässige Taktik. Aber sie ist nicht nur unzulässig, sondern sie wird nicht ohne Folgen bleiben. Niemand darf sich wundern, wenn wir in nächster Zeit wieder Straßenkämpfe wie in den 80ern erleben. Machtlos ausgeliefert zu sein, erzeugt Ohnmacht, die wiederum ein gefährlicher Nährboden ist.
Jeder sollte sich bewusst sein, dass da die Töchter und Söhne von jemanden sitzen. Menschen wie ich, die ihre Kinder dazu aufforderten sich der Ungerechtigkeit entgegenzustellen, nicht mit der Masse mitzulaufen – weil wir exakt dieses schon einmal hatten. Ein Mensch lebt nicht für sich alleine. Und jede/r Polizist*in, mit der Intention einer selbst beschlossenen Sofortbestrafung, sollte sich bewusst sein, dass das Handeln weit über den Moment hinaus geht.


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Verfasst 19. August 2022 von Troelle in category "Allgemein", "Politik u. Gesellschaft", "Polizei

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