Alleingelassene Borgs

Lesedauer 11 Minuten

“Die Fenster haben keine Scheiben. Es ist kalt. Eine Katze ist im Raum. Wir brauchen ihre Hilfe.”
Zitat aus der nächtlichen WhatsApp-Nachricht eines Backpackers an die Betreiberin eines Guesthouses.

Ich sitze derzeit in einem Guesthouse auf der Insel Langkawi. Im Durchschnitt liegen die Tagestemperaturen bei 35 Grad und nächtens bei 30 Grad. Auf diese Information komme ich nochmals zurück. Als Notiz zum Merken: Es gibt hier drei Jahreszeiten, Hot, hotter, fucking hot!
Im Angebot sind private Zimmer, mit eigenem Bad und welche mit Gemeinschaftstoilette inklusive Dusche. Dazu muss man wissen, dass in Asien die Duschen nicht abgetrennt sind, sondern der geflieste Boden einen Ablauf besitzt. Für Europäer ein wenig gewöhnungsbedürftig, so wie der Schlauch, mit dem man sich den Hintern sauber spritzt, aber wenn man es einmal verstanden hat, lernt man es zu schätzen.
Hinzu kommt ein Dormitory, in dem fünf Hochbetten stehen. Die privaten Räume werden mit Deckenventilator oder Klimaanlage vermietet. Der “Dorm” ist mit einer zentralen Klimaanlage ausgerüstet, zu der eine Fernbedienung gehört. Jeder Gast kann eine kleine Küche nutzen, welche sich innerhalb eines nach drei Seiten offenen Areals befindet. Darüber und dahinter befinden sich die privaten Räume der Besitzer. Soviel zur Beschreibung der Kulisse.

Die meisten Gäste bleiben vier Tage, um dann zum nächsten “angesagten” Platz zu reisen. Vornehmlich handelt es sich um junge Backpacker aus aller Welt. Allerdings kommt aktuell die Mehrheit aus Europa. Vor zwei Tagen sagte eine Travellerin aus Argentinien zu mir: “Ihr habt in Europa eine seltsame Kultur. Ihr schickt Eure Kinder ins Ausland, habt ihr keine Angst um sie? Und vor allem: Warum bezahlt ihr das alles?”
Ich entgegnete, dass vermögende US-amerikanische Eltern nicht anders wären. Die würden ihre Kinder im sogenannten “Gap-Year” auch auf den Rest der Welt loslassen. Und das meine ich genauso, wie ich es schreibe. Die sind der Horror und nerven jede/n, die/der ein wenig Kultur in den Knochen hat. Ich glaube, ihre Eltern hegen die Hoffnung, dass sie außerhalb der Staaten ein wenig von der alten Welt lernen. Also, so etwas wie Kultur. Wenn man den Gesprächen lauscht, kommen einem Zweifel, aber dazu später mehr. Ein wenig hadere ich mit alledem. Ich finde es gut, wenn die heutzutage schon früh andere Kulturen kennenlernen. Im Hinterkopf hab ich dabei auch den Gedanken, dass die eine oder andere aus der Blase herauskommt und die Geschehnisse in Europa, Deutschland, aus einer anderen Perspektive sieht. Damit meine ich nicht diese Häme, in der es heißt: “Da sehen sie mal, wie gut sie es in Europa haben.” Das ist relativ und hängt von vielen Faktoren ab.

Jedenfalls ergibt sich aus ein spannendes Szenario. Bei Hochbetrieb leben 25 fremde Menschen zusammen, teilen sich Töpfe, Pfannen, die sanitären Anlagen und Tisch, Stühle, Couch im Aufenthaltsbereich. Eigentlich sind hier die sanitären Anlagen einfach zu verstehen. Man benötigt keine Ausbildung für sanitäre Anlagen, damit sich einem die grundlegenden Funktionen erschließen. Aus der Wand ragt ein Drehknauf heraus, mit dem man das Wasser zum Laufen bringt. Gut, bisweilen ist er ein wenig schwergängig und mit seifigen Händen kann es Probleme geben. An der Wand befindet sich ein Durchlauferhitzer, mit einem Zulauf, welchen man mit einem Hahn absperren kann, der etwas griffiger ist. Wenn man also unter der Dusche steht und kein Wasser kommt, muss man sich in das Gehirn eines oder einer Backpacker/in hinein versetzen. Hände seifig, Hahn glitschig, also das Wasser oben abdrehen! Bisweilen muss man den Wasserhahn gar nicht andrehen, weil ein oder eine überforderte Backpacker/in, aus der Dusche ohne das Wasser abzudrehen, flüchtete. Und warum sollte man irgendjemand informieren, wenn das Wasser aus dem Spülkasten herauskommt? Wasser kommt von irgendwo her, findet auf mysteriösen Wegen in den Spülkasten und spült die Hinterlassenschaften der Verdauung weg. Was da in dem Kasten passiert, ist Zauberwerk oder irgendein hoch komplizierter Kram, der einen verstört. Tilt! Wegrennen!

Hoch qualifizierte Ingenieure der Raumfahrttechnik erfanden einst Teflon. Irgendeiner der Jungs, oder vielleicht eine Chemikerin, hatte ein Händchen fürs Kochen und kam auf die Idee, damit Pfannen zu beschichten. Mittlerweile wissen die meisten meiner Generation, dass Teflon eine Beschichtung ist und somit mittels Küchenwerkzeugen aus Metall abgekratzt werden kann. Leider ist dies noch nicht zu Backpackern/innen vorgedrungen. Eben sowenig, dass es keine mystischen Wesen gibt, die abwaschen oder wenn etwas abgewaschen ist, aus dem Ständer entfernt, wo man die Sachen zum Abtropfen hinstellt. Es beeindruckt mich immer wieder neu, mit welcher Kreativität der Stapel konstruiert wird. Ich nehme an, die meisten kennen das Spiel “Timber”. Dies wird hier jeden Tag gespielt, nur eben mit Geschirr. Mir fällt gerade auf, dass ich mich in einem Punkt korrigieren muss. Gealterte Tontechniker (78 Jahre) aus Liverpool, scheinen das Prinzip Teflon und anschließenden Abwasch auch nicht zu kennen. Zumindest in einem speziellen Fall kann ich dies bezeugen. OK, der Mann hatte immer deutlich jüngere Freundinnen und wurde vom Tour-Koch großer Bands betreut. Da drücke ich mal ein Auge zu. Der kennt seine Regler und schwelgt in Erinnerungen von Bowie und Queen.

Doch all das ist nichts gegen die Dramen, welche sich im Dorm abspielen. Ich erwähnte die Temperaturen. Selbst residiere ich in einem Privatroom mit Deckenventilator und ohne Klimaanlage. Manchmal hat das etwas von der Szene am Anfang des Films “Apokalypse Now”, in der Martin Sheen in Schweiß gebadet auf seinem Bett liegt. Ich denke mir, dass es sinnvoller ist, den Körper an die Temperaturen zu gewöhnen, als ihn jeden Morgen einem neuen Schock auszusetzen.
OK, manche schlafen am besten bei 20 Grad und andere bei 25 Grad. Es bedarf halt, wenn man mit 9 anderen Personen einen Raum teilt, einer Einigung. Und wie man diese am ehesten erreicht, will gelernt sein. Ich hätte vorgeschlagen, dass man sich in der Mitte einigt und jenen, denen zu kalt ist, eine Decke organisiert. Diese Anforderung an Leute zu stellen, welchen um 5:00 Uhr morgens einfällt, dass sie um 07:00 Uhr abreisen und noch ihren Rucksack packen müssen, ist ein gewagtes Unternehmen. Also, woran scheitert es? Und sie scheitern regelmäßig grandios. Es vergeht kein Vormittag, an dem sich keine/r beschwert. Also, woran scheiterten sie in der Nacht?

Für mich ist das die Frage schlechthin, die sich bei allen anarchistischen Überlegungen stellt oder jeder stellen sollte, der darüber nachdenkt. Alles steht und fällt mit dem gegenseitigen Erkennen und Verständnis füreinander inklusive der Bereitschaft, die eigene Person, da wo man kann, zurückzunehmen. Das muss man lernen und psychisch gesund sein. Letztens war hier eine, die zuallererst ihre eigenen Reinigungsmittel auspackte und alles säuberte bzw. desinfizierte. Ich fragte mich, was so eine junge Frau mit augenscheinlichen Zwangsstörungen ausgerechnet in Südostasien machte. Ich war mit ein bis zwei Frauen zusammen, die so unterwegs waren. Nun, ich denke, mit so einem Menschen wird sich kein Frieden und kein Kompromiss finden lassen. Als Corona nach und nach Fahrt aufnahm, dachte ich: “Na toll, alle Neurotiker/innen fühlen sich jetzt darin bestätigt, schon immer richtig gelegen zu haben.” Tun sie nicht! Eine Pandemie ist eine besondere Situation, die besondere Maßnahmen erfordert und Alltag, ist Alltag. Einer/m Polizisten/in könnte ich es einfach erklären. Eine besondere Einsatzlage hat nichts mit dem alltäglichen Streifendienst zu tun und deshalb hast Du jetzt einen Helm auf. Im zivilen Leben funktioniert dies leider nicht. Da geht es in die differenzierte Denkart hinein. Eine erlernte Fähigkeit, die immer weniger Leute beherrschen. Andererseits kann man unterstellen, dass die Zwangsstörungen ein Ergebnis der gesellschaftlichen Entwicklungen in verschiedenen Ländern sind. Im konkreten Fall war es eine junge Russin. Und wie gesagt: psychisch gesund!

Ich will dabei nicht selbst als spießiger Deutscher herüberkommen, dem Ordnung über alles geht. Ich habe nichts gegen Unordnung, selbst dann nicht, wenn sich andere dadurch gestört fühlen. Aber wenn sie zu größeren Schäden führt oder zur Verletzungsgefahr wird, geht es zu weit. Hinzu kommt, dass bei dieser Konstellation die Arbeit beim Personal hängen bleibt und dafür bekommen sie deutlich zu wenig Geld. Allerdings ist dies auch so ein persönliches Ding. Ich hatte schon immer meine Schwierigkeiten damit, wenn andere für mich Arbeiten übernehmen, die ich genauso gut selbst machen kann. Möglicherweise ein Ausdruck meines Stolzes auf meine Herkunft. Wenn ich nicht gerade eine Bar oder Restaurant sitze, lasse ich mich ungern bedienen.

Ich hörte hier so einige Geschichten über Gäste, denen man dieses auch ohne ein studierter Psychologe zu sein, die Gesundheit absprechen darf. Zum Beispiel erwähnte ich den Schlauch, mit dem man sich nach der Notdurft reinigt. Die sanitären Anlagen sind für Toilettenpapier nicht ausgelegt und das Papier sorgt zusammen mit Binden, Tampons, regelmäßig für Verstopfungen. Kein Toilettenpapier zu benutzen, sondern die Alternative in Erwägung zu ziehen, sprengt bei einigen die kognitiven Fähigkeiten. Also verrichten sie ihr Geschäft dort hinein, wo sie auch das Papier hineinwerfen würden, in den Mülleimer. Andere nutzen wenigstens teilweise die Toilette, verzichten aber auf den Schlauch und werfen das stinkende Papier in den Eimer. Bei Temperaturen über 30 Grad auch kein schöner Geruch. Es kann aber auch in die andere Richtung gehen. Eine Russin mit Zwangsstörungen brachte es fertig, mit einem Lappen so lange auf einem Lichtschalter herum zu reiben, bis das Ding kaputt war. Schafft auch nicht jeder.

Heute sah ich bei Twitter das Video einer Influencerin. Eine junge Frau erzählt von ihrem vermeintlichen Tagesablauf in Berlin, in dessen Verlauf sie sich diverse “Smoothies”, also püriertes Obst und Gemüse zuführt, mit einer stylischen Yoga-Tasche in ein nicht weniger hippes Yoga-Studio fährt und ihren jungen Körper mit Übungen verbiegt, die sie für Yoga hält. Das Video endet damit, dass sie betont aufgeklärt von ihrer Trip-Planung nach Sri Lanka erzählt. Also wird sie auf kurz oder lang zu den Backpackerinnen gehören, die ich hier erlebe.
Leute wie sie empfinde ich als das Endstadium eines überversorgten, abgehobenen Bürgertums, deren jüngste Ableger in der restlichen Welt herumirren und dabei wirken, als wenn sie von einem anderen Stern kommen. Es ist schwer, das zu beschreiben. Alle um sie herum ziehen eine Art Show-Programm ab und denken sich dabei ihren Teil oder ziehen ihre Vorteile daraus. Mit der Lebensrealität der “normalen” Leute haben die nichts am Hut. Von dieser Realität sind sie entrückt. Einfachste mechanische Vorgänge und Zusammenhänge verstehen sie nicht. Gleiches gilt für einfache Abläufe, wie der Abwasch. Sie sind nicht bösartig.
Das Problem besteht darin, dass sie nicht nachdenken. Essen, Wegstellen, unter Umständen noch abspülen, dann endet es für sie. Sie bedürfen der Anleitung, Fürsorge, Versorgung. Ich kann es ihnen nicht verübeln. Sie stammen aus einem Teilbereich der Gesellschaft, in dem ihnen stets gesagt wurde, dass das alles seine Richtigkeit hat. Letztens fragte ich einen Wiener in meinem Alter, was wohl aus all diesen oberflächlichen Influencern und ihren Followern eines Tages werden würde. Seine trockene Antwort: Alte verarmte ehemalige Influencer?

Wenn ich die mir alle anschaue, kann ich die deutsche Panik vor wirtschaftlichen und Abstrichen beim Wohlstand verstehen. Sie ist real und berechtigt. Jede/r aus einem anderen Land stammende, die/der sich zum Überleben mit der Realität auseinandersetzen musste, überfährt die. Wobei ich betone, dass das ein Teil der deutschen Gesellschaft ist. Ich denke, die stellen nicht einmal die Mehrheit. Berliner Straßenkinder sind eine andere Hausnummer.

Noam Chomsky schrieb zu den Themen Anarchie, Visionen und realistische Auseinandersetzungen etwas, was mich sehr zum darüber Nachdenken anregte. Ich stimme seinen Ausführungen zu, dass die modernen Gesellschaften nahezu alle Bereiche an die Wirtschaft abgaben. Doch größere Firmen, Konzerne, inklusive der Märkte, funktionieren nicht demokratisch, sondern knallhart hierarchisch. Die Verantwortung wird von unten nach oben durchgereicht und die Weisungen kommen aus den obersten Etagen. Ich füge noch hinzu, dass es wichtig ist, sich anzuschauen, nach welchen Kriterien die Entscheidungen getroffen werden.
Dient etwas oder meine Handlung der Gemeinschaft? Hat es für mich Vorteile, wenn dies so ist, weil ich ja selbst ein Teil der Gemeinschaft bin? Schaffe ich damit einen gerechten Zustand, der andere zufriedenstellt und ich daran partizipiere? Oder stelle ich all mein Handeln auf ökonomische Gesichtspunkte ab? Ich unterstelle, dass die angesprochene Influencerin nichts über die Entstehungsgeschichte ihrer angepriesenen Produkte weiß. Ebenso wenig über all diesen ganzen Smoothie-Kram, der als Trend in die Welt gesetzt wurde, damit Leute sehr viel Geld daran verdienen. Sie wird auch wenig über die furchtbare Wirtschaftskrise in Sri Lanka wissen, die zur Folge hat, dass jeder Dritte an Mangelernährung leidet. Für Leute wie sie ist es wichtig, mit dem Scooter zum nächsten Wasserfall zu fahren und dort ihre gesponsorten Badeklamotten in die Kamera zu halten. Oder sie wird überzogen staunend buddhistische Tempel präsentieren, ohne auch nur ansatzweise etwas über Buddhismus zu wissen.

Chomsky führt weiter aus, dass in den westlichen Staaten Regierungen aktuell die Aufgabe haben, die völlige Übernahme des demokratischen, freien, Gesellschaftslebens durch die Wirtschaft zu verhindern. Nur unter diesem Schutz könnten sie das nächste Niveau erlangen. Was mir wiederum sagt, dass wir alles dran setzen müssen, Männer und Frauen, die eben aus dem autoritären, hierarchischen, Wirtschafts- u. vor allem Konzerngeschehen kommen, keine weiteren Machtbereiche zu überlassen. Doch vielleicht ist es schon zu spät. Ein Teil der nächsten Generation ist dazu definitiv nicht mehr fähig. Sie sind derart “eingelullt” und in dieser Konsum-Gesellschaftsillusion lebend, dass sie hierfür verloren sind. Dies gilt selbstredend auch für ältere Leute, aber die sind Vergangenheit und Gegenwart, wichtig wäre die Zukunft.

Für das Klimaanlagen-Dilemma fand sich eine autoritäre Lösung. Die Betreiberin hat die Fernbedienung an sich genommen und bestimmt nun die Temperatur. Beschwerden werden freundlich belächelt. Beim Abwasch läuft es auf ein Mikado für Erwachsene hinaus. Wer zuerst die Nerven verliert und sich bewegt, hat verloren. Tja und ich darf mich weiter über die mir zugeworfenen Blicke manch Einheimischer amüsieren. “Andreas, was ist denn mit denen los?” Das Gute an Malaysia ist der Umstand, dass längst auch hier die Wohlstandsverwahrlosung eingesetzt hat und man nicht viel erklären muss.

Doch es sind nicht ausschließlich Backpacker, die mir zeigen, wie weit die modernen Massengesellschaften ihre Mitglieder in etwas verwandelt haben, was nichts mehr mit dem Homo sapiens zu tun hat, der es in der Hierarchie der Lebewesen so weit nach oben brachte. Anarchie bedeutet, entgegengesetzt der von Propaganda geprägten Sicht, nicht Chaos, sondern setzt auf eine sich natürlich ergebende Ordnung. Welche sich wiederum aus verständigen, vernünftigen, auf Anteilnahme und Rücksicht ausgelegten, Zusammenleben ergibt. Davon sind viele weit entfernt.

In einer Strandbar traf ich einen 30-jährigen Ehemann und Vater aus Estland. An sich ein Klassiker. Er hatte sich mit seiner Frau verkracht und zog es deshalb vor, nochmal alleine loszuziehen und die eigene Wut verziehen zu lassen. Er beklagte sich darüber, dass er mit seiner Familie, ohne gegen Corona geimpft zu sein, nicht nach Indonesien reisen könne. Mit Fassungslosigkeit nahm er zur Kenntnis, dass ich dreimal geimpft bin und davon ausgehe, dass der gelinde Verlauf meiner Infektion der Impfung zu verdanken habe. Seine Reaktion wirkte nicht gespielt. Ich schien für ihn der erste lebende Beweis zu sein, dass man danach nicht stirbt oder ferngesteuert mit Bluetoothempfang in der Gegend herumläuft. Kaum eine halbe Stunde später kam ich mit einer gebürtigen Russin ins Gespräch. Sie war wohl oft in Indonesien, spricht sieben Sprachen und arbeitet als Übersetzerin. Die erklärte mir, dass ich die Impfung nur überlebt hätte, weil ich als privilegierter Deutscher ins Konzept der Neuen Weltordnung passe und deshalb keine Impfung, sondern ein Gegenmittel gegen das vorsätzlich freigesetzte Gift gespritzt bekam. Ich fing gar nicht erst damit an nachzufragen, warum dann noch all die geimpften Inder, Malaien, Indonesier um uns herum leben würden. Mit Logik habe ich bei diesen Leuten keine guten Erfahrungen gemacht. An sich auch erwartbar, denn dann würden sie alleine darauf kommen, was für einen Unfug sie daher reden.

Wie auch immer, es sind nicht nur die jungen Backpacker. Ich denke, die Macher von Star Trek haben es wie so häufig auf den Punkt gebracht, als sie die “Borgs” in das Star Trek Universum einbrachten. “Widerstand ist zwecklos!”, lautet deren Standardansage, bevor sie andere Spezies assimilieren. Ohne das “Kollektiv” und ihre “Königin” sind die assimilierten Mitglieder hilflos. Man kann sie nicht einfach befreien und in ein anderes System des Zusammenlebens versetzen. Mit den Mitgliedern der modernen Massengesellschaften am Anfang des 21. Jahrhunderts verhält es sich genauso. Diejenigen, welche darin ihr Auskommen haben, sind gelangweilt. Jeden Tag können sie essen und trinken, was sie wollen. Sie gehen irgendeiner unbefriedigenden Arbeit nach, die ihnen nichts gibt. Ärztliche Versorgung, Medikamente, Hilfsmittel, sind einfach da. Geht etwas kaputt, wird es weggeworfen und neu gekauft. Kaum etwas hat wirklich eine Bedeutung. Sie sind in der Regel nicht einmal auf die Hilfe oder Kooperation mit anderen angewiesen. Also hat ihre egozentrische Lebensweise auch keinerlei unmittelbare, spürbare Folgen. Wie hieß es damals bei Pink Floyd?

Welcome my son
Welcome to the machine
What did you dream?
It’s alright, we told you what to dream

Sie bekommen nicht zwingend vorgegeben, was sie konkret denken sollen. Ihnen wird eine Praxis des Denkens vermittelt. Konnotationen, Wertvorstellungen, wie Schlussfolgerungen zu ziehen sind, welche Aspekte sie einzubeziehen haben und was sie vernachlässigen können, um solche Sachen geht es. Tja, bis das alles mal böse durcheinander geht. Die Pandemie war ein Einschnitt. Seit langer Zeit wurden sie mit etwas konfrontiert, was sich der Propaganda, den falschen und vor allem unmöglichen Versprechungen, entzog. Solange das Konzept gesteuerte Massengesellschaften besteht, bestehen wenig Chancen, in ihnen größere Mengen Menschen dazu zu befähigen, ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben, ohne Steuerung, Anleitung, Autoritäten, zu führen. Im Grunde genommen sind all die verqueres Zeug daherredenden Leute, Verschwörungstheoretiker, ein Versagen derjenigen, welche sie bisher steuerten. Ich kenne keine/n, der/die sich schon vor der Pandemie kritisch und intelligent mit gesellschaftlichen Vorgängen auseinandersetzte, die/der so weit abdriftete. Im Prinzip wurden sie alleine gelassen und suchten sich neue Vordenker, Anführer und Verführer.

Roundhouse Kick

man walking on floor Lesedauer 22 Minuten

Ich schrieb in den letzten Tagen an einem ziemlich langen Beitrag. Plötzlich überkam mich eine tiefe Frustration. Warum schreibe ich das alles? Alles ist bekannt, jeder kann sehen, was passiert. Wer sich nur ein Funken dafür interessiert, erkennt mit Leichtigkeit all die Propaganda, die Euphemismen, die ursächlichen Strukturen. Hitler brachte es auf den Punkt, als er meinte, sie müsse derart simpel sein, dass auch noch der letzte Depp sie versteht. Ist nicht irgendwann der Punkt gekommen, an dem man einfach das Handtuch werfen sollte? Im Prinzip hab ich das versucht. Erfolglos!
Wieder einmal wirkten meine eigenen Worte auf mich, als wären sie ein Zeichen von Feigheit. Ich lebe in einer Epoche, in der durch die Digitalisierung alles miteinander vernetzt ist und nahezu jede Information abgerufen werden kann. Eine große Zahl an Universitäten stellen allerhand Vorträge zu den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Themen ins Netz. Professoren veröffentlichen aus reinem Sendungsbewusstsein heraus Vorlesungen. Philosophen, Systemkritiker, Originalquellen, sind auf allen Streaming-Portalen vorhanden. OK, man muss auch mit all dem umgehen können. Mit Sicherheit kann das nicht jeder, dennoch dürften es sehr viele sein, die zumindest in der Lage sind, sich die gleichen Informationen zu beschaffen, wie ich.
Oscar Wilde schrieb sinngemäß: “Warum erzählen Leute anderen von ihrer Meinung? Weil sie sich ängstigen, mit ihr alleine zu sein.” Das Zitat beeindruckte mich schon vor Jahrzehnten. In die gleiche Richtung geht ein psychologisches Experiment, von dem ich las, als ich vor einigen Jahren ein Seminar vorbereitete.
Die Versuchsleiter präsentierten Gruppen mit fünf Probanden drei auf dem Boden liegende Seile. Zwei identisch lang und eins erkennbar kürzer. Je Gruppe waren vier der Teilnehmer instruiert, zu behaupten, dass die Seile alle die gleiche Länge hätten. Nur eine/r, der/die letzte Befragte, war nicht eingeweiht. Fast alle der Unwissenden schlossen sich der Gruppenmeinung an. In mehreren Versuchsreihen wurde die Differenz bei der Länge immer größer. Erst bei wirklich vollkommen absurden Differenzen regte sich Widerspruch.
Bisweilen fühle ich mich, wie einer von den uneingeweihten Versuchsteilnehmern. Ich schaue auf das kürzere Seil und frage mich, ob die alle eine Macke haben. Und so, wie es Oscar Wilde ausdrückte, ängstige ich mich davor, mich zu weit von dem zu entfernen, wo ich herkomme und versuche alle anderen im Raum zu überzeugen. Im harten Kern meines Freundeskreises ist das nicht notwendig. Die sind alle schlau genug, den Unterschied zwischen den Seilen zu erkennen und sagen dies auch. Ich bin dafür dankbar, dass dies so ist. Allerdings gibt es auch eine ganze Menge Leute, die ich in meinem engeren und weiteren beruflichen Umfeld kennenlernte, zu denen ich alle Kontakte abbrach und soweit ich es überblicken kann, beruht dies auf Gegenseitigkeit. Es bleibt das Gefühl: Was ist denn los mit Euch?

Lange überkam mich beim Lesen diverser Artikel in Zeitungen, beim Hören von Radio-Sendungen, Lesen von Tweets oder Postings bei Facebook so etwas wie eine ohnmächtige Sprachlosigkeit. Ich fragte mich, was das alles sollte? Groß angelegte Verarschungen von Leuten, kollektive Beleidigung, weil manche einen für derart dämlich halten, den Stuss zu glauben?
Es ist schwer zu sagen, wann es anfing. Die eigene Wahrnehmung täuscht einen dabei. Vielleicht träufelte es auch dauerhaft vor sich hin und fiel mir erst auf, als es unübersehbar war. Doch mittlerweile ist jede öffentliche Debatte durchsetzt mit propagandistischer Rhetorik, eindeutig auszumachenden Spin-Begriffen und leicht erkennbaren PR-Strategien.
Wer auch immer dies zu verantworten hat, leistete ganze Arbeit. OK, der Satz ist Quatsch. Es war eine Entwicklung, die irgendwann in den 20ern des letzten Jahrhunderts begann und heute ihre Perfektion erlangt. Wer Näheres dazu wissen will, muss sich mit der Person Edward Bernays beschäftigen. Politik wird nicht mehr mit Argumenten betrieben, die an der Sache orientiert sind, sondern die Parteien, welche längst überall den Charakter von Firmen aufweisen, preisen sich mit Mitteln aus der kommerziellen Produktwerbung an oder versuchen den Mitbewerber auf dem politischen Markt auszustechen. Zu den Mitteln gehören auch die Desinformation, die Diffamierung der Wissenschaft und Intellektuellen. Die Digitalisierung wirkte wie ein Katalysator. Alles, der einzelne Mensch, jeder Gegenstand, jedes Lebewesen ist ein Datensatz. Einen Datensatz kann man mit anderen Gruppieren, recherchieren, mit Routinen abfragen oder vergleichen.
Es ist ein Leichtes nach Bedarf, Kriterien zusammenzustellen und sie für nützliche Abfragen zu benutzen. Männlich, deutsch, frühpensionierter Kriminalbeamter, über 55 Jahre, hört diese Musik und schaut sich jene Filme, Dokumentationen, Vorträge, an. Schreibt in einem BLOG, benutzt dabei folgende Stichworte, hält sich länger in den Ländern xy auf, usw., usw. Wer sich ein wenig auskennt, kann von mir schnell ein Profil erstellen. Persönlich habe ich eines Tages den Widerstand aufgegeben.
Das ist das Problem: Irgendwann gibt jeder auf und fügt sich ins Schicksal, weil es einfach zu viel Energie raubt. In jedem industrialisierten Land, werden die Menschen zu Gruppen zusammengefügt, die gezielt mit Produkten bedient werden. Und das sind nicht nur Haushaltsgeräte, Fahrzeuge, Reisen, Versicherungen. Auch die Politik liefert Produkte, die auf die Bedürfnisse zugeschnitten werden und entsprechend beworben werden. Alles nur für das verdammte Geld und die Macht über andere.
In letzter Zeit nehme ich nur noch Meldungen über Geschehnisse zur Kenntnis. All das ganze Gewäsch, was Leute von sich geben, die sich dazu berufen fühlen, über die Geschicke anderer Menschen zu bestimmen, interessiert mich nicht mehr.
Diese Aneinanderreihung vorgefertigter Phrasen und Euphemismen verdient keinerlei Auseinandersetzung. Dabei ist weitestgehend egal, von wem etwas kommt. Allerdings ist bei mir der Eindruck entstanden, dass CDU/CSU, FDP und AfD, am intensivsten auf PR Strategien setzen.
“Die GRÜNEN sind eine Verbotspartei!” Wer so einen Müll von sich gibt, hätte früher in der Höhle vermutlich auch gesagt: “Es ist meine persönliche Freiheit, wenn ich hier und nicht draußen kacke!” Oder: “Technologieoffenheit!” Ja, klar, lasst uns alles, was technologisch machbar ist durchziehen. Was soll schon passieren? Aber die meinen ohnehin nur, dass sie von einigen Lobbyisten aus den betreffenden Branchen Geld und zukünftige Posten bekamen, damit sie deren Kram präsentieren und am besten noch Fördermittel bewilligen. Neuerdings brabbeln wieder einige, dass Atomkraft praktizierter Umweltschutz ist. Man Leute, der Vorteil und gleichsam Nachteil am fortschreitenden Lebensalter ist, dass man sich daran erinnern kann, dass man diesen Unfug schon Ende der 70er aus den USA herüberschwappend präsentiert bekam. Korruption und feindliche Attacken gibt es immer noch. Niemand kann garantieren, dass es nicht doch noch zu einem GAU kommt. Und ein Zaubermittel, was die Strahlung beim Müll verschwinden lässt, hat auch noch keiner gefunden. Aber die an den Humbug glauben wollen, tun es und die es besser wissen, springen nicht an. Aus der Sicht eines ehemaligen Ermittlers ist es ganz simpel. Wenn es ums Geld geht, wird geschoben, gedealt, gespart, werden Vorschriften umgangen und gelogen, dass sich die berühmten Balken biegen. Und was bei illegalen Mülldeponien, der Chemo-Industrie, Ölplattformen, Tankern, Raffinerien gilt, trifft auch bei AKWs zu.

Deutschland! Alles schlecht?

Ist alles schlecht? In Berlin? In Deutschland? In der Welt? Nein, ganz und gar nicht. Schlecht kann nur schlecht bleiben oder besser werden. Wenn ich mein Geburtsland Deutschland betrachte, tue ich dies von einem sehr hohen Niveau aus. Meine Ansprüche an dieses Land und Bürger sind deutlich höher, als an andere Staaten oder Gesellschaften. Alleine mein Pass ermöglicht es mir in zig Länder zu reisen, während unzählige Menschen dies nicht haben. Es gibt auf der Erde ein Passport-Ranking! Dies muss man sich man mal auf der Zunge zergehen lassen. Wir, die ehemaligen Barbaren, die Geißel der Menschheit, dürfen überall hinreisen. Ich finde dies bemerkenswert.
Wir verfügen über Bibliotheken, mit Büchern und freiem Internetzugang. Mit ein wenig Aufwand bekomme ich nahezu jedes, egal wie kritisch der Inhalt ist, weltweit veröffentlichte Buch. Ich habe in Deutschland gute Chancen, auch Kunst und Kultur jenseits des Mainstreams genießen zu können. Es steht mir frei, irgendeiner Religionsgemeinschaft beizutreten und die jeweiligen Riten zu praktizieren. Ich darf sogar problemlos, jedenfalls von staatlicher Seite her, eine Frau aus einer anderen Religionsgemeinschaft heiraten, ohne ausgebürgert zu werden. Wenn eine oder einer in Deutschland schlecht informiert ist, sich nicht selbstständig eine Bildung, über die der Schule hinaus, aneignet, liegt der Fehler meistens bei den Betroffenen. Nur wenige bringen nicht die biologischen Voraussetzungen mit, dies leisten zu können. Doch eben, weil dies alles so ist, kritisiere ich meine eigenen Landsleute härter, als diejenigen, welche in Ländern leben, wo dies alles nicht der Fall ist. Jede oder jeder, der sich diese Möglichkeiten nicht zunutze macht, verrät die Freiheit und all die Mitmenschen auf der Welt, die dies nicht leben können.

Hier, wo ich mich gerade befinde, dürfen Muslime nicht einfach eine Frau oder einen Mann mit einem anderen Glaubensbekenntnis heiraten. Und tun sie dies im Ausland, kommt es zu Problemen mit der Staatsbürgerschaft. Bildung ist möglich, aber die Hürden sind außerhalb der Großstadt erheblich höher, als bei uns. Der Staatsapparat ist durch und durch von Korruption durchseucht. Diverse Internetseiten können nur mit einigen Tricks aufgerufen werden. Der Islam ist Staatsreligion und wenigstens im Zivilrecht, eine Richtschnur. Überall spürt man, dass zwischen den “Regulären”, denen mit indischen oder chinesischen Wurzeln, Malaien, Spannungen bestehen, die absolut die Bezeichnung Rassismus verdienen. Überdies kommt noch ein inhumaner Umgang mit Leuten dazu, die gegen die Regeln verstoßen. Soweit ich dies beurteilen kann, ist vieles, vor allem wenn es die Einflüsse der Religion betrifft, auf den Einfluss der Wahhabiten aus Saudi-Arabien zurückzuführen.
Ein ehemaliger “Beachboy” hat es mir mal aus seiner Perspektive geschildert: “Ich bin kaum zur Schule gegangen und kann leidlich lesen. Früher betreute ich die Touristen am Strand und trank viel Alkohol. Dann wurden die Gästehäuser gebaut. Damit fiel meine Einnahmequelle weg und ich wurde zum Obdachlosen. Mich hat niemals jemand aufgeklärt. Und auch wenn ich lesen kann, weiß ich nicht, welche Bücher ich lesen sollte. Da bin ich zur Moschee gegangen. Man gab mir Obdach, Essen, Trinken und Koran-Unterricht. Dass da noch vieles anderes ist, weiß ich von den Touristen. Aber ich wüsste nicht, wie ich es lernen soll.” Die Moschee, welche er aufsuchte und in deren Räumen er heute lebt, ist nicht irgendeine, sondern wird von einer von Saudi-Arabien ausgehenden Missionsbewegung finanziert. Interessiert beobachtete ich während der Pandemie den Konflikt zwischen Staat und Moschee-Angehörigen. Deren Aussage lautete: “Es gibt Dinge, die sind höher als der Staat und niemand kann das gemeinsame Gebet verbieten.” Konnte der Staat doch! Der rückte mit Polizeieinheiten an, nahm alle fest und sie landeten im Gefängnis.
Nein, weder ihm noch einem Wanderarbeiter aus Bangladesch, einer Frau, die von Kindesbeinen an eine Rolle lernte, einem geflüchteten Rohingya oder einem indischen Küchengehilfen kann ich einen Vorwurf machen.

Dies sieht in Deutschland ganz anders aus. Die bei uns durch das Grundgesetz existierenden Voraussetzungen ermöglichen das Nachdenken, das Entwickeln neuer gesellschaftlicher Konzepte, Ideen, das Erkennen von Gefahren und auch das Sinnieren darüber, wie man die Erde zu einem besseren Platz für alle Lebewesen machen könnte. Rudi Dutschke prophezeite Mitte der 70er eine Zukunft, in der die normalen Menschen weniger Arbeiten müssten und deshalb mehr Lebenszeit in Bildung und Denken investieren würden. Dutschke war ein toller Vordenker, doch er schloss allzu oft von sich auf andere. Deshalb unterschätzte er die Gefahr der Dekadenz, Denkfaulheit, vor allem das Potenzial seines Gegners, den Mächtigen, Reichen und Ausbeutern. Außerdem verstand er wenig davon, was Geld und ein wenig Luxus, mit Leuten anstellt. Nicht die Aufsteiger formen das Establishment, sondern es passiert genau andersherum.
Die Vertreter der “Frankfurter Schule” sahen eine Zeit kommen, in der das Individuum grundsätzlich alle Voraussetzungen für ein freies, selbstbestimmtes Leben vorfindet, aber immer mehr Kraft aufwenden müsse, um diese wirklich nutzen zu können. Schaue ich mich um, lagen sie absolut richtig. Passt man nicht auf, findet man sich unversehens in einer Gruppe wieder. Entweder eine, die man sich selbst zuzuschreiben hat, in den Sog geraten ist, oder von anderen Leuten oder Institutionen hineingepresst wurde. Danach wirken auf einen all die Effekte ein, die Gruppen so mit sich bringen. Und es erfordert einen täglichen Kraftaufwand, sich dem zu entziehen. Jedenfalls, wenn man nicht zu denen gehören will, die auf diese Effekte stehen. Davon gibt es eine ganze Menge. Sie genießen die kuschelige Wärme, den gegenseitigen Zuspruch und die Anerkennung.

Ich persönlich sehe einen sich langsam ausbreitenden Schatten. An vielerlei Stellen hat sich in den vergangenen Jahrhunderten im Grunde genommen wenig verändert. Könige, Kaiser, wurden gegen Vermögende, Eigentümer der Produktionsmittel eingetauscht. Was einst die “Freien” waren, wird heute vom Bürgertum gestellt und die Tagelöhner, Knechte, Diener, sind heutzutage all jene, die im Niedriglohnsektor unterwegs sind. Einige Leute arbeiten gegen das Grundgesetz. Modern ausgedrückt: Sie hacken das System! Oftmals gar nicht bewusst. Wenn ich beispielsweise eine Verwaltung aufbaue, die so kompliziert ist, dass sie nur Spezialisten verstehen, ist es schwer oder teuer, meine verbürgten Rechte in Anspruch zu nehmen. Weitaus gefährlicher sind die Zeitgenossen und Genossinnen, welche täglich gesetzliche Lücken suchen, um sich in nicht verträglicher Art und Weise zu bereichern. Präziser: Sie sind die eigentlichen Gefährder, weil sie nichts anderes im Sinn haben, als die dem Grundgesetz innewohnende Grundidee zu überwinden. Ich bezeichne ihr Verhalten schlicht als asozial. In der Regel sind Kriminelle, also Frauen und Männer, die es darauf abgesehen haben, mit wenig Aufwand und Skrupel, sich einen maximalen Vermögensvorteil zu verschaffen, der Kriminalpolizei stets einen Schritt voraus. Breitet sich eine neue Methode aus, wird darauf reagiert und die denken sich was anderes aus.
In der Wirtschaft läuft es nicht anders. Nur, dass es an dieser Stelle der Gesetzgeber an sich ist, der ständig am Reagieren ist. Infolgedessen wird das System immer undurchschaubarer, engmaschiger und führt zu finanziellen und ideellen Verlusten für die Gesellschaft. Nochmals anders formuliert: Würden sich alle Leute, die auf unserem Staatsgebiet leben, an die Regeln halten, welche in jeder menschlichen Gemeinschaft für ein friedliches Zusammenleben notwendig sind, könnten wir die Gesetze einmotten.

Wir wissen, dass das nicht funktioniert. In diesem Zusammenhang halte ich diese ganzen Schwätzer, welche von den Vorteilen vollkommen freier und sich selbst regulierenden Märkten schwärmen, gar nichts. Für mich sind sie lächerliche Erscheinungen der Dekadenz. Wenn ich Leuten zügellosen Lauf lasse, die als Entscheidungskriterien, einzig und allein, Zahlen, Geld, Vermögen, Profite, Wachstum, anlegen, muss ich mich nicht wundern, wenn ich eines Tages in einer Hölle auf Erden lebe.
Noch gibt es Menschen, die bereit sind, unökonomisch zu handeln, weil sie damit anderen Aspekten Vorschub leisten. Beispielsweise, wenn sie lieber in einem örtlichen kleinen Laden etwas mehr Geld ausgeben, als sie dies in einem Discounter tun müssten, um diesen zu erhalten. So wie es auch Vermieter für Gewerbeimmobilien gibt, die nicht nach denen suchen, die jeden Preis zahlen können, sondern ein Interesse an der Gestaltung eines lebendigen Wohnumfelds interessiert sind.
Doch sie werden kontinuierlich weniger. Leider ist es dazu gekommen, dass ausgerechnet die mit der asozialen Haltung in die Führungsspitzen gelangten. Die Aspekte, welche die positiven Seiten des Homo sapiens darstellen, nämlich die Kooperationsfähigkeit, das Sozialverhalten, das füreinander Einstehen, wird der schlechtesten Eigenart, der Gier, geopfert. Es ist bezeichnend, dass Deutschland aktuell einen Finanzminister hat, der sich bereits in jungen Jahren der Öffentlichkeit als jemand präsentierte, der auf Bildung, die sich nicht unmittelbar auf seinen Geldbeutel auswirkt, herabsieht.
Das Phänomen zeigt sich überall. Aktuell erheben sich die Franzosen gegen den Neoliberalen Macron. In einigen osteuropäischen Staaten machen sich Kleptokraten breit. Und dies sind ausschließlich die aktuellen Highlights.
Diese Leute mögen es anders sehen und weiter an ihrer in die Jahre gekommenen Theorie festhalten, für mich gilt, was ich sehe.

Der Schatten, ein Bild welches ich mir erlaube bei Tolkien zu klauen, frisst weltweit die Freiheit. Ich gehöre nicht zu denjenigen, welche einen völlig pervertierten Freiheitsbegriff benutzen. Frei zu sein, bedeutet für mich in erster Linie, nicht abhängig zu sein, sodass die Gedanken freien Lauf haben. Hänge ich an einem Vermögen, kreisen meine Gedanken darum, wie ich es behalten kann. Bin ich stets auf der Suche nach Anerkennung, werde ich mein Verhalten darauf abstellen und nicht ich selbst sein. Bin ich süchtig, muss ich alles für den nächsten Kick tun. Falle ich auf den Trick herein, dass ein Haus, ein Auto und teure Reisen die ultimative Lebenserfüllung sind, komme ich in der Regel nicht daran vorbei, einen Kredit aufzunehmen, für den ich die nächsten Jahrzehnte arbeiten muss.
Freiheit beginnt im Kopf. Wenn mich jemand einsperrt, mir Befehle erteilt, mir etwas verbietet oder mir Strafen androht, weiß ich woran ich bin. Dagegen kann ich mich auflehnen, protestieren oder Widerstand leisten. Wenn meine Gedanken übernommen werden, jemand in mir geschickt Bedürfnisse erzeugt, mich manipuliert, merke ich nicht einmal, dass ich meine Freiheit aufgegeben habe.
Genau dies geschieht zunehmend. Neu ist dies nicht. “Menschenfänger” gab es schon immer. Religiöse Führer, Cäsare, Imperatoren, Diktatoren, taten dies bereits vor tausenden Jahren. Aber niemals zuvor standen ihnen Mittel zur Verfügung, wie sie die Digitalisierung mit sich brachte. Andere Religionen zu dämonisieren, Außenfeinde zu erzeugen, Wohlstand, Geld und Macht zu versprechen, inneren Frieden und Sicherheit in Aussicht zu stellen, sind alte Hüte. Massengesellschaften verfügen über eigene Dynamiken.

Die Diktatur des trockennasigen Affen über die Welt

Überall wo ich hinkomme, ist das Leid zu sehen, welches die Diktatur des gierigen Homo sapiens anrichtet. Der trockennasige Affe, welcher sich selbst ins Zentrum gestellt hat, läuft einem kleinen bockigen Kind gleich, durch die Welt, will alles haben und zerkloppt, was ihm nicht passt. Und jede/r der halbwegs bei Verstand und ehrlich sich selbst gegenüber ist, weiß, woran es liegt. Ich mache längst keine Unterschiede mehr zwischen schlichten Menschen, die einfach ihren Müll in die Gegend werfen oder einem Manager, Politiker, der den Hals nicht voll genug bekommen kann. Im Grunde genommen ist ihre Haltung zur Welt, zu anderen Lebewesen, zum Haben, identisch.
Es wäre ein Experiment wert, sich einen armen Schlucker zu greifen, dessen Verhalten mit seiner Armut entschuldigt wird, und ihn auf einen gut dotierten Posten zu setzen, wo er die Macht und die Mittel hat, etwas zu verändern.
Nachdem was ich bisher erlebte, ist die Wahrscheinlichkeit unter Armen empathische, ehrliche und aufrichtige Menschen zu treffen deutlich höher, als sie unter Reichen zu finden. Mit zunehmendem Reichtum und Macht verändert sich der Charakter. Doch wer arm ist und bereits ohne nennenswerten Besitz hinterhältig, durchtrieben ist, wird durch Geld nicht besser, sondern eher schlechter. Und wie immer gilt für mich hierbei: Ausnahmen bestätigen die Regel. Immer mal wieder gibt es welche, die nachdenken und mit ihrem Geld durchaus vernünftige Dinge anstellen, das System des Geldes kritisieren, obwohl es sie selbst begünstigt.

Der Punkt ist, dass der Mensch die Fähigkeit besitzt, sich für verschiedene Wege zu entscheiden. Ich stimme den Existenzialisten zu: Niemand ist zu etwas gezwungen. In der letzten Konsequenz bleibt der Suizid. Doch soweit muss es meistens nicht kommen. Wer zum Beispiel ein Ziel verfolgt und zur Umsetzung ein politisches Amt antritt, ist nicht dazu gezwungen auch noch das letzte Zugeständnis zu machen. Man kann auch einfach gehen. Ein Versuch war es wert, aber man ist halt aus Gründen gescheitert. Jeder Tag länger, den man auf seinem Posten sitzt, ist ein Verrat an den eigenen Idealen. Nun, wir wissen, dies geschieht nicht.

Die Welt ist fest in Händen von denen, die sich für ein egozentrisches Leben entschieden: Machtgierige, Glücksritter, Neoliberale, Demagogen, Populisten, Geschäftemacher, Kriegsgewinnler, Waffenhändler. Sie verkörpern den zerstörerischen Part des menschlichen Habitus. Und weil die Menschen mit der Überversorgung gern ihren Status beibehalten wollen, folgen sie ihnen. Die Satten werden niemals dagegen vorgehen. Die Französische Revolution war in meinen Augen die letzte wirklich ernstzunehmende Veränderung, die auf rationellen Überlegungen basierte. Die gesellschaftlichen Veränderungen durch die Industrialisierung und neuerdings Digitalisierung ergaben sich aus Erfindungen und man ließ sich treiben und reagierte, ohne jemals vor die Entwicklung zu kommen. Bisher stellten in den Industriestaaten wenige Leute ethische Fragen oder gar die gesamte Entwicklung infrage. Darf der Homo sapiens, ein ins übergeordnete natürliche System eingeordneter Affe, alles tun, weil er es kann? Gibt es Grenzen? Jeder weiß, dass es eine blöde Idee ist, einem Bonobo eine geladene und entsicherte Maschinenpistole in die Hände zu geben. Anatomisch ist er dazu in der Lage, sie abzufeuern. Aber er versteht nicht, was da passiert.
Haben wir im übertragenen Sinne nicht auch einiges in den Händen, was wir lieber nicht haben sollten? Anfangs bestand der Vorteil des Homo sapiens darin, dass er neugierig alles in die Hände nahm und ausprobierte, um Herauszufinden, was man damit anstellen konnte.
Doch Neugier kann einen auch umbringen. Von Anfang an gab es Dinge, die dem Menschen nicht geheuer waren und er die Finger davon ließ, bis er sie verstand. Auch das war schon immer ein Bedürfnis des Menschen: die Kontrolle! Wir können nicht alles kontrollieren, doch wir können Risiken bewerten. Von mehreren Optionen können wir diejenige auswählen, von der wir, wenn etwas schiefgeht, den geringsten Schaden erwarten.
Seit mehreren tausend Jahren ist dem Menschen bewusst, dass die Wahrnehmung des Menschen ihre Eigenarten hat. Auf unsere Bedürfnisse abgestimmte Sinne melden an das Gehirn Informationen, welches aus all diesen Einzelheiten eine uns logisch erscheinende Geschichte formt. Mal ganz abgesehen davon, dass unsere Sinne keine Präzisionsinstrumente sind und diverses nicht wahrnehmen können, ist einer unser größten Schwachpunkte die Verarbeitung im Gehirn. Erst das Wissen um Fehlerquellen, eine strukturierte Praxis des Denkens, das Hinzuziehen anderer Quellen und der Abgleich, die Spiegelung, lassen aus allem etwas Vernünftiges und Verständiges werden. Gautama Siddhartha, Konfuzius, Laotse, Platon, Aristoteles, sind nur einige Beispiele für Leute, die sich bereits vor langer Zeit damit auseinandersetzten. Und vieles davon ist immer noch aktuell. Sind die Menschen der industrialisierten Staaten die Gefangenen aus Platons Höhlengleichnis? Und würden sie lieber jeden, der aus der Höhle entkam und von den wirklichen Zusammenhängen erzählt, umbringen, als ihm zu glauben? Platon schrieb das Gleichnis im siebenten Buch der Politeia nieder. Er leitete davon die Forderung ab, die politische Führung einer Gesellschaft denen zu überlassen, die dazu in der Lage sind, die Höhle zu verlassen.
Konfuzius hinterließ den berühmten Satz: “Der Weg ist das Ziel!” Ein Ideal ist nicht zu erreichen, aber man kann diesen gesetzten Punkt anstreben, also sein Verhalten darauf abstellen, dass es geeignet ist, sich dem Ziel zu nähern, anstatt sich zu entfernen.
Was wollen mir Leute sagen, die ihre Kritiker als Ideologen beschimpfen? Wenn meine idealen Ziele Gerechtigkeit, weltweite faire Verteilung, Erhalt des natürlichen Systems der Erde, die Rückkehr des Menschen ins Gleichgewicht, lauten, und ich jeden dazu auffordere, unsere Handlungen danach auszurichten, auch wenn wir vermutlich niemals den idealen Zustand erreichen werden, bin ich dann ein Ideologe? Welches Ziel haben diejenigen vor Augen, die lediglich ihren Wohlstand, ihre Nation als Gewinner in Konkurrenz zu anderen Nationen und den Menschen als Spielleiter im Gott-Modus, anstreben?
Gautama Siddhartha, als Philosoph, nicht als Buddha, dachte lange über das eigentliche, sozusagen das Problem aller Probleme nach. Am Ende kam er zum Ergebnis, dass es die Gier, das Haben, das Anhaften an Vergänglichen, ist. Und ohne es beweisen zu können, behaupte ich, dass jemand wie er, eingebunden in seine Zeit, dabei auf noch viel älteres Wissen aus der Veda zurückgriff, welche ca. 1500 v. Christus entstand. Trotzdem wir über dieses uralte kollektive Menschheitswissen verfügen, haben wir es zugelassen, dass sich an den meisten Stellen der Erde ein System ausbreitete, welches exakt diesen Aspekt des menschlichen Verhaltens bedient. Wir sind Alkoholiker, die bis zum Delirium als Genossenschaft ihre eigene Kneipe betreiben.
Es gibt kaum etwas, was wir uns nicht aneignen. Wir besitzen Lebewesen und verfahren mit ihnen wie mit Dingen. Alles wird zu einem Produkt, was wir uns aneignen können, in dem wir es kaufen oder vergeben, in dem wir es verkaufen. Freiheit wird zu etwas, was man sich angeblich mit dem Kauf eines schnellen Autos zulegen kann. Anerkennung und Identität kommt mit käuflichen Symbolen und Zahlen auf dem Konto, daher. Mit Geschenken, Zuwendungen, versuchen wir uns Liebe zu erkaufen. Üble Zeitgenossen fordern dazu auf, alles, was verknappt werden kann, mit einem monetären Wert zu versehen, weil die Menschen sonst keine Wertschätzung aufbringen: Boden, atembare Luft, Trinkwasser, demnächst bewohnbare Lebensräume, Bodenschätze und andere natürliche Ressourcen. Dann gibt es auch Leute, die diese Dinge besitzen und verkaufen, so wie es diejenigen gibt, die für die pure Existenz kaufen müssen. Und wo bleiben die, welche nicht zahlen können?

All dies sind Ideen, welche in den Großhirnen von einem Teil der Weltbevölkerung entstanden. Im absoluten Gegensatz dazu stehen die uralten Traditionen der Völker, die bereits vor der Kolonialisierung durch die Europäer und Ausbreitung des Kapitalismus in ihren angestammten Gebieten leben. Ausnahmslos sehen sie sich als einen Teil des Systems, dessen Gleichgewicht sie achten und innerhalb dessen sie ihr Leben gestalten. Es gibt somit ein vorher, da wo wir herkommen, und einen Zustand, der durch die Umsetzung der Ideen ausgehend von den Industrienationen, entstanden ist. Diese Ideen wurden nicht von einem imaginären Gott an einen Typen auf einem Berg diktiert, sie sind von verhältnismäßig wenigen erdacht worden. Damit sind sie nicht ewig gültige Vorgaben, sondern überprüfbar, revidierbar, veränderbar. Mir scheint, dies haben einige vergessen. Alles, Industrialisierung, Kapitalismus, Wohlstand, Wirtschaftssysteme, das Verhältnis des Menschen zu allen Lebewesen und seine Bedeutung im System, Eigentum, Besitz, Umgang mit den Ressourcen, Wachstum oder Rückbesinnung, kann, muss, darf, hinterfragt werden.

Ich möchte nicht um den heißen Brei herumschreiben. Zweifellos brachte die Industrialisierung einige Entwicklungen mit sich, die wir schätzen und für uns Vorteile mit sich brachten. Aber aufs Ganze gesehen, zu welchem Preis? Läuft es nicht darauf hinaus, dass die Länder, welche den Weg der Industrialisierung beschritten, alle ins Verderben reißen? Was wäre, wenn eine kleine Gruppe Menschen die Macht besäße, in die Vergangenheit zu reisen und dort darüber entscheiden könnten, wie es weitergehen soll. Würden sie um die Folgen für den Planeten wissend, der Industrialisierung die Rote Karte zeigen?

Mir gehen die Zeitgenossen/innen gegen den Strich, welche ständig anderen “Moralisieren” oder “Bevormundung” unterstellen, nur weil sie weiterhin unbehelligt wie “offene” Hose leben wollen. Wie ich bereits schrieb: “Lass mich gefälligst in die Höhle kacken, das ist Ausdruck meiner Freiheit und Dein Gesülze darüber ist moralisches Zeugs.”
Die den Leuten Einhalt gebieten wollen, sprechen nicht davon, wer mit wem und wie ins Bett steigen darf. Oder ob Rülpsen, Furzen, schicklich ist. Wenn es ein Problem mit denen gibt, die Änderungen einfordern, dann ist es oftmals Heuchelei und der Adressat. Beim von uns installierten System ist es völliger Humbug bei den einzelnen Verbrauchern anzusetzen. Sie sind Teil einer vom Kommerz gesteuerten Massengesellschaft. In der Regel ist das ein Trick, um den Konzernen durch die Hintertür Geld zuzuwerfen. Die erfinden täglich neue Kniffe. Mal verkaufen sie den Leuten ein Recycling-Modell, damit ihnen niemand verbietet weiterhin Plastikverpackungen zu produzieren oder sie tüfteln wie die PR-Agentur Ogilvy & Mather für den Ölkonzern BP eine Desinformationskampagne aus. Jeder darf brav seinen CO₂-Abdruck berechnen und sich schuldig fühlen. Wie praktisch, wenn sich der Konzern als Großemittent in der Masse des Kleinviehs verstecken kann. In den letzten Tagen kursierte ein Propaganda-Video der CDU, in dem eine junge Frau den Leuten Handlungsempfehlungen gibt, wie sie weniger CO₂ verursachen könnten. Das ist exakt die gleiche Masche.
Heuchelei deshalb, weil sie nicht die Traute haben, an die Wurzeln heranzugehen. Durchaus nachvollziehbar, weil sie damit innerhalb einer Demokratie ziemlich schnell von der politischen Bildfläche verschwänden. Ihnen bliebe nur noch der Protest auf der Straße. Wer den Leuten nicht das Blaue vom Himmel, noch mehr Sicherheit, Wohlstand, Wachstum, verspricht, braucht sein Büromaterial gar nicht erst auszupacken.

Der Affe will spielen

Tja, und dann ist da noch die Sache mit dem großen Affen und seinem Spieltrieb. Hat der Affe nichts zum Spielen, fängt er entweder an nachzudenken oder aggressiv zu werden. Dafür gibt es PC-Spiele, Smartphones, Smartwatches, Instagram, Facebook, TikTok. Der Ring Saurons aus dem Herrn der Ringe ist dagegen ein harmloses Kinderspielzeug. Die gesamte Riege der Diktatoren vor der Digitalisierung wäre fassungslos, welche Möglichkeiten heute bestehen. Jeder lässt sich freiwillig orten, gibt ohne Spitzel und Observation wirklich jede Information preis und lässt sich stundenlang mit Trash das Gehirn weichkochen. Nichts ist zu blöd, zu peinlich oder geschmacklos, um ins Internet gesetzt zu werden. Wer braucht in der Politik noch Faschisten, wenn der Kommerz längst die Diktatur übernommen hat? Allmählich macht sich die Verblödung breit. Wer lässt sich einfacher nach Belieben steuern, als eine Meute Deppen? Diesem Beitrag wird einer über meine aktuelle Zeit in einem Guesthouse folgen. Jeden Tag tun sich neue Abgründe auf. Und die ich hier treffe, haben es immerhin bis nach Malaysia geschafft. Ich frage mich, wie sie dies anstellten, aber sie haben es geschafft.

Die Pandemie und die Aktivisten/innen haben eins gemeinsam: Beides, die Pandemie und die Aktionen vermochten es, unzählige Leute ins Licht zu zerren, wo sie zeigten, wer sie sind, welche Haltung sie einnehmen und wie es um ihre kognitiven Fähigkeiten steht. Journalisten/innen, Frauen und Männer aus der Wirtschaft, Künstler/innen aller Couleur, Leute von der Straße, Politiker/innen, gaben und geben unfassbare Aussagen von sich. “Die Aktionen schädigen der Sache des Klimaschutzes.” Ich möchte schreien, wenn ich so etwas lese oder höre. Man stelle sich ein paar Schiffbrüchige in einem leckgeschlagenen Rettungsboot vor, in das Wasser eindringt. Würden die zu denen, die die Initiative ergreifen und auffordern, das Wasser herauszuschöpfen, sagen: “Nicht in dem Ton, Freundchen, dann machen wir gar nichts. Und wenn wir absaufen, seid ihr Schuld!”

Die PR-Agenturen schieben Doppelschichten und werden nicht müde, einen öffentlichen Diskurs zu unterbinden. Linksversifft, Verbotspartei, grüne Faschisten, grüner Mist, eine Diffamierungs- und Schmutzkampagne folgt der nächsten. Es gibt nur noch links und rechts. Alldieweil kann man so keine differenzierte Debatte oder Diskussion führen. Und genau dies ist gewollt. Das ist Faschismus! Wissenschaftliche und intellektuelle Diskurse zu unterbinden, ist einer der Standards. Desinformation zu betreiben, jede Aussage, sei sie auch noch so fundiert, im Zweifel mit absurden Entgegnungen, beliebig werden zu lassen, kontinuierlich mit einer stetigen Steigerung die Grenzen zu verschieben, gehören zum 1×1 des Faschismus.
Nur weil sich jemand als gemäßigt bezeichnet, ein etabliertes Parteibuch in der Tasche hat, ist er/sie noch lange keine/r, die/der sich aufführt und agiert wie ein/e Faschist/in. Was da aus den Reihen der CDU/CSU, FDP, teilweise zu vernehmen ist und welche Schalter die umlegen, macht mich fassungslos. Angst, Diffamierungen von politischen Gegnern, erzeugen von Außenfeinden, nationalistische Appelle, Stigmatisierung von Bevölkerungsgruppen. In der netten Version würde ich dies “American Stile” nennen, in der bösartigen fällt mir mindestens Mussolini ein.
Ja, ich habe als geborener West-Berliner auch gelernt, dass uns die Alliierten befreiten. Das stimmt mit Sicherheit. Trotzdem kann ich mich nicht ernsthaft mit dem anfreunden, was die US-Amerikaner als Demokratie bezeichnen. Ob die auf seltsame Art und Weise ihre Wahlbezirke hin und her schieben, nicht jeder eine Stimme hat oder bereits von Anfang an die Wahlleute eingeführt wurden, weil nur Reiche in der Lage sind über die Geschicke eines Landes zu bestimmen, es stinkt gewaltig. Und die USA, welche in den II. Weltkrieg eintrat, existiert schon lange nicht mehr.

Es tut mir leid, aber ich sehe die Demokratien scheitern. Einerseits am Kapitalismus und zum Zweiten an dem, was Platon schon für die ersten Demokratien anmerkte. Sie sind ein offenes Spielfeld für nicht an der Sache orientierte Demagogen. Und die haben heutzutage ungleich bessere Möglichkeiten, als im alten Griechenland. Bernays sagte einst:

Die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element der demokratischen Gesellschaft. Diejenigen, die diesen unsichtbaren Mechanismus der Gesellschaft manipulieren, stellen eine unsichtbare Regierung dar, die die wahre herrschende Macht unseres Landes ist. …
Wir werden regiert, unser Geist ist geformt, unser Geschmack gebildet, unsere Ideen wurden vorgeschlagen, hauptsächlich von Männern, von denen wir noch nie gehört haben. Dies ist ein logisches Ergebnis der Art und Weise, wie unsere demokratische Gesellschaft organisiert ist. Eine große Anzahl von Menschen muss auf diese Weise zusammenarbeiten, wenn sie als reibungslos funktionierende Gesellschaft zusammenleben sollen.

Propaganda 1928

Dass es an dem ist, da mag ich ihm zustimmen. Doch beim Thema Demokratie widerspreche ich vehement. Es ist eine sehr amerikanische Denkweise, der nach Leute, die es zu einem Vermögen brachten, auch klug und weise sind. Die Leute, die da agieren, haben Profite und Wachstum im Sinn. Der Mensch an sich ist ihnen völlig egal. Die sind für sie Zahnräder in einer Maschine, die entweder funktionieren oder ausgetauscht werden. Ich hab auch noch nie so richtig verstanden, welches Bild vom Menschen diese ganzen Neoliberalen haben, die innerhalb des bestehenden Systems unterwegs sind.
Geld und Macht korrumpieren. Gesetze werden geschaffen, um die Gier und Skrupellosigkeit einigermaßen im Zaum zu halten. Würden die halbwegs sozial denken, umsichtig handeln, nicht zur Profitsteigerung jede Sauerei ausprobieren und die Gemeinschaft vor Augen haben, bräuchten wir all die Gesetze, Steuerfahnder und spezialisierte Ermittler/innen für Wirtschaftskriminalität nicht.

Menschen neigen dazu, sich nicht die Frage zu stellen, welche Rolle ihre Unterschrift, Bewilligung, im Gesamtgeschehen spielt. Eben sowenig wie sich ein Eichmann darüber einen Kopf machte, was es mit den Transporten wirklich auf sich hatte, denkt ein Buchhalter, der eine Bezahlung für eine Dienstreise anweist, darüber nach, was dieser ominöse Typ in Südamerika genau veranstaltet. Dass er indirekt am Auslöschen eines indigenen Stammes in Brasilien beteiligt ist, sieht der nicht. Kaum einer im Konzern weiß über alles Bescheid. Am Ende zählt die Auszahlung an die Aktionäre, Anleger und Großinvestoren.
Die letzten Jahrzehnte dürften doch jedem gezeigt haben, wie es weltweit läuft. Es wird erst einmal gemacht. Im Zweifel ohne Rücksicht auf Verluste. Bis eines Tages schlecht gelaunte Leute oder investigative Journalisten den Braten riechen. Dann wird die PR-Abteilung bemüht und Schadensbegrenzung betrieben. Wenn ein wenig Gras über die Sache gewachsen ist, werden die neuen Auflagen, die weiteren Schaden verhindern sollen, als tolle Leistungen und Dienst für die gute Sache verkauft.

Wenn ein Verbrecher eine Tat plant, weiß er genau um das Risiko erwischt zu werden. Aber es ist eben ein Risiko und keine absolute Sicherheit. Es kann klappen und wenn es funktioniert, hat er einiges mehr in der Tasche. Also nimmt er das Risiko in Kauf. Bei Produzenten läuft das nicht anders, nur dass die keinen Bruch planen, sondern eine Chemiefabrik oder eine Mine. Ich bleibe dabei: Ich fühle mich veralbert. Stichwort: Werteorientierte Politik. Ausnahmsweise haben die Rechten mal was Richtiges von sich gegeben: Die kann es im aktuellen Weltwirtschaftssystem nicht geben. Wenn Deutschland keine Geschäfte mit Kleptokraten, Diktatoren, Kriegsverbrechern, korrupten Regimen und anderen Widerlingen macht, gehen bei uns die Lichter aus und die Leute gehen auf die Barrikaden. Deutsche Politiker/innen haben einst damit angefangen, den Leute zu suggerieren, dass sie die Guten sind, nun müssen sie es auch durchziehen.
Nach 1945 wurde alles drangesetzt, den Makel des Barbarentums wieder loszuwerden. “Wir sind doch so nett geworden. Wir kommen mit Ausländern klar, überfallen keine anderen Länder, zahlen Wiedergutmachungen, nehmen Flüchtlinge auf und helfen der Dritten Welt.” Alles ein wenig zähneknirschend, mal abgesehen von Überfällen auf andere Länder, aber immerhin.
Es gibt keinen Altruismus und schon gar nicht unter Nationalstaaten. Warum sind die so versessen auf deutsches Kriegsgerät? Ganz einfach, weil es gutes Zeug ist und eine Menge Geld in die Forschung und Ingenieurskunst gesteckt wurde. Wären unsere Waffensysteme, Panzer, Haubitzen, der letzte Schrott, steckten wir nicht in der Bredouille. Bräuchten wir den Kram selbst? Wohl kaum! Das ist ja der Sinn der NATO. Um uns herum gibt es genügend andere, die den Knopf drücken können. Und Deutschland als Mittelstaat ist ein nettes Kampfgebiet, von dem am Ende wenig übrig bliebe. Andere Staaten zu überfallen ist heutzutage eher die rustikale, primitive Art, die Staaten ohne großartige Wirtschaftskraft vorbehalten ist. Man kann Staaten auch wirtschaftlich kolonialisieren und sie an der Leine führen. Die Chinesen sind da wahre Meister. Taiwan ist mehr so ein Macho-Prestige-Objekt. Aber wir können das auch ganz gut. Haben wir Entwicklungshilfe gezahlt, weil wir so gute Menschen sind? Nein! Wir haben uns Märkte, Schürfrechte und Rohstoffe gesichert. Und wir wollen es mit den Ausländern nicht übertreiben. Die sollen gefälligst zu Hause arm bleiben. Dublin war ein genialer Schachzug. Wir geben allen anderen Kohle, damit die uns in Ruhe lassen.

Ach, es gibt so vieles, was ich nicht mehr hören kann und will. Enden möchte ich mit der miesesten Kampagne, die derzeit seitens der CDU gefahren wird. Am 19.03. gab Armin Laschet im ZDF ein Interview, bei dem mir die Spucke wegblieb. Dort steigt er mit einer vermeintlichen zu geringen Aufklärung über Impfschäden ein. Was erstmal völliger Blödsinn ist, weil dies die Ärzte umfassend taten. Zudem sind Impfungen nicht etwas wirklich Neues. Die überwiegende Zahl der Deutschen ist gegen viele Krankheiten geimpft. Und bei jeder Impfung bekommen alle brav ihre Belehrungen. Irgendwann schwenkt er auf die Impfgegner um, für die man doch Verständnis haben müsse. Ebenso für die erlebnisorientierten Mitglieder der überversorgten Spaßgesellschaft in einem reichen Industrieland. Kurzfristig benötigte ich ein Taschentuch, weil Deutsche mal ein Jahr nicht auf einer Fressmeile mit der Bezeichnung Weihnachtsmarkt Glühwein saufen oder beim Karneval nicht die Sau herauslassen konnten. Mal zum Vergleich: Auf Langkawi/Malaysia saßen ein paar Freunde von mir bei einem Bier zusammen. Dann kam die Polizei und nahm alle fest. Und weil der Sultan keinen Spaß versteht, landeten sie zu fünft in einer mit 10 Mann belegten Zelle, die für 4 Leute ausgelegt ist. Im hinteren Bereich eine Rinne für die Notdurft. Ansonsten keinerlei Mobiliar. Also wurde wechselweise auf dem Betonfußboden geschlafen. Die malaiische Polizei hat etwas andere Vorstellungen von Polizeigewalt und verteilt als Essen nicht mehr ganz frischen Fisch, damit die Verdauung besser in Gang kommt. Das ganze Programm dauerte einen Monat. Jetzt aktuell läuft ein Prozess gegen einen hohen Beamten, der Hilfsgelder um die Ecke brachte. In ihrer Not hängten die Leute weiße Flaggen aus dem Fenster und signalisierten so, dass sie noch etwas zu Essen für andere abgeben könnten. Während der Pandemie erreichten mich Nachrichten von indischen Bekannten, deren Verwandte wie die Fliegen an Corona starben, weil die Versorgung mit Impfstoff nicht klappte.
Hoch spannend ist auch der Umstand, dass ausgerechnet in Deutschland ganz doll viele Impfschäden auftauchen. Für zartbesaitete Wohlstandkörper scheint der Impfstoff besonders gefährlich zu sein. Ich will nicht in Abrede stellen, dass es Schäden gibt. Die gibt es zu einer gewissen Prozentzahl immer. Aber vermutlich wird auch nicht der Nachweis erbracht werden können, was mit den Geschädigten passiert wäre, wenn sie Corona mit der vollen Wucht bekommen hätten.
Was Laschet im Auftrag der UNION veranstaltet, ist klar. Die greifen das negativ konnotierte Thema auf und versuchen es für sich positiv zu drehen. Das ist absolut unterirdisch und beispiellos. Das Sahnetörtchen gibt es dann zum Ende des Interviews. Er sagt selbst wortwörtlich: … die wenigen, es sind ja nicht viele, die jetzt Impfschäden …” Dabei fordert er die Pharmakonzerne auf, sich an den Kosten zu beteiligen. In einem Abwasch bedient er auch noch diejenigen, welche die Verschwörungstheorie aufstellten, dass alles nur zum Gelddrucken erfunden wurde. Ich befürchte, die kommen mit dieser Nummer durch.

Nein, es ist nicht alles schlecht und einer Vielzahl von Entscheidungsträgern/innen aus der Politik und Wirtschaft unterstelle ich nicht einmal Bösartigkeit. Es mangelt ihnen an Weitsicht. Sie haben das Jetzt und Morgen, ihren persönlichen Status und Erfolg vor Augen. Was sie mit all ihrer Propaganda, kurzsichtigen Handeln, ihrer Egozentrik, für die Zukunft anrichten, sehen sie nicht. Sie konstruieren ein System, welches auf Profit, Wachstum und Geld basiert. In der Konsequenz gibt es natürlich Leute, die alles ausreizen. Darauf reagieren sie wiederum mit Gesetzen, Überwachung, Abschaffung des Bargelds. Die Gierigen finden neue Wege und überwacht wird am Ende der normale rechtschaffende Staatsbürger. Das Regelwerk wird immer engmaschiger. Dies hat irgendwann zur Folge, dass ein Denken entsteht, in dem alles erlaubt und zulässig ist, was nicht in den Regeln verboten wurde. Wer dann sagt: Stopp, es gibt einige sich logisch ergebende Grenzen, die nicht niedergeschrieben sind, wird zum Moralisten abgestempelt. Weltweit setzen diese Leute alles dran, dass alles nach ökonomischen Kriterien geprüft wird … und das wird richtig böse schiefgehen.


Die Suche nach Frieden

Lesedauer 13 Minuten

Im Menschen stecken zwei Wesen. Der Primat, ein Affe mit trockener Nase und spärlicher Behaarung, welcher sich mit seinen Fähigkeiten an die Spitze der Nahrungskette setzte. Ein Raubtier! Eins, welches sich zu Horden zusammenschließen kann und nicht nur gemeinsam auf die Jagd geht, sondern auch gegen andere konkurrierende Horden unerbittlich bis zum Tod kämpft. Doch dieser Primat entwickelte ein Bewusstsein. Er kann sich über die Regeln der Natur hinwegsetzen, ihr trotzen, die Folgen seiner Handlungen erkennen, Trieben gewahr werden und sie kontrollieren. Erst, wenn dieses Bewusstsein, in Verbindung mit Verstand, Vernunft, Reflexion, zum Tragen kommt, überschreitet der Primat die Schwelle zum Menschsein.

Die innewohnende Aggressivität, die Kampfbereitschaft, die Intelligenzleistung, sich zusammenzuschließen und in einem Kampfverband zu organisieren brachte das Tier nach oben. Doch gleichzeitig bringt dies die Gefahr der totalen Vernichtung der eigenen und anderer Spezies mit sich. Kurzum, das Großhirn ist dazu fähig darüber zu entscheiden, ob es sich selbst und die Evolution beendet oder leben will.

Seit Menschengedenken wird experimentiert, wie man am besten das Leben gestalten kann. Krieg, Frieden, Diktaturen, Königreiche, Kaiserreiche, Klerikale Staaten, Anarchie, Kommunismus, Sozialismus, Kapitalismus, aus all diesen Experimenten kann man Lehren ziehen. Parallel entwickelten die Menschen immer ausgefeiltere Methoden, sich gegenseitig abzuschlachten. Wenn nicht bereits die Atombombe den absoluten Overkill ermöglicht, wird die absolute Waffe noch entwickelt werden. Da bin ich mir absolut sicher. Ginge man mit Vernunft und Verstand heran, wüssten wir, dass wir das Ende der Fahnenstange erreicht haben. Die Waffensysteme haben einen technischen Stand erreicht, der völlig neue Betrachtungen notwendig macht. Ich denke, dass 1945 der historisch verpasste Zeitpunkt war, an dem die Chance bestand, inne zuhalten, alles neu zu bewerten und völlig andere Wege zu gehen. Doch jeder weiß, dass unsere Mütter, Väter, Großmütter, Großväter, deren Anführer, diese Chance verstreichen ließen.

Mit Nuancen besteht das alte System, welches zwei Weltkriege hervorbrachte, in den Grundzügen immer noch. Konkurrierende Nationalstaaten und Großmächte, ein globales Wirtschaftssystem, welches auf Wachstum, Profite, Gier, gründet und vor allem in einem Dilemma festhängt. Jede Großmacht inklusive ihrer Vasallen beäugen misstrauisch die Konkurrenz und ihre Strategien, sich Macht, Rohstoffe, geostrategische Vorteile, zu sichern. Und fortwährend flammt immer mal wieder ein Krieg auf.

Innerhalb dieses Systems ist es unmöglich sich herauszuhalten oder eine sichere Neutralität zu bewahren. Stets muss man auf der Hut sein, Allianzen schmieden, Drohkulissen aufbauen und dafür Sorge tragen, dass der andere nicht zu stark wird. Macht ein Beteiligter einen Schrittfehler, grätscht der Gegner hinein. Wird das System nicht radikal umgebaut, muss ich mich den aus ihm entstehenden Regeln beugen. Isoliere ich aus einem Computernetzwerk einen Client, der auf die Programme im Netz zugreift, kann ich mit dem nicht allzu viel anfangen.

Neue Friedensbewegung in einem alten System?

Dieser Tage gehen wieder einmal Leute auf die Straße und fordern Frieden. Einige sprechen von einer neuen Friedensbewegung. Ich kann dem nicht ganz folgen. Die alte, in den 80ern, richtete sich nicht gegen einen konkreten Krieg, sondern gegen das Wettrüsten zwischen USA und UdSSR. Nach allem, was man nunmehr im Nachgang weiß, waren die Sorgen der Bürger durchaus berechtigt.
Eher passend finde ich eine Analogie zu den Protesten in den 60ern gegen den Vietnamkrieg. Damals hieß der Aggressor USA und die verantwortlichen Präsidenten hießen Lyndon B. Johnson und Richard Nixon. Folgerichtig wandte sich die Protestbewegung gegen die USA und nicht gegen die kommunistischen Kämpfer auf der Seite der Vietnamesen. Und soweit ich weiß, kam niemand auf die Idee, einen Stopp der Waffenlieferungen für den Vietcong zu fordern. Dies wäre auch ziemlich zwecklos gewesen, da die Waffen damals aus dem Ostblock stammten. Ziehe ich einen Vergleich zu heute, hätten damals Frau Wagenknecht und Frau Schwarzer den Vietcong zum Einstellen der Kampfhandlungen und eine Verhandlungsbereitschaft mit den USA einfordern müssen. Was garantiert nicht funktioniert hätte, da die USA mit aller Macht die Ausbreitung des Kommunismus in Südostasien verhindern wollten. Heute wissen wir, dass trotz des verlorenen Krieges nur Vietnam und Laos kommunistische Systeme aufbauten.

Nein, die seitens Wagenknecht, Schwarzer u.a. eingeforderte Demutsgeste der Ukraine hat nichts mit den Gedanken und Intentionen der 80er – Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland gemein. Ich betone Bundesrepublik Deutschland! In der DDR wurde damals die Ausrüstung mit SS20 Raketen und der Wehrunterricht in den Schulen favorisiert. Auch der Afghanistan-Krieg, ausgehend von der UdSSR, wurde billigend hingenommen. Während dieser Zeit schenkten sich die Geheimdienste aus Ost und West nichts. Damals ahnte man es, heute weiß man, dass der MfS im Westen fleißig unterwegs war.

Geheimdienste, Propaganda gehen nicht mit dem Krieg einher, sondern sind schlicht Unterabschnitte. Und zur Propaganda gehört das Grauen. Viele Waffengattungen sind darauf ausgerichtet, Soldaten und Zivilisten zu verstümmeln. Sie sollen nicht sterben, sondern davon berichten. Folter, Vergewaltigungen, Hinrichtungen verfolgen den gleichen Zweck. Gleichfalls gehört es dazu, die Bevölkerung der anderen Seite gegen ihre Regierung aufzubringen. Der Hinweis, dass in der Ukraine tausende Menschen sterben, ist nahezu obsolet. Denn hierfür steht das Wort Krieg. Menschen schlachten Menschen ab, oder sie setzen Waffen ein, die Gliedmaße abreißen, Gesichter entstellen. Es wird gefoltert, geplündert, gebrandschatzt, vergewaltigt. Das Tier wütet. Wenn also Wagenknecht und Schwarzer auf die Sterbenden, Vergewaltigten, Gefolterten hinweisen, sagen nicht mehr oder weniger, als dass ein Krieg tobt. Die Bilder, das Grauen, gehört zu Putins Kalkül und ist Teil der Kriegspropaganda. Nun aber stellt sich die Frage, wie man darauf reagiert. Kann es richtig sein, die Opfer aufzufordern, endlich Ruhe zu geben, weil es dann vorbei ist? Putin ist in diesen Krieg nicht hineingeraten. Er hat ihn gezielt, kalkuliert, vorsätzlich, begonnen. Alles andere endete damit. Zuvor hätte es noch die Option von Verhandlungen gegeben. NATO, neutrale Zonen, die Einrichtung seitens UN-Truppen überwachter Regionen usw. Auch wäre die Einnahme unterschiedlicher Positionen gerechtfertigt gewesen. Doch all dies hat er mit dem Angriff beendet. Anders: Eine neue faktische Lage geschaffen, die Krieg heißt. Und da er sich nicht auf einige Gebiete beschränkte, lautet das Ziel: Vernichtung der Ukraine als Staatsgebilde. Ginge es nicht um Russland, einem Atom-Staat, gäbe es hierauf nur eine Reaktion: Eine seitens der UN genehmigte konsequente Intervention.
Aber da es sich nicht um einen der kleineren Staaten handelt, der überdies nicht Teil eines militärischen Paktes ist, kommt dies nicht infrage. Dies ist eine Botschaft an alle anderen Staaten auf der Erde, die u.a. Norwegen, Finnland und Schweden verstanden. Wer keine Atomwaffen besitzt und auch nicht Mitglied eines Militärpaktes ist, wird zur Beute, der niemand beispringen kann. Was bleibt, ist die logistische Unterstützung. Hier kann es meiner Meinung nach keine Abstufungen geben. Wenn ich mich dazu entschließe, muss ich es richtig und nicht halbherzig tun. Ob dies seitens Putins als Kriegsteilnahme oder nicht bewertet wird, ist ihm ohnehin selbst überlassen. Da können sich Völkerrechtler den Mund fusselig reden. Der Mann spricht öffentlich davon, dass der Westen vorhabe, die russische Ethnie auszulöschen. Reden wir doch nicht um den heißen Brei herum. Solche Töne kennen wir in Deutschland sehr gut. Diesmal kommen sie aus der anderen Richtung. Wer sich die öffentlichen Inszenierungen Putins zu Pferd in der Steppe, posierend mit Bären und Waffen anschaut, kann als Deutscher einfach nicht anders, als an den germanischen Zirkus der Nationalsozialisten zu denken. Letztens sprach ich mit einer Russin. Die sprach von “Brudervölkern”, die sich vereinen müssen. Ach Leute, haben wir Euch nicht gezeigt, dass dieser Schwachsinn keine gute Idee ist? OK, ich räume ein, dass wir sogar im Bundestag noch einige herumzurennen haben, die es immer noch nicht kapiert haben. Und wenn sie es nicht offen tun, quatschen sie von leistungsfähigen, ordentlichen, pünktlichen, fleißigen, Deutschen. Das ist der gleiche Dreck, nur eloquenter, mit einem neoliberalen Upgrade.

Meine Generation wurde in einem dualen, globalen System groß. Im Prinzip durften die beiden Großmächte innerhalb ihrer Bereiche schalten und walten, wie sie wollten. Die Gegenseite regte sich künstlich auf, aber es passierte nichts wirklich Gravierendes. Ich denke, eine Menge Leute rechnen die Ukraine immer noch dem alten Einflussbereich Russlands, der ehemaligen Führungsmacht der UdSSR, zu. Ein Aufbegehren der Ukraine, vornehmlich einer neuen Post-Sowjet-Generation, passt nicht in deren Weltbild. Und so wie ich dies aus Gesprächen mit Ukrainern/innen im Alter von um die 30-40 Jahre mitgenommen habe, sind sie im eigenen Land zerstritten. Die Alten sind entweder Freunde der alten Sowjetzeiten oder sie hassen sie. Einige der Älteren sprechen ausschließlich Russisch und werden über die russische Propaganda gesteuert. Mir scheint, dass durch einige Familien ein Spalt verläuft. Ich weiß auch nicht, inwieweit man dem ukrainischen Regierungsapparat über den Weg trauen kann. Beide, Russland und Ukraine, sind meiner Kenntnis nach tief mit kriminellen Strukturen verstrickt. In den 90ern erklärte mir in einer Vernehmung ein ehemaliger KGB Offizier das Prinzip der russischen Korruption. Seiner Beschreibung nach gab es damals ein unmittelbar kriminelles Handeln von Regierungsmitgliedern, welche er als die “Rote Mafia” bezeichnete und Banden, die unabhängig von diesen Personen agierten. Jene titulierte er als “Weiße Mafia”. Die Roten schafften damals, keine Ahnung wie es heute läuft, auf staatlich kontrollierten Wegen Geld außer Landes und parkten es in Firmen. Die Weißen entwickelten das Geschäftsmodell eben genau diese Firmen anzugehen und Zwangsbeteiligungen, zum Teil mit Gewalt, einzufordern. Ein wenig erinnerte mich dieses Vorgehen an einige ehem. Regierungsmitglieder bzw. Verwaltungsmitglieder der DDR in den Wendejahren. Und einigen Artikeln nach, ist davon auszugehen, dass z.B. auch Putin mit kriminellen Strukturen verstrickt ist. Er ist halt vermutlich ein Kleptokrat unter Kleptokraten, in einem Staat, in dem es sich die Oberen schon immer gut gehen ließen. Und ich denke, es wäre naiv, davon auszugehen, dass dies in Teilen der Ukraine anders ist. Was mich wiederum vermuten lässt, dass im Falle eines Weiterbestehens der Ukraine, die unteren Schichten nicht sonderlich viel davon haben werden. Was da im Einzelnen tatsächlich vor sich geht, werden nur absolute Insider verstehen.

Doch dies gehört für mich alles zum System. Ebenso, wie rund um den Krieg herum garantiert jede Menge krumme Geschäfte und Absprachen stattfinden. Allein schon der Umstand, dass die US-amerikanische Rüstungsindustrie quasi die Sektkorken knallen lässt, wenn Panzer aus deutscher Produktion in die Ukraine gehen und sie den Nachschub für die NATO stellen können, ließ aufhorchen. Bei den Ferengis aus dem Star-Trek-Universum gilt: Regel 034, Krieg ist gut für das Geschäft [1](DS9: Trekors Prophe­zeiung, Die Belagerung von AR-558) Regel 035, Frieden ist gut für das Geschäft [2]DS9: Trekors Prophe­zeiung. In einer Folge wird ein Ferengi in Kampfhandlungen verwickelt. Nachdem er sich mehrfach in seiner Deckung darüber beschwert, wird er auf diese Regeln hingewiesen. Er antwortet: “Die gilt nur, wenn man nicht zu nah dran ist.” Man muss kein großer Analytiker sein, um schnell zu kapieren, dass mit den Ferengis Neoliberale US-Amerikaner gemeint sind, deren Ableger sich in Deutschland in der FDP sammeln. Die Rüstungsindustrie ist keine Ansammlung von Patrioten, sondern ein Zusammentreffen knallharter Geschäftemacher, die nach den Regeln des Markts alles und jeden beliefern, bis ihnen mal wieder jemand auf die Schliche kommt. Machen wir uns nichts vor. Alles, was im Lager liegt oder auf dem Hof herumsteht, bringt keine Profite. Aber spätestens Munition ist Verbrauchsmaterial.

Systemimmanent ist aber leider ebenfalls der Umstand, dass die Rüstungskonzerne Teil der Gleichgewichtsstrategie sind. Baut der eine, zieht der andere nach. Wird irgendwo etwas entwickelt, was für ein innovatives Waffensystem nützlich ist, wird es aufgekauft und gleichzeitig die Forschung auf der anderen Seite gepusht. Da kann man nicht mal eben aussteigen, ohne sich Beulen einzufangen. Die Jungs aus der Nerd-WG in der Serie Big Bang Theory stehen vor diesem Dilemma, als sie für die NASA ein GPS-System entwickeln und erkennen, dass dieses ebenfalls in Waffensysteme eingebaut werden kann. Ihre Lösung: Wenn bisher kein Terminator aufgekreuzt ist, weil wir den Untergang der Welt eingeleitet haben, ist alles in Ordnung. Nun ja, eben eine Nerd-Rechtfertigung.

Was offiziell an Lieferungen erlaubt ist, richtet sich stets nach der Nützlichkeit eines Staats. Keinesfalls nach ethischen Aspekten. Ressourcen aller Art und Bereitwilligkeit der jeweils vorhandenen Regierung, diese möglichst günstig zu verkaufen, sind die Voraussetzungen für die Bewilligung. Bisweilen geht das schief. Es war keine gute Idee, die Taliban zu fördern und auszubilden, damit sie die russischen Truppen dezimieren. Jedenfalls nicht, wenn man ein paar Jahre später selbst einmarschieren will. Wenn Frau Wagenknecht eine Forderung aufstellt, sollte sie sich gegen alle Waffenlieferungen, jetzt, morgen, für immer aussprechen. Alles andere riecht verdächtig nach Heuchelei.

Für das Individuum bedeutet Krieg immer eine existenzielle Entscheidung. Sartre, als einer der Hauptvertreter des Existenzialismus, schrieb hierzu, dass sich jeder Soldat für oder gegen den Krieg entscheiden könne. Am Ende bliebe ihm immer einen Suizid zu begehen oder zu desertieren. Würden sich alle gegen den Krieg entscheiden, gäbe es keine. Aber so läuft es nun einmal nicht. Jedes Mal auf ein Neues, finden sich genügend, die kämpfen. Und ob es nun nach Russophobie klingt oder nicht, ist mir egal: Ich glaube nicht, dass jemand in die Hände von Truppen der Roten Armee fallen will. Den armen geknechteten Typen, die damals um Berlin herum abgezogen wurden, möchte ich nicht ausgeliefert sein. Wer Full Metal Jacket gesehen hat, weiß, was ich meine. Die Hierarchischen Systeme fordern den Kampf auf Befehl ein. “Stell Dir vor, es ist Krieg, aber keiner geht hin!”, stand in den 80ern auf Hauswänden. Netter Spruch – aber irreal.

Verständnis für Putin

Wer diesem Gemenge an prominenten Protestlern zuhört, stößt häufig auf ein gewisses Verständnis von Putins Handeln. Innerhalb des Systems sah er angeblich sein von ihm angeführtes Russland seitens der NATO bedroht. Na ja, wie wahrscheinlich wäre ein konventionelles Einmarschieren von NATO-Truppen in Russland? Es ist nahezu auszuschließen. Der Neoliberalismus zeigte in der Vergangenheit, wie es läuft. Mittels Wettrüsten, was durch das Dilemma funktioniert, wurde die UdSSR wirtschaftlich an die Wand gedrückt. Spätestens als im Zentrum des Inbegriffs von Kommunismus eine McDonald Filiale eröffnete, war klar, wie es weiter geht. Mit westlicher Dekadenz, Geld und Konsumgier die Roten an die Wand spielen. Solange dies mit einem Staatskapitalismus einherging und alle Oberen genug Geld scheffelten, ging dies auch durch. Wenn alles nach den Regeln der Spitze läuft, gibt es keine Probleme. Auch wenn es nicht hierher gehört, beobachtete ich in diesem Zusammenhang amüsiert den Aufstieg von Gerhard Schröder. Jeder, der auch mal eine Welt außerhalb des gehobenen Bürgertums kennenlernte, hat Biografien erlebt, in denen sich Leute von unten nach oben bugsierten. Ich habe keine Ahnung, wo die irrige Auffassung herrührt, dass sich solche Charaktere daran erinnern, wo sie mal herkamen. Sie tun es durchaus, aber anders, als sich dies einige wünschen. Zwei Typen aus ehemals ärmlichen Verhältnissen kommen nach harten Bandagen-Kämpfen in Luxussuiten an und schlürfen teuren Whisky. Mich wundert nicht, dass Putin und Schröder sich gut verstehen.

Meiner Meinung nach, war die Maidan-Revolution für Leute wie Putin und Konsorten ein nicht hinnehmbares Zeichen, gleichzeitig eine Gefahr für ihren Staatskapitalismus, der nur noch in einem Negligé mit der Aufschrift Kommunismus steckt. Wo landet man, wenn eingesetzte Marionetten einfach abgesetzt werden? Eventuell sogar noch die eine oder andere Sauerei aufgedeckt wird? Was passiert, wenn man an der Stelle Schwäche zeigt? Putins Problem war kein anderes, als die USA jedes Mal in Südamerika bekommen, wenn die Leute mal wieder einen Sozialisten wählen, der nicht geneigt ist, die Marionette zu spielen.
Die Verhältnisse auf der Erde verändern sich. Das 20. Jahrhundert sagt leise adieu. Das Thema USA vs. Sowjetunion, also das bisherige duale System, funktioniert zurzeit nicht mehr. Längst ist China als Dritter im Spiel. Und wenn sich Putin verkalkuliert, macht er Russland zum Vasallen von China. In diversen Ländern zeichnen sich Generationskonflikte ab. Einige Jüngere beginnen am Vorgefundenen zu zweifeln, während die Älteren noch in den alten Mustern hängen. Unübersehbar versammelten sich in Berlin mehrheitlich junge Nostalgiker und Frauen/Männer, die auf die 60 zugehen. Was auch immer Wagenknecht und Lafontaine verbindet, auch er gehört nicht gerade zu den innovativen Ideengebern. Alice Schwarzer ist 80! Ich weiß nicht, wie es um ihre Kenntnisse moderner digitaler Propaganda bestellt ist. Mich stört an den Protagonisten gewaltig, dass es durch die Bank Machtmenschen sind, die Hierarchien toll finden und sich an die Spitze setzen wollen. Wagenknecht ist von je her bekennender DDR-Fan. Eine Kommunistin ganz alter Schule. Hierarchie ist wichtig, jeder hat seinen Platz und seine Aufgabe. Ich kann nachvollziehen, dass ihr das Geschehen in der Ukraine suspekter ist, als das Verhalten Putins. Alice Schwarzer kämpfte zeitlebens für eine Umkehr. Gleichberechtigung wäre gut gewesen, aber sie wollte einen Machtaustausch zugunsten der Frauen. Das ist nochmals was anderes. Ich habe Frauen mit Macht kennengelernt. Meiner Erfahrung nach ist es die gleiche Chose, nur mit Brüsten. Sie kämpft nicht für die Auflösung von Hierarchien, sondern für einen Austausch der Machtpositionen. Grundsätzlich könnte man darüber sprechen. Frei nach dem Motto: Jetzt hatten die Männer lange Zeit Gelegenheit, die Leute herumzukommandieren, jetzt sind mal die Frauen dran. Aber ein Lösungsansatz für unsere Probleme ist das nicht.

Und auch wenn es die Teilnehmer bestreiten: Natürlich waren da teilweise die üblichen Verdächtigen mit auf der Straße. Was ich auch nicht weiter verwunderlich finde. Es gibt nämlich eine ganze Menge Überschneidungen. Die Veränderungen, nicht nur die bereits genannten, erfordern eine bei allen nicht vorhandene Anpassungsfähigkeit. Klima, Ressourcen, veränderte geostrategische Verhältnisse (z.B. ganzjährige Beschiffbarkeit der Nordroute), alternde Industrienationen, Flüchtlingsströme, kulturelle Veränderungen, junge Leute mit anderen Denkstrukturen, maßgeblich auch von der Digitalisierung und dem Internet geprägt, mischen die bisherige Welt auf. Keiner kann wirklich sagen, wo die Reise hingeht, schlicht, weil wir eine solche Lage noch nie hatten.

Tja, und dann spielen ein paar Alte die Spiele, welche sie schon immer spielten und ihre festen Rollen innehaben. Putins Nummer ist typisch 20. Jahrhundert, so wie auch die bisherigen Reaktionen aus dieser Zeit stammen. Kommunisten, Sozialisten, Faschisten, Neoliberale, Nationalisten, selbst die Anhänger des Systems der repräsentativen Demokratien, sind gedanklich alle in lokal eingegrenzten hierarchischen Systemen unterwegs. Internet, Digitalisierung, globale Probleme, sprengen diese Modelle. Weiterhin eint alle, dass sie es sich auf dem erreichten Niveau weiter gut gehen lassen wollen. Statt Arm und Reich zu mitteln und sich auf einen globalen Standard einzupendeln, der in der Mitte liegt, wollen einige die Armen auf das Level der Reichen ziehen. Ob das funktionieren kann? Ich bezweifle es.

Frieden?

Er wird eines Tages, so oder so, wieder eintreten. Und wenn keiner das globale System radikal verändert oder Umstände dazu führen, lässt der nächste Krieg nicht lange auf sich warten. Einen Typen aus dem 20. Jahrhundert, einen Veteranen des Kalten Krieges, mit Mitteln aus dem zurückliegenden Jahrhundert durchkommen zu lassen, halte ich für das falsche Zeichen. Die Diskussion über die Waffenlieferungen sind etwas aberwitzig oder mindestens zu spät. Wozu und wofür wurden denn die Dinger entwickelt, gebaut, getestet? Für eine reine Landesverteidigung des eigenen Landes benötige ich nur ein paar Atombomben. Greifst Du mich an, schicke ich die Dinger ab. Fertig! Nein, das Ziel lautet verkaufen, töten, kaputt machen, noch mehr verkaufen. Vielleicht noch, um in das eine oder andere Land einzumarschieren. Alle Atomstaaten können sich zurücklehnen und sagen: “Was ich auf meinem Territorium veranstalte, geht Euch nichts an. Mischt ihr Euch ein, knallt es.” Wenn, dann hätten sich all die Pazifisten bereits vor Jahrzehnten melden müssen und auf ein Verzicht der Produktion pochen sollen. Sich jetzt hinzustellen und zu sagen: “Upsi, damit kann man ja Menschen töten und verstümmeln!”, ist ein wenig albern. Und ob die nun in der Ukraine zum Einsatz kommen oder woanders, ist doch auch egal. Irgendeiner hat immer Pech. Lustigerweise haben wir die Leopard II Panzer sogar Chile angedreht, die damit nur in wenigen Regionen herumkurven können, weil der Rest aus Gebirge besteht. Rheinmetall schreibt zum Aufrüstungsset Revolution-Pack:

Das veränderte Missionsspektrum der heutigen Streitkräfte hat die Anforderungen an moderne Hauptkampfpanzer drastisch verändert. Es ist klar, dass sie weiterhin eine wichtige Rolle in aktuellen und zukünftigen Konflikten spielen werden. Aber in den allermeisten Fällen wird diese Rolle viel weniger mit der Gewinnung von Panzerschlachten zu tun haben, als mit der Sicherung positiver Ergebnisse in asymmetrischen Szenarien. Indem sie eine massive Kraftprobe produzieren, liefern Panzer eine kompromisslose Botschaft an Freunde und Feinde gleichermaßen und wirken in Konfliktsituationen weltweit als Wendepunkt. Neue Missionen und neue Bedrohungen, gepaart mit der Verfügbarkeit neuer Technologien, treiben den Modernisierungsbedarf. Was Armeen jetzt brauchen, sind effiziente und kostengünstige Lösungen.

https://rheinmetall-defence.com/en/rheinmetall_defence/public_relations/news/detail_1408.php

Asymmetrisch! So, so … mit anderen Worten, eine gut ausgerüstete Armee trifft auf eine militärisch schlecht ausgerüstete Partisanenarmee oder Aufständische. Was haben die bloß alle gegen Putin, wenn er von einer militärischen Operation spricht? In der euphemistischen Sprache der Militärs und Mächtigen gibt es schon länger keine Kriege mehr. Offiziell sind es bewaffnete Konflikte, mit internationaler Beteiligung oder eben jene ohne, früher simpel Bürgerkrieg genannt. Also, alle haben bisher brav dem einträglichen Geschäft zugestimmt und gut davon gelebt. Dass die Dinger nun ihrem Zweck zugeführt werden, ist konsequent. Bestellt und bekommen! Fertig. Im Übrigen wurden die Dinger auch an Staaten wie Qatar, Türkei, ausgeliefert. Die Saudis bekamen keine, weil sie sich nicht mit Israel verstehen. Deshalb mussten die USA in das Geschäft einsteigen und lieferten Abrams.

Doch um all solche Dinge geht es dieser sogenannten neuen Friedensbewegung nicht. Denen passen die Einschränkungen nicht, die sich aus der Solidarität mit der Ukraine ergaben. Putin wird sich denken: “Das war einfach!” Der kennt sich selbst ohne die modernen Möglichkeiten einer Stimmungserhebung, wie sie Geheimdienste regelmäßig durchführen, mit der deutschen Volksseele aus. Kalt? Teurer? Flüchtlinge? Geht gar nicht! Ergebt Euch gefälligst, damit mal wieder Ruhe eintritt. Etwas lächerlich ist die Angst vor einem Angriff auf Deutschland. Sollte es dazu kommen, hat sich alles erledigt. Darüber ist sich selbst Putin im Klaren. Ich hab leicht reden. Denn während ich schreibe, herrschen an meinem Aufenthaltsort über 30 Grad und meine Lebenskosten sind überschaubar.

In der Ferne stelle ich mir die Frage, ob es richtig ist, sich in Putins altes Spiel hineinziehen zu lassen. Und was ist gewonnen, wenn er abgelöst wird und andere weiter machen? Die USA und China suchen sich gerade mal wieder eine Spielwiese. China reibt sich mit Indien. Südostasien muss knirschend hinnehmen, dass die Chinesen in den Hoheitsgebieten der Küstenstaaten herum schippern. Erdogan und Assad machen ohnehin, was sie wollen. Hach, da gibt es soviel und alles ist ziemlich unübersichtlich. Nicht einmal das Wetter spielt noch mit.

Wie kann man alledem entkommen? Vielleicht läuft es bei der Menschheit, wie bei einem harten Alkoholiker. Bevor der nicht seine persönliche Bankrotterklärung erfahren hat, kommt er nicht vom Sprit weg. Allerdings besteht auch die Gefahr, dass er diese nicht überleben wird. Ja, ich glaube, so könnte es laufen. Wir werden so lange weitermachen, bis es auf der absoluten Kippe steht und ob wir es überleben oder nicht, wird von Faktoren entschieden, die sich jenseits unserer Kontrolle befinden.