Die Büchse der Pandora steht offen

a person doing hand gestures while wearing a vr goggles Lesedauer 8 Minuten

Ich bin wahrlich kein Computer-Freak. Meine Kenntnisse sind oberflächlich und ich verstehe in etwa, worum es geht. Am ehesten würde ich das mit einem Autofahrer vergleichen, der über ein grundsätzliches Verständnis für Fahrzeugtechnik verfügt, vielleicht noch solange an Autos schraubte, bis unter der Motorhaube nur noch ein Block zu sehen war, fahren und im Notfall mal einen Reifen wechseln kann. Autos sind ein gutes Beispiel. Heutzutage setzt man sich hinein und jede Menge Fahrassistenten sollen dafür sorgen, dass das Fahrzeug auch bei schwerwiegenderen Fahrfehlern nicht in einen Unfall verwickelt wird. Aber jeder Fahrtrainer weist auf die Grenzen der Physik hin. An einem ermittelbaren Punkt, kann auch der Spurassistent nichts mehr ausrichten und die Blechkiste auf vier Rädern verselbstständigt sich. Es gibt wenige Autofahrer und Fahrerinnen, die im alten Sinne wirklich Auto fahren können. Sie setzen sich hinein und überlassen ihr Schicksal im Wesentlichen der Technik. Vor ein paar Jahren bin ich mal nach langer Zeit in einem VW Käfer, Baujahr 1972, durch den Schwarzwald gefahren. Da wurde mir dies wieder einmal bewusst. Es ist schon toll, was die heutigen Fahrzeuge an Komfort anbieten. Gleichsam erschreckend, wie schnell sie von außen her gehackt werden können. Wiederum aber nicht verwunderlich, wenn man weiß, dass russische Hacker ukrainische Atomkraftwerke hackten und Versorgungskreise manipulierten.

In der jüngeren Vergangenheit wurden Computer-Programme immer umfangreicher und bieten den Nutzern nunmehr noch vor wenigen Jahren unvorstellbare Möglichkeiten. Wenige Spezialisten wissen, was da im Hintergrund passiert. Für die Anwender ist es auch irrelevant. Sie müssen wissen, welche Menüs sie benutzen müssen. Womit sich die moderne, digitalisierte Welt in zwei Lager spaltet: Die Wissenden und die versierten Anwender. Aber es gibt noch mehr Gruppen. Beispielsweise nutzen viele Anwender Office-Programme analog zu einer alten Schreibmaschine und andere können damit wirklich Texte verarbeiten. Nicht anders sieht es bei Programmen aus, mit denen Fotos und allerlei Medien bearbeitet werden können. Die breite Masse benutzt automatisierte Filter, die Fotos verschönern oder kleinere Filme entstehen lassen.

In meiner Generation mussten die Menschen lernen, von der analogen Welt auf die virtuelle Welt und die sich aus ihr ergebenden Möglichkeiten umzudenken. Mir wurde dies besonders deutlich, wenn ich für Vorgesetzte Präsentationen erstellen sollte. Ein Präsentationsprogramm soll den oder die Vortragende/n unterstützen und nicht ersetzen. Das bekamen die häufig nicht hin. An der Wand erschienen dann ganze Abhandlungen, die aus den Zuhörern, Mitlesende, werden ließen. Es dauerte auch lange, bis sich in Behörden durchsetzte, dass eine Textdatei eben kein Blatt Papier ist und anderes gestaltet werden muss. In meiner Branche passierte noch etwas anderes. Als ich in meinem Job das Laufen lernte, brachte man mir noch das Entwickeln von Filmen bei. Wir arbeiteten mit konspirativen Kameras und die speziellen Formate konnten nicht einfach in ein Labor gegeben werden. In dieser Zeit war ein Foto einfach ein Foto, und damit oftmals ein gutes Beweismittel. Manipulationen waren ziemlich einfach zu entlarven. Das änderte sich mit der Digitalisierung und Bearbeitungsprogrammen. Mit forensischen Programmen lassen sie sich immer noch aufdecken, aber halt nicht mehr so einfach.

Mittlerweile weiß nahezu jede/r, wie trügerisch ein Bild sein kann. Doch wissen ist nicht alles. Man muss auch bereit sein, Zweifel zu hegen. Und allzu oft wird bedient, was die Leute sehen und glauben wollen. Wenn es zu dem passt, was man erwartet, wird es schon so sein. Es kann nicht jeder so paranoid sein wie ich und grundsätzlich jedem digitalen Bild misstrauen. Ich möchte sogar behaupten, dass es eine ziemlich große Gruppe gibt, deren Mitglieder nicht einmal ansatzweise wissen, was bereits bisher möglich war. Dies kann auf unterschiedliche Gründe zurückzuführen sein. Manchen ist es schlicht egal, so wie vieles völlig an ihnen vorbeigeht. Ein wenig despektierlich bezeichne ich sie als frei verfügbare biologische Masse, die je nach Zweck und Bedürfnis von Leuten, die sich mit alledem auskennen, benutzt werden kann. Andere sind schlicht zu alt, um sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Sie wurden lange vor der Digitalisierung geboren. Theoretisch können sie nur darauf vertrauen, dass es genügend Jüngere gibt, die sich dem Missbrauch entgegenstellen. Jedenfalls, wenn sie klug sind. Sind sie es nicht, werden sie zum Werkzeug derjenigen, welche sie böswillig manipulieren und dreschen ausgerechnet auf diejenigen ein, welche Kritik üben.

Teilweise kann ich ihnen dies aus vielerlei Gründen nicht vorwerfen. Nicht mit der Digitalisierung aufgewachsen zu sein, steht vielem entgegen. Jetzt in diesem Moment, während ich hier schreibe, läuft hier ein kleiner Junge herum, der darauf wartet, dass seine Mutter wach wird. Dies tut er nicht, weil es dabei um sie geht, sondern er ohne sie nicht an das Smartphone mit seinen Spielen herankommt. Mit der analogen Welt kann er nichts anfangen. Mich hätte man in seinem Alter eine Weile suchen müssen, weil ich irgendwo fasziniert eine Ameisenstraße beobachtete. Auf der anderen Seite steht die Generation, die nicht mit PC-Spielen, Social Media, digitalen Nachrichten, wischen, klicken, scrollen, aufwuchsen und den ganzen Kram ziemlich dämlich finden. Etwas, was ich gut nachvollziehen kann.
Ein weiterer Punkt sind die mannigfaltigen gesellschaftlichen Veränderungen, die nicht ausschließlich auf die Digitalisierung, doch zumindest teilweise darauf zurückzuführen sind. Da wäre die Sprache zu nennen. Ganz simpel fängt es damit an, dass die ältere deutsche Generation, neben der französischen und spanischen, nur rudimentär Englisch lernten. Englisch ist in der digitalen Welt essenziell. Des Weiteren bedienen sich ausgerechnet jene, von denen gesellschaftliche Impulse ausgehen sollten, einer Sprache, die entweder aus Subkulturen stammt oder lediglich auf dem Campus verstanden wird.

Auch dies kenne ich aus meiner beruflichen Laufbahn. In Behörden beschäftigte Führungskräfte entwickelten sich passend zum Zeitgeist. Mit Neid schauten sie auf die schicken Frauen und Männer in der freien Marktwirtschaft, die sich hochtrabende Titel gaben und mit furchtbar wichtig klingenden Wörtern um sich warfen. Aus Fachdienststellen wurden Kompetenzzentren, Vorstellungsgespräche mutierten zu Assessment-Centern, aus Fähigkeiten wurden Skills und statt erklärt, wurde plötzlich gebrieft. Dies sind noch die harmlosen Begriffe. Mit Sachen, wie Balance-Scorekarten, will ich gar nicht erst anfangen. Ich nahm an diversen Besprechungen teil, bei denen ich genau wusste, dass 90 % der Anwesenden keinen blassen Schimmer von der Bedeutung der Worte hatten, die sie benutzten. Denn es ging nicht um die Inhalte, sondern im Vordergrund stand die Selbstdarstellung. Begriffe kann man sich gegenseitig an den Kopf werfen, wenn jeder weiß, was unter ihnen in Gänze zusammengefasst wird. Ist dies nicht der Fall, kann man sich das Gespräch auch sparen und einfach ein Bier trinken gehen.

Was sich zum Beispiel bei Twitter an “Sprachposern” versammelt, ist beachtlich. Ich erwähnte es bereits in einem Beitrag: Ich hab überhaupt nichts gegen das sogenannte “Gendern”. Für mich ist es an vielen Stellen nachvollziehbar, dass Frauen eine neue Epoche einleiten wollen, die endlich die Dominanz von Männern durchbricht. Aber bitte zweckmäßig und an den richtigen Stellen. Letztens las ich “Jemensch”, statt “Jemand”. Etymologisch ein ziemlicher Unsinn und eher geeignet, den berechtigten Anspruch ins Lächerliche zu ziehen. Wie auch immer, dies sei nur ein kleiner Abstecher gewesen.

Es gibt also Wissende, Nutznießer, die sich dieses Wissens bedienen, um ihre Arbeit zu verrichten und welche, die es dafür benutzen, um Teile der Gesellschaft in ihrem Sinne zu manipulieren. Es gibt die, denen alles egal ist und sich willfährig manipulieren lassen. Wiederum andere würden gern verstehen, aber sie werden von denen allein gelassen, die ihnen mit ein wenig Mühe und Engagement erklären könnten, was um sie herum passiert, aber sich arrogant in Kauderwelsch ergehen. Und es gilt zwischen Anwendern und Machern zu unterscheiden.

Ein neues Spielzeug für eine unreife Spezies

Innerhalb weniger Jahre ist die Entwicklung der “Künstlichen Intelligenz” erheblich vorangetrieben worden. Nunmehr sind darauf basierende Anwendungen für alle online oder auch auf dem eigenen Rechner nutzbar. Man kann mit “ihr” chatten und man bekommt auf der Basis der eingepflegten Daten Antworten. Oder mit einigen Anweisungen, Bilder generieren oder ganze Filme entstehen lassen. Ebenso ist es zukünftig möglich, eine Stimme analysieren zu lassen und sie für alles Erdenkliche benutzen. Spaßvögel könnten einen Film entstehen lassen, in dem Donald Trump und Marilyn Monroe die Hauptrollen spielen. Gleichzeitig ist alles möglich, was irgendwie kompromittierend sein könnte. Allerdings gibt es auch Programme, die den “Fake” schnell entlarven. So man denn will! Das ist keine Zukunftsmusik, sondern passiert jetzt und wird innerhalb kürzester Zeit immer ausgereifter werden.
Es ist die Situation eingetreten, die sich bereits seit längerer Zeit abzeichnet. Niemand kann mehr Bildern oder Filmen trauen. Ohne Wissender oder Urheber zu sein, ist man chancenlos. Es sei denn, Stellen, den man vertrauen kann, mischen sich ein. Hier kommt etwas Weiteres ins Spiel. Wem sollte man vertrauen können? Denen, die bereits mit weniger effizienten Mitteln auf Propaganda, Desinformation, Diffamierungskampagnen setzten?
In den vergangenen Monaten erlebten wir in Deutschland eine von der CDU/CSU, FDP, initiierte breite Kampagne, in der mittels Verfälschung der Aussagen des politischen Kontrahenten, der persönlichen Diffamierung, vollkommen jenseits der Sachthemen, die Rückeroberung der politischen Macht vorbereitet werden soll. Oder was ist mit der Strategie gegenüber den Protestanten zum Thema Klima? Auch hier wurden alle Register gezogen, statt sich mit der Sache auseinanderzusetzen. Da war die Kampagne, in der findige Köpfe erst Greta Thunberg zu einer angeblich religiösen Ikone stilisierten, folgerichtig die Diffamierung als Sekte nachgereicht und plötzlich deutsche Vertreterinnen als Sektenanführerinnen tituliert wurden. Was passierte in Lützerath? Eine Ausgangslage, die man so oder so hätte steuern können, wurde eskaliert, damit eine passende Gegenstimmung im Bürgertum entstand. Alles, damit sie sich zum eigentlichen Sachthema nicht positionieren müssen. Ebenso funktioniert die Strategie, bei der überall Verallgemeinerungen implementiert werden. Man muss Katja Kipping nicht mögen, aber sie sagte letztens wahre Worte. “Wenn immer allgemein von den Politikern/innen gesprochen wird, können sich diejenigen mit Machtfantasien und Bereicherungsabsicht in der grauen Menge verstecken.” Es hat auch funktioniert, jegliche Kritik am Kapital, Kapitalismus, Neoliberalismus, Klima-Politik, in eine große Sammelkiste mit der Aufschrift “links” zu packen. Darin tummeln sich mittlerweile Philosophen/innen, Naturwissenschaftler/innen, Ökologen/innen, Mediziner/innen, Intellektuelle, Anarchisten, Sozialisten, kritische Wirtschaftswissenschaftler. Alles ist “links”, also Kommunisten, die sind böse und wir wollen keine DDR. So lauten die Grunzlaute des Mobs.
Eine weitere signifikante Debatte ist die über die Legalisierung von Cannabis. Was da an falschen Studien veröffentlicht wird, welche fadenscheinige Rhetorik zum Tragen kommt, wie in Hochglanzmagazinen berichtet wird, ist atemberaubend. Würde McCarthy noch leben, klatschte er vor Begeisterung. Enttäuschen würde ihn allerdings, worum es mittlerweile tatsächlich geht. Die Legalisierung wird kommen, aber erst, wenn der Markt und Vertrieb seitens der Konzerne zu Ende geplant ist. Letztmalig erlebten wir eine ähnlich gelagerte Nummer beim Vertrieb der E-Zigaretten.
Kann man Leuten, die zu solchen Mitteln greifen, über den Weg trauen? Ebenfalls erlebten wir Personen des öffentlichen Lebens, die sich zum Teil der russischen Kriegspropaganda machen ließen. Und schaue ich über die Grenzen Deutschlands hinaus, wird es noch schlimmer. Diverse Staaten werden sich solche Chancen nicht entgehen lassen. Sei es nach innen, um die eigene Bevölkerung zu steuern oder nach außen über die Geheimdienste. Ich habe da Indien vor Augen, wo die Regierung ein eigenes Social Media Netzwerk betreibt und jede Menge Leute damit beauftragt sind, diese tendenziös zu füttern.

In den Anfängen des 20. Jahrhunderts stellten sich einige Schriftsteller die Frage, was passieren würde, wenn man bestimmten Charakteren Werkzeuge in die Hände gäbe, mit denen sie in Perfektion große Massen steuern und überwachen könnten. Die Charaktere änderten sich nicht und nun im 21. Jahrhundert sind die Werkzeuge vorhanden. Orwell, Huxley, konnten nur mutmaßen, wie sie aussehen würden. Heute kennen wir sie. Orwell irrte sich um 39 Jahre. Geschenkt und irrelevant. Es liegt alles auf dem Tisch und einige müssen nur noch zugreifen. Ich bin mir absolut sicher, dass sie es tun werden. Es sei denn, irgendwer oder irgendetwas zieht die Bremse. Die sich da bedienen werden, ersehen sich selbst nicht einmal als negative Erscheinungen. Sie sind so sehr davon überzeugt, dass sie den Durchblick haben, dass sie nicht nur Gutes tun, sondern sogar dazu verpflichtet sind. Exakt an der Stelle bin ich persönlich raus. Mir haben sich die Worte eines solchen Menschen eingebrannt: “Sie müssen darauf vertrauen, dass ihre Vorgesetzten über ein erweitertes Wissen verfügen und die richtigen Entscheidungen treffen.” Darauf ist der nicht alleine gekommen. So zu denken, wurde ihm innerhalb seiner Blase der Macht beigebracht. Denen, die jetzt die Augenbrauen hochziehen, sei gesagt, dass ich mich eine kurze Zeit mit Kommunikationstraining für Führungskräfte auseinandersetzte. In diesem Zusammenhang konnte ich meine eigenen Erfahrungen dazu sammeln, wie schnell sich viele in dieser Blase befinden und schlagartig über und mit anderen sprechen, als wenn die aus einer völlig anderen Welt stammten.

Es heißt: Wissen ist Macht. Für mich ist dies die berühmte halbe Wahrheit. Meistens genügt es vollauf, wenn ich das Talent und die charakterlichen Voraussetzungen mitbringe, dieses Wissen anderer für meine Zwecke zu nutzen. Im Zusammenhang mit den genannten Werkzeugen haben wieder mal einige damit Befasste den Augenblick verpasst, in dem sie sich hätten fragen sollen: “Was kann passieren, wenn diese Werkzeuge missbraucht werden?” Und selbst wenn sie diese Frage gestellt hätten, wäre jemand daher gekommen, der gesagt hätte: “Das liegt nicht in unseren Händen. Wir haben geforscht und entwickelt, was die Menschen daraus machen, ist ihr Ding.” Wir leben leider nicht in einem dieser Hollywood-Filme, in dem ein vernünftiger Held etwas entsorgt, weil es in den Händen der falschen Leute zur Katastrophe führen könnte.
Aber wie erwähnt, liegt dies in der Vergangenheit, jetzt ist es in der Welt. Ein weiteres Spielzeug in den Händen einer Spezies, die noch lange nicht dazu reif ist, damit umzugehen. Sich dem Traum hinzugeben, dass auch jene, die andere Haltungen einnehmen, sich dieser Werkzeuge bedienen können, ist nicht meins. Dafür sind die anderen zu skrupellos. Das Gesetz lautet: In einer Schlangengrube überleben nur Schlangen. Uns wird im Idealfall auch nicht die Isolation gelingen. Wenn in anderen Staaten damit Massen gelenkt werden, hat dies Auswirkungen auf uns und wir werden mit hineingezogen. Auch etwas, was sich bereits jetzt abzeichnet.

Heute war so ein Tag. Ich schaute mir Bilder von den Unruhen in Paris an. Da war eins dabei, welches eine vollkommen vermüllte Straße zeigte. Angeblich ein Ergebnis des Streiks. Fake? Realität? Ich kann es nicht beurteilen. Dazu müsste ich hinfahren. Zig Leute werden sich diese Frage nicht stellen und es auf Deutschland projizieren. Ja, es hat bereits angefangen …


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Verfasst 7. April 2023 von Troelle in category "Allgemein", "Gesellschaft

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