Alles ist Rassismus

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Wenn ich mich in den Social Media umschaue, sind die Tweets voll mit Hinweisen, dass dieses oder jenes rassistisch wäre. Manchmal sehe ich dies genauso, andere Male kann ich nicht nachvollziehen, was die Leute unter Rassismus verstehen. Na gut, dass ich aus einer anderen Epoche stamme, weiß ich nicht erst seit gestern. Und dass Soziologen/innen abgedrehten Kram von sich geben, der auf drei Sätze reduziert werden kann, ist auch nichts Neues.

Rassismus geht, zumindest wenn ich es richtige verstehe, nach heutigen Vorstellungen nur von oben nach unten. Also kann demnach ausschließlich als solcher benannt werden, wenn jemand aus einer objektiven Machtposition heraus, beispielsweise weil mehr Privilegien vorhanden sind, einen niedriger gestellten Menschen diskriminiert. Irgendwo las ich, dass bei der diskriminierten Person noch Eigenschaften hinzukommen müssen, für die sie nichts kann bzw. nicht veränderbar sind. OK! Mir scheint dies alles eine ziemlich intellektuelle Kopfgeburt zu sein. Doch es leuchtet mir ein, dass es belastend ist, wenn mir ständig Dinge unterstellt werden, nur, weil ich mich nicht in die Sonne legen muss, um eine attraktive Hautfarbe zu bekommen. Nein, ich will jetzt nicht alle rothaarigen Irinnen mit teigig weißer Haut diskriminieren.

Die Ablehnung oder auch die Zuneigung zu von meinem eigenen Aussehen abweichenden Menschen sind angeboren. Der Umgang mit anderen Kulturen, Lebenshaltungen, Anschauungen, von mir abweichenden sexuellen Neigungen bzw. Ausrichtungen ist erlernt. Gegen das Erste kann ich mich schwerlich wehren, aber ich kann es intellektuell überwinden. Beim Zweiten kann ich mich dazu entscheiden, meine Sozialisierung zu hinterfragen. Für beides bedarf es eines Motivs. Meine Motive bestehen darin, dass ich nicht einsehe, warum ich mir nicht aus der sich mir bietenden Vielfalt das für mich Beste herausnehmen kann und mich durch meine Sozialisierung beschränken sollte. Hierdurch meine Identität zu verlieren, ist ein mir fremdes Gefühl.

Aber geht es beim Rassismus darum? Erst Vorgestern saß ich an einem Tisch mit zehn Rentnern aus Österreich und Deutschland. So wie ich sie sehe, alles gescheiterte Persönlichkeiten. Unfähig, sich mit einer gleichberechtigten Frau auseinanderzusetzen, Anteile fremder Kulturen anzueignen, beschränkt im Denken und zumeist Alkoholkrank. Aber, im Verhältnis zu Thailändern, haben sie Geld in der Tasche. Geld, welches sie als gerechtfertigtes Ergebnis ihres zurückliegenden Arbeitslebens ersehen. Mit Mimik, Gestik, Äußerungen verraten sie, dass sie die bedienenden Thais nicht wirklich für ebenbürtig an ersehen. Was mich dabei ein wenig beruhigt, ist die Tatsache, dass dieses auf Gegenseitigkeit beruht und sie in den Augen der Thais, wandelnde Portemonnaies mit schlechtem Geruch, üblen Benehmen und minderbemittelte Volldeppen sind. Ich persönlich halte mich nicht dafür, kann aber bestätigen, dass man auch in Thailand mit ein paar Bieren schnell sein Geld loswird. Wie diese Typen das mit ihrer angeblich so schmalen deutschen Rente stemmen, ist mir ein Rätsel. Vielleicht ist die gar nicht so schmal?

Sind die Rentner Rassisten? Männer, die gut in die Epoche des alten Kolonialismus passen und im Prinzip eine neue Form dessen leben? Oder sind sie einfach harmlose, beschränkte Kleingeister? In Thailand eine jüngere Begleiterin zu finden, ist nicht schwer. Einmal als Opfer erkannt, wird man vermittelt. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass man dies schnell unterbinden kann, wenn sie einen als jemanden mit einer anderen Lebenshaltung erkennen. Und als geschickte Jägerinnen, wissen die ganz genau, wer Beute ist und wer nicht. Sie verfügen über die Macht der Intelligenz und die Fähigkeit, die Hybris, Arroganz, Beschränktheit für ihre Zwecke zu nutzen. Dem haben die Rentner wenig entgegenzusetzen. Ich sage nur: Sun Zi! Wenn der gegnerische General überheblich ist und sich in trügerischer Sicherheit wiegt, bestätige ihn und Du wirst die Schlacht gewinnen.

Ganz was anderes sind “Westerner”, die der Auffassung sind, dass diverse Menschen in anderen Ländern nichts auf die Reihe bekommen und sie deshalb ausbeuten. Dazu gehören immer mehrere. Wenige Ausbeuter und jene, die das mit sich machen lassen. Das in Europa konstruierte System des Kapitalismus ist bis ins letzte Detail ausgeklügeltes Konzept zum Ausbeuten größerer Gruppen durch eine kleinere Zahl an Menschen. Für mich ähnelt dies der Situation, als die römischen Kampfformationen auf die germanischen Stämme trafen, die sich ihrer Tradition entsprechend, wild, ungezügelt, todesmutig in den Kampf stürzten, während die Römer mit militärischer Perfektion agierten.
Viele Kulturen, Traditionen, Strukturen, haben gegen den Kapitalismus keinerlei Chancen. So unterstellten zum Beispiel Europäer am Anfang des 20. Jahrhunderts südamerikanischen indigenen Stämmen eine Arbeitsteilung und eine Form des kapitalistischen Handels. Sie gingen u.a. von Fischern aus, die für ihren Stamm fischen gingen und in einem Tauschhandel entlohnt wurden. Tatsächlich ging jeder fischen, der gerade nichts anderes zu tun hatte und der Fang wurde unter allen gerecht aufgeteilt. Aber für die Europäer war klar, dass der Tauschhandel und die Arbeitsteilung, sowie der Besitz am Fang etwas sei, was dem Menschen in die Wiege gelegt wurde. Willkommen in den Anfängen des Neoliberalismus. Sind diese Typen nun skrupellose Kapitalisten, die die “Wehrlosigkeit” fremder Kulturen ausnutzen oder Rassisten, die anders aussehenden Menschen unterstellen, zu dämlich für die Entwicklung einer Verteidigung gegen die Übernahme zu sein?

Also für mich sind richtige Rassisten die Leute, welche klar und deutlich zwischen menschlichen Rassen unterscheiden, die vermeintlich eigene als die hoch entwickelte ansehen und allen anderen Minderwertigkeit, mangelnde Intelligenz und Triebhaftigkeit unterstellen. Dies sind diejenigen, welche arg über ihren Gen-Pool echauffiert wären. Spontan fällt mir diese durchgeknallte Frau ein, der trotz einiger Revolutionen immer noch der Titel Fürstin zukommt. Gloria, Thurn und Taxis, gab von sich: “Der Schwarze schnackselt halt mal ganz gern.” Sie wird es wissen. Immerhin wuchs sie in Afrika auf. Oder ein Höcke, der sich erdreistet, in einer Rede von unterschiedlichen “Ausbreitungstypen” zu sprechen. Ja, so etwas ist wohl Rassismus.

Wie man alles andere nennt, kann man meiner Auffassung nach getrost irgendwelchen Technokraten überlassen, die für alles eine gedankliche Ablage benötigen. Stempeln, abheften und ins Regal stellen. Zeitweilig geht es nicht einmal, um einen tatsächlichen Handlungsablauf, sondern um Vorurteile, Unwissenheit, Voreingenommenheit, Klischees, Stereotype, Verallgemeinerungen, Schubladendenken. Und nochmals etwas anderes ist die gelebte Arroganz, Hybris, von Angehörigen eines Kulturkreises gegenüber einem anderen.”

Zum Beispiel leben in Malaysia drei große Volksgruppen, sogenannte echte Malaien, Orang Aslis (hierunter fallen alle indigenen Völker auf dem Gebiet von Malaysia), Chinesen und Inder. Die Mehrheit der Malaien sind Muslime. Die Chinesen sind zumeist Buddhisten o. Taoisten. Inder sind in der Regel Hindus und die Indigenen sind entweder konvertierte Muslime oder sie beten ihre Naturgeister an. Die muslimischen Malaien zahlen im Prinzip kaum Steuern, sondern nach der Scharia einen Betrag, der sich aus ihrem Besitz ergibt.
Gleichsam profitieren sie dadurch von möglichen Unterstützungen, wenn sie in Not geraten. Für Inder und Chinesen gilt dies nicht. Die zahlen Steuern und eine Versorgung außerhalb einer privaten, existiert für sie de facto nicht. Bei solch einem System bleiben Reibereien nicht aus. Verschärft wird dieses, durch die Suggestion der malaiischen Politiker, dass die Malaien eigentlich diejenigen sind, was Malaysia darstellt. Allerdings bezahlen sie ihre Staatsdiener, die vornehmlich Malaien im Sinne dieser Darstellung sind, ziemlich schlecht. Die Folge ist eine ausufernde Korruption und die gegenseitige Zuschreibung von Klischees. So sind die Malaien aus der Sicht der Chinesen und Inder häufig faul, träge, ungeschickt, während die Inder und Chinesen im Ruf stehen, skrupellose Geschäftsleute zu sein. Dennoch müssen die sich bei Geschäften, in denen es um Besitz geht, häufig malaiischer Strohleute bedienen. Aber immerhin kennen die sich wenigstens und wissen um die kulturellen Unterschiede.
Aber ist das, was die da miteinander ausfechten, Rassismus? In einem Amt kann es schon mal passieren, dass ein Malaie einfach an allen Wartenden mit indischer Familiengeschichte vorbeispaziert. Fragt man Malaien danach, finden die gar nichts dabei. So ist dies halt in Malaysia.

Eine ganz andere Geschichte spielte sich letztens ab, als der Dalai Lama einen Jungen vor sich hatte, ihm die Zunge herausstreckte und zu ihm gesagt haben soll: “Suck my tongue!” Auf Deutsch: “Lutsch meine Zunge!”
Die europäische Aufregung und deren kulturellen Ablegern, z.B. in den USA u. Australien eingewanderte europäische Gemeinschaften, war groß. Der spirituelle Führer der Buddhisten, dem Papst gleichkommend, als Kinderschänder. Das passte ins Bild der beschädigten katholischen Kirche. Schaut, die Buddhisten sind auch nicht besser. Da passte einiges nicht. Zunächst in der Dalai Lama nicht das spirituelle Oberhaupt der Buddhisten, sondern ausschließlich der in Tibet und Mongolei ansässigen Gelbmützen, eine von vielen Richtungen des Buddhismus. Dann ist er Tibetaner und dort ist das Herausstrecken der Zunge eine allgemein anerkannte Begrüßung. Bei “Suck my tongue!”, springt bei Europäern der pornografische Teil der Sozialisierung an und gehört wird “Suck, my Dick!”. Bei Pubertierenden gibt es dieses Stadium, in dem alles kichernd mit Sexualität in Verbindung gebracht wird. “Kerzen ausblasen! Ha, Ha, er hat Blasen gesagt.” Nun, niemand hat gesagt, dass die Pubertät erfolgreich beendet.
Ich will nicht sagen, dass der Dalai Lama vollkommen asexuell ist. Er sagte mal in einem Gespräch mit Gehirnforschern, dass beim Meditieren Zustände, wie bei einem Orgasmus erzeugt würden. Also muss er wissen, wovon er spricht. Aber bei den vielen Stunden, die er meditiert, dürfte bei seinem dichten Terminkalender kaum Zeit bleiben. Vermutlich hat er nicht einmal “Suck” gesagt. Denn in Tibet sagt man: “Iss meine Zunge”.
Doch die Empörten halten sich für richtig schlau. Der Mann hat sich entschuldigt! Mehr Schuldeingeständnis geht für sie nicht. Blöd ist nur, dass es so etwas wie Schuld im Buddhismus nicht gibt, auch nicht im Tibetischen. Was es aber gibt, ist das Bestreben, die Befindlichkeiten anderer Kulturen nicht zu verletzen, weil dies zum Bumerang wird. Wenn man eine Welt anstrebt, in der das kein Thema ist, sollte man es selbst unterlassen.

Mir ging bei alledem etwas anderes durch den Kopf. Europäer betrachten andere Kulturen, verstehen die nicht oder sind nicht bereit, deren Andersartigkeit, besonders wenn sie stark von den eigenen moralischen Vorstellungen abweicht, hinzunehmen. Das gab es doch schon mal. Richtig, im Denken der Kolonialisten und bei den christlichen Missionaren. Nacktheit, Riten, Initiationsriten, Stammesrituale bei kämpferischen Auseinandersetzungen, all dies wurde unter: “Die Wilden!” subsumiert und musste entweder bekehrt oder durfte als minderwertig, primitiv, rückständig, bezeichnet werden. Mit diesem Gedankenansatz las ich mir nochmals diverse Kommentare durch. Und richtig, genau darum ging es. Wir, die Europäer haben einen Konsens, was richtig und falsch ist, und das ist falsch. Mir dämmert dabei, wie manches Unverständliche aus der Kolonialzeit zustande kam. Erinnert sich jemand an diesen Kerl, der trotz Verbots versuchte zu den Sentinelesen Kontakt aufzunehmen und sie zu missionieren? Es ist ihm nicht gut bekommen. Sie haben ihn kurzerhand umgebracht.

Ist das Rassismus? Ehrlich, beim Dalai Lama, weiß ich es nicht. Er wird ja nicht angegangen, weil er Asiat ist. Auf jeden Fall halte ich es nicht für den richtigen Weg, in dieser Art heranzugehen. Im Netz meldeten sich einige Tibeter, die das Ganze völlig entkräfteten. Unter anderen wiesen sie darauf hin, dass es sich um einen Video – Ausschnitt handelt und stellten das komplette Material ins Netz. Wer genau hatte eigentlich kurz vor dem Besuch von Frau Baerbock in China ein Interesse daran, dass der Dalai Lama, diskreditiert wird? Nur mal so als gedankliche Anregung. Und der Missionar? Es gehört zu den unangenehmen Eigenschaften der Buchreligionen, dass ihre Anhänger jeder und jedem ihre Weltanschauung aufs Auge drücken wollen. Ich habe gerade mehrere Wochen Ramadan in einem muslimischen Land hinter mir. Alle paar Kilometer steht eine Moschee und irgendein Typ brabbelt von Morgens bis Abends in ein Mikrofon, um so die gesamte Gegend zu beschallen. Muslime meinen immer, ich solle mich nicht so haben, die Christen würden ständig Glocken läuten. Es ist schwer, einem Malaien die deutsche Lärmschutzverordnung zu erläutern. Ich bin ein Freund des Spruchs: “Religion ist wie ein Penis. Jeder Mann hat einen, aber man muss ihn nicht jedem zeigen.” Aber andere Leute zu bekehren, ist kein Rassismus und wird weit über die Buchreligionen hinweg praktiziert. Wobei ich es interessant fände herauszufinden, ob zwischen Christentum, Islam und dem Drang anderen, den selbst zusammengeschusterten Glauben an irgendetwas aufzudrücken, ein Zusammenhang besteht. Da war doch diese Diskussion über Karl May. Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass bei ihm Winnetou grundsätzlich ein “Wilder”, der aber im tiefsten Herzen ein guter Christ war, und somit dann doch kein “Wilder” war. Deshalb muss man nicht gleich auskreisen. Die Bücher gibt es schon lange und die Filme sind auch nicht mehr die Neuesten. Aber eins gefiel mir bei der Diskussion. Ich besitze augenscheinlich die Staatsangehörigkeit eines Landes, in dem sich erwachsene Männer, angeblich Politiker, einem bockigen Grundschüler gleich, in einem 1965 erfundenen “Indianer-Kostüm” auf einer Bühne präsentieren. Präsentieren! Deutschland ist eine repräsentative Demokratie, was bedeutet, dass die mich vertreten und in die Welt ein Bild senden: “So sind Deutsche!” Och, Nö, bitte!


Bei Twitter schrieb jemand: “Die Buddhisten sind auch nicht besser.” Dahinter fehlt nur ein “Ätschibätschie, wusste ich es doch!” Geht es darum? Ich habe überhaupt nicht vor, den Dalai Lama zu verteidigen. Einiges, was der von sich gibt, ist wirklich ziemlich abgedreht. Jedenfalls für hiesige Verhältnisse. Und auch er hat so seine Schwierigkeiten mit einigen Riten im tibetanischen Buddhismus, die aus der Zeit in Tibet vor dem Buddhismus stammen. Aber er ist halt nicht der Papst und kann einfach mal so bestimmen.

Ein weiteres Beispiel. Am Strand von Langkawi, kam ich mit einem Rentnerehepaar aus München ins Gespräch. Nach einer Weile kamen wir auf meine Begleitung zu sprechen. Ich begleitete an diesem Tag die Ex-Frau eines malaiischen Bekannten und ihren gemeinsamen 6-jährigen Sohn zum Strand. Die beiden nahmen an, dass es sich um meine Frau und meinen Sohn handeln würde. Weit daneben! Ich erklärte ihnen die Konstellation. Zunächst meinten sie, dass es halt schwierig wäre, wenn er in Malaysia und sie in Deutschland leben würde. Ich erklärte ihnen, dass der Mann in Deutschland gelebt hätte. Nun schwenkten sie um. Die Arbeitsmoral und Lebensvorstellungen eines Malaien würden halt stark von den Deutschen abweichen. Wieder daneben. Er arbeitete damals und verdiente gutes Geld. Ich musste dabei daran denken, dass die Schwiegereltern meines Bekannten fragten, ob es denn in Malaysia richtige Straßen gäbe und er ziemlich trocken antwortete: Wir haben sogar Formel I Rennen!

Ich störe mich gar nicht so sehr an der Unterstellung, dass eine andere Haltung zum Verhältnis Arbeit und Leben existiert. Vielmehr sehe ich skeptisch, dass das eigne, als einzig optimale Lösung erachtet wird. Diese in einigen europäischen Staaten existierende Unart, sich über das Bruttosozialprodukt und allem, was zur Steigerung beiträgt, zu definieren. Ich schätze, wenn ich eine Ameise aus einem Ameisenhaufen befragen könnte, wäre die auch stolz auf den großen Hügel am Wegesrand. Doch mangels eines Großhirns kann ich sie nicht interviewen. Finde den Fehler!

Mal ganz davon abgesehen, möchte ich nicht arbeiten wie ein Vietnamese, Birmane oder ein Arbeiter aus Bangladesch. Sie haben leider niemals den Sprung in ein gemeinschaftliches Sozialsystem geschafft und das rein auf die Familie beruhende Absicherungskonzept überwunden. Im Prinzip sind sie mehr CDU/CSU, FDP, als manch einer sich das vorstellen kann. Wer die konsequente Umsetzung ihrer politischen Vorstellung kennenlernen will, sollte nach Asien reisen. Denn dort sind die Arbeiter noch Arbeiter und die Eigentümer der Produktionsmittel, des zugehörigen Landbesitzes und Immobilienbesitzes, die Chefs im Ring, ohne dass eine lästige Gewerkschaft dazwischen funkt.

Rassismus? Ich weiß nicht, ob da nicht mal wieder alles zusammengeworfen wird und letztendlich in der Belanglosigkeit mündet. Ich bleibe lieber bei Ur-Version. Rassismus ist für mich die Annahme, dass es beim Affen auf zwei Beinen mehrere Rassen gibt, die sich anhand körperlicher Merkmale, allen voran die Intelligenz, unterscheiden lassen. Eine These, die bemerkenswerterweise immer von Leuten aufgestellt wird, die entweder im Leben erfolglos sind und sich die wahren Gründe nicht eingestehen wollen, oder eine Rechtfertigung für das Ausbeuten anderer benötigen. Es gibt diese Rhetorik, in der es heißt, dass es keinen Rassismus gegenüber “Weißen” gibt.
Ach immer diese Soziologen mit ihren ständigen Umdeutungen. Ja, wenn ich den Begriff auf Machtverhältnisse trimme und global anwende, könnte es so sein. Und die allgemein verwendete Formulierung: “Gegenüber …”, indiziert, dass jemand aus einer Machtposition heraus agiert. Dass sich die Soziologen damit keinen Gefallen taten, kann meiner Meinung nach an einem Problem erkannt werden, welches sie als positiven Rassismus bezeichnen. Nämlich die Zuschreibung vermeintlich wünschenswerter Eigenschaften. Vor einiger Zeit sah ich mir ein Interview mit einem bekennenden Vertreter der Neuen Rechten an, in dem der Typ meinte, dass man sich gegen die Einwanderung von Asiaten wehren müsste, weil die im Durchschnitt intelligenter wären. Eine interessante Sichtweise. Gleichsam zeigt sie, worum es bei dieser Ansicht geht: Minderwertigkeitskomplexe. Ich glaube, Soziologen übersehen allzu häufig die Psychologie des Individuums.
Dieses Problem haben sie nicht alleine. Auf mich wirkt vieles wie der Versuch, für den eigenen Mist eine Entschuldigung zu finden. Zum Beispiel, wenn ich etwas über einen “strukturellen Rassismus” in der Polizei lese. Nicht der oder die Einzelne ist intellektuell überfordert, die Urinstinkte des Reptiliengehirns zu überwinden, sondern ist Opfer der strukturellen Gegebenheiten. Hm, dies könnte einigen gut in den Kram passen. Aber auch diese seltsame Konstruktion “struktureller Rassismus” kann lediglich funktionieren, wenn ich die ursprüngliche Bedeutung beliebig umdeute.

Eigentlich geht es um Macht, Routine und Vorurteile. Polizisten ist erlaubt, die staatlichen Regeln durchzusetzen. Ergo besitzen sie Macht über andere. Kaum ein Polizist/in fängt in dem Job mit der Haltung an: “Desto dunkler die Haut, umso verdächtiger!” Mal wieder ein kleiner Schwenk zurück nach Malaysia. Ein Bekannter vor mir, selbst sehr dunkler Malaie, wurde von der malaiischen Polizei mit seinem Scooter angehalten und festgenommen, weil er von den Klamotten her, Uhrzeit des Antreffens und Ort, in ihr Beuteschema: Drogenkonsument, passte. Sein Bruder meinte dazu: “Wenn Du Idiot ständig in diesen Klamotten herumrennst, musst Du Dich nicht wundern.”
Man kann sich das Leben auch kompliziert machen. Im Kopf eines Fahnders bilden sich im Laufe des Berufslebens Raster. Psychologie! Wenn ich mit zwei, drei Aktionen, Erfolg hatte, mache ich damit weiter. Billige Klamotten, von der Mode in Deutschland abweichend, scheinbar harmlos in der Gegend herumstehend, aber den Blick immer auf Handtaschen gerichtet: Taschendieb! Selbstverständlich kann es sich auch um einen vollkommen harmlosen Osteuropäer mit Interesse für Handtaschen handeln. “Deckelfrisur”, aufgepumpte Arme, geölter schwarzer Vollbart, dunkler Teint, zwischen 30 und 50 Jahre, in einem protzigen, geschmacklosen 7er-BMW sitzend: Clan-Mitglied. Es könnte auch der freundliche Mitarbeiter aus der Sparkassen-Filiale sein, der kein gutes Händchen für Autos hat. Ja, aber so funktioniert die Welt nicht. Wenn ich mit bunten Hippie-Klamotten, Flip-Flops, mit Ketten behängt, an einer Grenzkontrolle in Südostasien aufschlage, kann ich mir ziemlich sicher sein, dass die mich ein wenig genauer unter die Lupe nehmen. Und ich nehme es ihnen nicht übel. Die machen einfach nur ihren Job.

Ronald Miehling, der Schneekönig, lange Hamburgs erfolgreichster Kokain-Schmuggler, machte sich dies in den 80ern zunutze. Wochenlang beobachtete er die Zollkontrollen am Flughafen und notierte sich, nach welchen Raster die Leute herausgezogen wurden. Dann stellte er ein Team zusammen, in dem mehrere die Kriterien erfüllten. Die ließ er zuerst durch die Kontrolle laufen. Sie wurden aufgehalten und besetzten die Kontrollstellen. Dahinter kamen die Kuriere, welche nun unbehelligt kiloweise Kokain durch den Zoll brachten. Natürlich greift sich die Polizei im Alltagsgeschäft die Kleinen und oftmals die Falschen, weil das Raster nicht funktioniert. Die Schlaueren, die dicken Fische, bekommt man so nicht. Da müssen andere Methoden angewendet werden. Allein die Empörung erschließt sich mir nicht. Jedenfalls nicht in Deutschland. Ich behaupte nicht, dass das alles toll ist. Aber ich bin kein Träumer. Gute Polizisten sind gnadenlose Realisten. Nach der Art, wie unsere Gesellschaft funktioniert, ist es ein Fischteich, in dem sich Fried- und Raubfische in einem Gleichgewicht befinden. Immer mal wieder werden kleine Raubfische herausgefischt, damit sie nicht überhandnehmen. Große werden selten gefangen. Es muss Gründe geben, dass die lange unentdeckt heranwachsen konnten. Erst wenn sie unvorsichtig werden, haben die Fischer Erfolg. Wenn sich dies alles ändern soll, muss nicht die Polizei verändert werden, sondern die komplette Gesellschaft verändert werden. Das wird vorläufig nicht passieren!

Bleibe ich bei der Ur-Version, gibt es Rassisten auch unter Schwarzen, Asiaten. Viele Japaner halten sich beispielsweise für die Abkömmlinge eines anderen Vorfahren, als der Rest der Menschheit. Was die Malaien so treiben, habe ich geschildert. Im Übrigen halten die auch nicht sonderlich viel von den nach Malaysia flüchtenden Rohingya und die sind immerhin Muslime.
Wir verfügen über viele gute Worte, um ein Verhalten, Denken, eine Haltung zu beschreiben: Diskriminierung, Vorurteile, Stereotype, asoziales Verhalten, Hybris, Arroganz, Überheblichkeit. Aber warum sich das Leben schwer machen, wenn man doch einfach ein Schlagwort heraushauen kann?

Das Gute ist, dass ich mich damit nicht mehr herumschlagen muss. Ich schaue mir alles von außen her an. Selbst nach meiner Ur-Definition bleiben genügend Zeitgenossen/innen übrig, die eindeutig Rassisten sind und oftmals nicht einmal einen Hehl draus machen. Von den anderen oben genannten Charakteren will ich gar nicht erst anfangen. Eins dürfte doch klar sein. Ob es gefällt oder nicht, die Frauen und Männer an der Spitze der Gesellschaft sind die sichtbare Verkörperung der Prinzipien, die eine oder einen erfolgreich werden lassen. Wenn sich ein auf mich bösartig, selbstgefällig, vor Arroganz triefend, wirkender Mann, an die Spitze einer der größten deutschen Partei bugsieren kann, scheinen exakt die Eigenschaften förderlich zu sein. War das, was Friedrich Merz in einer Talkshow von sich gab, Rassismus? Er titulierte die Sprösslinge von Familien aus dem arabischen und vorderasiatischen Raum als kleine Pascha, denen mal die Spur eingestellt werden muss. Ich gehe davon aus, dass ihm völlig egal ist, wo jemand herkommt oder wie er aussieht. Hauptsache er spurt, macht seine Hausaufgaben, stört nicht den Unterricht und lernt, was man ihm sagt. Und später hat er sich gefälligst ruhig zu verhalten, regelmäßig für den Mindestlohn zu arbeiten und sich in die Ordnung der Gesellschaft einzufügen. Ansonsten ist Friedrich Merz bereit, für sein Lebenselixier Macht alles von sich zu geben, was deutsche Kleinbürger gern hören. Wenn er überhaupt etwas gestaltet, dann ist es die Absicherung der Strukturen, die Charakteren seiner Art, den Machterhalt ermöglichen. Und da befindet es sich bester Gesellschaft, die anderen haben nur ihre Gesichtszüge besser unter Kontrolle.

Oder was ist mit Weidel? Eine lesbische Rassistin? In Sachen Arroganz, Machtgeilheit, Selbstgefälligkeit, steht sie Merz in nichts nach. Aber wenn sie von Goldstückchen und Messermännern spricht, ist es eiskaltes Kalkül. Sie weiß, wie man heutzutage das Prekariat anzapft und den Pöbel mobilisiert. Auf jeden Fall halte ich sie für eine überzeugte Faschistin. Ich beziehe mich dabei auf die Erkennungsmerkmale, die Umberto Eco formulierte. Liest man sich seine 14 Merkmale des Ur-Faschismus durch und wendet sie an, wird man in nahezu allen deutschen Parteien fündig.

” Der Ur-Faschismus ist immer noch um uns, manchmal sehr unscheinbar gewandet. Es wäre für uns so viel leichter, träte jemand vor und verkündete: „Ich will ein zweites Auschwitz, ich will, dass die Braunhemden wieder durch unsere Städte marschieren.“ Das Leben ist nicht so einfach. Der Urfaschismus kann in der unschuldigsten Verkleidung wieder auftreten.

https://www.pressenza.com/de/2017/10/14-merkmale-des-ur-faschismus-nach-umberto-eco/

Der Rassismus an sich hat dabei eine rein funktionelle Rolle und ist Bestandteil des Werkzeugkastens der Propaganda, Demagogie. Daneben liegen Fremdenfeindlichkeit, Appelle an Existenzängste und der jeweils passende Buhmann für alles. Die Polizei wird dabei mit eingebunden. Doch zuerst sind es die Politiker, die die Ängste schüren, eine Gruppierung zum Buhmann erklären, um von anderen Schwierigkeiten bzw. Sauereien abzulenken, vermeintlich existenzielle Gefahren propagieren. Ihnen folgen die aufgehetzten Bürger, welche wiederum von der Polizei Maßnahmen erwarten. Das prominenteste Berliner Beispiel ist der Görlitzer Park. Anwohner und am anderen Deutschlands lebende Deutsche mokieren sich über Dealer, die oftmals eine dunkle Hautfarbe haben. Der Grund ist simpel. Das Leben in Deutschland ist teuer, arbeiten dürfen sie nicht, die Zuwendungen reichen nicht aus, also dealen sie. Wahrlich kein Problem, welches sich auf Berlin beschränkt. In allen größeren europäischen Städten tritt dieses Phänomen auf und im Verhältnis zu anderen Metropolen ist es in Berlin überschaubar. Aber das Thema wird gepuscht. Ich fände es viel spannender aufzudecken, wer und vor allem wie viel, dem Berliner Senat Geld abzockt, welches niemals bei den Flüchtlingen ankommt.
Wie auch immer, es wurde die Situation erzeugt, in der die Polizei gezwungen ist, die Dealer aus dem Park in andere Ecken von Berlin zu verdrängen. Dieses Spiel wird schon seit Jahrzehnten gespielt. Dies ruft wiederum diejenigen auf den Plan, die den Begriff “Struktureller Rassismus” bei der Polizei prägten. Nebenbei sind es häufig die gleichen Anwohner, die zuvor ein Eingreifen forderten. Komischerweise lassen sich die Dealer nicht mit gutem Zureden überzeugen. Noch lustiger ist dabei, dass dem Berliner Babystrich ein paar Jahre zuvor kurzerhand der Status “Kriminalitätsbelasteter Ort” genommen wurde. Der Strich ist noch da, aber die Immobilienmakler können ohne diesen schlechten Titel die Grundstücke teurer verkaufen. Ein Schelm, wer auf die Idee kommt, dass dies auch beim Park eine Rolle spielt. Sind die eingesetzten Beamten/innen, die im Auftrag handeln, Rassisten? Oder sind irgendwie beide, die Dealer und die Polizei, Schachfiguren, die von ganz anderen Leuten hin- und hergeschoben werden? Ich weiß nicht, wie sich manche Leute Polizeidienst vorstellen. Für meinen Teil kann ich sagen, dass es bei uns einen Standarddialog gab:

“Warum machen wir diesen Unsinn?”
“Halt die Klappe, ist Politik, angeordnet und bezahlt!”
“OK!”

Wer damit nicht klarkommt, muss den Job wechseln. Ich habe erlebt, wie vier zivile Streifen einen Monat lang eine Laubenkolonie beobachteten, weil bei der Tochter eines namhaften Politikers in den Geräteschuppen eingebrochen wurde. Gut, dass der Täter ein Urdeutscher Heroinabhängiger war. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn es sich um einen Nigerianer gehandelt hätte.

In meiner 30-jährigen Laufbahn erlebte ich genau drei waschechte Rassisten. Einer war gebürtiger weißer Südafrikaner, der andere landete später bei den GRÜNEN und der Dritte, ein mieser Typ, durch und durch, ist mit einem guten Dienstgrad pensioniert worden. Viele Kollegen wurden im Lauf der Jahre zu Misanthropen, aber das hat nichts mit Rassismus zu tun.


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Verfasst 21. April 2023 von Troelle in category "Gesellschaft

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