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2018 machte ich mich erstmals auf den Weg. Nach der transmongolischen Bahn, Mongolei und China, erreichte ich Chiang Mai in Thailand. Ich kam im Just Chill Inn unter. Nicht die beste Adresse, aber sehr günstig. Ich schlief dort zusammen mit einem Neuseeländer , einem Spanier und einer Türkin am Boden eines 16 qm Zimmers in der dritten Etage.
Drei Jahre zuvor war ich bereits einmal für zwei Tage in Chiang Mai gewesen. Aber das zählt nicht. Dort im Just Chill Inn begann etwas Neues. Wahrscheinlich schon vorher. In meinem Buch die Wanderung Vol. II ende ich mit dem Versprechen an mich selbst, zu reisen und mir die Welt anzusehen. Die Fahrt mit der Bahn ordne ich als Anfahrt ein. Ein wenig despektierlich, immerhin ist es eine der längsten Bahnstrecken der Welt. In der Mongolei wusste ich noch nicht so recht, wie mir geschieht und der kurze Aufenthalt in China war ein Horrortrip durch eine Dystopie.
Ich vergesse nicht, wie ich 2018 bei meiner Ankunft in Chiang Mai durchatmete, weil mich die Grenzbeamtin anlächelte. Alles war wieder bunt, freundlich, überall spielte schräge Musik. Im Just Chill In zu landen, war nicht geplant. Ich schaute auf den einschlägigen Portalen nach und nahm das erst beste Hostel in der Altstadt. 5 Jahre! In der Zeit ist viel passiert. Trauriges, interessantes und vor allem der Start in ein anderes Leben. Ich musste mich von wichtigen Menschen in meinem Leben verabschieden.
Als ich nun nach Chiang Mai zurückkehrte, wollte ich eigentlich nur schauen, ob es das Just Chill In noch gibt. Ja, und es hat sich wenig verändert. Allerdings empfing mich die ominöse Frau im Hintergrund. 2018 war es ihr Ex-Mann, ein ziemlich durchgeknallter Typ, der manchmal von ihr sprach.
Sie teilte mir einen Privat-Room im III. OG des Hauses zu. Ich ahnte, dass es sich um das alte Zimmer handelte. Nun liegen die Matratzen übereinander und bilden ein Doppelbett. Mehr hat sich nicht geändert. Selbst ein alter Kleiderständer ist noch da und an die ausgeleierte Verlängerungssteckdose konnte ich mich auch erinnern. Zum Zimmer gehört ein Balkon. Dort saßen wir abends und sprachen über uns und die Welt. Der Spanier wollte in ein Kloster im Norden. Ich überließ ihm deshalb meine warmen Sachen, die ich in der Mongolei benötigte.
An einem dieser Abende, sagte der Neuseeländer, gebürtiger Inder, zu mir: „Manche Leute leben auf ihrer Couch. Andere leben in ihrer Straße, Stadt, ihrem Land. Manche kennen ihren Kontinent. Ich lebe auf dem Planeten Erde.“ Seither dachte ich unzählige Male über diese Worte nach. An ihnen hängt eine komplette Lebenshaltung.
Wenn ich in den letzten Tagen das Zimmer betrat, sah ich sie vor meinem geistigen Auge wieder. Wie der Neuseeländer nachts online Englisch unterrichtete. Nie vergesse ich, wie ich davon wach wurde und er in diesem Moment sagte: „Die Affen rasen durch den Wald und jagen die Wölfe.“ Oder, dass der Spanier, er stammte von der Insel Ibiza, ständig davon sprach, dass ihm zu warm wäre. Die Türkin, ebenfalls Lehrerin tauchte immer erst am späten Abend auf.
Wie auch immer, es sind gute Erinnerungen, die wieder kommen. Heute endet meine Zeit hier. Ich denke, dass es das letzte Mal war. 2018 startete ich hier. Dieses Mal komme ich aus dem Süden und bin auf dem Weg nach Norden. Die nächste Station ist Pai. Zurück in die Natur und den Dschungel in den Bergen. Danach geht es nochmals zurück nach Chiang Mai, um von dort aus den Flieger nach Istanbul zu nehmen.
Während ich dies hier in einem Café schreibe, laufen vornehmlich alte sonnengegerbte alte Männer aus Europa und den USA an mir vorbei. Sie sind hier gestrandet. Ich wurde letztens gefragt, ob ich nicht auch irgendwo in der Gegend bleiben will. Nein! Ich habe meinen Modus, ganz im Sinne des Neuseeländers gefunden. Ich habe eine Base, die ich schätze und wohin ich gern zurückkehre. Aber dies hindert mich nicht daran, den Rest Welt auf meine Art zu erkunden. Bukowski schrieb hierzu: „Wenn da Morgens niemand ist, keine mit Dir schimpft, wenn Du spät nach Hause kommst, Du jederzeit hingehen kannst, wo Du willst … wie nennst Du das? Freiheit oder Einsamkeit? Derzeit, nenne ich es in meinem Fall Freiheit. Bei den alten Männern hier, bin ich mir nicht sicher.
Trölle, wunderbar geschrieben und auch mal meine Leselänge 😉 Mach‘ weiter so, alles richtig! Grüße vom „nördlichen Pizzaschneider“