21 Mai 2023

Jeder hat die Pflicht sich selbst zu entscheiden

grayscale photo of explosion on the beach Lesedauer 6 Minuten

In der Ukraine tobt ein Krieg. Wieder einmal stehen in Europa zumeist Männer vor der Entscheidung ob sie dem Ruf der Herrschenden folgen. Gestern lernte ich einen 30-jährigen russischen Feuerwehrmann aus Moskau kennen. Er ist in Sachen Krieg nicht unerfahren. Er erlebte das Bombardement während des Jugoslawienkriegs in Belgrad. Erstmalig hörte ich von ihm, dass damals auch Phosphor-Bomben abgeworfen wurden. Ob dies nun so war oder nicht, ist irrelevant. Persönlich glaube ich es nicht. Für die ausgewählten Ziele war das gar nicht notwendig und meines Wissens handelte es sich um Marschflugkörper, die Belgrad trafen.

Als er begriff, wo die Reise mit der vermeintlichen militärischen Übung hingeht, verließ er sein Land. Zurück blieb seine Familie. Derzeit tarnt er seine Abwesenheit mit Reisen. Erneut war er in Serbien, Ungarn, Rumänien und nun ist er in Istanbul. Seine Familie, seine Töchter, sein kleines Enkelkind und seine Frau sitzen in Moskau. Weder seine Eltern, die Schwiegereltern, noch die Ehefrau sind mit seiner Entscheidung einverstanden.

Es ginge doch um Russland. Er habe die Pflicht für das Vaterland zu kämpfen und außerdem müssten die Schwestern und Brüder in der Ukraine befreit werden. Unterwegs traf er auch Deutsche, die meinten, es wäre falsch, dass die NATO die Nazis in der Ukraine unterstützen würden. „Wer Phosphor-Bomben wirft, will nicht befreien, sondern zerstören!“, sagte er zu mir. Aber wisse auch nicht, wie es weitergehen soll. Überall sah er flüchtende Ukrainer. Die müssten nicht einmal ein Pass besitzen. Eine Fotografie würde ausreichen. Als Russe würde es für ihn immer schwieriger ein sicheres Land zu finden.

Bis zu seiner Erzählung wusste ich nicht, dass russische Deserteure, was er de facto ist, in Deutschland kein Asyl bekommen. Möglicherweise würde sich dies ändern, wenn sie ihn offiziell zögen. Doch dann wäre es zu spät. Ausnahmsweise fühlte ich mich an die deutschen Immigranten im Vorfeld des II. Weltkriegs erinnert. Hätten sie erst die Sachen packen sollen, nachdem die GeStaPo sie zufällig nicht antraf? Erst nach dem Gespräch erfuhr ich, dass gemäß der Europäischen Union von einem Staat durchaus die Teilnahme an einem Krieg erwartet werden kann. Der Krieg an sich ist kein Verbrechen. Das Desertieren wird erst zum Asylgrund, wenn Kriegsverbrechen begangen werden sollen. Beim Überfall Deutschlands auf Polen wäre demnach einem Wehrmachtssoldaten ein Asylantrag verwehrt gewesen. Erst die Erschießung polnischer Juden hätte diesen Weg eröffnet. Nur wäre er mit Sicherheit zwischenzeitlich wegen Befehlsverweigerung standrechtlich erschossen worden. Nein, ich muss das alles nicht mehr verstehen. Na ja, ich kenne es. Wie hieß es bei der Polizei immer? „Das Leben ist kein Wunschkonzert!“ Und an meinem Gymnasium hing neben dem Musikraum eine Gedenktafel mit dem Spruch: „Das Vaterland darf jedes Opfer fordern.“

Es gibt in Deutschland diesen Hype um den verstorbenen Alt-Kanzler Schmidt. Quasi eine Ikone, der gern zitiert wird, als wenn er seine Worte von Gott empfangen hätte. Der meinte in einem später geführten Interview zur Entführung der Lufthansa Maschine und seiner Rolle: „Ich hatte als Offizier in der Wehrmacht gelernt, Leute an der Front in den Tod zu schicken.“ Als ich das vernahm, brach ich innerlich mit ihm. Dann doch lieber ein Willy Brandt, der sich dazu entschied, rechtzeitig zu verschwinden. Ein Umstand, den ihm konservative Politiker in den 60er-70ern Jahren nachtrugen. Denn viele von ihnen hatten sich anders entschieden. Mir geht es darum, dass auch Schmidt als junger Mann eine Entscheidung traf und sich mit der Aussage rechtfertigte, dass das halt in dieser Zeit so war. Andere trafen andere Entscheidungen, somit bestand die Möglichkeit. Immerhin ging eine seiner Lehrerinnen in den Widerstand. Im Nachhinein sprach er von einem inneren Widerstand gegenüber dem Nationalsozialismus. So ergeht es derzeit auch diversen jungen Russen.

Der Russe fragte mich viel über meine Familie. Bisher hatte ich die Parallelen nicht erkannt. Wie war das mit meinen Großvätern zum Ausbruch des Krieges? Der eine war mehr oder weniger unpolitisch. Aber er hatte Glück. Er war kein Mitglied der NSDAP, aber gezogen wurde er. Er landete bei der Marine. Doch unmittelbar nach der kurzen Ausbildung auf einem U-Boot ging er in Kriegsgefangenschaft. Dann auch noch nach Südfrankreich. Besser konnte man es in dieser Zeit kaum treffen. Zumal auf ihn nicht Frau und Kind warteten.

Der andere hatte es schwerer. Er war Mitglied der KPD. Sie entzogen ihm die Staatsbürgerrechte, trotzdem sollte er oder vielleicht gerade deshalb, in den Krieg ziehen. Angeblich soff er sich den Magen kaputt und wurde wieder nach Hause geschickt. Überprüfen kann ich das nicht. Aber laut seinem Wehrpass war er ein ziemlich mieser Soldat und da steckte Kalkül dahinter. Irgendwie eine ähnliche Lage, wie die, in der sich der junge Russe befindet.

Dann wollte er wissen, wie meine Meinung dazu wäre. Ich antwortete ihm mit Jean-Paul Sartre. „Wir werden alleine geboren, wir sterben alleine und wir entscheiden allein über Leben und Tod. Jemand sagt Dir, Du sollst den Abzug ziehen, aber Du drückst ab. Nicht Deine Frau, nicht Deine Kinder, nicht Dein Offizier und auch nicht Putin. Du ganz allein. Du musst über Dein Leben oder Sterben entscheiden, so wie Du auch entscheiden musst, ob Du töten willst, für was auch immer. Es ist Dein Gewissen und Dein Leben, welches Du zu Ende leben musst.“

Ich sagte dies zu ihm, weil es meine feste Überzeugung ist. In meinem Job musste ich bereit sein zu töten. Und ich wusste stets, wofür ich es tun würde und wann nicht. Ohne zu zögern hätte ich jederzeit einem Terroristen direkt in den Kopf geschossen. Hingegen wäre jeder entwichene Sträfling entkommen. Irgendwann hätte ihn schon jemand eingefangen. Deshalb empfinde ich für alle GrePos, die bereit waren auf einen flüchtenden DDR Bürger zu schießen tiefste Verachtung. Er muss wissen, ob er glaubt, was Putin und Konsorten von sich geben oder nicht. Und wenn er es glaubt, muss er wissen, ob es gerechtfertigt ist dafür zu töten und ob es ihm wert ist, dafür in den vermutlich sicheren Tod zu gehen. Im letzteren Fall kann er seinen Töchtern nichts mehr von sich und seinen Gründen erzählen. Das werden andere übernehmen. Ebenso kann er auf ein Überleben setzen. Gut, aber da er bereits für sich beschlossen hat, dass da eine faule Nummer passiert, wird er mit seiner Kriegsteilnahme zum Verbrecher.

Während wir sprachen gesellte sich ein Ukrainer zu uns, der ursprünglich aus Amur kommt. Der sieht es fatalistisch. Es ist ein Job sich gegenseitig zu töten. Viele Russen sind bitter arm und sehen eine Chance durch die Armee ein wenig Geld zu verdienen. Auf der Seite der Ukrainer, sind sich viele junge Männer nicht sicher, ob sie wirklich für eine eigene Nation kämpfen. Auf jeden Fall verdienten eine Menge Leute sehr viel Geld damit und ein Soldat bekommt von ihnen quasi ein Gehalt, ein schlechtes, aber immerhin ein wenig, bezahlt. Zum Ende hin setzte sich auch noch ein Südafrikaner in meinem Alter dazu. Ich fragte ihn nicht, aber einer seiner Elternteile muss weiß sein. Der Typ war noch zynischer und sarkastischer wie ich es grundsätzlich bin. Ziemlich offen meinte er: „Mein Land macht gerade ganz gute Geschäfte mit Russland. Die Entscheidung bei einem Krieg ist davon abhängig, welche Optionen Du hast. Kannst Du daran verdienen, bist Du dafür, besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass Du kämpfen musst, hau ab!“

Ich stimme ihm aus einer realistischen Perspektive zu. Krieg ist gut für das Geschäft, jedenfalls solange Du nicht allzu nah dran bist. Finde ich mich damit ab, in einer Welt zu leben, die von einem globalem Kapitalismus geprägt ist, läuft es darauf hinaus. Krieg ist ein Geschäft und das Töten ist eine Dienstleistung. All das idealistische Gedöns rundherum ist Unfug. Vaterlandsliebe, Patriotismus, Hilfestellung, Heldentum, all das sind im Kapitalismus lediglich Werbesprüche derjenigen, die daraus Gewinn schlagen.

Ich denke, der Abend hat dem jungen Russen (aus meiner Perspektive) eine Menge Stoff zum Nachdenken gegeben. Aus meiner Sicht traf er bisher die richtigen Entscheidungen. Im Zweifel soll er Frau und Kinder verlassen. Ich lernte bereits eine Menge anderer Männer kennen, die aus weit weniger nachvollziehbaren Gründen das Weite suchten. Lese ich, was einige deutsche Politiker und Politikerinnen von sich geben, schlimmer noch, was diverse Zeitgenossen in den Social Media an Kommentaren ablassen wird mir schlecht.

Eine Berufsarmee finde ich fair. Jeder, der dort hingeht, entscheidet sich unter bestimmten Voraussetzungen andere zu töten, zu verstümmeln oder alles kaputt zu machen. Dafür bekommt er, neuerdings auch sie, von den jeweiligen Interessenträgern, meistens den Herrschenden, Geld. Mit dem anderen Kram sollen sie mich in Ruhe lassen. Wir haben alle Dreck am Stecken. Mal mehr oder weniger unmittelbar. Die Zeiten, in denen unbescholtene, hart arbeitende Mönche, von Wikingern überfallen wurden, sind vorbei. Kriege sind ein Geschäft, bei dem wirtschaftliche Interessen konkurrieren und Dienstleister alles dafür Notwendige liefern. Und Soldaten/innen gehören dazu.

In Deutschland werden aktuell nur zwei Standpunkte akzeptiert. Entweder man befindet sich auf der „guten“ Seite und ist für Waffenlieferungen und den Versuch, die Russen zurückzutreiben, oder man ist dagegen, womit man zum „Freund“ Putins wird. Mir ist das zu simpel. Ich stehe nicht vor der Entscheidung für etwas zu töten oder zu sterben. Wäre es an dem, würde ich die Fragen stellen: Wofür? Für wen? Warum?

Was passiert nach dem Krieg und es wird hoffentlich ein danach geben. Der junge Russe bestätigte mir, was ich schon vermutete. Viele sind bitter arm und hoffen ein wenig Geld zu verdienen. OK, das Risiko, am Ende leer auszugehen ist hoch. Auf der ukrainischen Seite sieht es anders aus. Mit den Deportationen, Vernichtungsschlägen, Massenhinrichtungen, Vergewaltigungen, erzeugten sie etwas, was über die Verteidigung hinaus geht. Siegt Russland, ist die ukrainische Bevölkerung verloren. Die ehemaligen Kämpfer gegen den Nationalsozialismus, angeführt von einem ebenfalls blutrünstigen Diktator Stalin, führen sich auf, wie es einst die Deutschen, abgesehen von der Vernichtung der Juden, in Russland taten. Unter Umständen wären dies für mich Gründe, in den Kampf zu ziehen.

Waffen zu liefern ist letztlich eine halbherzige Lösung, die der Sorge vor einem Atom-Krieg geschuldet ist. Wäre Russland keine Atommacht, gäbe es nur eine Antwort: Befriedung/Intervention innerhalb eines UN-Mandats. Doch was bringt das alles, wenn es am Ende nur die Vorgeschichte für den nächsten Krieg ist, den Mächtige anzetteln und ihn von ohnmächtigen Leuten austragen lassen? Ist es dann nicht besser, für jeden mit den passenden Möglichkeiten, das Weite zu suchen? Dies ist meine Befürchtung. Beidseitig sterben und töten die Soldaten für eine Geschichte, die im dunklen Hintergrund passiert.

12 Mai 2023

Das WIR als Tarnkappe

Lesedauer 12 Minuten

Vorab: Immer mal wieder bemängeln Leute, die ab und wann meinen BLOG lesen, dass die Beiträge zu lang sind. Ich antworte an dieser Stelle: Für sie persönlich und das ist auch völlig OK und nachvollziehbar. Ich hab selbst Schwierigkeiten, längere Texte zu lesen. Besonders, wenn es keine unterhaltsame, spannende Geschichte ist. Ich schreibe hier nicht, um zu unterhalten. Mich treibt nicht einmal ein Sendungsbewusstsein an. Ich stelle klar, wo ich nicht gedenke mitzumachen und welche Schlüsse ich aus meinen Beobachtungen ziehe. Wenn ich damit jemanden zum Nachdenken anrege – gut! Wenn nicht – auch gut. Ist jemand neugierig, wie ein “gelernter” ehemaliger Kriminalbeamter die Welt sieht – prima, dann ist hier jede Menge Stoff. Aus dem nachfolgenden Text wird deutlich werden, für wie wichtig es halte, sich dem WIR zu entziehen und eine ICH – Position zu beziehen. Und auch, wenn es etwas morbide klingt, ich schaffe mir hier meinen eigenen Nachruf. Wie ich das meine, wird im Text ebenfalls erkennbar. Mit dem, was ich hier schreibe, werde ich greifbar und niemand kann sagen, dass ich widerspruchslos mitgemacht habe. Und das funktioniert oftmals nicht in wenigen schnell geschriebenen Worten – und Hey, andere schreiben Bücher mit 600 und mehr Seiten.

Allgemein heißt es, dass Deutschland am 8. Mai 1945 von den Nazis befreit wurde. Für mich klingt dies, als wenn sich jemand einen Parasiten einfing und damit zum Arzt ging. Es wird nicht besser, wenn es heißt, dass die Deutschen befreit wurden. Immerhin waren die Nationalsozialisten Deutsche. So wie auch viele, die sie einsperrten, in Lager deportierten, quälten, töteten, deutsche Staatsbürger waren.
Nur eben mit der ihrer Auffassung nach falschen Haltung, spirituellen Ausrichtung oder Lebensart. Manche sagen auch, dass Europa von der Barbarei befreit wurde. Barbaren waren für die Griechen ursprünglich alle Völker, die nicht ihre Sprache sprachen. Später bezogen sie die Bezeichnung zusammen mit den Römern auf alle Völker, bei denen sie der Meinung machen, dass sie kulturell niedriger entwickelt waren. Im gewissen Sinne erscheint mir in diesem Kontext die Bezeichnung korrekt. Allerdings besaß Deutschland vor den Nationalsozialisten eine Kultur. Die passte nicht ins Konzept. Alles Intellektuelle, Empfindsame, Gefühlvolle, musste der kalten Maschinerie weichen.

Brutalität, furchtbare Taten, Massaker, Schändungen, ganze Landstriche entvölkern, taten auch schon andere zuvor. Allein der 30-jährige Krieg, die Eiserne Zeit, brachte einiges mit sich. Aber vieles war bei den Nationalsozialisten neu. Krieg zu führen, andere Länder zu überfallen, den Versuch zu unternehmen ein Imperium aufzubauen, ist kein historisches Alleinstellungsmerkmal. Alle anderen als Minderwertig zu betrachten, eine frei erfundene Rasse und einen kompletten Überbau zu erschaffen, war dann doch eine Innovation. Selbst Cäsar zollte den Galliern und anderen unterworfenen Stämmen in seinem Werk “De bello Gallico“, seinen Respekt.
Doch diese Rassenideologie funktionierte nicht einfach mit der Machtübernahme. Hierzu gab es eine Vorgeschichte, eine Entwicklung, die vor den Nationalsozialisten begann. Erst wähnte sich ganz Europa anderen überlegen, kolonialisierte, missionierte, beutete aus und versklavte andere Menschen, weil sie die für minderwertige Rassen hielten. Die Nationalsozialisten setzten eins obendrauf und behaupteten, dass es eine einzige Herrenrasse gäbe, die allen anderen überlegen wäre.
Die Neuen Rechten beziehen sich auf die Konservativen der Weimarer Republik, die am Ende selbst Opfer der Nazis wurden. Was sie meiner Meinung nach noch nicht verstanden haben, ist die Tatsache, dass sie mit ihrem Weltbild die Grundlagen schufen, die die Nationalsozialisten konsequent umsetzten. Ein Effekt, den einige nie verstehen werden. Wer etwas fordert, ein Gebilde entwickelt, Wünsche äußert, sollte sich der Folgen bewusst sein, denn es könnte eine Umsetzung erfolgen.
Heute sehen wir dies in der Flüchtlingspolitik. Konservative reden von geschlossenen Grenzen, kontrollierte Einreise, Zurückweisung von Menschengruppen, denen nach aktueller Gesetzgebung die Einreise nicht erlaubt ist. Was sie allerdings offen lassen, sind die eintretenden Folgen, wenn jemand konsequent durchzieht, was sie da in die Mikrofone sprechen. Sie wollen gewählt werden und reden den Leuten zu Munde, aber die Verantwortung wollen sie nicht übernehmen. Faktisch setzen sie Entwicklungen in Gang, deren Verlauf sie nicht kontrolliert bekommen.

Und sie tun noch etwas anderes, was vielleicht noch schlimmer ist. Stellvertretend für andere Konservative sagte der CDU Politiker Jens Spahn in einer Talkshow, dass es an der Zeit wäre, die Regelungen für Asyl und Flüchtlingsaufnahme zu überdenken. Deutschland ist als Mittelstaat geografisch von sicheren Ländern umgeben. Aufgrund der Drittstaatenregel, demnach kein Anspruch auf einen Aufenthalt besteht, wenn der/die Geflüchtete oder Asyl beantragt, über eben eins dieser sicheren Länder kommt. Der deutsche Staat zahlt an andere Länder, damit die Flüchtlinge aufnehmen und Asyl gewähren. Weitere Gelder fließen in die Überwachung des Mittelmeers und vorgeschaltete Lager in Nordafrika. Wegen meiner könnte man dies noch als eine Art von Kostenbeteiligung sehen. Wie auch immer man es nennt, es geht um Geld und um die Angst einiger deutscher Mitbürger, Wohlstand und Sicherheit zu verlieren. Flüchtlinge mit einem Namen und einer Identität werden zum Kostenfaktor. So ist das eben auf dieser Welt. Wirst Du am falschen Platz geboren, hängt an Deinem Zeh gleichzeitig ein Preisschild.

Du bist ein Gegenstand, der Lager-, Transport- und Unterhaltskosten verursacht. Nicht mehr Amos Achebe, aus Nigeria, sondern der Flüchtling, der in einem nordafrikanischen Sammellager die industrialisierten Staaten in Europa pro Tag 3 US-Dollar kostet. Dein Preis steigt, wenn Du es lebend bis nach Europa schaffst. Zum lukrativen Geschäft wirst Du, wenn Du in Süden Europas quasi als Sklave auf einer der Obstplantagen arbeitest. Kurzum: Die Entmenschlichung, die Wegnahme der Würde, findet wieder statt. Und wie mit Menschen umgegangen wird, die zur Sache, zum Kostenfaktor, werden, zeigten uns die Nationalsozialisten.

Niemand wird Herrn Spahn in etwas fernerer Zukunft mit grauenerregenden Bildern in Verbindung bringen, die sich an geschlossenen Grenzen zu Europa abspielen. Wobei in Moria längst die Zukunft begonnen hat. Außerdem blicken wir längst auf eine Generation, die in Lagern geboren wurden und nichts anderes kennen. Es wird heißen, WIR, die Europäer, beschlossen und handelten. Ich nicht, meine Freunde nicht und auch sonst niemand, den ich zu meinem näheren Umfeld zähle. Alle anderen habe ich nach und nach erfolgreich aus meinem Sichtfeld entfernt. Sie, die verbliebenen Freunde, und ich werden mit eingegliedert, während die wirklich verantwortlichen Personen im WIR aufgehen.

Haben alle Deutschen aus der NS-Zeit ihre Lehren gezogen?

Die Sozialisation, die ein in Deutschland geborener Mensch erfährt, birgt ein hohes Risiko, dass am Ende ein/e Technokrat/in herauskommt, die/der alles konsequent, bis ins letzte Detail, buchstäblich und präzise den Vorgaben, Regeln, Gesetzen, folgend, umsetzt. Die Buchstaben des Gesetzes, der Order, der Regel, stehen für diese Leute über dem Menschen. “Ich befolgte nur die Vorgaben und da stand eindeutig, so effizient wie möglich, die größte mögliche Anzahl nummerierter KZ-Insassen zu töten.”
Das Problem bei der Auseinandersetzung mit den Ursachen besteht im Horror des Geschehenen. Es ist schwierig darauf hinzuweisen, wo einiges hinführen kann, weil jeder sofort sagen wird: “Das wollen Sie doch wohl nicht mit den Nationalsozialisten vergleichen!”

Ein Beispiel: Wenn ich einem gut ausgebildeten deutschen Schutzpolizisten den Befehl erteile, er soll an einer Stelle Posten beziehen und bis zur Ablösung dort ausharren, wird er es tun. Selbst wenn er bei halbwegs vorhandenen Verstand erkennt, dass etwas nicht stimmen kann. Ich erlebte, dass einer den Auftrag bekam, eine aufgefundene, aber nicht brisante Mine zu bewachen. Irgendwie ging dies in den Wirren des gesamten Einsatzgeschehens unter. Am Ende stand der 9 Stunden später immer noch da. Diese Form von Gehorsam kann bei falschen Voraussetzungen böse in die Hose gehen.
Gleichfalls einfach ist es, Menschen und Lebewesen, zum Gegenstand einer Regelung werden zu lassen. Heute, mehr denn je, weil alles zu abstrakten Datensätzen mutiert. In deutschen Behörden dienen Beamte unter der Bezeichnung Sachbearbeiter.
Ich habe über die Herkunft dieser Bezeichnung lange nachgedacht. Positiv gesehen, könnte man von der Notwendigkeit einer Neutralität ausgehen. Die/der Beamte bearbeitet eine Akte, somit tatsächlich eine Sache. In ihr befinden sich Berichte, Vermerke, Zeugenaussagen, Gutachten, Anträge, zu einem Geschehnis bei dem Menschen, Lebewesen, involviert sind. Kriminalbeamte sollten nicht gegen einen Menschen ermitteln, sondern ein Geschehnis betrachten und die Rolle der einzelnen handelnden Personen skizzieren. Konjunktiv! Wie auch immer, am Ende liegen auf dem Schreibtisch Akten, da ist es schwierig jeden Tag neu zu realisieren, dass in jeder dieser Akten lebende Wesen eine Rolle spielen.

Einige deutsche Mitbürger haben in den letzten Jahren eine interessante Gesetzestreue entwickelt. Plötzlich sind bereits geringe Regelverstöße kriminelle Handlungen. Mit einem Mal werden die Buchstaben des Gesetzes exzessiv ausgelegt. Wenn jemand eine Straße blockiert, wird er gleichsam zum Killer, weil ein Rettungsfahrzeug nicht durchkommt. Natürlich gilt dies nicht, für die notorisch in der zweiten Spur haltenden, Falschparker, die Straßen so eng werden lassen, dass die Feuerwehr nicht mehr hindurchkommt. Auch nicht für diejenigen, welche im Berufsverkehr mit einem Blechschaden mittig stehen bleiben und lange Staus verursachen. Nein, es gilt nur für die Leute, die mit der Blockade ihrem Gewissen folgen. Selbst die schon seit Jahrzehnten auf deutschen Straßen vorherrschende Aggressivität wird nun zur gerechtfertigten Notwehr. Es ist eine irrige Annahme, dass die Verkehrsteilnehmer/innen erst durch die Blockaden aggressiv wurden. Die empörten Verkehrserzieher, verkappten Schläger, Wichtigtuer, gab es schon zuvor. Jetzt haben sie ein Ventil! Neu ist: Ihnen wird seitens größerer Teile der Bevölkerung und Medien Beifall geklatscht. “Die müssen mal richtig vor den Kopf bekommen. Einfach mal mit dem Auto drüber fahren. Das ist die Notwehr eines ordentlichen Deutschen. Das sind Sektenmitglieder, die müssen eingewiesen werden.” Selbst eine SPD Politikerin, Frau Spranger, teilt der Öffentlichkeit mit, dass endlich das Gewahrsam auf 5 Tage verlängert werden muss, damit die endlich mal abgeschreckt werden. Niemand wird sie namentlich benennen, wenn eines Tages andere, die sich ihrem Gewissen verpflichtet fühlen, für 5 Tage zur Abschreckung weggesperrt werden. Im Unterschied zur nationalsozialistischen Schutzhaft kommt immerhin ein/e Richterin ins Spiel. Wo in Teilen unsere Justiz aktuell steht, ist nicht mehr sicher. Dafür sind zu viele seltsame Gestalten in der Hierarchie aufgestiegen. Diejenigen, welche über die AfD öffentlich bekannt wurden, signalisieren ein Dunkelfeld, sonst wäre der Aufstieg nicht möglich gewesen.
Fazit: Wenn es gegen die “Richtigen” geht, jene welche die deutsche Ordnung gefährden, ist der deutsche Mob schnell mobilisiert und Sozialdemokraten vergessen schon mal ihre Herkunft.

WIR” nehmen dies tagtäglich hin. Obwohl wir wissen könnten, dass ohne diese Konzeptionen, ein Drittes Reich niemals möglich gewesen wäre. Oder was ist mit dem Holocaust? Er wurde bis ins letzte Detail dokumentiert. Sachbearbeiter führten Listen mit Namen, den geraubten Habseligkeiten, den Vermögenswerten. Die Konzentrationslager wurden ordentlich geplant, Mittel genehmigt, nach Dienstanweisungen konstruiert und ebenfalls mittels Anweisungen bewacht. Deutsche Sachbearbeiter dokumentierten ohne Skrupel, schlechtes Gewissen, technokratisch, den blanken Horror, welchen sie nicht als solchen empfanden. Denn es handelte sich um die gute deutsche Ordnung.

Das Versteckspiel der Täter in Sachen ökologischer Kollaps und Klimakatastrophe

Künftige Generationen werden nicht sagen, Herr Wissing sah Autobahnen für wichtiger an, als ökologische Strukturen, Herr Lindner, hielt an einer längst überkommenen und sich als negativ erwiesenen Haltung fest und versuchte rhetorisch das Recht auf Gier herzuleiten, wobei er gleichzeitig völligen Unfug daher redete. Vielleicht wird er in der einen oder anderen Erzählung als Lachnummer auftreten, wie man es im Nachgang mit einem Lübke tat. Merz, Dobrindt, Bär, werden in der Menge all derjenigen untergehen, die am Anfang des 21. Jahrhunderts die neuen Mittel der Digitalisierung für die Macht erhaltende Propaganda exzessiv nutzten.

Doch einzeln werden sie, schon deshalb, weil sie keine Alleinstellungsmerkmale aufweisen, im Schatten von Trump, Johnson, Putin, u.a., in der Menge untergehen. Keiner wird all die Wirtschaftsstrategen namentlich benennen, die bis zum letzten möglichen Zeitpunkt darauf setzten, dass sie die Folgen der kommenden Klimakatastrophe von den wenigen Vermögenden fern halten. Wenn die Jünger/innen des Neoliberalismus auch die letzte Gesellschaft durch Spaltung und gegenseitige Kämpfe zerstört haben, werden die Leute zurückschauen. Aber werden sie auch Namen benennen? Oder allgemein von den Neoliberalen, Republikanern, sprechen?
Sie werden von den Europäern, den Deutschen, den Bewohnern der nördlichen Hemisphäre oder westlichen Industriestaaten sprechen. Nicht einmal aktuell sind die Leute im Allgemeinen fähig, konkrete Personen zu benennen. Von den Politikern, der Politik, dem Establishment, der Wirtschaft, dem Bürgertum, den Boomern, ist die Rede.
Denen, die sich dagegen stellen, mit allem nicht einverstanden sind, wird damit nicht der nötige Respekt erwiesen und diejenigen, welche sich an ihrer Macht berauschen, sich als Menschen im Mittelpunkt des Geschehens sehen und alles andere ihnen zur Verfügung zu stehen hat, wird damit die Verantwortung genommen. Zu Lebzeiten wird sie niemand zur Rechenschaft ziehen können und nach ihrem Tod sind ihre Namen vergessen oder irrelevant.

Nun behaupten Leute, die im Dritten Reich lebten, dass sie nichts wussten. Unter sozialen Druck traten sie der NSDAP bei, weil es halt nicht anders ging. Bei vielen anderen Dingen sagen sie: “Das war die Zeit und wir wussten es nicht besser.” Oder sie reden vom einfachen Wehrmachtssoldaten, der seinen Befehlen gehorchte und tat, was Soldaten so tun, wenn sie in den Krieg ziehen.
Ich bin 1966 geboren und mit diesen Erzählungen aufgewachsen. Ich lernte Männer kennen, die ihre Ausbildung auf einer Eliteschule (NAPOLA) bekamen, sprach mit Frauen, die beim BDM (Bund Deutscher Mädel) Karriere machten, sah die Auswirkungen russischer Kriegsgefangenschaft, hörte, wie sich einige in die eigene Tasche logen. Aber ich hatte auch Kontakt zu Frauen und Männern, die sich in unterschiedlicher Art und Weise dagegen stellten. Dies ist entscheidend. Erstens, konnte man sich offensichtlich entziehen und eine andere Entscheidung treffen und zweitens, gab es unter den Deutschen nachweislich solche und solche. Womit fest steht: Einige wurden befreit und andere erlitten eine Niederlage. Außerdem gibt es kein “WIR“, sondern jeder musste und konnte seine eigene Wahl treffen. Philosophisch gesehen, ein alter Hut.

Dieses WIR, die Deutschen, den Vorgaben eines Staates folgen, Befehlen zu gehorchen, ist eine Tarnkappe. Die gleiche Tarnkappe, die in anderen Zusammenhängen die Aufschrift “Menschheit”, oder “Wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit” trägt. Entweder ich konnte nicht anders, weil ich Opfer der Gruppendynamik wurde, die sich u.a. in Gruppenmoral, sozialen Druck und Sozialisation äußerte, ich wurde manipuliert, ich war ein kleines Licht oder der Mensch ist halt so, wie er nun einmal ist. Im Falle der Nationalsozialisten war es am Ende ein Mann: der Führer! WIR … wir, das gemeine Volk konnten nichts dafür.

Das “Wir” beraubt uns der Bezeichnung “Mensch”

Aber was macht den existenziellen Unterschied zwischen einem Tier und einem Menschen aus? Meiner Auffassung nach: Das ICH! Die Fähigkeit, sich selbst als Individuum zu erkennen und eigene Entscheidungen treffen zu können. Selbst mich in eine Gruppe einzuordnen, ist eine eigene Entscheidung. Gern wird dies als passiver Akt gesehen. Ich wurde der Gruppe zugeordnet.
Nein! Du hast es geschehen lassen und bist geblieben. Ja, diese oder eine andere Entscheidung, werden Folgen nach sich ziehen. Bei der einen wirst Du unter Umständen getötet, landest selbst im Lager oder fristest das Dasein eines Ausgestoßenen. Die andere führt zu einer Karriere, Anerkennung durch andere, ein bequemes Leben oder einfach nur zum nackten Überleben.
Wie auch immer, es bleibt eine individuelle Entscheidung, für die man möglicherweise zur Verantwortung gezogen wird. Selbst Tote, auch wenn es sie nicht mehr interessiert, sind davon nicht ausgenommen. Einige werden nachträglich zum Helden, anderen zu Monstern. Allerdings in sehr seltenen Fällen für die breite Masse erinnerlich. Ich gehe in fremden Städten und Kulturen häufiger über Friedhöfe. Das ist keine morbide Ader in mir, sondern ich denke dabei über die Lebenden nach. Stets frage ich mich beim Anblick der alten prunkvollen, übelst verwitterten, Grabstätten, was die Leute sich dabei zu Lebzeiten dachten.

Wie man es selbst mit dem eigenen Ruf nach dem Tod hält, ist ebenfalls individuell. Was schert es den Toten, wenn auf einem Stein die Gravur zu lesen ist: “Hier wurden die Überreste des KZ-Kommandanten Egon Müller vergraben.” Oder im Gegenzuge: “Hier ruht der einfache Soldat Peter Müller, der beim Versuch zu desertieren, erschossen wurde.”

Vor dem Tod kommt das Leben. Es macht viel aus, wofür man sich entscheidet, wenn man sich die Frage stellt: “Was mache ich aus diesem mir gegebenen Leben?” Will man als Individuum ein einzigartiges Leben führen, einen Namen tragen, oder zum Teil einer Gruppe werden und damit eine Sammelbezeichnung akzeptieren? Viele wählen den zweiten Teil, sie erkennen es nur nicht.
Ich denke, dies hängt damit zusammen, dass die Gruppenzugehörigkeit Teil der menschlichen Grundprogrammierung ist. Ein Freispruch ist das für mich nicht. Denn neben dieser Grundprogrammierung verfügen wir über etwas, was nicht nur in der Lage ist, sie zu erkennen, sondern auch dagegen wirken kann: das Großhirn! Womit ich wieder da bin, was einen Menschen vom Tier unterscheidet.

Will ich ein menschliches Leben führen, muss ich das Großhirn, mit all seinen Fähigkeiten zum Einsatz bringen. Ansonsten bin ich biologisch betrachtet ein Mensch, aber in Bezug auf die Lebensführung, ein Tier. Immerhin noch ein Lebewesen und keine Sache. Einigen Zeitgenossen mag selbst dies egal sein. Damit wir uns nicht falsch verstehen, für mich ist nicht das Kriterium entscheidend, was einer oder eine tut, ob ich dies positiv oder negativ bewerte, sondern mein Punkt ist die individuelle Entscheidung, die Vorwerfbarkeit bzw. Zurechnung der daraus resultierenden Folgen. Die Verantwortung lässt jemanden zum Menschen werden.

In einem Chat, innerhalb dessen ich mit jemanden aus einer Polizeigewerkschaft über die Klima-Aktivisten diskutierte, führte ich an, dass diese ihrem Gewissen folgen. Die Gegenseite meinte: “Und? Kommen die deshalb in den Himmel?” Keine Ahnung, ich glaube nicht an ein Paradies oder Himmel. In erster Linie folge ich der Logik der Wechselwirkung. Mein Handeln muss darauf abgestellt sein, wie ich mir die Welt, in der ich lebe, gestaltet sehen will. Ja, darüber hinaus glaube ich tatsächlich daran, dass alle Lebewesen im Unterschied zu Gegenständen etwas in sich tragen, was den gegenständlichen Körper überdauert. Aber das ist Nebensache. Die Aktivisten/innen werden die Welt nicht retten. Doch für die Zeit, innerhalb derer ihr Dasein in diesem Körper stattfand, haben sie ein selbstbestimmtes menschliches Leben geführt.

Jeder Mensch will sich wohlfühlen. Das hat die Natur so eingerichtet. In unserem Innern besteht ein komplexes Belohnungssystem, welches über Hormone gesteuert wird. Aus der Logik ergibt sich, dass wir uns nach einer Wohlfühlphase, ständig auf ein Neues unwohl fühlen und etwas dagegen unternehmen wollen. Es beginnt mit Durst, Hunger, geht weiter mit Sorgen, Ängsten, den Bedürfnissen nach Nähe, Anerkennung, sozialer Zugehörigkeit, usw.
Der Nationalsozialismus bot einigen ein fertig geschnürtes Paket an Befriedigung an. Wer es haben wollte, brauchte nur zugreifen, außer man hatte von Geburt an die falsche Glaubensrichtung. Die lästige Verantwortung konnte nach oben abgegeben werden, es gab eine Gruppenzugehörigkeit, Anerkennung, Identität, ein Versorgungsversprechen, klare Linien, was positiv und negativ ist, Macht, ein Versprechen in der Hierarchie aufsteigen zu können, das wohlige Gefühl, besser zu sein als andere.
Meine Betonung liegt auf: Wollen und zugreifen! Die Leute mussten der NSDAP beitreten. Das ist ein aktives Handeln. Es gibt kein passives Mitläufertum. Selbst wer nicht ideologisch überzeugt war, verhinderte mit dem Parteieintritt negative Folgen. Während hingegen andere sie in Kauf nahmen.

Immer wieder wurde uns, den Sprösslingen der Nachkriegsgeneration gesagt, dass wir nicht wissen könnten, wie wir uns in dieser Zeit entwickelt hätten. Bei den meisten von uns waren es die Großeltern, die das Dritte Reich über den vollen Zeitraum erlebten. Stimmt, es wird immer Spekulation bleiben. Aber man kann gut erkennen, welche Charaktere anfälliger sind und welche eher resistent sind. Wer eine eigene Identität ausbildet, benötigt keine Nationale und wird sich auch selten so etwas wie einem Patriotismus oder Nationalismus hingeben. Eine stabile in sich ruhende Persönlichkeit benötigt keine ständigen Konkurrenzen, muss sich nicht ständig messen und verspürt nicht den Drang ständig zu bewerten. Gleichfalls sind solche Charaktere dazu in der Lage, sich jenseits fremder Moralvorstellungen, mit einem eigenen ethischen Kompass durchs Leben zu navigieren.

Einzig könnte man anführen, dass eine derartige Persönlichkeit erst einmal herausgebildet werden muss und es Gegenstand der faschistischen und damit auch nationalsozialistischen Ideologie ist, eben genau dieses zu verhindern. Gut, nehme ich hin. Mir geht es auch nicht um Vorwürfe, sondern vielmehr darum, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Unter dem Strich ist für mich der deutsche Nationalsozialismus das ultimative katastrophale Ende des Denkmodells “WIR“.

Wie gern sich die Leute hinter einem “WIR” oder allgemeinem Plural verstecken, erlebe, höre, lese, ich jeden Tag. “Man macht, man tut, man unterlässt!“, “Die Menschheit kann nicht anders. Oder sie ist halt, wie sie ist!”, “Wir als Industrienation können nicht anders.” Dabei ist es recht simpel, den Gegenbeweis zu erbringen. Ich muss nur einen einzigen Menschen finden, der sich anders entschied und danach handelte.

Leider scheinen in großen Teilen der deutschen Gesellschaft die Lehren aus den Folgen des Nationalsozialismus nicht angekommen zu sein. Bereits vor Jahrzehnten wiesen Soziologen und Psychologen darauf hin, dass sich die Entwicklung, in der das Individuum immer mehr in Gruppen aufgeht, gefährlich auswirken kann. Ebenso die Tendenz, immer mehr gesellschaftliche Aspekte dem Kommerz, der Wirtschaft, den Konzernen, zu überlassen. Die Verantwortung des Individuums geht mit einem Gewissen einher. Ein Handeln nach Profit, Renditen, gesteigerten Wohlstand zu bewerten, hat nichts mit Gewissen zu tun.

Der Nationalsozialismus ist Historie und es wird ihn in der alten Form nicht mehr geben. Geblieben sind die Grundlagen, die DNS der deutschen Gesellschaft, die Haken und Ösen, welche Hitler und Goebbels erkannten und meisterlich anwendeten. Irgendjemand hat mal gesagt, die Deutschen sind der Demokratie oder wenigstens etwas, was danach aussieht, zugewandt, solange es ihnen gut geht. Ich behaupte, dass es eine echte Chance gab, die von konkret benennbaren Leuten aus unterschiedlichen Gründen sabotiert wurde und wird.
Dass Frauen und Männer, wie Wissing, Lindner, Merz, Dobrindt, Bär, Buschmann und diverse andere die Amerikanisierung der politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung forcieren, wozu auch der massive Einsatz von Propaganda zwecks nackten Machterhalt gehört, ist offensichtlich. Als man den Godfather der modernen Propaganda Edward Bernays fragte, ob er zustimme, dass Goebbels seine Methoden umsetzte, musste er zustimmen.
Meiner Auffassung entwickelt sich alles in Richtung einer Dystopie, die nicht passieren müsste, wenn man aus der letzten Katastrophe die entsprechenden Lehren gezogen hätte. In dieser werden die letzten Individuen von der Bildfläche der Gesellschaften verschwinden und es wird tatsächlich nur noch ein “WIR” geben. Wer noch als Individuum leben will, wird sich etwas Schlaues einfallen lassen und einen guten Platz finden müssen.

2 Mai 2023

Timemachine

Lesedauer 3 Minuten

2018 machte ich mich erstmals auf den Weg. Nach der transmongolischen Bahn, Mongolei und China, erreichte ich Chiang Mai in Thailand. Ich kam im Just Chill Inn unter. Nicht die beste Adresse, aber sehr günstig. Ich schlief dort zusammen mit einem Neuseeländer , einem Spanier und einer Türkin am Boden eines 16 qm Zimmers in der dritten Etage.

Drei Jahre zuvor war ich bereits einmal für zwei Tage in Chiang Mai gewesen. Aber das zählt nicht. Dort im Just Chill Inn begann etwas Neues. Wahrscheinlich schon vorher. In meinem Buch die Wanderung Vol. II ende ich mit dem Versprechen an mich selbst, zu reisen und mir die Welt anzusehen. Die Fahrt mit der Bahn ordne ich als Anfahrt ein. Ein wenig despektierlich, immerhin ist es eine der längsten Bahnstrecken der Welt. In der Mongolei wusste ich noch nicht so recht, wie mir geschieht und der kurze Aufenthalt in China war ein Horrortrip durch eine Dystopie.

Ich vergesse nicht, wie ich 2018 bei meiner Ankunft in Chiang Mai durchatmete, weil mich die Grenzbeamtin anlächelte. Alles war wieder bunt, freundlich, überall spielte schräge Musik. Im Just Chill In zu landen, war nicht geplant. Ich schaute auf den einschlägigen Portalen nach und nahm das erst beste Hostel in der Altstadt. 5 Jahre! In der Zeit ist viel passiert. Trauriges, interessantes und vor allem der Start in ein anderes Leben. Ich musste mich von wichtigen Menschen in meinem Leben verabschieden.

Als ich nun nach Chiang Mai zurückkehrte, wollte ich eigentlich nur schauen, ob es das Just Chill In noch gibt. Ja, und es hat sich wenig verändert. Allerdings empfing mich die ominöse Frau im Hintergrund. 2018 war es ihr Ex-Mann, ein ziemlich durchgeknallter Typ, der manchmal von ihr sprach.

Sie teilte mir einen Privat-Room im III. OG des Hauses zu. Ich ahnte, dass es sich um das alte Zimmer handelte. Nun liegen die Matratzen übereinander und bilden ein Doppelbett. Mehr hat sich nicht geändert. Selbst ein alter Kleiderständer ist noch da und an die ausgeleierte Verlängerungssteckdose konnte ich mich auch erinnern. Zum Zimmer gehört ein Balkon. Dort saßen wir abends und sprachen über uns und die Welt. Der Spanier wollte in ein Kloster im Norden. Ich überließ ihm deshalb meine warmen Sachen, die ich in der Mongolei benötigte.

An einem dieser Abende, sagte der Neuseeländer, gebürtiger Inder, zu mir: „Manche Leute leben auf ihrer Couch. Andere leben in ihrer Straße, Stadt, ihrem Land. Manche kennen ihren Kontinent. Ich lebe auf dem Planeten Erde.“ Seither dachte ich unzählige Male über diese Worte nach. An ihnen hängt eine komplette Lebenshaltung.

Wenn ich in den letzten Tagen das Zimmer betrat, sah ich sie vor meinem geistigen Auge wieder. Wie der Neuseeländer nachts online Englisch unterrichtete. Nie vergesse ich, wie ich davon wach wurde und er in diesem Moment sagte: „Die Affen rasen durch den Wald und jagen die Wölfe.“ Oder, dass der Spanier, er stammte von der Insel Ibiza, ständig davon sprach, dass ihm zu warm wäre. Die Türkin, ebenfalls Lehrerin tauchte immer erst am späten Abend auf.

Wie auch immer, es sind gute Erinnerungen, die wieder kommen. Heute endet meine Zeit hier. Ich denke, dass es das letzte Mal war. 2018 startete ich hier. Dieses Mal komme ich aus dem Süden und bin auf dem Weg nach Norden. Die nächste Station ist Pai. Zurück in die Natur und den Dschungel in den Bergen. Danach geht es nochmals zurück nach Chiang Mai, um von dort aus den Flieger nach Istanbul zu nehmen.

Während ich dies hier in einem Café schreibe, laufen vornehmlich alte sonnengegerbte alte Männer aus Europa und den USA an mir vorbei. Sie sind hier gestrandet. Ich wurde letztens gefragt, ob ich nicht auch irgendwo in der Gegend bleiben will. Nein! Ich habe meinen Modus, ganz im Sinne des Neuseeländers gefunden. Ich habe eine Base, die ich schätze und wohin ich gern zurückkehre. Aber dies hindert mich nicht daran, den Rest Welt auf meine Art zu erkunden. Bukowski schrieb hierzu: „Wenn da Morgens niemand ist, keine mit Dir schimpft, wenn Du spät nach Hause kommst, Du jederzeit hingehen kannst, wo Du willst … wie nennst Du das? Freiheit oder Einsamkeit? Derzeit, nenne ich es in meinem Fall Freiheit. Bei den alten Männern hier, bin ich mir nicht sicher.

21 April 2023

Alles ist Rassismus

Lesedauer 14 Minuten

Wenn ich mich in den Social Media umschaue, sind die Tweets voll mit Hinweisen, dass dieses oder jenes rassistisch wäre. Manchmal sehe ich dies genauso, andere Male kann ich nicht nachvollziehen, was die Leute unter Rassismus verstehen. Na gut, dass ich aus einer anderen Epoche stamme, weiß ich nicht erst seit gestern. Und dass Soziologen/innen abgedrehten Kram von sich geben, der auf drei Sätze reduziert werden kann, ist auch nichts Neues.

Rassismus geht, zumindest wenn ich es richtige verstehe, nach heutigen Vorstellungen nur von oben nach unten. Also kann demnach ausschließlich als solcher benannt werden, wenn jemand aus einer objektiven Machtposition heraus, beispielsweise weil mehr Privilegien vorhanden sind, einen niedriger gestellten Menschen diskriminiert. Irgendwo las ich, dass bei der diskriminierten Person noch Eigenschaften hinzukommen müssen, für die sie nichts kann bzw. nicht veränderbar sind. OK! Mir scheint dies alles eine ziemlich intellektuelle Kopfgeburt zu sein. Doch es leuchtet mir ein, dass es belastend ist, wenn mir ständig Dinge unterstellt werden, nur, weil ich mich nicht in die Sonne legen muss, um eine attraktive Hautfarbe zu bekommen. Nein, ich will jetzt nicht alle rothaarigen Irinnen mit teigig weißer Haut diskriminieren.

Die Ablehnung oder auch die Zuneigung zu von meinem eigenen Aussehen abweichenden Menschen sind angeboren. Der Umgang mit anderen Kulturen, Lebenshaltungen, Anschauungen, von mir abweichenden sexuellen Neigungen bzw. Ausrichtungen ist erlernt. Gegen das Erste kann ich mich schwerlich wehren, aber ich kann es intellektuell überwinden. Beim Zweiten kann ich mich dazu entscheiden, meine Sozialisierung zu hinterfragen. Für beides bedarf es eines Motivs. Meine Motive bestehen darin, dass ich nicht einsehe, warum ich mir nicht aus der sich mir bietenden Vielfalt das für mich Beste herausnehmen kann und mich durch meine Sozialisierung beschränken sollte. Hierdurch meine Identität zu verlieren, ist ein mir fremdes Gefühl.

Aber geht es beim Rassismus darum? Erst Vorgestern saß ich an einem Tisch mit zehn Rentnern aus Österreich und Deutschland. So wie ich sie sehe, alles gescheiterte Persönlichkeiten. Unfähig, sich mit einer gleichberechtigten Frau auseinanderzusetzen, Anteile fremder Kulturen anzueignen, beschränkt im Denken und zumeist Alkoholkrank. Aber, im Verhältnis zu Thailändern, haben sie Geld in der Tasche. Geld, welches sie als gerechtfertigtes Ergebnis ihres zurückliegenden Arbeitslebens ersehen. Mit Mimik, Gestik, Äußerungen verraten sie, dass sie die bedienenden Thais nicht wirklich für ebenbürtig an ersehen. Was mich dabei ein wenig beruhigt, ist die Tatsache, dass dieses auf Gegenseitigkeit beruht und sie in den Augen der Thais, wandelnde Portemonnaies mit schlechtem Geruch, üblen Benehmen und minderbemittelte Volldeppen sind. Ich persönlich halte mich nicht dafür, kann aber bestätigen, dass man auch in Thailand mit ein paar Bieren schnell sein Geld loswird. Wie diese Typen das mit ihrer angeblich so schmalen deutschen Rente stemmen, ist mir ein Rätsel. Vielleicht ist die gar nicht so schmal?

Sind die Rentner Rassisten? Männer, die gut in die Epoche des alten Kolonialismus passen und im Prinzip eine neue Form dessen leben? Oder sind sie einfach harmlose, beschränkte Kleingeister? In Thailand eine jüngere Begleiterin zu finden, ist nicht schwer. Einmal als Opfer erkannt, wird man vermittelt. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass man dies schnell unterbinden kann, wenn sie einen als jemanden mit einer anderen Lebenshaltung erkennen. Und als geschickte Jägerinnen, wissen die ganz genau, wer Beute ist und wer nicht. Sie verfügen über die Macht der Intelligenz und die Fähigkeit, die Hybris, Arroganz, Beschränktheit für ihre Zwecke zu nutzen. Dem haben die Rentner wenig entgegenzusetzen. Ich sage nur: Sun Zi! Wenn der gegnerische General überheblich ist und sich in trügerischer Sicherheit wiegt, bestätige ihn und Du wirst die Schlacht gewinnen.

Ganz was anderes sind “Westerner”, die der Auffassung sind, dass diverse Menschen in anderen Ländern nichts auf die Reihe bekommen und sie deshalb ausbeuten. Dazu gehören immer mehrere. Wenige Ausbeuter und jene, die das mit sich machen lassen. Das in Europa konstruierte System des Kapitalismus ist bis ins letzte Detail ausgeklügeltes Konzept zum Ausbeuten größerer Gruppen durch eine kleinere Zahl an Menschen. Für mich ähnelt dies der Situation, als die römischen Kampfformationen auf die germanischen Stämme trafen, die sich ihrer Tradition entsprechend, wild, ungezügelt, todesmutig in den Kampf stürzten, während die Römer mit militärischer Perfektion agierten.
Viele Kulturen, Traditionen, Strukturen, haben gegen den Kapitalismus keinerlei Chancen. So unterstellten zum Beispiel Europäer am Anfang des 20. Jahrhunderts südamerikanischen indigenen Stämmen eine Arbeitsteilung und eine Form des kapitalistischen Handels. Sie gingen u.a. von Fischern aus, die für ihren Stamm fischen gingen und in einem Tauschhandel entlohnt wurden. Tatsächlich ging jeder fischen, der gerade nichts anderes zu tun hatte und der Fang wurde unter allen gerecht aufgeteilt. Aber für die Europäer war klar, dass der Tauschhandel und die Arbeitsteilung, sowie der Besitz am Fang etwas sei, was dem Menschen in die Wiege gelegt wurde. Willkommen in den Anfängen des Neoliberalismus. Sind diese Typen nun skrupellose Kapitalisten, die die “Wehrlosigkeit” fremder Kulturen ausnutzen oder Rassisten, die anders aussehenden Menschen unterstellen, zu dämlich für die Entwicklung einer Verteidigung gegen die Übernahme zu sein?

Also für mich sind richtige Rassisten die Leute, welche klar und deutlich zwischen menschlichen Rassen unterscheiden, die vermeintlich eigene als die hoch entwickelte ansehen und allen anderen Minderwertigkeit, mangelnde Intelligenz und Triebhaftigkeit unterstellen. Dies sind diejenigen, welche arg über ihren Gen-Pool echauffiert wären. Spontan fällt mir diese durchgeknallte Frau ein, der trotz einiger Revolutionen immer noch der Titel Fürstin zukommt. Gloria, Thurn und Taxis, gab von sich: “Der Schwarze schnackselt halt mal ganz gern.” Sie wird es wissen. Immerhin wuchs sie in Afrika auf. Oder ein Höcke, der sich erdreistet, in einer Rede von unterschiedlichen “Ausbreitungstypen” zu sprechen. Ja, so etwas ist wohl Rassismus.

Wie man alles andere nennt, kann man meiner Auffassung nach getrost irgendwelchen Technokraten überlassen, die für alles eine gedankliche Ablage benötigen. Stempeln, abheften und ins Regal stellen. Zeitweilig geht es nicht einmal, um einen tatsächlichen Handlungsablauf, sondern um Vorurteile, Unwissenheit, Voreingenommenheit, Klischees, Stereotype, Verallgemeinerungen, Schubladendenken. Und nochmals etwas anderes ist die gelebte Arroganz, Hybris, von Angehörigen eines Kulturkreises gegenüber einem anderen.”

Zum Beispiel leben in Malaysia drei große Volksgruppen, sogenannte echte Malaien, Orang Aslis (hierunter fallen alle indigenen Völker auf dem Gebiet von Malaysia), Chinesen und Inder. Die Mehrheit der Malaien sind Muslime. Die Chinesen sind zumeist Buddhisten o. Taoisten. Inder sind in der Regel Hindus und die Indigenen sind entweder konvertierte Muslime oder sie beten ihre Naturgeister an. Die muslimischen Malaien zahlen im Prinzip kaum Steuern, sondern nach der Scharia einen Betrag, der sich aus ihrem Besitz ergibt.
Gleichsam profitieren sie dadurch von möglichen Unterstützungen, wenn sie in Not geraten. Für Inder und Chinesen gilt dies nicht. Die zahlen Steuern und eine Versorgung außerhalb einer privaten, existiert für sie de facto nicht. Bei solch einem System bleiben Reibereien nicht aus. Verschärft wird dieses, durch die Suggestion der malaiischen Politiker, dass die Malaien eigentlich diejenigen sind, was Malaysia darstellt. Allerdings bezahlen sie ihre Staatsdiener, die vornehmlich Malaien im Sinne dieser Darstellung sind, ziemlich schlecht. Die Folge ist eine ausufernde Korruption und die gegenseitige Zuschreibung von Klischees. So sind die Malaien aus der Sicht der Chinesen und Inder häufig faul, träge, ungeschickt, während die Inder und Chinesen im Ruf stehen, skrupellose Geschäftsleute zu sein. Dennoch müssen die sich bei Geschäften, in denen es um Besitz geht, häufig malaiischer Strohleute bedienen. Aber immerhin kennen die sich wenigstens und wissen um die kulturellen Unterschiede.
Aber ist das, was die da miteinander ausfechten, Rassismus? In einem Amt kann es schon mal passieren, dass ein Malaie einfach an allen Wartenden mit indischer Familiengeschichte vorbeispaziert. Fragt man Malaien danach, finden die gar nichts dabei. So ist dies halt in Malaysia.

Eine ganz andere Geschichte spielte sich letztens ab, als der Dalai Lama einen Jungen vor sich hatte, ihm die Zunge herausstreckte und zu ihm gesagt haben soll: “Suck my tongue!” Auf Deutsch: “Lutsch meine Zunge!”
Die europäische Aufregung und deren kulturellen Ablegern, z.B. in den USA u. Australien eingewanderte europäische Gemeinschaften, war groß. Der spirituelle Führer der Buddhisten, dem Papst gleichkommend, als Kinderschänder. Das passte ins Bild der beschädigten katholischen Kirche. Schaut, die Buddhisten sind auch nicht besser. Da passte einiges nicht. Zunächst in der Dalai Lama nicht das spirituelle Oberhaupt der Buddhisten, sondern ausschließlich der in Tibet und Mongolei ansässigen Gelbmützen, eine von vielen Richtungen des Buddhismus. Dann ist er Tibetaner und dort ist das Herausstrecken der Zunge eine allgemein anerkannte Begrüßung. Bei “Suck my tongue!”, springt bei Europäern der pornografische Teil der Sozialisierung an und gehört wird “Suck, my Dick!”. Bei Pubertierenden gibt es dieses Stadium, in dem alles kichernd mit Sexualität in Verbindung gebracht wird. “Kerzen ausblasen! Ha, Ha, er hat Blasen gesagt.” Nun, niemand hat gesagt, dass die Pubertät erfolgreich beendet.
Ich will nicht sagen, dass der Dalai Lama vollkommen asexuell ist. Er sagte mal in einem Gespräch mit Gehirnforschern, dass beim Meditieren Zustände, wie bei einem Orgasmus erzeugt würden. Also muss er wissen, wovon er spricht. Aber bei den vielen Stunden, die er meditiert, dürfte bei seinem dichten Terminkalender kaum Zeit bleiben. Vermutlich hat er nicht einmal “Suck” gesagt. Denn in Tibet sagt man: “Iss meine Zunge”.
Doch die Empörten halten sich für richtig schlau. Der Mann hat sich entschuldigt! Mehr Schuldeingeständnis geht für sie nicht. Blöd ist nur, dass es so etwas wie Schuld im Buddhismus nicht gibt, auch nicht im Tibetischen. Was es aber gibt, ist das Bestreben, die Befindlichkeiten anderer Kulturen nicht zu verletzen, weil dies zum Bumerang wird. Wenn man eine Welt anstrebt, in der das kein Thema ist, sollte man es selbst unterlassen.

Mir ging bei alledem etwas anderes durch den Kopf. Europäer betrachten andere Kulturen, verstehen die nicht oder sind nicht bereit, deren Andersartigkeit, besonders wenn sie stark von den eigenen moralischen Vorstellungen abweicht, hinzunehmen. Das gab es doch schon mal. Richtig, im Denken der Kolonialisten und bei den christlichen Missionaren. Nacktheit, Riten, Initiationsriten, Stammesrituale bei kämpferischen Auseinandersetzungen, all dies wurde unter: “Die Wilden!” subsumiert und musste entweder bekehrt oder durfte als minderwertig, primitiv, rückständig, bezeichnet werden. Mit diesem Gedankenansatz las ich mir nochmals diverse Kommentare durch. Und richtig, genau darum ging es. Wir, die Europäer haben einen Konsens, was richtig und falsch ist, und das ist falsch. Mir dämmert dabei, wie manches Unverständliche aus der Kolonialzeit zustande kam. Erinnert sich jemand an diesen Kerl, der trotz Verbots versuchte zu den Sentinelesen Kontakt aufzunehmen und sie zu missionieren? Es ist ihm nicht gut bekommen. Sie haben ihn kurzerhand umgebracht.

Ist das Rassismus? Ehrlich, beim Dalai Lama, weiß ich es nicht. Er wird ja nicht angegangen, weil er Asiat ist. Auf jeden Fall halte ich es nicht für den richtigen Weg, in dieser Art heranzugehen. Im Netz meldeten sich einige Tibeter, die das Ganze völlig entkräfteten. Unter anderen wiesen sie darauf hin, dass es sich um einen Video – Ausschnitt handelt und stellten das komplette Material ins Netz. Wer genau hatte eigentlich kurz vor dem Besuch von Frau Baerbock in China ein Interesse daran, dass der Dalai Lama, diskreditiert wird? Nur mal so als gedankliche Anregung. Und der Missionar? Es gehört zu den unangenehmen Eigenschaften der Buchreligionen, dass ihre Anhänger jeder und jedem ihre Weltanschauung aufs Auge drücken wollen. Ich habe gerade mehrere Wochen Ramadan in einem muslimischen Land hinter mir. Alle paar Kilometer steht eine Moschee und irgendein Typ brabbelt von Morgens bis Abends in ein Mikrofon, um so die gesamte Gegend zu beschallen. Muslime meinen immer, ich solle mich nicht so haben, die Christen würden ständig Glocken läuten. Es ist schwer, einem Malaien die deutsche Lärmschutzverordnung zu erläutern. Ich bin ein Freund des Spruchs: “Religion ist wie ein Penis. Jeder Mann hat einen, aber man muss ihn nicht jedem zeigen.” Aber andere Leute zu bekehren, ist kein Rassismus und wird weit über die Buchreligionen hinweg praktiziert. Wobei ich es interessant fände herauszufinden, ob zwischen Christentum, Islam und dem Drang anderen, den selbst zusammengeschusterten Glauben an irgendetwas aufzudrücken, ein Zusammenhang besteht. Da war doch diese Diskussion über Karl May. Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass bei ihm Winnetou grundsätzlich ein “Wilder”, der aber im tiefsten Herzen ein guter Christ war, und somit dann doch kein “Wilder” war. Deshalb muss man nicht gleich auskreisen. Die Bücher gibt es schon lange und die Filme sind auch nicht mehr die Neuesten. Aber eins gefiel mir bei der Diskussion. Ich besitze augenscheinlich die Staatsangehörigkeit eines Landes, in dem sich erwachsene Männer, angeblich Politiker, einem bockigen Grundschüler gleich, in einem 1965 erfundenen “Indianer-Kostüm” auf einer Bühne präsentieren. Präsentieren! Deutschland ist eine repräsentative Demokratie, was bedeutet, dass die mich vertreten und in die Welt ein Bild senden: “So sind Deutsche!” Och, Nö, bitte!


Bei Twitter schrieb jemand: “Die Buddhisten sind auch nicht besser.” Dahinter fehlt nur ein “Ätschibätschie, wusste ich es doch!” Geht es darum? Ich habe überhaupt nicht vor, den Dalai Lama zu verteidigen. Einiges, was der von sich gibt, ist wirklich ziemlich abgedreht. Jedenfalls für hiesige Verhältnisse. Und auch er hat so seine Schwierigkeiten mit einigen Riten im tibetanischen Buddhismus, die aus der Zeit in Tibet vor dem Buddhismus stammen. Aber er ist halt nicht der Papst und kann einfach mal so bestimmen.

Ein weiteres Beispiel. Am Strand von Langkawi, kam ich mit einem Rentnerehepaar aus München ins Gespräch. Nach einer Weile kamen wir auf meine Begleitung zu sprechen. Ich begleitete an diesem Tag die Ex-Frau eines malaiischen Bekannten und ihren gemeinsamen 6-jährigen Sohn zum Strand. Die beiden nahmen an, dass es sich um meine Frau und meinen Sohn handeln würde. Weit daneben! Ich erklärte ihnen die Konstellation. Zunächst meinten sie, dass es halt schwierig wäre, wenn er in Malaysia und sie in Deutschland leben würde. Ich erklärte ihnen, dass der Mann in Deutschland gelebt hätte. Nun schwenkten sie um. Die Arbeitsmoral und Lebensvorstellungen eines Malaien würden halt stark von den Deutschen abweichen. Wieder daneben. Er arbeitete damals und verdiente gutes Geld. Ich musste dabei daran denken, dass die Schwiegereltern meines Bekannten fragten, ob es denn in Malaysia richtige Straßen gäbe und er ziemlich trocken antwortete: Wir haben sogar Formel I Rennen!

Ich störe mich gar nicht so sehr an der Unterstellung, dass eine andere Haltung zum Verhältnis Arbeit und Leben existiert. Vielmehr sehe ich skeptisch, dass das eigne, als einzig optimale Lösung erachtet wird. Diese in einigen europäischen Staaten existierende Unart, sich über das Bruttosozialprodukt und allem, was zur Steigerung beiträgt, zu definieren. Ich schätze, wenn ich eine Ameise aus einem Ameisenhaufen befragen könnte, wäre die auch stolz auf den großen Hügel am Wegesrand. Doch mangels eines Großhirns kann ich sie nicht interviewen. Finde den Fehler!

Mal ganz davon abgesehen, möchte ich nicht arbeiten wie ein Vietnamese, Birmane oder ein Arbeiter aus Bangladesch. Sie haben leider niemals den Sprung in ein gemeinschaftliches Sozialsystem geschafft und das rein auf die Familie beruhende Absicherungskonzept überwunden. Im Prinzip sind sie mehr CDU/CSU, FDP, als manch einer sich das vorstellen kann. Wer die konsequente Umsetzung ihrer politischen Vorstellung kennenlernen will, sollte nach Asien reisen. Denn dort sind die Arbeiter noch Arbeiter und die Eigentümer der Produktionsmittel, des zugehörigen Landbesitzes und Immobilienbesitzes, die Chefs im Ring, ohne dass eine lästige Gewerkschaft dazwischen funkt.

Rassismus? Ich weiß nicht, ob da nicht mal wieder alles zusammengeworfen wird und letztendlich in der Belanglosigkeit mündet. Ich bleibe lieber bei Ur-Version. Rassismus ist für mich die Annahme, dass es beim Affen auf zwei Beinen mehrere Rassen gibt, die sich anhand körperlicher Merkmale, allen voran die Intelligenz, unterscheiden lassen. Eine These, die bemerkenswerterweise immer von Leuten aufgestellt wird, die entweder im Leben erfolglos sind und sich die wahren Gründe nicht eingestehen wollen, oder eine Rechtfertigung für das Ausbeuten anderer benötigen. Es gibt diese Rhetorik, in der es heißt, dass es keinen Rassismus gegenüber “Weißen” gibt.
Ach immer diese Soziologen mit ihren ständigen Umdeutungen. Ja, wenn ich den Begriff auf Machtverhältnisse trimme und global anwende, könnte es so sein. Und die allgemein verwendete Formulierung: “Gegenüber …”, indiziert, dass jemand aus einer Machtposition heraus agiert. Dass sich die Soziologen damit keinen Gefallen taten, kann meiner Meinung nach an einem Problem erkannt werden, welches sie als positiven Rassismus bezeichnen. Nämlich die Zuschreibung vermeintlich wünschenswerter Eigenschaften. Vor einiger Zeit sah ich mir ein Interview mit einem bekennenden Vertreter der Neuen Rechten an, in dem der Typ meinte, dass man sich gegen die Einwanderung von Asiaten wehren müsste, weil die im Durchschnitt intelligenter wären. Eine interessante Sichtweise. Gleichsam zeigt sie, worum es bei dieser Ansicht geht: Minderwertigkeitskomplexe. Ich glaube, Soziologen übersehen allzu häufig die Psychologie des Individuums.
Dieses Problem haben sie nicht alleine. Auf mich wirkt vieles wie der Versuch, für den eigenen Mist eine Entschuldigung zu finden. Zum Beispiel, wenn ich etwas über einen “strukturellen Rassismus” in der Polizei lese. Nicht der oder die Einzelne ist intellektuell überfordert, die Urinstinkte des Reptiliengehirns zu überwinden, sondern ist Opfer der strukturellen Gegebenheiten. Hm, dies könnte einigen gut in den Kram passen. Aber auch diese seltsame Konstruktion “struktureller Rassismus” kann lediglich funktionieren, wenn ich die ursprüngliche Bedeutung beliebig umdeute.

Eigentlich geht es um Macht, Routine und Vorurteile. Polizisten ist erlaubt, die staatlichen Regeln durchzusetzen. Ergo besitzen sie Macht über andere. Kaum ein Polizist/in fängt in dem Job mit der Haltung an: “Desto dunkler die Haut, umso verdächtiger!” Mal wieder ein kleiner Schwenk zurück nach Malaysia. Ein Bekannter vor mir, selbst sehr dunkler Malaie, wurde von der malaiischen Polizei mit seinem Scooter angehalten und festgenommen, weil er von den Klamotten her, Uhrzeit des Antreffens und Ort, in ihr Beuteschema: Drogenkonsument, passte. Sein Bruder meinte dazu: “Wenn Du Idiot ständig in diesen Klamotten herumrennst, musst Du Dich nicht wundern.”
Man kann sich das Leben auch kompliziert machen. Im Kopf eines Fahnders bilden sich im Laufe des Berufslebens Raster. Psychologie! Wenn ich mit zwei, drei Aktionen, Erfolg hatte, mache ich damit weiter. Billige Klamotten, von der Mode in Deutschland abweichend, scheinbar harmlos in der Gegend herumstehend, aber den Blick immer auf Handtaschen gerichtet: Taschendieb! Selbstverständlich kann es sich auch um einen vollkommen harmlosen Osteuropäer mit Interesse für Handtaschen handeln. “Deckelfrisur”, aufgepumpte Arme, geölter schwarzer Vollbart, dunkler Teint, zwischen 30 und 50 Jahre, in einem protzigen, geschmacklosen 7er-BMW sitzend: Clan-Mitglied. Es könnte auch der freundliche Mitarbeiter aus der Sparkassen-Filiale sein, der kein gutes Händchen für Autos hat. Ja, aber so funktioniert die Welt nicht. Wenn ich mit bunten Hippie-Klamotten, Flip-Flops, mit Ketten behängt, an einer Grenzkontrolle in Südostasien aufschlage, kann ich mir ziemlich sicher sein, dass die mich ein wenig genauer unter die Lupe nehmen. Und ich nehme es ihnen nicht übel. Die machen einfach nur ihren Job.

Ronald Miehling, der Schneekönig, lange Hamburgs erfolgreichster Kokain-Schmuggler, machte sich dies in den 80ern zunutze. Wochenlang beobachtete er die Zollkontrollen am Flughafen und notierte sich, nach welchen Raster die Leute herausgezogen wurden. Dann stellte er ein Team zusammen, in dem mehrere die Kriterien erfüllten. Die ließ er zuerst durch die Kontrolle laufen. Sie wurden aufgehalten und besetzten die Kontrollstellen. Dahinter kamen die Kuriere, welche nun unbehelligt kiloweise Kokain durch den Zoll brachten. Natürlich greift sich die Polizei im Alltagsgeschäft die Kleinen und oftmals die Falschen, weil das Raster nicht funktioniert. Die Schlaueren, die dicken Fische, bekommt man so nicht. Da müssen andere Methoden angewendet werden. Allein die Empörung erschließt sich mir nicht. Jedenfalls nicht in Deutschland. Ich behaupte nicht, dass das alles toll ist. Aber ich bin kein Träumer. Gute Polizisten sind gnadenlose Realisten. Nach der Art, wie unsere Gesellschaft funktioniert, ist es ein Fischteich, in dem sich Fried- und Raubfische in einem Gleichgewicht befinden. Immer mal wieder werden kleine Raubfische herausgefischt, damit sie nicht überhandnehmen. Große werden selten gefangen. Es muss Gründe geben, dass die lange unentdeckt heranwachsen konnten. Erst wenn sie unvorsichtig werden, haben die Fischer Erfolg. Wenn sich dies alles ändern soll, muss nicht die Polizei verändert werden, sondern die komplette Gesellschaft verändert werden. Das wird vorläufig nicht passieren!

Bleibe ich bei der Ur-Version, gibt es Rassisten auch unter Schwarzen, Asiaten. Viele Japaner halten sich beispielsweise für die Abkömmlinge eines anderen Vorfahren, als der Rest der Menschheit. Was die Malaien so treiben, habe ich geschildert. Im Übrigen halten die auch nicht sonderlich viel von den nach Malaysia flüchtenden Rohingya und die sind immerhin Muslime.
Wir verfügen über viele gute Worte, um ein Verhalten, Denken, eine Haltung zu beschreiben: Diskriminierung, Vorurteile, Stereotype, asoziales Verhalten, Hybris, Arroganz, Überheblichkeit. Aber warum sich das Leben schwer machen, wenn man doch einfach ein Schlagwort heraushauen kann?

Das Gute ist, dass ich mich damit nicht mehr herumschlagen muss. Ich schaue mir alles von außen her an. Selbst nach meiner Ur-Definition bleiben genügend Zeitgenossen/innen übrig, die eindeutig Rassisten sind und oftmals nicht einmal einen Hehl draus machen. Von den anderen oben genannten Charakteren will ich gar nicht erst anfangen. Eins dürfte doch klar sein. Ob es gefällt oder nicht, die Frauen und Männer an der Spitze der Gesellschaft sind die sichtbare Verkörperung der Prinzipien, die eine oder einen erfolgreich werden lassen. Wenn sich ein auf mich bösartig, selbstgefällig, vor Arroganz triefend, wirkender Mann, an die Spitze einer der größten deutschen Partei bugsieren kann, scheinen exakt die Eigenschaften förderlich zu sein. War das, was Friedrich Merz in einer Talkshow von sich gab, Rassismus? Er titulierte die Sprösslinge von Familien aus dem arabischen und vorderasiatischen Raum als kleine Pascha, denen mal die Spur eingestellt werden muss. Ich gehe davon aus, dass ihm völlig egal ist, wo jemand herkommt oder wie er aussieht. Hauptsache er spurt, macht seine Hausaufgaben, stört nicht den Unterricht und lernt, was man ihm sagt. Und später hat er sich gefälligst ruhig zu verhalten, regelmäßig für den Mindestlohn zu arbeiten und sich in die Ordnung der Gesellschaft einzufügen. Ansonsten ist Friedrich Merz bereit, für sein Lebenselixier Macht alles von sich zu geben, was deutsche Kleinbürger gern hören. Wenn er überhaupt etwas gestaltet, dann ist es die Absicherung der Strukturen, die Charakteren seiner Art, den Machterhalt ermöglichen. Und da befindet es sich bester Gesellschaft, die anderen haben nur ihre Gesichtszüge besser unter Kontrolle.

Oder was ist mit Weidel? Eine lesbische Rassistin? In Sachen Arroganz, Machtgeilheit, Selbstgefälligkeit, steht sie Merz in nichts nach. Aber wenn sie von Goldstückchen und Messermännern spricht, ist es eiskaltes Kalkül. Sie weiß, wie man heutzutage das Prekariat anzapft und den Pöbel mobilisiert. Auf jeden Fall halte ich sie für eine überzeugte Faschistin. Ich beziehe mich dabei auf die Erkennungsmerkmale, die Umberto Eco formulierte. Liest man sich seine 14 Merkmale des Ur-Faschismus durch und wendet sie an, wird man in nahezu allen deutschen Parteien fündig.

” Der Ur-Faschismus ist immer noch um uns, manchmal sehr unscheinbar gewandet. Es wäre für uns so viel leichter, träte jemand vor und verkündete: „Ich will ein zweites Auschwitz, ich will, dass die Braunhemden wieder durch unsere Städte marschieren.“ Das Leben ist nicht so einfach. Der Urfaschismus kann in der unschuldigsten Verkleidung wieder auftreten.

https://www.pressenza.com/de/2017/10/14-merkmale-des-ur-faschismus-nach-umberto-eco/

Der Rassismus an sich hat dabei eine rein funktionelle Rolle und ist Bestandteil des Werkzeugkastens der Propaganda, Demagogie. Daneben liegen Fremdenfeindlichkeit, Appelle an Existenzängste und der jeweils passende Buhmann für alles. Die Polizei wird dabei mit eingebunden. Doch zuerst sind es die Politiker, die die Ängste schüren, eine Gruppierung zum Buhmann erklären, um von anderen Schwierigkeiten bzw. Sauereien abzulenken, vermeintlich existenzielle Gefahren propagieren. Ihnen folgen die aufgehetzten Bürger, welche wiederum von der Polizei Maßnahmen erwarten. Das prominenteste Berliner Beispiel ist der Görlitzer Park. Anwohner und am anderen Deutschlands lebende Deutsche mokieren sich über Dealer, die oftmals eine dunkle Hautfarbe haben. Der Grund ist simpel. Das Leben in Deutschland ist teuer, arbeiten dürfen sie nicht, die Zuwendungen reichen nicht aus, also dealen sie. Wahrlich kein Problem, welches sich auf Berlin beschränkt. In allen größeren europäischen Städten tritt dieses Phänomen auf und im Verhältnis zu anderen Metropolen ist es in Berlin überschaubar. Aber das Thema wird gepuscht. Ich fände es viel spannender aufzudecken, wer und vor allem wie viel, dem Berliner Senat Geld abzockt, welches niemals bei den Flüchtlingen ankommt.
Wie auch immer, es wurde die Situation erzeugt, in der die Polizei gezwungen ist, die Dealer aus dem Park in andere Ecken von Berlin zu verdrängen. Dieses Spiel wird schon seit Jahrzehnten gespielt. Dies ruft wiederum diejenigen auf den Plan, die den Begriff “Struktureller Rassismus” bei der Polizei prägten. Nebenbei sind es häufig die gleichen Anwohner, die zuvor ein Eingreifen forderten. Komischerweise lassen sich die Dealer nicht mit gutem Zureden überzeugen. Noch lustiger ist dabei, dass dem Berliner Babystrich ein paar Jahre zuvor kurzerhand der Status “Kriminalitätsbelasteter Ort” genommen wurde. Der Strich ist noch da, aber die Immobilienmakler können ohne diesen schlechten Titel die Grundstücke teurer verkaufen. Ein Schelm, wer auf die Idee kommt, dass dies auch beim Park eine Rolle spielt. Sind die eingesetzten Beamten/innen, die im Auftrag handeln, Rassisten? Oder sind irgendwie beide, die Dealer und die Polizei, Schachfiguren, die von ganz anderen Leuten hin- und hergeschoben werden? Ich weiß nicht, wie sich manche Leute Polizeidienst vorstellen. Für meinen Teil kann ich sagen, dass es bei uns einen Standarddialog gab:

“Warum machen wir diesen Unsinn?”
“Halt die Klappe, ist Politik, angeordnet und bezahlt!”
“OK!”

Wer damit nicht klarkommt, muss den Job wechseln. Ich habe erlebt, wie vier zivile Streifen einen Monat lang eine Laubenkolonie beobachteten, weil bei der Tochter eines namhaften Politikers in den Geräteschuppen eingebrochen wurde. Gut, dass der Täter ein Urdeutscher Heroinabhängiger war. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn es sich um einen Nigerianer gehandelt hätte.

In meiner 30-jährigen Laufbahn erlebte ich genau drei waschechte Rassisten. Einer war gebürtiger weißer Südafrikaner, der andere landete später bei den GRÜNEN und der Dritte, ein mieser Typ, durch und durch, ist mit einem guten Dienstgrad pensioniert worden. Viele Kollegen wurden im Lauf der Jahre zu Misanthropen, aber das hat nichts mit Rassismus zu tun.

7 April 2023

Die Büchse der Pandora steht offen

a person doing hand gestures while wearing a vr goggles Lesedauer 8 Minuten

Ich bin wahrlich kein Computer-Freak. Meine Kenntnisse sind oberflächlich und ich verstehe in etwa, worum es geht. Am ehesten würde ich das mit einem Autofahrer vergleichen, der über ein grundsätzliches Verständnis für Fahrzeugtechnik verfügt, vielleicht noch solange an Autos schraubte, bis unter der Motorhaube nur noch ein Block zu sehen war, fahren und im Notfall mal einen Reifen wechseln kann. Autos sind ein gutes Beispiel. Heutzutage setzt man sich hinein und jede Menge Fahrassistenten sollen dafür sorgen, dass das Fahrzeug auch bei schwerwiegenderen Fahrfehlern nicht in einen Unfall verwickelt wird. Aber jeder Fahrtrainer weist auf die Grenzen der Physik hin. An einem ermittelbaren Punkt, kann auch der Spurassistent nichts mehr ausrichten und die Blechkiste auf vier Rädern verselbstständigt sich. Es gibt wenige Autofahrer und Fahrerinnen, die im alten Sinne wirklich Auto fahren können. Sie setzen sich hinein und überlassen ihr Schicksal im Wesentlichen der Technik. Vor ein paar Jahren bin ich mal nach langer Zeit in einem VW Käfer, Baujahr 1972, durch den Schwarzwald gefahren. Da wurde mir dies wieder einmal bewusst. Es ist schon toll, was die heutigen Fahrzeuge an Komfort anbieten. Gleichsam erschreckend, wie schnell sie von außen her gehackt werden können. Wiederum aber nicht verwunderlich, wenn man weiß, dass russische Hacker ukrainische Atomkraftwerke hackten und Versorgungskreise manipulierten.

In der jüngeren Vergangenheit wurden Computer-Programme immer umfangreicher und bieten den Nutzern nunmehr noch vor wenigen Jahren unvorstellbare Möglichkeiten. Wenige Spezialisten wissen, was da im Hintergrund passiert. Für die Anwender ist es auch irrelevant. Sie müssen wissen, welche Menüs sie benutzen müssen. Womit sich die moderne, digitalisierte Welt in zwei Lager spaltet: Die Wissenden und die versierten Anwender. Aber es gibt noch mehr Gruppen. Beispielsweise nutzen viele Anwender Office-Programme analog zu einer alten Schreibmaschine und andere können damit wirklich Texte verarbeiten. Nicht anders sieht es bei Programmen aus, mit denen Fotos und allerlei Medien bearbeitet werden können. Die breite Masse benutzt automatisierte Filter, die Fotos verschönern oder kleinere Filme entstehen lassen.

In meiner Generation mussten die Menschen lernen, von der analogen Welt auf die virtuelle Welt und die sich aus ihr ergebenden Möglichkeiten umzudenken. Mir wurde dies besonders deutlich, wenn ich für Vorgesetzte Präsentationen erstellen sollte. Ein Präsentationsprogramm soll den oder die Vortragende/n unterstützen und nicht ersetzen. Das bekamen die häufig nicht hin. An der Wand erschienen dann ganze Abhandlungen, die aus den Zuhörern, Mitlesende, werden ließen. Es dauerte auch lange, bis sich in Behörden durchsetzte, dass eine Textdatei eben kein Blatt Papier ist und anderes gestaltet werden muss. In meiner Branche passierte noch etwas anderes. Als ich in meinem Job das Laufen lernte, brachte man mir noch das Entwickeln von Filmen bei. Wir arbeiteten mit konspirativen Kameras und die speziellen Formate konnten nicht einfach in ein Labor gegeben werden. In dieser Zeit war ein Foto einfach ein Foto, und damit oftmals ein gutes Beweismittel. Manipulationen waren ziemlich einfach zu entlarven. Das änderte sich mit der Digitalisierung und Bearbeitungsprogrammen. Mit forensischen Programmen lassen sie sich immer noch aufdecken, aber halt nicht mehr so einfach.

Mittlerweile weiß nahezu jede/r, wie trügerisch ein Bild sein kann. Doch wissen ist nicht alles. Man muss auch bereit sein, Zweifel zu hegen. Und allzu oft wird bedient, was die Leute sehen und glauben wollen. Wenn es zu dem passt, was man erwartet, wird es schon so sein. Es kann nicht jeder so paranoid sein wie ich und grundsätzlich jedem digitalen Bild misstrauen. Ich möchte sogar behaupten, dass es eine ziemlich große Gruppe gibt, deren Mitglieder nicht einmal ansatzweise wissen, was bereits bisher möglich war. Dies kann auf unterschiedliche Gründe zurückzuführen sein. Manchen ist es schlicht egal, so wie vieles völlig an ihnen vorbeigeht. Ein wenig despektierlich bezeichne ich sie als frei verfügbare biologische Masse, die je nach Zweck und Bedürfnis von Leuten, die sich mit alledem auskennen, benutzt werden kann. Andere sind schlicht zu alt, um sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Sie wurden lange vor der Digitalisierung geboren. Theoretisch können sie nur darauf vertrauen, dass es genügend Jüngere gibt, die sich dem Missbrauch entgegenstellen. Jedenfalls, wenn sie klug sind. Sind sie es nicht, werden sie zum Werkzeug derjenigen, welche sie böswillig manipulieren und dreschen ausgerechnet auf diejenigen ein, welche Kritik üben.

Teilweise kann ich ihnen dies aus vielerlei Gründen nicht vorwerfen. Nicht mit der Digitalisierung aufgewachsen zu sein, steht vielem entgegen. Jetzt in diesem Moment, während ich hier schreibe, läuft hier ein kleiner Junge herum, der darauf wartet, dass seine Mutter wach wird. Dies tut er nicht, weil es dabei um sie geht, sondern er ohne sie nicht an das Smartphone mit seinen Spielen herankommt. Mit der analogen Welt kann er nichts anfangen. Mich hätte man in seinem Alter eine Weile suchen müssen, weil ich irgendwo fasziniert eine Ameisenstraße beobachtete. Auf der anderen Seite steht die Generation, die nicht mit PC-Spielen, Social Media, digitalen Nachrichten, wischen, klicken, scrollen, aufwuchsen und den ganzen Kram ziemlich dämlich finden. Etwas, was ich gut nachvollziehen kann.
Ein weiterer Punkt sind die mannigfaltigen gesellschaftlichen Veränderungen, die nicht ausschließlich auf die Digitalisierung, doch zumindest teilweise darauf zurückzuführen sind. Da wäre die Sprache zu nennen. Ganz simpel fängt es damit an, dass die ältere deutsche Generation, neben der französischen und spanischen, nur rudimentär Englisch lernten. Englisch ist in der digitalen Welt essenziell. Des Weiteren bedienen sich ausgerechnet jene, von denen gesellschaftliche Impulse ausgehen sollten, einer Sprache, die entweder aus Subkulturen stammt oder lediglich auf dem Campus verstanden wird.

Auch dies kenne ich aus meiner beruflichen Laufbahn. In Behörden beschäftigte Führungskräfte entwickelten sich passend zum Zeitgeist. Mit Neid schauten sie auf die schicken Frauen und Männer in der freien Marktwirtschaft, die sich hochtrabende Titel gaben und mit furchtbar wichtig klingenden Wörtern um sich warfen. Aus Fachdienststellen wurden Kompetenzzentren, Vorstellungsgespräche mutierten zu Assessment-Centern, aus Fähigkeiten wurden Skills und statt erklärt, wurde plötzlich gebrieft. Dies sind noch die harmlosen Begriffe. Mit Sachen, wie Balance-Scorekarten, will ich gar nicht erst anfangen. Ich nahm an diversen Besprechungen teil, bei denen ich genau wusste, dass 90 % der Anwesenden keinen blassen Schimmer von der Bedeutung der Worte hatten, die sie benutzten. Denn es ging nicht um die Inhalte, sondern im Vordergrund stand die Selbstdarstellung. Begriffe kann man sich gegenseitig an den Kopf werfen, wenn jeder weiß, was unter ihnen in Gänze zusammengefasst wird. Ist dies nicht der Fall, kann man sich das Gespräch auch sparen und einfach ein Bier trinken gehen.

Was sich zum Beispiel bei Twitter an “Sprachposern” versammelt, ist beachtlich. Ich erwähnte es bereits in einem Beitrag: Ich hab überhaupt nichts gegen das sogenannte “Gendern”. Für mich ist es an vielen Stellen nachvollziehbar, dass Frauen eine neue Epoche einleiten wollen, die endlich die Dominanz von Männern durchbricht. Aber bitte zweckmäßig und an den richtigen Stellen. Letztens las ich “Jemensch”, statt “Jemand”. Etymologisch ein ziemlicher Unsinn und eher geeignet, den berechtigten Anspruch ins Lächerliche zu ziehen. Wie auch immer, dies sei nur ein kleiner Abstecher gewesen.

Es gibt also Wissende, Nutznießer, die sich dieses Wissens bedienen, um ihre Arbeit zu verrichten und welche, die es dafür benutzen, um Teile der Gesellschaft in ihrem Sinne zu manipulieren. Es gibt die, denen alles egal ist und sich willfährig manipulieren lassen. Wiederum andere würden gern verstehen, aber sie werden von denen allein gelassen, die ihnen mit ein wenig Mühe und Engagement erklären könnten, was um sie herum passiert, aber sich arrogant in Kauderwelsch ergehen. Und es gilt zwischen Anwendern und Machern zu unterscheiden.

Ein neues Spielzeug für eine unreife Spezies

Innerhalb weniger Jahre ist die Entwicklung der “Künstlichen Intelligenz” erheblich vorangetrieben worden. Nunmehr sind darauf basierende Anwendungen für alle online oder auch auf dem eigenen Rechner nutzbar. Man kann mit “ihr” chatten und man bekommt auf der Basis der eingepflegten Daten Antworten. Oder mit einigen Anweisungen, Bilder generieren oder ganze Filme entstehen lassen. Ebenso ist es zukünftig möglich, eine Stimme analysieren zu lassen und sie für alles Erdenkliche benutzen. Spaßvögel könnten einen Film entstehen lassen, in dem Donald Trump und Marilyn Monroe die Hauptrollen spielen. Gleichzeitig ist alles möglich, was irgendwie kompromittierend sein könnte. Allerdings gibt es auch Programme, die den “Fake” schnell entlarven. So man denn will! Das ist keine Zukunftsmusik, sondern passiert jetzt und wird innerhalb kürzester Zeit immer ausgereifter werden.
Es ist die Situation eingetreten, die sich bereits seit längerer Zeit abzeichnet. Niemand kann mehr Bildern oder Filmen trauen. Ohne Wissender oder Urheber zu sein, ist man chancenlos. Es sei denn, Stellen, den man vertrauen kann, mischen sich ein. Hier kommt etwas Weiteres ins Spiel. Wem sollte man vertrauen können? Denen, die bereits mit weniger effizienten Mitteln auf Propaganda, Desinformation, Diffamierungskampagnen setzten?
In den vergangenen Monaten erlebten wir in Deutschland eine von der CDU/CSU, FDP, initiierte breite Kampagne, in der mittels Verfälschung der Aussagen des politischen Kontrahenten, der persönlichen Diffamierung, vollkommen jenseits der Sachthemen, die Rückeroberung der politischen Macht vorbereitet werden soll. Oder was ist mit der Strategie gegenüber den Protestanten zum Thema Klima? Auch hier wurden alle Register gezogen, statt sich mit der Sache auseinanderzusetzen. Da war die Kampagne, in der findige Köpfe erst Greta Thunberg zu einer angeblich religiösen Ikone stilisierten, folgerichtig die Diffamierung als Sekte nachgereicht und plötzlich deutsche Vertreterinnen als Sektenanführerinnen tituliert wurden. Was passierte in Lützerath? Eine Ausgangslage, die man so oder so hätte steuern können, wurde eskaliert, damit eine passende Gegenstimmung im Bürgertum entstand. Alles, damit sie sich zum eigentlichen Sachthema nicht positionieren müssen. Ebenso funktioniert die Strategie, bei der überall Verallgemeinerungen implementiert werden. Man muss Katja Kipping nicht mögen, aber sie sagte letztens wahre Worte. “Wenn immer allgemein von den Politikern/innen gesprochen wird, können sich diejenigen mit Machtfantasien und Bereicherungsabsicht in der grauen Menge verstecken.” Es hat auch funktioniert, jegliche Kritik am Kapital, Kapitalismus, Neoliberalismus, Klima-Politik, in eine große Sammelkiste mit der Aufschrift “links” zu packen. Darin tummeln sich mittlerweile Philosophen/innen, Naturwissenschaftler/innen, Ökologen/innen, Mediziner/innen, Intellektuelle, Anarchisten, Sozialisten, kritische Wirtschaftswissenschaftler. Alles ist “links”, also Kommunisten, die sind böse und wir wollen keine DDR. So lauten die Grunzlaute des Mobs.
Eine weitere signifikante Debatte ist die über die Legalisierung von Cannabis. Was da an falschen Studien veröffentlicht wird, welche fadenscheinige Rhetorik zum Tragen kommt, wie in Hochglanzmagazinen berichtet wird, ist atemberaubend. Würde McCarthy noch leben, klatschte er vor Begeisterung. Enttäuschen würde ihn allerdings, worum es mittlerweile tatsächlich geht. Die Legalisierung wird kommen, aber erst, wenn der Markt und Vertrieb seitens der Konzerne zu Ende geplant ist. Letztmalig erlebten wir eine ähnlich gelagerte Nummer beim Vertrieb der E-Zigaretten.
Kann man Leuten, die zu solchen Mitteln greifen, über den Weg trauen? Ebenfalls erlebten wir Personen des öffentlichen Lebens, die sich zum Teil der russischen Kriegspropaganda machen ließen. Und schaue ich über die Grenzen Deutschlands hinaus, wird es noch schlimmer. Diverse Staaten werden sich solche Chancen nicht entgehen lassen. Sei es nach innen, um die eigene Bevölkerung zu steuern oder nach außen über die Geheimdienste. Ich habe da Indien vor Augen, wo die Regierung ein eigenes Social Media Netzwerk betreibt und jede Menge Leute damit beauftragt sind, diese tendenziös zu füttern.

In den Anfängen des 20. Jahrhunderts stellten sich einige Schriftsteller die Frage, was passieren würde, wenn man bestimmten Charakteren Werkzeuge in die Hände gäbe, mit denen sie in Perfektion große Massen steuern und überwachen könnten. Die Charaktere änderten sich nicht und nun im 21. Jahrhundert sind die Werkzeuge vorhanden. Orwell, Huxley, konnten nur mutmaßen, wie sie aussehen würden. Heute kennen wir sie. Orwell irrte sich um 39 Jahre. Geschenkt und irrelevant. Es liegt alles auf dem Tisch und einige müssen nur noch zugreifen. Ich bin mir absolut sicher, dass sie es tun werden. Es sei denn, irgendwer oder irgendetwas zieht die Bremse. Die sich da bedienen werden, ersehen sich selbst nicht einmal als negative Erscheinungen. Sie sind so sehr davon überzeugt, dass sie den Durchblick haben, dass sie nicht nur Gutes tun, sondern sogar dazu verpflichtet sind. Exakt an der Stelle bin ich persönlich raus. Mir haben sich die Worte eines solchen Menschen eingebrannt: “Sie müssen darauf vertrauen, dass ihre Vorgesetzten über ein erweitertes Wissen verfügen und die richtigen Entscheidungen treffen.” Darauf ist der nicht alleine gekommen. So zu denken, wurde ihm innerhalb seiner Blase der Macht beigebracht. Denen, die jetzt die Augenbrauen hochziehen, sei gesagt, dass ich mich eine kurze Zeit mit Kommunikationstraining für Führungskräfte auseinandersetzte. In diesem Zusammenhang konnte ich meine eigenen Erfahrungen dazu sammeln, wie schnell sich viele in dieser Blase befinden und schlagartig über und mit anderen sprechen, als wenn die aus einer völlig anderen Welt stammten.

Es heißt: Wissen ist Macht. Für mich ist dies die berühmte halbe Wahrheit. Meistens genügt es vollauf, wenn ich das Talent und die charakterlichen Voraussetzungen mitbringe, dieses Wissen anderer für meine Zwecke zu nutzen. Im Zusammenhang mit den genannten Werkzeugen haben wieder mal einige damit Befasste den Augenblick verpasst, in dem sie sich hätten fragen sollen: “Was kann passieren, wenn diese Werkzeuge missbraucht werden?” Und selbst wenn sie diese Frage gestellt hätten, wäre jemand daher gekommen, der gesagt hätte: “Das liegt nicht in unseren Händen. Wir haben geforscht und entwickelt, was die Menschen daraus machen, ist ihr Ding.” Wir leben leider nicht in einem dieser Hollywood-Filme, in dem ein vernünftiger Held etwas entsorgt, weil es in den Händen der falschen Leute zur Katastrophe führen könnte.
Aber wie erwähnt, liegt dies in der Vergangenheit, jetzt ist es in der Welt. Ein weiteres Spielzeug in den Händen einer Spezies, die noch lange nicht dazu reif ist, damit umzugehen. Sich dem Traum hinzugeben, dass auch jene, die andere Haltungen einnehmen, sich dieser Werkzeuge bedienen können, ist nicht meins. Dafür sind die anderen zu skrupellos. Das Gesetz lautet: In einer Schlangengrube überleben nur Schlangen. Uns wird im Idealfall auch nicht die Isolation gelingen. Wenn in anderen Staaten damit Massen gelenkt werden, hat dies Auswirkungen auf uns und wir werden mit hineingezogen. Auch etwas, was sich bereits jetzt abzeichnet.

Heute war so ein Tag. Ich schaute mir Bilder von den Unruhen in Paris an. Da war eins dabei, welches eine vollkommen vermüllte Straße zeigte. Angeblich ein Ergebnis des Streiks. Fake? Realität? Ich kann es nicht beurteilen. Dazu müsste ich hinfahren. Zig Leute werden sich diese Frage nicht stellen und es auf Deutschland projizieren. Ja, es hat bereits angefangen …

3 April 2023

Cheap-Cheap

Lesedauer 9 Minuten

Vor drei Jahren traf ich einen jungen Kerl aus Barcelona. Er war ein einfacher Bauarbeiter, der in Spanien keinen Job gefunden hatte und sich deshalb auf Reisen ging. Doch ich glaube, dies war nicht seine einzige Motivation. In Australien arbeitete er zeitweilig als Küchengehilfe. Bis zu dem Tag, an dem ihm der Restaurantbesitzer fragte: “Du bist doch Spanier? Dann kannst Du bestimmt gut mit Rindfleisch umgehen.” Schnell wurde er auf die Art zum gutbezahlten Restaurantleiter. Trotzdem zog es ihn eines Tages weiter. Also scheint ihn auch ein wenig die Abenteuerlust angetrieben zu haben.
Wir beide lernten uns in der Warteschlange der Grenzkontrolle nach Malaysia kennen. Ein Wort gab das andere und wir beschlossen uns gemeinsam ins gleiche Guesthouse zu begeben. Die Nummer mit dem “Cheap” ging schon am Fährterminal los. Auf der Insel Langkawi angekommen benötigten wir ein Transportmittel zu unserem Ziel Cenang Beach. Er wuselte herum und suchte etwas Passendes. Die regulären Taxen waren ihm zu teuer. Dazu muss ich erwähnen, dass eine Fahrt umgerechnet 5 EUR kostete und die Fahrt locker 15 Minuten dauerte. Zu meinem Entsetzen schickte er sich an, einen Busfahrer zu fragen, ob der uns mitnehmen würde. Problem: Der Bus war vollständig mit uniformierten jungen Polizistinnen in der Ausbildung besetzt. Bei der ganzen Aktion sagte er immer wieder: “I’m looking for a cheap solution.”

Das setzte sich im Guesthouse fort und wir beide landeten in einem Dorm mit 10 Leuten. Grundsätzlich habe ich nichts dagegen, aber dort lag man auf in Plastik eingepackten Matratzen und die Betten wackelten bedrohlich. Nach einer Nacht wählte ich die teurere Lösung und mietete einen Bungalow. Cheap-Cheap, so nannte ich ihn bereits nach dieser einen Nacht, bot ich an, gegen den Preis eines Betts im Dorm, bei mir zu schlafen.

Cheap!“, das setzte sich bei mir fest. Hört man den Gesprächen der Backpacker und anderen Reisenden aus den “Wohlfahrtsstaaten” zu, gibt es zwei Optionen. Entweder, ein Platz ist “Cheap” oder zu teuer, also “expensiv”. Inwiefern dies mit dem Lebensstandard, der wirtschaftlichen Lage des jeweiligen Landes zu tun hat und was das für die Leute bedeutet, kümmert sie dabei wenig. Ich erinnere mich dabei an die Zeit, in der wir als junge Erlebnisorientierte nach Prag fuhren und dort für umgerechnet 30 Pfennig ein Bier bekamen. Oder als wir West-Berliner nach dem Fall der Mauer auf dem Schwarzmarkt Deutsche Mark in Ostmark zu einem Kurs von 1:50 tauschten, um dann mit dem Geld in den ehemaligen DDR-Bonzen-Läden die Sau herauszulassen. Ich habe auch nicht vergessen, wie einige der Meinung waren, in normalen Clubs den dicken Maxen spielen zu können, um dann von den Jungs aus Prenzelberg ordentlich auf den Zahn zu bekommen. Ähnliches erlebte ich auch in einer polnischen Grenzstadt.

Ich bin nicht mehr der junge Kerl von damals. Meine Gedanken gehen heute deutlich weiter. Sich als “reicher” privilegierter Typ in einem armen Land zu bewegen, ist nicht ganz unproblematisch. Wenigstens sollte man sich dessen bewusst sein. Für mich gibt es da eine fließende Grenze zwischen Reisen und einer Situation, die ich als beinahe pornografisch bezeichnen würde. Heute hörte ich, wie sich eine Deutsche mit einem Italiener über die Länder unterhielt, in denen sie bereits waren und wie ihre weiteren Reisepläne aussehen. Bei der Deutschen ist Sri Lanka auf der Agenda, Sri Lanka. Ein Land, welches sich in einer bösen Krise befindet, in deren Folge Teile der Bevölkerung an Hunger und Not leiden. Reisende werden allerdings bevorzugt behandelt und bekommen zum Beispiel ansonsten rationierten Kraftstoff zu kaufen. Doch darum ging es in dem Gespräch nicht. Günstiges Essen, billige (cheap) Unterkünfte, aber zu wenige Kohlenhydrate bei der Ernährung, lauteten die Themen. Ich unterscheide konsequent zwischen einer anderen einfachen Lebensart und Armut. Unterernährung, der Mangel an sauberen Trinkwasser, fehlende medizinische Versorgung und seien es nur die althergebrachten Heilmethoden, die dort seit Urzeiten praktiziert werden, ist für mich definitiv Armut. Ob die Leute nun in offenen Hütten oder Zelten leben, halbnackt sind, alles mit Booten oder Handkarren transportieren, ist eine vollkommen andere Angelegenheit bzw. schlicht deren Lebensweise.

Nochmals anders ist die Ausgangslage der deutschen Rentner in Thailand. Sie gehen dorthin, weil sie sich dort ein Leben leisten können, welches sie zu Hause in Deutschland nicht finanzieren könnten. Die Thais wiederum setzen auf sie, weil sie zahlende Kundschaft sind. Klingt erst einmal nach einer Win-win-Situation. Ein wenig befremdlich ist es dennoch. Da arbeiten Leute ein ganzes Leben lang und am Ende genügt ihr Geld nicht für einen angenehmen Lebensabend. Jedenfalls für keinen, der den allgemeinen deutschen Vorstellungen entspricht. Doch bei den Thais sieht es nicht anders aus. Dort und in anderen südostasiatischen Ländern läuft die Versorgung über die Kinder. Ohne Kinder landen sie in bitterer Armut und werden auch nicht sonderlich alt. Für Thais sind mehrere Kinder existenziell. Bei nur einem besteht das Risiko, dass etwas schiefgeht, zwei, drei, vier, geben eine gewisse Sicherheit. Töchter, die sich von einem alten “reichen” Westerner aushalten lassen, sind quasi ein Lotto-Gewinn. Zumindest gilt dies für die Eltern. Fest steht auch, dass das, was Nordthailänder unter einem versorgten Lebensabend verstehen, nichts mit den deutschen Vorstellungen zu tun hat. Eine ganz andere Kategorie sind die Männer, welche ihre aktuell zulässigen 45 Tage Aufenthalt zur billigen Befriedigung ihrer sexuellen Triebe nutzen. Dagegen sind die Thais teilweise vorgegangen, woraufhin die Typen nach Kambodscha ausgewichen sind.

Aber egal, wie man es betrachtet oder welchen ethischen Kompass man benutzt, eins ist nüchtern festzustellen. Es funktioniert nur wegen des finanziellen Gefälles. Das Argument, welches einige vorbringen, demnach sie immerhin Geld ins ärmere Land bringen, kann ich nicht folgen. Dies würde auch mit einer Spende funktionieren. Genügend Hilfsorganisationen gibt es. Das ist ein ziemlich plumper Versuch, sich zum Philanthropen zu stilisieren. Tatsächlich geht es in erster Linie um den eigenen Vorteil. Ich dachte selbst kurzfristig über einen Abstecher nach Sri Lanka nach. Doch ich habe es verworfen. Ich bekomme dies nicht mit meinen Prinzipien in Einklang. Als ich Laos besuchte, war ich noch suchend und unerfahrener.

Meine Lebensart hier auf der Insel Langkawi oder in Thailand unterscheidet sich nicht sonderlich von der, die ich mir in Deutschland leisten kann. Ich miete mich nicht in Hotels ein, die ich mir sonst nicht leisten könnte. Gleiches gilt für Restaurants, in denen mich Meeresfrüchte einen Bruchteil dessen kosten, was ich in Berlin hinlegen müsste. Ebenfalls kaufe ich mir keine Cocktails, die in Berlin mein Budget sprengen würden. Meinem Gefühl nach, leiste ich mir, was sich hier die durchschnittlich verdienenden Leute auch kaufen können. Leute, denen es schlecht geht, gibt es immer und ich kann es nicht ändern. Was ich aber versuche, ist eine gewisse Fairness an den Tag zu legen. Ich zahle durchaus mal ein paar Ringit mehr für ein reguläres Taxi oder schau, dass ich eher die kleineren Business-Läden nutze und esse dort auch mal die Speisen, mit denen sie versuchen ein wenig mehr Geld zu verdienen, selbst wenn’s nicht unbedingt mein favorisiertes Gericht ist.

Cheap-Cheap, ist im Prinzip das deutsche “Geiz ist geil!” Ein Motto, auf das man nicht stolz sein sollte. Klar, wenn man nichts hat, ist man dankbar für die Dumping-Angebote. Obwohl auch hier ein Trick dahinter steht. So ist zum Beispiel das verlockende Angebot, dass ein Anbieter im Falle des Nachweises, den niederen Preis des Mitbewerbers anzunehmen, eine versteckte Kartellbildung. Anfangs sinkt der Preis. Doch das ändert sich. In einem Artikel des Magazins handelsblatt.com, wurde das Prinzip, welches auf der Spieltheorie beruht, ganz gut erläutert:

… Niedrigstpreisgarantien gehen darüber hinaus, indem sie versprechen, mit einem niedrigeren Preis eines Konkurrenten nicht nur gleichzuziehen, sondern diesen sogar zu unterbieten. Führt ein Unternehmen eine Niedrigstpreisgarantie ein und erhöht den Preis, so büßen die Konkurrenten Marktanteile ein, da sie aufgrund dieser Preisgarantie immer unterboten werden. Sie können ihre Marktanteile nur zurückgewinnen, wenn sie ebenfalls einen höheren Preis fordern. Niedrigstpreisgarantien sind also eine deutliche Aufforderung an die Konkurrenz, ebenfalls die Preise zu erhöhen. Ist ein Teil der Konsumenten nicht über die Preise der Unternehmen informiert, können Preisgarantien nach Erkenntnissen der amerikanischen Ökonomen David Hirshleifer zur Preisdiskriminierung genutzt werden und insgesamt wiederum zu höheren Preisen führen.

https://www.handelsblatt.com/finanzen/steuern-recht/recht/streitfall-des-tages-der-trick-mit-der-preisgarantie/6867000.html


Wenn es nach meinen “Freunden” den Turbo-Kapitalisten geht, sind alle Menschen “Homo oeconomicus“. Auch ein Begriff, der aus der Spieltheorie stammt. Und tatsächlich ist der Mensch dankenswerterweise anders oder kann anders sein, wenn er nicht dahingehend manipuliert wird. Der beste Nachweis dafür ist eins meiner Lieblingsexperimente aus der Spieltheorie. Von zwei Versuchspersonen wird einer, mit der Aufforderung das Geld zwischen beiden aufzuteilen, ein Betrag in Höhe von 50 EUR übergeben. Stimmt die andere Person der Aufteilung zu, können sie das Geld behalten. Im Falle eines Homo oeconomicus wäre zu erwarten, dass die andere Person sogar bei einer Teilung in 49,99/0,1 zustimmt, weil selbst der 1 Cent mehr ist, als zuvor. Frei nach: Besser als Nichts! In der Realität sieht es aber anders aus. Um so mehr die Aufteilung von 50:50 abweicht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die andere Person blockiert und beide leer ausgehen,

Für mich ist das ein Signal dafür, dass bei den Leuten, die mit dem Motto Cheap-Cheap unterwegs sind, etwas in die Schieflage geraten ist. Vielleicht liegt es daran, dass sie es aus den Heimatländern gewohnt sind, grundsätzlich übers Ohr gehauen zu werden. Klar gibt es auch hier deutliche Unterschiede. Ein aus Europa importiertes Bier kostet im Duty-Free Shop 3,50 RGT (79 Cent) und in einem kleinen Minimarkt 5 RGT (1 EUR). Dafür hat der aber auch 24/7 geöffnet, muss einen anderen Mietpreis zahlen, gibt einigen einfachen Menschen einen Arbeitsplatz und befindet sich in der Nähe der Guesthouses. Unter dem Strich wurden in Deutschland auf die Art nach und nach alle kleinen Dorfläden kaputt gemacht, infolgedessen die Leute gezwungen sind, mit Autos zum Einkaufen zu fahren und die Luft verpesten.

Ich halte es nicht für falsch, mit Tourismus ärmere Länder zu unterstützen. Doch da gibt es einige Klippen. Die Einheimischen haben überhaupt nichts davon, wenn die Touristen in den großen Hotelbunkern oder ummauerten “Reservaten” unterkommen. Das Geld fließt direkt in die Taschen der großen Globalplayer. Allzu selten verlassen die verwöhnten Touris die ihnen zugewiesenen Habitate und essen in einem der kleinen Restaurants im Hinterland. Ebenso wenig nehmen sie die Dienstleistungen der kleineren Anbieter in Anspruch. Für die “normale” Bevölkerung bleiben die Schäden und bei der allgemeinen ökologischen Lage, am Ende für uns alle.
Die großen Hotels benötigen eine deutlich ausgedehntere Infrastruktur, als die vielen kleinen Anbieter. Da ist die Entwässerung, der Mehrverbrauch an Wasser durch Pools, schicke Springbrunnen, Rasenflächen, Gartenanlagen und interne Angebote. Ich sehe das hier auf der Insel Langkawi. Bereits im Bau sind die Beton-Bauten ein ökologischer Horror. Das Geld landet überall, nur nicht zum Beispiel in der Entwässerung und Wiederaufbereitung. Vielfach sind Sammelcontainer aufgestellt, in denen die Feststoffe gesammelt werden, während alles Flüssige in der Landschaft oder über stinkende Kanäle im Meer landet. Dies bei stetig steigender Zahl an Betten. Da wirken nahegelegene “Schutzgebiete” für Mangroven-Wälder wie zu klein geratene Feigenblätter.

Nahezu alle Strände sind Mogelpackungen. Der Indische Ozean ist voll mit Müll. Steht der Wind ungünstig, landet der Müll aus der Straße von Malakka am Strand. Emsig sammeln diesen von der Kommune bezahlte Hungerlöhner oder im Bereich der Hotels, bei denen angestellte Bedienstete, ein. Auch eine Art der Beschaffungsmaßnahme. Auf einigen Inseln sah ich zu Ressorts gehörende Verbrennungsanlagen, die den Müll ohne Filter gnadenlos über hohe Schornsteine in die Luft jagen. Doch nicht jeder Müll kommt übers Meer. Überall werden Plastikpackungen, Strohhalme, Plastikflaschen, Schraubverschlüsse, Zigarettenfilter, unbekümmert in die Landschaft geworfen. Zu diesem teilweise unmittelbar auf den Tourismus zurückzuführenden Müll kommt der indirekte hinzu. Baumaterialien, Reifen, ausrangierte Jetskis, Scooter, Schmierstoffe, Dämmmaterialien, usw., verteilen sich überall.

Auch hier hinterlassen einem die “Cheaps-Cheaps” aus Europa mit Fragen. In Deutschland toben wilde Debatten über SUV, Verbrenner, Klimaneutralität. Hier wird als Erstes nach dem billigsten Scooter-Verleih gesucht. Es gibt auch keine Gewissensprobleme beim Leihen eines Jetskis, einem Tandem-Flug oder wenn man sich mit einem Fallschirm über das Meer ziehen lässt. Selbst ein Bekannter aus Berlin, hatte nichts Besseres zu tun, als sich einen derartigen Flug zu gönnen. Nun ja, fairerweise muss ich anmerken, dass viele ihre Sünden mit einer vegetarischen Ernährung ausgleichen (Zynismus: off). Gleichfalls ist es für sie unproblematisch, jeden Tag die Klima-Anlage auf 25 Grad zu stellen und klimatisierte Lokale zu bevorzugen.

Ich unterstütze den Protest in Deutschland. Selbst wenn die Protestierenden bigott sind und mit ihrer Lebensart selbst jede Menge Schäden anrichten, sind ihre Forderungen an sich völlig korrekt. Mir geht es nicht anders. Auch ich tue vieles, was nicht mit meiner Kritik deckungsgleich ist. “Die sollen erst einmal bei sich selbst anfangen!”, ist eine perfide Rhetorik, mit der nur vom eigenen Fehlverhalten abgelenkt werden soll. Anders: Das ist unterstes Buddelkastenniveau aus Kindheitstagen. Mama, die anderen Kinder haben aber auch! Solche Leute kann ich nicht für voll nehmen. Mich macht dabei etwas anderes nervös.
Auch die nachfolgende Generation ist im System und der von unterschiedlichsten Menschen geschaffenen Weltlage gefangen.
Ich halte Reisen für wichtig. Das Kennenlernen anderer Kulturen, Lebensweisen, Ansichten, gehört für mich zur Vervollständigung eines Lebens dazu. Jeder, der es tun kann, sollte es auch machen. Da schließe ich mich großen Denkern der Vergangenheit an und folge ihren Gedankengängen dazu. Ich hätte gern erneut ein anderes Reisemittel nach Südostasien gewählt, als ausgerechnet einen Flug. Doch die Weltlage lässt dies nicht zu. Zwischen Deutschland und Südostasien liegen einfach zu viele Staaten, die ich ungern, gar nicht oder nur unter Lebensgefahr passieren kann. Dafür können die Cheaps-Cheaps schon mal nichts.
Die Welt, in die sie hineingeboren wurden, das Denken, die Strukturen, die Lebensmodelle und die Wertvorstellungen, haben wir, die ältere Generation erschaffen und wir erhalten sie am Leben. Es ist unmöglich, auf alles im Einzelnen einzugehen. Fakt ist: Wir haben global die Kontrolle über das von uns erschaffene System verloren. Es hat sich verselbstständigt. Ob nun unter absolut in jeder Hinsicht unvertretbaren Umständen Produkte in Asien entstehen, die als Billigware in Europa landen oder Geräte produziert werden, die zur Profitmaximierung nicht nach ökologischen Gesichtspunkten konzipiert sind, Steuern hinterzogen werden, jeden Tag irgendwo eine ökologische Katastrophe stattfindet, weil gespart wurde, wo man nur konnte, es ist unter den gegebenen Umständen kein Einhalt mehr zu gebieten.

Zwar hat Christian Lindner mal wieder den Vorgel abgeschossen, doch letztendlich zeigt er mit seiner puren Existenz, seiner Funktion und Verlautbarungen, wo wir stehen. Nach ihm ist nicht Verkehrsminister Wissing verantwortlich, sondern die Bürger, welche einen Verkehrsausbau einfordern.
Ergo: Weder der Hersteller von Kriegswaffen, noch der Händler ist für den Bedarf verantwortlich, sondern diejenigen, welche damit Kriege führen. Nicht die Billigproduzenten tragen Verantwortung, sondern die Käufer, welche sie kaufen. Auch die Hersteller von Geräten, deren Komponenten und Rohstoffe von quasi Sklaven aus aller Welt zusammengebaut oder geschürft werden, sind verantwortlich, sondern die Käufer. Das lässt sich unendlich fortsetzen. Da sind meine Cheaps-Cheaps noch das geringste Problem und ein ganz kleines Symptom für eine wütende Krankheit.

Ich gebe zu, in meinem tiefsten Innern geht mir immer häufiger dieses ganze Gerede über Demokratie, Toleranz und Akzeptanz immer mehr auf den Zünder. Mich stört diese Ohnmacht gewaltig und ich suche eigene Strategien, damit ein Handling zu finden. Es ist gut, dass ich hier und damit weit weg vom Schuss bin. Ich weiß nicht, was ich aktuell jemanden an den Kopf werfen würde, die/der mir die Ohren mit der DDR oder Sozialismus zu sabbeln würde. Diese Quatschköppe kommen mir vor wie Grundschüler, die sich über einen Lehrer beschweren, der ihnen eine Ansage macht, weil sie sich benehmen wie ein Haufen Hühner auf LSD. Die Deppen, welche ständig infantil von Mehrheiten sprechen, die sich hierfür oder dafür ausgesprochen haben, sind auch nicht besser. Mehrheiten entstehen zum Beginn des 21. Jahrhunderts nicht mehr durch Überzeugung, mit rationalen Argumenten, sondern sind das Ergebnis von Kampagnen. Spätestens Trump und der Brexit haben dies beeindruckend bewiesen. Schlussendlich arbeite ich mich hier jeden Tag wider besseres Wissen an dem oberflächlichen Gerede der Cheaps-Cheaps ab. Wir sitzen in einem Boot und sie verantwortlich zu machen, ist mir zu billig.
Die Nummer überlasse ich selbstgefälligen alten Säcken und Trullas in Deutschland, die die Protestierenden anpöbeln. “Geht doch erst mal arbeiten und fasst Euch an die eigene Nase.” Wie ich es immer sage: “Wer den Mund aufmacht und spricht, gibt einiges an Informationen über sich selbst preis.” Früher waren diese Typen, diejenigen, welche zu jedem Kritiker sagten: “Dann geh doch rüber, Du Gammler.”


28 März 2023

Alleingelassene Borgs

Lesedauer 11 Minuten

“Die Fenster haben keine Scheiben. Es ist kalt. Eine Katze ist im Raum. Wir brauchen ihre Hilfe.”
Zitat aus der nächtlichen WhatsApp-Nachricht eines Backpackers an die Betreiberin eines Guesthouses.

Ich sitze derzeit in einem Guesthouse auf der Insel Langkawi. Im Durchschnitt liegen die Tagestemperaturen bei 35 Grad und nächtens bei 30 Grad. Auf diese Information komme ich nochmals zurück. Als Notiz zum Merken: Es gibt hier drei Jahreszeiten, Hot, hotter, fucking hot!
Im Angebot sind private Zimmer, mit eigenem Bad und welche mit Gemeinschaftstoilette inklusive Dusche. Dazu muss man wissen, dass in Asien die Duschen nicht abgetrennt sind, sondern der geflieste Boden einen Ablauf besitzt. Für Europäer ein wenig gewöhnungsbedürftig, so wie der Schlauch, mit dem man sich den Hintern sauber spritzt, aber wenn man es einmal verstanden hat, lernt man es zu schätzen.
Hinzu kommt ein Dormitory, in dem fünf Hochbetten stehen. Die privaten Räume werden mit Deckenventilator oder Klimaanlage vermietet. Der “Dorm” ist mit einer zentralen Klimaanlage ausgerüstet, zu der eine Fernbedienung gehört. Jeder Gast kann eine kleine Küche nutzen, welche sich innerhalb eines nach drei Seiten offenen Areals befindet. Darüber und dahinter befinden sich die privaten Räume der Besitzer. Soviel zur Beschreibung der Kulisse.

Die meisten Gäste bleiben vier Tage, um dann zum nächsten “angesagten” Platz zu reisen. Vornehmlich handelt es sich um junge Backpacker aus aller Welt. Allerdings kommt aktuell die Mehrheit aus Europa. Vor zwei Tagen sagte eine Travellerin aus Argentinien zu mir: “Ihr habt in Europa eine seltsame Kultur. Ihr schickt Eure Kinder ins Ausland, habt ihr keine Angst um sie? Und vor allem: Warum bezahlt ihr das alles?”
Ich entgegnete, dass vermögende US-amerikanische Eltern nicht anders wären. Die würden ihre Kinder im sogenannten “Gap-Year” auch auf den Rest der Welt loslassen. Und das meine ich genauso, wie ich es schreibe. Die sind der Horror und nerven jede/n, die/der ein wenig Kultur in den Knochen hat. Ich glaube, ihre Eltern hegen die Hoffnung, dass sie außerhalb der Staaten ein wenig von der alten Welt lernen. Also, so etwas wie Kultur. Wenn man den Gesprächen lauscht, kommen einem Zweifel, aber dazu später mehr. Ein wenig hadere ich mit alledem. Ich finde es gut, wenn die heutzutage schon früh andere Kulturen kennenlernen. Im Hinterkopf hab ich dabei auch den Gedanken, dass die eine oder andere aus der Blase herauskommt und die Geschehnisse in Europa, Deutschland, aus einer anderen Perspektive sieht. Damit meine ich nicht diese Häme, in der es heißt: “Da sehen sie mal, wie gut sie es in Europa haben.” Das ist relativ und hängt von vielen Faktoren ab.

Jedenfalls ergibt sich aus ein spannendes Szenario. Bei Hochbetrieb leben 25 fremde Menschen zusammen, teilen sich Töpfe, Pfannen, die sanitären Anlagen und Tisch, Stühle, Couch im Aufenthaltsbereich. Eigentlich sind hier die sanitären Anlagen einfach zu verstehen. Man benötigt keine Ausbildung für sanitäre Anlagen, damit sich einem die grundlegenden Funktionen erschließen. Aus der Wand ragt ein Drehknauf heraus, mit dem man das Wasser zum Laufen bringt. Gut, bisweilen ist er ein wenig schwergängig und mit seifigen Händen kann es Probleme geben. An der Wand befindet sich ein Durchlauferhitzer, mit einem Zulauf, welchen man mit einem Hahn absperren kann, der etwas griffiger ist. Wenn man also unter der Dusche steht und kein Wasser kommt, muss man sich in das Gehirn eines oder einer Backpacker/in hinein versetzen. Hände seifig, Hahn glitschig, also das Wasser oben abdrehen! Bisweilen muss man den Wasserhahn gar nicht andrehen, weil ein oder eine überforderte Backpacker/in, aus der Dusche ohne das Wasser abzudrehen, flüchtete. Und warum sollte man irgendjemand informieren, wenn das Wasser aus dem Spülkasten herauskommt? Wasser kommt von irgendwo her, findet auf mysteriösen Wegen in den Spülkasten und spült die Hinterlassenschaften der Verdauung weg. Was da in dem Kasten passiert, ist Zauberwerk oder irgendein hoch komplizierter Kram, der einen verstört. Tilt! Wegrennen!

Hoch qualifizierte Ingenieure der Raumfahrttechnik erfanden einst Teflon. Irgendeiner der Jungs, oder vielleicht eine Chemikerin, hatte ein Händchen fürs Kochen und kam auf die Idee, damit Pfannen zu beschichten. Mittlerweile wissen die meisten meiner Generation, dass Teflon eine Beschichtung ist und somit mittels Küchenwerkzeugen aus Metall abgekratzt werden kann. Leider ist dies noch nicht zu Backpackern/innen vorgedrungen. Eben sowenig, dass es keine mystischen Wesen gibt, die abwaschen oder wenn etwas abgewaschen ist, aus dem Ständer entfernt, wo man die Sachen zum Abtropfen hinstellt. Es beeindruckt mich immer wieder neu, mit welcher Kreativität der Stapel konstruiert wird. Ich nehme an, die meisten kennen das Spiel “Timber”. Dies wird hier jeden Tag gespielt, nur eben mit Geschirr. Mir fällt gerade auf, dass ich mich in einem Punkt korrigieren muss. Gealterte Tontechniker (78 Jahre) aus Liverpool, scheinen das Prinzip Teflon und anschließenden Abwasch auch nicht zu kennen. Zumindest in einem speziellen Fall kann ich dies bezeugen. OK, der Mann hatte immer deutlich jüngere Freundinnen und wurde vom Tour-Koch großer Bands betreut. Da drücke ich mal ein Auge zu. Der kennt seine Regler und schwelgt in Erinnerungen von Bowie und Queen.

Doch all das ist nichts gegen die Dramen, welche sich im Dorm abspielen. Ich erwähnte die Temperaturen. Selbst residiere ich in einem Privatroom mit Deckenventilator und ohne Klimaanlage. Manchmal hat das etwas von der Szene am Anfang des Films “Apokalypse Now”, in der Martin Sheen in Schweiß gebadet auf seinem Bett liegt. Ich denke mir, dass es sinnvoller ist, den Körper an die Temperaturen zu gewöhnen, als ihn jeden Morgen einem neuen Schock auszusetzen.
OK, manche schlafen am besten bei 20 Grad und andere bei 25 Grad. Es bedarf halt, wenn man mit 9 anderen Personen einen Raum teilt, einer Einigung. Und wie man diese am ehesten erreicht, will gelernt sein. Ich hätte vorgeschlagen, dass man sich in der Mitte einigt und jenen, denen zu kalt ist, eine Decke organisiert. Diese Anforderung an Leute zu stellen, welchen um 5:00 Uhr morgens einfällt, dass sie um 07:00 Uhr abreisen und noch ihren Rucksack packen müssen, ist ein gewagtes Unternehmen. Also, woran scheitert es? Und sie scheitern regelmäßig grandios. Es vergeht kein Vormittag, an dem sich keine/r beschwert. Also, woran scheiterten sie in der Nacht?

Für mich ist das die Frage schlechthin, die sich bei allen anarchistischen Überlegungen stellt oder jeder stellen sollte, der darüber nachdenkt. Alles steht und fällt mit dem gegenseitigen Erkennen und Verständnis füreinander inklusive der Bereitschaft, die eigene Person, da wo man kann, zurückzunehmen. Das muss man lernen und psychisch gesund sein. Letztens war hier eine, die zuallererst ihre eigenen Reinigungsmittel auspackte und alles säuberte bzw. desinfizierte. Ich fragte mich, was so eine junge Frau mit augenscheinlichen Zwangsstörungen ausgerechnet in Südostasien machte. Ich war mit ein bis zwei Frauen zusammen, die so unterwegs waren. Nun, ich denke, mit so einem Menschen wird sich kein Frieden und kein Kompromiss finden lassen. Als Corona nach und nach Fahrt aufnahm, dachte ich: “Na toll, alle Neurotiker/innen fühlen sich jetzt darin bestätigt, schon immer richtig gelegen zu haben.” Tun sie nicht! Eine Pandemie ist eine besondere Situation, die besondere Maßnahmen erfordert und Alltag, ist Alltag. Einer/m Polizisten/in könnte ich es einfach erklären. Eine besondere Einsatzlage hat nichts mit dem alltäglichen Streifendienst zu tun und deshalb hast Du jetzt einen Helm auf. Im zivilen Leben funktioniert dies leider nicht. Da geht es in die differenzierte Denkart hinein. Eine erlernte Fähigkeit, die immer weniger Leute beherrschen. Andererseits kann man unterstellen, dass die Zwangsstörungen ein Ergebnis der gesellschaftlichen Entwicklungen in verschiedenen Ländern sind. Im konkreten Fall war es eine junge Russin. Und wie gesagt: psychisch gesund!

Ich will dabei nicht selbst als spießiger Deutscher herüberkommen, dem Ordnung über alles geht. Ich habe nichts gegen Unordnung, selbst dann nicht, wenn sich andere dadurch gestört fühlen. Aber wenn sie zu größeren Schäden führt oder zur Verletzungsgefahr wird, geht es zu weit. Hinzu kommt, dass bei dieser Konstellation die Arbeit beim Personal hängen bleibt und dafür bekommen sie deutlich zu wenig Geld. Allerdings ist dies auch so ein persönliches Ding. Ich hatte schon immer meine Schwierigkeiten damit, wenn andere für mich Arbeiten übernehmen, die ich genauso gut selbst machen kann. Möglicherweise ein Ausdruck meines Stolzes auf meine Herkunft. Wenn ich nicht gerade eine Bar oder Restaurant sitze, lasse ich mich ungern bedienen.

Ich hörte hier so einige Geschichten über Gäste, denen man dieses auch ohne ein studierter Psychologe zu sein, die Gesundheit absprechen darf. Zum Beispiel erwähnte ich den Schlauch, mit dem man sich nach der Notdurft reinigt. Die sanitären Anlagen sind für Toilettenpapier nicht ausgelegt und das Papier sorgt zusammen mit Binden, Tampons, regelmäßig für Verstopfungen. Kein Toilettenpapier zu benutzen, sondern die Alternative in Erwägung zu ziehen, sprengt bei einigen die kognitiven Fähigkeiten. Also verrichten sie ihr Geschäft dort hinein, wo sie auch das Papier hineinwerfen würden, in den Mülleimer. Andere nutzen wenigstens teilweise die Toilette, verzichten aber auf den Schlauch und werfen das stinkende Papier in den Eimer. Bei Temperaturen über 30 Grad auch kein schöner Geruch. Es kann aber auch in die andere Richtung gehen. Eine Russin mit Zwangsstörungen brachte es fertig, mit einem Lappen so lange auf einem Lichtschalter herum zu reiben, bis das Ding kaputt war. Schafft auch nicht jeder.

Heute sah ich bei Twitter das Video einer Influencerin. Eine junge Frau erzählt von ihrem vermeintlichen Tagesablauf in Berlin, in dessen Verlauf sie sich diverse “Smoothies”, also püriertes Obst und Gemüse zuführt, mit einer stylischen Yoga-Tasche in ein nicht weniger hippes Yoga-Studio fährt und ihren jungen Körper mit Übungen verbiegt, die sie für Yoga hält. Das Video endet damit, dass sie betont aufgeklärt von ihrer Trip-Planung nach Sri Lanka erzählt. Also wird sie auf kurz oder lang zu den Backpackerinnen gehören, die ich hier erlebe.
Leute wie sie empfinde ich als das Endstadium eines überversorgten, abgehobenen Bürgertums, deren jüngste Ableger in der restlichen Welt herumirren und dabei wirken, als wenn sie von einem anderen Stern kommen. Es ist schwer, das zu beschreiben. Alle um sie herum ziehen eine Art Show-Programm ab und denken sich dabei ihren Teil oder ziehen ihre Vorteile daraus. Mit der Lebensrealität der “normalen” Leute haben die nichts am Hut. Von dieser Realität sind sie entrückt. Einfachste mechanische Vorgänge und Zusammenhänge verstehen sie nicht. Gleiches gilt für einfache Abläufe, wie der Abwasch. Sie sind nicht bösartig.
Das Problem besteht darin, dass sie nicht nachdenken. Essen, Wegstellen, unter Umständen noch abspülen, dann endet es für sie. Sie bedürfen der Anleitung, Fürsorge, Versorgung. Ich kann es ihnen nicht verübeln. Sie stammen aus einem Teilbereich der Gesellschaft, in dem ihnen stets gesagt wurde, dass das alles seine Richtigkeit hat. Letztens fragte ich einen Wiener in meinem Alter, was wohl aus all diesen oberflächlichen Influencern und ihren Followern eines Tages werden würde. Seine trockene Antwort: Alte verarmte ehemalige Influencer?

Wenn ich die mir alle anschaue, kann ich die deutsche Panik vor wirtschaftlichen und Abstrichen beim Wohlstand verstehen. Sie ist real und berechtigt. Jede/r aus einem anderen Land stammende, die/der sich zum Überleben mit der Realität auseinandersetzen musste, überfährt die. Wobei ich betone, dass das ein Teil der deutschen Gesellschaft ist. Ich denke, die stellen nicht einmal die Mehrheit. Berliner Straßenkinder sind eine andere Hausnummer.

Noam Chomsky schrieb zu den Themen Anarchie, Visionen und realistische Auseinandersetzungen etwas, was mich sehr zum darüber Nachdenken anregte. Ich stimme seinen Ausführungen zu, dass die modernen Gesellschaften nahezu alle Bereiche an die Wirtschaft abgaben. Doch größere Firmen, Konzerne, inklusive der Märkte, funktionieren nicht demokratisch, sondern knallhart hierarchisch. Die Verantwortung wird von unten nach oben durchgereicht und die Weisungen kommen aus den obersten Etagen. Ich füge noch hinzu, dass es wichtig ist, sich anzuschauen, nach welchen Kriterien die Entscheidungen getroffen werden.
Dient etwas oder meine Handlung der Gemeinschaft? Hat es für mich Vorteile, wenn dies so ist, weil ich ja selbst ein Teil der Gemeinschaft bin? Schaffe ich damit einen gerechten Zustand, der andere zufriedenstellt und ich daran partizipiere? Oder stelle ich all mein Handeln auf ökonomische Gesichtspunkte ab? Ich unterstelle, dass die angesprochene Influencerin nichts über die Entstehungsgeschichte ihrer angepriesenen Produkte weiß. Ebenso wenig über all diesen ganzen Smoothie-Kram, der als Trend in die Welt gesetzt wurde, damit Leute sehr viel Geld daran verdienen. Sie wird auch wenig über die furchtbare Wirtschaftskrise in Sri Lanka wissen, die zur Folge hat, dass jeder Dritte an Mangelernährung leidet. Für Leute wie sie ist es wichtig, mit dem Scooter zum nächsten Wasserfall zu fahren und dort ihre gesponsorten Badeklamotten in die Kamera zu halten. Oder sie wird überzogen staunend buddhistische Tempel präsentieren, ohne auch nur ansatzweise etwas über Buddhismus zu wissen.

Chomsky führt weiter aus, dass in den westlichen Staaten Regierungen aktuell die Aufgabe haben, die völlige Übernahme des demokratischen, freien, Gesellschaftslebens durch die Wirtschaft zu verhindern. Nur unter diesem Schutz könnten sie das nächste Niveau erlangen. Was mir wiederum sagt, dass wir alles dran setzen müssen, Männer und Frauen, die eben aus dem autoritären, hierarchischen, Wirtschafts- u. vor allem Konzerngeschehen kommen, keine weiteren Machtbereiche zu überlassen. Doch vielleicht ist es schon zu spät. Ein Teil der nächsten Generation ist dazu definitiv nicht mehr fähig. Sie sind derart “eingelullt” und in dieser Konsum-Gesellschaftsillusion lebend, dass sie hierfür verloren sind. Dies gilt selbstredend auch für ältere Leute, aber die sind Vergangenheit und Gegenwart, wichtig wäre die Zukunft.

Für das Klimaanlagen-Dilemma fand sich eine autoritäre Lösung. Die Betreiberin hat die Fernbedienung an sich genommen und bestimmt nun die Temperatur. Beschwerden werden freundlich belächelt. Beim Abwasch läuft es auf ein Mikado für Erwachsene hinaus. Wer zuerst die Nerven verliert und sich bewegt, hat verloren. Tja und ich darf mich weiter über die mir zugeworfenen Blicke manch Einheimischer amüsieren. “Andreas, was ist denn mit denen los?” Das Gute an Malaysia ist der Umstand, dass längst auch hier die Wohlstandsverwahrlosung eingesetzt hat und man nicht viel erklären muss.

Doch es sind nicht ausschließlich Backpacker, die mir zeigen, wie weit die modernen Massengesellschaften ihre Mitglieder in etwas verwandelt haben, was nichts mehr mit dem Homo sapiens zu tun hat, der es in der Hierarchie der Lebewesen so weit nach oben brachte. Anarchie bedeutet, entgegengesetzt der von Propaganda geprägten Sicht, nicht Chaos, sondern setzt auf eine sich natürlich ergebende Ordnung. Welche sich wiederum aus verständigen, vernünftigen, auf Anteilnahme und Rücksicht ausgelegten, Zusammenleben ergibt. Davon sind viele weit entfernt.

In einer Strandbar traf ich einen 30-jährigen Ehemann und Vater aus Estland. An sich ein Klassiker. Er hatte sich mit seiner Frau verkracht und zog es deshalb vor, nochmal alleine loszuziehen und die eigene Wut verziehen zu lassen. Er beklagte sich darüber, dass er mit seiner Familie, ohne gegen Corona geimpft zu sein, nicht nach Indonesien reisen könne. Mit Fassungslosigkeit nahm er zur Kenntnis, dass ich dreimal geimpft bin und davon ausgehe, dass der gelinde Verlauf meiner Infektion der Impfung zu verdanken habe. Seine Reaktion wirkte nicht gespielt. Ich schien für ihn der erste lebende Beweis zu sein, dass man danach nicht stirbt oder ferngesteuert mit Bluetoothempfang in der Gegend herumläuft. Kaum eine halbe Stunde später kam ich mit einer gebürtigen Russin ins Gespräch. Sie war wohl oft in Indonesien, spricht sieben Sprachen und arbeitet als Übersetzerin. Die erklärte mir, dass ich die Impfung nur überlebt hätte, weil ich als privilegierter Deutscher ins Konzept der Neuen Weltordnung passe und deshalb keine Impfung, sondern ein Gegenmittel gegen das vorsätzlich freigesetzte Gift gespritzt bekam. Ich fing gar nicht erst damit an nachzufragen, warum dann noch all die geimpften Inder, Malaien, Indonesier um uns herum leben würden. Mit Logik habe ich bei diesen Leuten keine guten Erfahrungen gemacht. An sich auch erwartbar, denn dann würden sie alleine darauf kommen, was für einen Unfug sie daher reden.

Wie auch immer, es sind nicht nur die jungen Backpacker. Ich denke, die Macher von Star Trek haben es wie so häufig auf den Punkt gebracht, als sie die “Borgs” in das Star Trek Universum einbrachten. “Widerstand ist zwecklos!”, lautet deren Standardansage, bevor sie andere Spezies assimilieren. Ohne das “Kollektiv” und ihre “Königin” sind die assimilierten Mitglieder hilflos. Man kann sie nicht einfach befreien und in ein anderes System des Zusammenlebens versetzen. Mit den Mitgliedern der modernen Massengesellschaften am Anfang des 21. Jahrhunderts verhält es sich genauso. Diejenigen, welche darin ihr Auskommen haben, sind gelangweilt. Jeden Tag können sie essen und trinken, was sie wollen. Sie gehen irgendeiner unbefriedigenden Arbeit nach, die ihnen nichts gibt. Ärztliche Versorgung, Medikamente, Hilfsmittel, sind einfach da. Geht etwas kaputt, wird es weggeworfen und neu gekauft. Kaum etwas hat wirklich eine Bedeutung. Sie sind in der Regel nicht einmal auf die Hilfe oder Kooperation mit anderen angewiesen. Also hat ihre egozentrische Lebensweise auch keinerlei unmittelbare, spürbare Folgen. Wie hieß es damals bei Pink Floyd?

Welcome my son
Welcome to the machine
What did you dream?
It’s alright, we told you what to dream

Sie bekommen nicht zwingend vorgegeben, was sie konkret denken sollen. Ihnen wird eine Praxis des Denkens vermittelt. Konnotationen, Wertvorstellungen, wie Schlussfolgerungen zu ziehen sind, welche Aspekte sie einzubeziehen haben und was sie vernachlässigen können, um solche Sachen geht es. Tja, bis das alles mal böse durcheinander geht. Die Pandemie war ein Einschnitt. Seit langer Zeit wurden sie mit etwas konfrontiert, was sich der Propaganda, den falschen und vor allem unmöglichen Versprechungen, entzog. Solange das Konzept gesteuerte Massengesellschaften besteht, bestehen wenig Chancen, in ihnen größere Mengen Menschen dazu zu befähigen, ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben, ohne Steuerung, Anleitung, Autoritäten, zu führen. Im Grunde genommen sind all die verqueres Zeug daherredenden Leute, Verschwörungstheoretiker, ein Versagen derjenigen, welche sie bisher steuerten. Ich kenne keine/n, der/die sich schon vor der Pandemie kritisch und intelligent mit gesellschaftlichen Vorgängen auseinandersetzte, die/der so weit abdriftete. Im Prinzip wurden sie alleine gelassen und suchten sich neue Vordenker, Anführer und Verführer.

27 März 2023

Roundhouse Kick

man walking on floor Lesedauer 22 Minuten

Ich schrieb in den letzten Tagen an einem ziemlich langen Beitrag. Plötzlich überkam mich eine tiefe Frustration. Warum schreibe ich das alles? Alles ist bekannt, jeder kann sehen, was passiert. Wer sich nur ein Funken dafür interessiert, erkennt mit Leichtigkeit all die Propaganda, die Euphemismen, die ursächlichen Strukturen. Hitler brachte es auf den Punkt, als er meinte, sie müsse derart simpel sein, dass auch noch der letzte Depp sie versteht. Ist nicht irgendwann der Punkt gekommen, an dem man einfach das Handtuch werfen sollte? Im Prinzip hab ich das versucht. Erfolglos!
Wieder einmal wirkten meine eigenen Worte auf mich, als wären sie ein Zeichen von Feigheit. Ich lebe in einer Epoche, in der durch die Digitalisierung alles miteinander vernetzt ist und nahezu jede Information abgerufen werden kann. Eine große Zahl an Universitäten stellen allerhand Vorträge zu den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Themen ins Netz. Professoren veröffentlichen aus reinem Sendungsbewusstsein heraus Vorlesungen. Philosophen, Systemkritiker, Originalquellen, sind auf allen Streaming-Portalen vorhanden. OK, man muss auch mit all dem umgehen können. Mit Sicherheit kann das nicht jeder, dennoch dürften es sehr viele sein, die zumindest in der Lage sind, sich die gleichen Informationen zu beschaffen, wie ich.
Oscar Wilde schrieb sinngemäß: “Warum erzählen Leute anderen von ihrer Meinung? Weil sie sich ängstigen, mit ihr alleine zu sein.” Das Zitat beeindruckte mich schon vor Jahrzehnten. In die gleiche Richtung geht ein psychologisches Experiment, von dem ich las, als ich vor einigen Jahren ein Seminar vorbereitete.
Die Versuchsleiter präsentierten Gruppen mit fünf Probanden drei auf dem Boden liegende Seile. Zwei identisch lang und eins erkennbar kürzer. Je Gruppe waren vier der Teilnehmer instruiert, zu behaupten, dass die Seile alle die gleiche Länge hätten. Nur eine/r, der/die letzte Befragte, war nicht eingeweiht. Fast alle der Unwissenden schlossen sich der Gruppenmeinung an. In mehreren Versuchsreihen wurde die Differenz bei der Länge immer größer. Erst bei wirklich vollkommen absurden Differenzen regte sich Widerspruch.
Bisweilen fühle ich mich, wie einer von den uneingeweihten Versuchsteilnehmern. Ich schaue auf das kürzere Seil und frage mich, ob die alle eine Macke haben. Und so, wie es Oscar Wilde ausdrückte, ängstige ich mich davor, mich zu weit von dem zu entfernen, wo ich herkomme und versuche alle anderen im Raum zu überzeugen. Im harten Kern meines Freundeskreises ist das nicht notwendig. Die sind alle schlau genug, den Unterschied zwischen den Seilen zu erkennen und sagen dies auch. Ich bin dafür dankbar, dass dies so ist. Allerdings gibt es auch eine ganze Menge Leute, die ich in meinem engeren und weiteren beruflichen Umfeld kennenlernte, zu denen ich alle Kontakte abbrach und soweit ich es überblicken kann, beruht dies auf Gegenseitigkeit. Es bleibt das Gefühl: Was ist denn los mit Euch?

Lange überkam mich beim Lesen diverser Artikel in Zeitungen, beim Hören von Radio-Sendungen, Lesen von Tweets oder Postings bei Facebook so etwas wie eine ohnmächtige Sprachlosigkeit. Ich fragte mich, was das alles sollte? Groß angelegte Verarschungen von Leuten, kollektive Beleidigung, weil manche einen für derart dämlich halten, den Stuss zu glauben?
Es ist schwer zu sagen, wann es anfing. Die eigene Wahrnehmung täuscht einen dabei. Vielleicht träufelte es auch dauerhaft vor sich hin und fiel mir erst auf, als es unübersehbar war. Doch mittlerweile ist jede öffentliche Debatte durchsetzt mit propagandistischer Rhetorik, eindeutig auszumachenden Spin-Begriffen und leicht erkennbaren PR-Strategien.
Wer auch immer dies zu verantworten hat, leistete ganze Arbeit. OK, der Satz ist Quatsch. Es war eine Entwicklung, die irgendwann in den 20ern des letzten Jahrhunderts begann und heute ihre Perfektion erlangt. Wer Näheres dazu wissen will, muss sich mit der Person Edward Bernays beschäftigen. Politik wird nicht mehr mit Argumenten betrieben, die an der Sache orientiert sind, sondern die Parteien, welche längst überall den Charakter von Firmen aufweisen, preisen sich mit Mitteln aus der kommerziellen Produktwerbung an oder versuchen den Mitbewerber auf dem politischen Markt auszustechen. Zu den Mitteln gehören auch die Desinformation, die Diffamierung der Wissenschaft und Intellektuellen. Die Digitalisierung wirkte wie ein Katalysator. Alles, der einzelne Mensch, jeder Gegenstand, jedes Lebewesen ist ein Datensatz. Einen Datensatz kann man mit anderen Gruppieren, recherchieren, mit Routinen abfragen oder vergleichen.
Es ist ein Leichtes nach Bedarf, Kriterien zusammenzustellen und sie für nützliche Abfragen zu benutzen. Männlich, deutsch, frühpensionierter Kriminalbeamter, über 55 Jahre, hört diese Musik und schaut sich jene Filme, Dokumentationen, Vorträge, an. Schreibt in einem BLOG, benutzt dabei folgende Stichworte, hält sich länger in den Ländern xy auf, usw., usw. Wer sich ein wenig auskennt, kann von mir schnell ein Profil erstellen. Persönlich habe ich eines Tages den Widerstand aufgegeben.
Das ist das Problem: Irgendwann gibt jeder auf und fügt sich ins Schicksal, weil es einfach zu viel Energie raubt. In jedem industrialisierten Land, werden die Menschen zu Gruppen zusammengefügt, die gezielt mit Produkten bedient werden. Und das sind nicht nur Haushaltsgeräte, Fahrzeuge, Reisen, Versicherungen. Auch die Politik liefert Produkte, die auf die Bedürfnisse zugeschnitten werden und entsprechend beworben werden. Alles nur für das verdammte Geld und die Macht über andere.
In letzter Zeit nehme ich nur noch Meldungen über Geschehnisse zur Kenntnis. All das ganze Gewäsch, was Leute von sich geben, die sich dazu berufen fühlen, über die Geschicke anderer Menschen zu bestimmen, interessiert mich nicht mehr.
Diese Aneinanderreihung vorgefertigter Phrasen und Euphemismen verdient keinerlei Auseinandersetzung. Dabei ist weitestgehend egal, von wem etwas kommt. Allerdings ist bei mir der Eindruck entstanden, dass CDU/CSU, FDP und AfD, am intensivsten auf PR Strategien setzen.
“Die GRÜNEN sind eine Verbotspartei!” Wer so einen Müll von sich gibt, hätte früher in der Höhle vermutlich auch gesagt: “Es ist meine persönliche Freiheit, wenn ich hier und nicht draußen kacke!” Oder: “Technologieoffenheit!” Ja, klar, lasst uns alles, was technologisch machbar ist durchziehen. Was soll schon passieren? Aber die meinen ohnehin nur, dass sie von einigen Lobbyisten aus den betreffenden Branchen Geld und zukünftige Posten bekamen, damit sie deren Kram präsentieren und am besten noch Fördermittel bewilligen. Neuerdings brabbeln wieder einige, dass Atomkraft praktizierter Umweltschutz ist. Man Leute, der Vorteil und gleichsam Nachteil am fortschreitenden Lebensalter ist, dass man sich daran erinnern kann, dass man diesen Unfug schon Ende der 70er aus den USA herüberschwappend präsentiert bekam. Korruption und feindliche Attacken gibt es immer noch. Niemand kann garantieren, dass es nicht doch noch zu einem GAU kommt. Und ein Zaubermittel, was die Strahlung beim Müll verschwinden lässt, hat auch noch keiner gefunden. Aber die an den Humbug glauben wollen, tun es und die es besser wissen, springen nicht an. Aus der Sicht eines ehemaligen Ermittlers ist es ganz simpel. Wenn es ums Geld geht, wird geschoben, gedealt, gespart, werden Vorschriften umgangen und gelogen, dass sich die berühmten Balken biegen. Und was bei illegalen Mülldeponien, der Chemo-Industrie, Ölplattformen, Tankern, Raffinerien gilt, trifft auch bei AKWs zu.

Deutschland! Alles schlecht?

Ist alles schlecht? In Berlin? In Deutschland? In der Welt? Nein, ganz und gar nicht. Schlecht kann nur schlecht bleiben oder besser werden. Wenn ich mein Geburtsland Deutschland betrachte, tue ich dies von einem sehr hohen Niveau aus. Meine Ansprüche an dieses Land und Bürger sind deutlich höher, als an andere Staaten oder Gesellschaften. Alleine mein Pass ermöglicht es mir in zig Länder zu reisen, während unzählige Menschen dies nicht haben. Es gibt auf der Erde ein Passport-Ranking! Dies muss man sich man mal auf der Zunge zergehen lassen. Wir, die ehemaligen Barbaren, die Geißel der Menschheit, dürfen überall hinreisen. Ich finde dies bemerkenswert.
Wir verfügen über Bibliotheken, mit Büchern und freiem Internetzugang. Mit ein wenig Aufwand bekomme ich nahezu jedes, egal wie kritisch der Inhalt ist, weltweit veröffentlichte Buch. Ich habe in Deutschland gute Chancen, auch Kunst und Kultur jenseits des Mainstreams genießen zu können. Es steht mir frei, irgendeiner Religionsgemeinschaft beizutreten und die jeweiligen Riten zu praktizieren. Ich darf sogar problemlos, jedenfalls von staatlicher Seite her, eine Frau aus einer anderen Religionsgemeinschaft heiraten, ohne ausgebürgert zu werden. Wenn eine oder einer in Deutschland schlecht informiert ist, sich nicht selbstständig eine Bildung, über die der Schule hinaus, aneignet, liegt der Fehler meistens bei den Betroffenen. Nur wenige bringen nicht die biologischen Voraussetzungen mit, dies leisten zu können. Doch eben, weil dies alles so ist, kritisiere ich meine eigenen Landsleute härter, als diejenigen, welche in Ländern leben, wo dies alles nicht der Fall ist. Jede oder jeder, der sich diese Möglichkeiten nicht zunutze macht, verrät die Freiheit und all die Mitmenschen auf der Welt, die dies nicht leben können.

Hier, wo ich mich gerade befinde, dürfen Muslime nicht einfach eine Frau oder einen Mann mit einem anderen Glaubensbekenntnis heiraten. Und tun sie dies im Ausland, kommt es zu Problemen mit der Staatsbürgerschaft. Bildung ist möglich, aber die Hürden sind außerhalb der Großstadt erheblich höher, als bei uns. Der Staatsapparat ist durch und durch von Korruption durchseucht. Diverse Internetseiten können nur mit einigen Tricks aufgerufen werden. Der Islam ist Staatsreligion und wenigstens im Zivilrecht, eine Richtschnur. Überall spürt man, dass zwischen den “Regulären”, denen mit indischen oder chinesischen Wurzeln, Malaien, Spannungen bestehen, die absolut die Bezeichnung Rassismus verdienen. Überdies kommt noch ein inhumaner Umgang mit Leuten dazu, die gegen die Regeln verstoßen. Soweit ich dies beurteilen kann, ist vieles, vor allem wenn es die Einflüsse der Religion betrifft, auf den Einfluss der Wahhabiten aus Saudi-Arabien zurückzuführen.
Ein ehemaliger “Beachboy” hat es mir mal aus seiner Perspektive geschildert: “Ich bin kaum zur Schule gegangen und kann leidlich lesen. Früher betreute ich die Touristen am Strand und trank viel Alkohol. Dann wurden die Gästehäuser gebaut. Damit fiel meine Einnahmequelle weg und ich wurde zum Obdachlosen. Mich hat niemals jemand aufgeklärt. Und auch wenn ich lesen kann, weiß ich nicht, welche Bücher ich lesen sollte. Da bin ich zur Moschee gegangen. Man gab mir Obdach, Essen, Trinken und Koran-Unterricht. Dass da noch vieles anderes ist, weiß ich von den Touristen. Aber ich wüsste nicht, wie ich es lernen soll.” Die Moschee, welche er aufsuchte und in deren Räumen er heute lebt, ist nicht irgendeine, sondern wird von einer von Saudi-Arabien ausgehenden Missionsbewegung finanziert. Interessiert beobachtete ich während der Pandemie den Konflikt zwischen Staat und Moschee-Angehörigen. Deren Aussage lautete: “Es gibt Dinge, die sind höher als der Staat und niemand kann das gemeinsame Gebet verbieten.” Konnte der Staat doch! Der rückte mit Polizeieinheiten an, nahm alle fest und sie landeten im Gefängnis.
Nein, weder ihm noch einem Wanderarbeiter aus Bangladesch, einer Frau, die von Kindesbeinen an eine Rolle lernte, einem geflüchteten Rohingya oder einem indischen Küchengehilfen kann ich einen Vorwurf machen.

Dies sieht in Deutschland ganz anders aus. Die bei uns durch das Grundgesetz existierenden Voraussetzungen ermöglichen das Nachdenken, das Entwickeln neuer gesellschaftlicher Konzepte, Ideen, das Erkennen von Gefahren und auch das Sinnieren darüber, wie man die Erde zu einem besseren Platz für alle Lebewesen machen könnte. Rudi Dutschke prophezeite Mitte der 70er eine Zukunft, in der die normalen Menschen weniger Arbeiten müssten und deshalb mehr Lebenszeit in Bildung und Denken investieren würden. Dutschke war ein toller Vordenker, doch er schloss allzu oft von sich auf andere. Deshalb unterschätzte er die Gefahr der Dekadenz, Denkfaulheit, vor allem das Potenzial seines Gegners, den Mächtigen, Reichen und Ausbeutern. Außerdem verstand er wenig davon, was Geld und ein wenig Luxus, mit Leuten anstellt. Nicht die Aufsteiger formen das Establishment, sondern es passiert genau andersherum.
Die Vertreter der “Frankfurter Schule” sahen eine Zeit kommen, in der das Individuum grundsätzlich alle Voraussetzungen für ein freies, selbstbestimmtes Leben vorfindet, aber immer mehr Kraft aufwenden müsse, um diese wirklich nutzen zu können. Schaue ich mich um, lagen sie absolut richtig. Passt man nicht auf, findet man sich unversehens in einer Gruppe wieder. Entweder eine, die man sich selbst zuzuschreiben hat, in den Sog geraten ist, oder von anderen Leuten oder Institutionen hineingepresst wurde. Danach wirken auf einen all die Effekte ein, die Gruppen so mit sich bringen. Und es erfordert einen täglichen Kraftaufwand, sich dem zu entziehen. Jedenfalls, wenn man nicht zu denen gehören will, die auf diese Effekte stehen. Davon gibt es eine ganze Menge. Sie genießen die kuschelige Wärme, den gegenseitigen Zuspruch und die Anerkennung.

Ich persönlich sehe einen sich langsam ausbreitenden Schatten. An vielerlei Stellen hat sich in den vergangenen Jahrhunderten im Grunde genommen wenig verändert. Könige, Kaiser, wurden gegen Vermögende, Eigentümer der Produktionsmittel eingetauscht. Was einst die “Freien” waren, wird heute vom Bürgertum gestellt und die Tagelöhner, Knechte, Diener, sind heutzutage all jene, die im Niedriglohnsektor unterwegs sind. Einige Leute arbeiten gegen das Grundgesetz. Modern ausgedrückt: Sie hacken das System! Oftmals gar nicht bewusst. Wenn ich beispielsweise eine Verwaltung aufbaue, die so kompliziert ist, dass sie nur Spezialisten verstehen, ist es schwer oder teuer, meine verbürgten Rechte in Anspruch zu nehmen. Weitaus gefährlicher sind die Zeitgenossen und Genossinnen, welche täglich gesetzliche Lücken suchen, um sich in nicht verträglicher Art und Weise zu bereichern. Präziser: Sie sind die eigentlichen Gefährder, weil sie nichts anderes im Sinn haben, als die dem Grundgesetz innewohnende Grundidee zu überwinden. Ich bezeichne ihr Verhalten schlicht als asozial. In der Regel sind Kriminelle, also Frauen und Männer, die es darauf abgesehen haben, mit wenig Aufwand und Skrupel, sich einen maximalen Vermögensvorteil zu verschaffen, der Kriminalpolizei stets einen Schritt voraus. Breitet sich eine neue Methode aus, wird darauf reagiert und die denken sich was anderes aus.
In der Wirtschaft läuft es nicht anders. Nur, dass es an dieser Stelle der Gesetzgeber an sich ist, der ständig am Reagieren ist. Infolgedessen wird das System immer undurchschaubarer, engmaschiger und führt zu finanziellen und ideellen Verlusten für die Gesellschaft. Nochmals anders formuliert: Würden sich alle Leute, die auf unserem Staatsgebiet leben, an die Regeln halten, welche in jeder menschlichen Gemeinschaft für ein friedliches Zusammenleben notwendig sind, könnten wir die Gesetze einmotten.

Wir wissen, dass das nicht funktioniert. In diesem Zusammenhang halte ich diese ganzen Schwätzer, welche von den Vorteilen vollkommen freier und sich selbst regulierenden Märkten schwärmen, gar nichts. Für mich sind sie lächerliche Erscheinungen der Dekadenz. Wenn ich Leuten zügellosen Lauf lasse, die als Entscheidungskriterien, einzig und allein, Zahlen, Geld, Vermögen, Profite, Wachstum, anlegen, muss ich mich nicht wundern, wenn ich eines Tages in einer Hölle auf Erden lebe.
Noch gibt es Menschen, die bereit sind, unökonomisch zu handeln, weil sie damit anderen Aspekten Vorschub leisten. Beispielsweise, wenn sie lieber in einem örtlichen kleinen Laden etwas mehr Geld ausgeben, als sie dies in einem Discounter tun müssten, um diesen zu erhalten. So wie es auch Vermieter für Gewerbeimmobilien gibt, die nicht nach denen suchen, die jeden Preis zahlen können, sondern ein Interesse an der Gestaltung eines lebendigen Wohnumfelds interessiert sind.
Doch sie werden kontinuierlich weniger. Leider ist es dazu gekommen, dass ausgerechnet die mit der asozialen Haltung in die Führungsspitzen gelangten. Die Aspekte, welche die positiven Seiten des Homo sapiens darstellen, nämlich die Kooperationsfähigkeit, das Sozialverhalten, das füreinander Einstehen, wird der schlechtesten Eigenart, der Gier, geopfert. Es ist bezeichnend, dass Deutschland aktuell einen Finanzminister hat, der sich bereits in jungen Jahren der Öffentlichkeit als jemand präsentierte, der auf Bildung, die sich nicht unmittelbar auf seinen Geldbeutel auswirkt, herabsieht.
Das Phänomen zeigt sich überall. Aktuell erheben sich die Franzosen gegen den Neoliberalen Macron. In einigen osteuropäischen Staaten machen sich Kleptokraten breit. Und dies sind ausschließlich die aktuellen Highlights.
Diese Leute mögen es anders sehen und weiter an ihrer in die Jahre gekommenen Theorie festhalten, für mich gilt, was ich sehe.

Der Schatten, ein Bild welches ich mir erlaube bei Tolkien zu klauen, frisst weltweit die Freiheit. Ich gehöre nicht zu denjenigen, welche einen völlig pervertierten Freiheitsbegriff benutzen. Frei zu sein, bedeutet für mich in erster Linie, nicht abhängig zu sein, sodass die Gedanken freien Lauf haben. Hänge ich an einem Vermögen, kreisen meine Gedanken darum, wie ich es behalten kann. Bin ich stets auf der Suche nach Anerkennung, werde ich mein Verhalten darauf abstellen und nicht ich selbst sein. Bin ich süchtig, muss ich alles für den nächsten Kick tun. Falle ich auf den Trick herein, dass ein Haus, ein Auto und teure Reisen die ultimative Lebenserfüllung sind, komme ich in der Regel nicht daran vorbei, einen Kredit aufzunehmen, für den ich die nächsten Jahrzehnte arbeiten muss.
Freiheit beginnt im Kopf. Wenn mich jemand einsperrt, mir Befehle erteilt, mir etwas verbietet oder mir Strafen androht, weiß ich woran ich bin. Dagegen kann ich mich auflehnen, protestieren oder Widerstand leisten. Wenn meine Gedanken übernommen werden, jemand in mir geschickt Bedürfnisse erzeugt, mich manipuliert, merke ich nicht einmal, dass ich meine Freiheit aufgegeben habe.
Genau dies geschieht zunehmend. Neu ist dies nicht. “Menschenfänger” gab es schon immer. Religiöse Führer, Cäsare, Imperatoren, Diktatoren, taten dies bereits vor tausenden Jahren. Aber niemals zuvor standen ihnen Mittel zur Verfügung, wie sie die Digitalisierung mit sich brachte. Andere Religionen zu dämonisieren, Außenfeinde zu erzeugen, Wohlstand, Geld und Macht zu versprechen, inneren Frieden und Sicherheit in Aussicht zu stellen, sind alte Hüte. Massengesellschaften verfügen über eigene Dynamiken.

Die Diktatur des trockennasigen Affen über die Welt

Überall wo ich hinkomme, ist das Leid zu sehen, welches die Diktatur des gierigen Homo sapiens anrichtet. Der trockennasige Affe, welcher sich selbst ins Zentrum gestellt hat, läuft einem kleinen bockigen Kind gleich, durch die Welt, will alles haben und zerkloppt, was ihm nicht passt. Und jede/r der halbwegs bei Verstand und ehrlich sich selbst gegenüber ist, weiß, woran es liegt. Ich mache längst keine Unterschiede mehr zwischen schlichten Menschen, die einfach ihren Müll in die Gegend werfen oder einem Manager, Politiker, der den Hals nicht voll genug bekommen kann. Im Grunde genommen ist ihre Haltung zur Welt, zu anderen Lebewesen, zum Haben, identisch.
Es wäre ein Experiment wert, sich einen armen Schlucker zu greifen, dessen Verhalten mit seiner Armut entschuldigt wird, und ihn auf einen gut dotierten Posten zu setzen, wo er die Macht und die Mittel hat, etwas zu verändern.
Nachdem was ich bisher erlebte, ist die Wahrscheinlichkeit unter Armen empathische, ehrliche und aufrichtige Menschen zu treffen deutlich höher, als sie unter Reichen zu finden. Mit zunehmendem Reichtum und Macht verändert sich der Charakter. Doch wer arm ist und bereits ohne nennenswerten Besitz hinterhältig, durchtrieben ist, wird durch Geld nicht besser, sondern eher schlechter. Und wie immer gilt für mich hierbei: Ausnahmen bestätigen die Regel. Immer mal wieder gibt es welche, die nachdenken und mit ihrem Geld durchaus vernünftige Dinge anstellen, das System des Geldes kritisieren, obwohl es sie selbst begünstigt.

Der Punkt ist, dass der Mensch die Fähigkeit besitzt, sich für verschiedene Wege zu entscheiden. Ich stimme den Existenzialisten zu: Niemand ist zu etwas gezwungen. In der letzten Konsequenz bleibt der Suizid. Doch soweit muss es meistens nicht kommen. Wer zum Beispiel ein Ziel verfolgt und zur Umsetzung ein politisches Amt antritt, ist nicht dazu gezwungen auch noch das letzte Zugeständnis zu machen. Man kann auch einfach gehen. Ein Versuch war es wert, aber man ist halt aus Gründen gescheitert. Jeder Tag länger, den man auf seinem Posten sitzt, ist ein Verrat an den eigenen Idealen. Nun, wir wissen, dies geschieht nicht.

Die Welt ist fest in Händen von denen, die sich für ein egozentrisches Leben entschieden: Machtgierige, Glücksritter, Neoliberale, Demagogen, Populisten, Geschäftemacher, Kriegsgewinnler, Waffenhändler. Sie verkörpern den zerstörerischen Part des menschlichen Habitus. Und weil die Menschen mit der Überversorgung gern ihren Status beibehalten wollen, folgen sie ihnen. Die Satten werden niemals dagegen vorgehen. Die Französische Revolution war in meinen Augen die letzte wirklich ernstzunehmende Veränderung, die auf rationellen Überlegungen basierte. Die gesellschaftlichen Veränderungen durch die Industrialisierung und neuerdings Digitalisierung ergaben sich aus Erfindungen und man ließ sich treiben und reagierte, ohne jemals vor die Entwicklung zu kommen. Bisher stellten in den Industriestaaten wenige Leute ethische Fragen oder gar die gesamte Entwicklung infrage. Darf der Homo sapiens, ein ins übergeordnete natürliche System eingeordneter Affe, alles tun, weil er es kann? Gibt es Grenzen? Jeder weiß, dass es eine blöde Idee ist, einem Bonobo eine geladene und entsicherte Maschinenpistole in die Hände zu geben. Anatomisch ist er dazu in der Lage, sie abzufeuern. Aber er versteht nicht, was da passiert.
Haben wir im übertragenen Sinne nicht auch einiges in den Händen, was wir lieber nicht haben sollten? Anfangs bestand der Vorteil des Homo sapiens darin, dass er neugierig alles in die Hände nahm und ausprobierte, um Herauszufinden, was man damit anstellen konnte.
Doch Neugier kann einen auch umbringen. Von Anfang an gab es Dinge, die dem Menschen nicht geheuer waren und er die Finger davon ließ, bis er sie verstand. Auch das war schon immer ein Bedürfnis des Menschen: die Kontrolle! Wir können nicht alles kontrollieren, doch wir können Risiken bewerten. Von mehreren Optionen können wir diejenige auswählen, von der wir, wenn etwas schiefgeht, den geringsten Schaden erwarten.
Seit mehreren tausend Jahren ist dem Menschen bewusst, dass die Wahrnehmung des Menschen ihre Eigenarten hat. Auf unsere Bedürfnisse abgestimmte Sinne melden an das Gehirn Informationen, welches aus all diesen Einzelheiten eine uns logisch erscheinende Geschichte formt. Mal ganz abgesehen davon, dass unsere Sinne keine Präzisionsinstrumente sind und diverses nicht wahrnehmen können, ist einer unser größten Schwachpunkte die Verarbeitung im Gehirn. Erst das Wissen um Fehlerquellen, eine strukturierte Praxis des Denkens, das Hinzuziehen anderer Quellen und der Abgleich, die Spiegelung, lassen aus allem etwas Vernünftiges und Verständiges werden. Gautama Siddhartha, Konfuzius, Laotse, Platon, Aristoteles, sind nur einige Beispiele für Leute, die sich bereits vor langer Zeit damit auseinandersetzten. Und vieles davon ist immer noch aktuell. Sind die Menschen der industrialisierten Staaten die Gefangenen aus Platons Höhlengleichnis? Und würden sie lieber jeden, der aus der Höhle entkam und von den wirklichen Zusammenhängen erzählt, umbringen, als ihm zu glauben? Platon schrieb das Gleichnis im siebenten Buch der Politeia nieder. Er leitete davon die Forderung ab, die politische Führung einer Gesellschaft denen zu überlassen, die dazu in der Lage sind, die Höhle zu verlassen.
Konfuzius hinterließ den berühmten Satz: “Der Weg ist das Ziel!” Ein Ideal ist nicht zu erreichen, aber man kann diesen gesetzten Punkt anstreben, also sein Verhalten darauf abstellen, dass es geeignet ist, sich dem Ziel zu nähern, anstatt sich zu entfernen.
Was wollen mir Leute sagen, die ihre Kritiker als Ideologen beschimpfen? Wenn meine idealen Ziele Gerechtigkeit, weltweite faire Verteilung, Erhalt des natürlichen Systems der Erde, die Rückkehr des Menschen ins Gleichgewicht, lauten, und ich jeden dazu auffordere, unsere Handlungen danach auszurichten, auch wenn wir vermutlich niemals den idealen Zustand erreichen werden, bin ich dann ein Ideologe? Welches Ziel haben diejenigen vor Augen, die lediglich ihren Wohlstand, ihre Nation als Gewinner in Konkurrenz zu anderen Nationen und den Menschen als Spielleiter im Gott-Modus, anstreben?
Gautama Siddhartha, als Philosoph, nicht als Buddha, dachte lange über das eigentliche, sozusagen das Problem aller Probleme nach. Am Ende kam er zum Ergebnis, dass es die Gier, das Haben, das Anhaften an Vergänglichen, ist. Und ohne es beweisen zu können, behaupte ich, dass jemand wie er, eingebunden in seine Zeit, dabei auf noch viel älteres Wissen aus der Veda zurückgriff, welche ca. 1500 v. Christus entstand. Trotzdem wir über dieses uralte kollektive Menschheitswissen verfügen, haben wir es zugelassen, dass sich an den meisten Stellen der Erde ein System ausbreitete, welches exakt diesen Aspekt des menschlichen Verhaltens bedient. Wir sind Alkoholiker, die bis zum Delirium als Genossenschaft ihre eigene Kneipe betreiben.
Es gibt kaum etwas, was wir uns nicht aneignen. Wir besitzen Lebewesen und verfahren mit ihnen wie mit Dingen. Alles wird zu einem Produkt, was wir uns aneignen können, in dem wir es kaufen oder vergeben, in dem wir es verkaufen. Freiheit wird zu etwas, was man sich angeblich mit dem Kauf eines schnellen Autos zulegen kann. Anerkennung und Identität kommt mit käuflichen Symbolen und Zahlen auf dem Konto, daher. Mit Geschenken, Zuwendungen, versuchen wir uns Liebe zu erkaufen. Üble Zeitgenossen fordern dazu auf, alles, was verknappt werden kann, mit einem monetären Wert zu versehen, weil die Menschen sonst keine Wertschätzung aufbringen: Boden, atembare Luft, Trinkwasser, demnächst bewohnbare Lebensräume, Bodenschätze und andere natürliche Ressourcen. Dann gibt es auch Leute, die diese Dinge besitzen und verkaufen, so wie es diejenigen gibt, die für die pure Existenz kaufen müssen. Und wo bleiben die, welche nicht zahlen können?

All dies sind Ideen, welche in den Großhirnen von einem Teil der Weltbevölkerung entstanden. Im absoluten Gegensatz dazu stehen die uralten Traditionen der Völker, die bereits vor der Kolonialisierung durch die Europäer und Ausbreitung des Kapitalismus in ihren angestammten Gebieten leben. Ausnahmslos sehen sie sich als einen Teil des Systems, dessen Gleichgewicht sie achten und innerhalb dessen sie ihr Leben gestalten. Es gibt somit ein vorher, da wo wir herkommen, und einen Zustand, der durch die Umsetzung der Ideen ausgehend von den Industrienationen, entstanden ist. Diese Ideen wurden nicht von einem imaginären Gott an einen Typen auf einem Berg diktiert, sie sind von verhältnismäßig wenigen erdacht worden. Damit sind sie nicht ewig gültige Vorgaben, sondern überprüfbar, revidierbar, veränderbar. Mir scheint, dies haben einige vergessen. Alles, Industrialisierung, Kapitalismus, Wohlstand, Wirtschaftssysteme, das Verhältnis des Menschen zu allen Lebewesen und seine Bedeutung im System, Eigentum, Besitz, Umgang mit den Ressourcen, Wachstum oder Rückbesinnung, kann, muss, darf, hinterfragt werden.

Ich möchte nicht um den heißen Brei herumschreiben. Zweifellos brachte die Industrialisierung einige Entwicklungen mit sich, die wir schätzen und für uns Vorteile mit sich brachten. Aber aufs Ganze gesehen, zu welchem Preis? Läuft es nicht darauf hinaus, dass die Länder, welche den Weg der Industrialisierung beschritten, alle ins Verderben reißen? Was wäre, wenn eine kleine Gruppe Menschen die Macht besäße, in die Vergangenheit zu reisen und dort darüber entscheiden könnten, wie es weitergehen soll. Würden sie um die Folgen für den Planeten wissend, der Industrialisierung die Rote Karte zeigen?

Mir gehen die Zeitgenossen/innen gegen den Strich, welche ständig anderen “Moralisieren” oder “Bevormundung” unterstellen, nur weil sie weiterhin unbehelligt wie “offene” Hose leben wollen. Wie ich bereits schrieb: “Lass mich gefälligst in die Höhle kacken, das ist Ausdruck meiner Freiheit und Dein Gesülze darüber ist moralisches Zeugs.”
Die den Leuten Einhalt gebieten wollen, sprechen nicht davon, wer mit wem und wie ins Bett steigen darf. Oder ob Rülpsen, Furzen, schicklich ist. Wenn es ein Problem mit denen gibt, die Änderungen einfordern, dann ist es oftmals Heuchelei und der Adressat. Beim von uns installierten System ist es völliger Humbug bei den einzelnen Verbrauchern anzusetzen. Sie sind Teil einer vom Kommerz gesteuerten Massengesellschaft. In der Regel ist das ein Trick, um den Konzernen durch die Hintertür Geld zuzuwerfen. Die erfinden täglich neue Kniffe. Mal verkaufen sie den Leuten ein Recycling-Modell, damit ihnen niemand verbietet weiterhin Plastikverpackungen zu produzieren oder sie tüfteln wie die PR-Agentur Ogilvy & Mather für den Ölkonzern BP eine Desinformationskampagne aus. Jeder darf brav seinen CO₂-Abdruck berechnen und sich schuldig fühlen. Wie praktisch, wenn sich der Konzern als Großemittent in der Masse des Kleinviehs verstecken kann. In den letzten Tagen kursierte ein Propaganda-Video der CDU, in dem eine junge Frau den Leuten Handlungsempfehlungen gibt, wie sie weniger CO₂ verursachen könnten. Das ist exakt die gleiche Masche.
Heuchelei deshalb, weil sie nicht die Traute haben, an die Wurzeln heranzugehen. Durchaus nachvollziehbar, weil sie damit innerhalb einer Demokratie ziemlich schnell von der politischen Bildfläche verschwänden. Ihnen bliebe nur noch der Protest auf der Straße. Wer den Leuten nicht das Blaue vom Himmel, noch mehr Sicherheit, Wohlstand, Wachstum, verspricht, braucht sein Büromaterial gar nicht erst auszupacken.

Der Affe will spielen

Tja, und dann ist da noch die Sache mit dem großen Affen und seinem Spieltrieb. Hat der Affe nichts zum Spielen, fängt er entweder an nachzudenken oder aggressiv zu werden. Dafür gibt es PC-Spiele, Smartphones, Smartwatches, Instagram, Facebook, TikTok. Der Ring Saurons aus dem Herrn der Ringe ist dagegen ein harmloses Kinderspielzeug. Die gesamte Riege der Diktatoren vor der Digitalisierung wäre fassungslos, welche Möglichkeiten heute bestehen. Jeder lässt sich freiwillig orten, gibt ohne Spitzel und Observation wirklich jede Information preis und lässt sich stundenlang mit Trash das Gehirn weichkochen. Nichts ist zu blöd, zu peinlich oder geschmacklos, um ins Internet gesetzt zu werden. Wer braucht in der Politik noch Faschisten, wenn der Kommerz längst die Diktatur übernommen hat? Allmählich macht sich die Verblödung breit. Wer lässt sich einfacher nach Belieben steuern, als eine Meute Deppen? Diesem Beitrag wird einer über meine aktuelle Zeit in einem Guesthouse folgen. Jeden Tag tun sich neue Abgründe auf. Und die ich hier treffe, haben es immerhin bis nach Malaysia geschafft. Ich frage mich, wie sie dies anstellten, aber sie haben es geschafft.

Die Pandemie und die Aktivisten/innen haben eins gemeinsam: Beides, die Pandemie und die Aktionen vermochten es, unzählige Leute ins Licht zu zerren, wo sie zeigten, wer sie sind, welche Haltung sie einnehmen und wie es um ihre kognitiven Fähigkeiten steht. Journalisten/innen, Frauen und Männer aus der Wirtschaft, Künstler/innen aller Couleur, Leute von der Straße, Politiker/innen, gaben und geben unfassbare Aussagen von sich. “Die Aktionen schädigen der Sache des Klimaschutzes.” Ich möchte schreien, wenn ich so etwas lese oder höre. Man stelle sich ein paar Schiffbrüchige in einem leckgeschlagenen Rettungsboot vor, in das Wasser eindringt. Würden die zu denen, die die Initiative ergreifen und auffordern, das Wasser herauszuschöpfen, sagen: “Nicht in dem Ton, Freundchen, dann machen wir gar nichts. Und wenn wir absaufen, seid ihr Schuld!”

Die PR-Agenturen schieben Doppelschichten und werden nicht müde, einen öffentlichen Diskurs zu unterbinden. Linksversifft, Verbotspartei, grüne Faschisten, grüner Mist, eine Diffamierungs- und Schmutzkampagne folgt der nächsten. Es gibt nur noch links und rechts. Alldieweil kann man so keine differenzierte Debatte oder Diskussion führen. Und genau dies ist gewollt. Das ist Faschismus! Wissenschaftliche und intellektuelle Diskurse zu unterbinden, ist einer der Standards. Desinformation zu betreiben, jede Aussage, sei sie auch noch so fundiert, im Zweifel mit absurden Entgegnungen, beliebig werden zu lassen, kontinuierlich mit einer stetigen Steigerung die Grenzen zu verschieben, gehören zum 1×1 des Faschismus.
Nur weil sich jemand als gemäßigt bezeichnet, ein etabliertes Parteibuch in der Tasche hat, ist er/sie noch lange keine/r, die/der sich aufführt und agiert wie ein/e Faschist/in. Was da aus den Reihen der CDU/CSU, FDP, teilweise zu vernehmen ist und welche Schalter die umlegen, macht mich fassungslos. Angst, Diffamierungen von politischen Gegnern, erzeugen von Außenfeinden, nationalistische Appelle, Stigmatisierung von Bevölkerungsgruppen. In der netten Version würde ich dies “American Stile” nennen, in der bösartigen fällt mir mindestens Mussolini ein.
Ja, ich habe als geborener West-Berliner auch gelernt, dass uns die Alliierten befreiten. Das stimmt mit Sicherheit. Trotzdem kann ich mich nicht ernsthaft mit dem anfreunden, was die US-Amerikaner als Demokratie bezeichnen. Ob die auf seltsame Art und Weise ihre Wahlbezirke hin und her schieben, nicht jeder eine Stimme hat oder bereits von Anfang an die Wahlleute eingeführt wurden, weil nur Reiche in der Lage sind über die Geschicke eines Landes zu bestimmen, es stinkt gewaltig. Und die USA, welche in den II. Weltkrieg eintrat, existiert schon lange nicht mehr.

Es tut mir leid, aber ich sehe die Demokratien scheitern. Einerseits am Kapitalismus und zum Zweiten an dem, was Platon schon für die ersten Demokratien anmerkte. Sie sind ein offenes Spielfeld für nicht an der Sache orientierte Demagogen. Und die haben heutzutage ungleich bessere Möglichkeiten, als im alten Griechenland. Bernays sagte einst:

Die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element der demokratischen Gesellschaft. Diejenigen, die diesen unsichtbaren Mechanismus der Gesellschaft manipulieren, stellen eine unsichtbare Regierung dar, die die wahre herrschende Macht unseres Landes ist. …
Wir werden regiert, unser Geist ist geformt, unser Geschmack gebildet, unsere Ideen wurden vorgeschlagen, hauptsächlich von Männern, von denen wir noch nie gehört haben. Dies ist ein logisches Ergebnis der Art und Weise, wie unsere demokratische Gesellschaft organisiert ist. Eine große Anzahl von Menschen muss auf diese Weise zusammenarbeiten, wenn sie als reibungslos funktionierende Gesellschaft zusammenleben sollen.

Propaganda 1928

Dass es an dem ist, da mag ich ihm zustimmen. Doch beim Thema Demokratie widerspreche ich vehement. Es ist eine sehr amerikanische Denkweise, der nach Leute, die es zu einem Vermögen brachten, auch klug und weise sind. Die Leute, die da agieren, haben Profite und Wachstum im Sinn. Der Mensch an sich ist ihnen völlig egal. Die sind für sie Zahnräder in einer Maschine, die entweder funktionieren oder ausgetauscht werden. Ich hab auch noch nie so richtig verstanden, welches Bild vom Menschen diese ganzen Neoliberalen haben, die innerhalb des bestehenden Systems unterwegs sind.
Geld und Macht korrumpieren. Gesetze werden geschaffen, um die Gier und Skrupellosigkeit einigermaßen im Zaum zu halten. Würden die halbwegs sozial denken, umsichtig handeln, nicht zur Profitsteigerung jede Sauerei ausprobieren und die Gemeinschaft vor Augen haben, bräuchten wir all die Gesetze, Steuerfahnder und spezialisierte Ermittler/innen für Wirtschaftskriminalität nicht.

Menschen neigen dazu, sich nicht die Frage zu stellen, welche Rolle ihre Unterschrift, Bewilligung, im Gesamtgeschehen spielt. Eben sowenig wie sich ein Eichmann darüber einen Kopf machte, was es mit den Transporten wirklich auf sich hatte, denkt ein Buchhalter, der eine Bezahlung für eine Dienstreise anweist, darüber nach, was dieser ominöse Typ in Südamerika genau veranstaltet. Dass er indirekt am Auslöschen eines indigenen Stammes in Brasilien beteiligt ist, sieht der nicht. Kaum einer im Konzern weiß über alles Bescheid. Am Ende zählt die Auszahlung an die Aktionäre, Anleger und Großinvestoren.
Die letzten Jahrzehnte dürften doch jedem gezeigt haben, wie es weltweit läuft. Es wird erst einmal gemacht. Im Zweifel ohne Rücksicht auf Verluste. Bis eines Tages schlecht gelaunte Leute oder investigative Journalisten den Braten riechen. Dann wird die PR-Abteilung bemüht und Schadensbegrenzung betrieben. Wenn ein wenig Gras über die Sache gewachsen ist, werden die neuen Auflagen, die weiteren Schaden verhindern sollen, als tolle Leistungen und Dienst für die gute Sache verkauft.

Wenn ein Verbrecher eine Tat plant, weiß er genau um das Risiko erwischt zu werden. Aber es ist eben ein Risiko und keine absolute Sicherheit. Es kann klappen und wenn es funktioniert, hat er einiges mehr in der Tasche. Also nimmt er das Risiko in Kauf. Bei Produzenten läuft das nicht anders, nur dass die keinen Bruch planen, sondern eine Chemiefabrik oder eine Mine. Ich bleibe dabei: Ich fühle mich veralbert. Stichwort: Werteorientierte Politik. Ausnahmsweise haben die Rechten mal was Richtiges von sich gegeben: Die kann es im aktuellen Weltwirtschaftssystem nicht geben. Wenn Deutschland keine Geschäfte mit Kleptokraten, Diktatoren, Kriegsverbrechern, korrupten Regimen und anderen Widerlingen macht, gehen bei uns die Lichter aus und die Leute gehen auf die Barrikaden. Deutsche Politiker/innen haben einst damit angefangen, den Leute zu suggerieren, dass sie die Guten sind, nun müssen sie es auch durchziehen.
Nach 1945 wurde alles drangesetzt, den Makel des Barbarentums wieder loszuwerden. “Wir sind doch so nett geworden. Wir kommen mit Ausländern klar, überfallen keine anderen Länder, zahlen Wiedergutmachungen, nehmen Flüchtlinge auf und helfen der Dritten Welt.” Alles ein wenig zähneknirschend, mal abgesehen von Überfällen auf andere Länder, aber immerhin.
Es gibt keinen Altruismus und schon gar nicht unter Nationalstaaten. Warum sind die so versessen auf deutsches Kriegsgerät? Ganz einfach, weil es gutes Zeug ist und eine Menge Geld in die Forschung und Ingenieurskunst gesteckt wurde. Wären unsere Waffensysteme, Panzer, Haubitzen, der letzte Schrott, steckten wir nicht in der Bredouille. Bräuchten wir den Kram selbst? Wohl kaum! Das ist ja der Sinn der NATO. Um uns herum gibt es genügend andere, die den Knopf drücken können. Und Deutschland als Mittelstaat ist ein nettes Kampfgebiet, von dem am Ende wenig übrig bliebe. Andere Staaten zu überfallen ist heutzutage eher die rustikale, primitive Art, die Staaten ohne großartige Wirtschaftskraft vorbehalten ist. Man kann Staaten auch wirtschaftlich kolonialisieren und sie an der Leine führen. Die Chinesen sind da wahre Meister. Taiwan ist mehr so ein Macho-Prestige-Objekt. Aber wir können das auch ganz gut. Haben wir Entwicklungshilfe gezahlt, weil wir so gute Menschen sind? Nein! Wir haben uns Märkte, Schürfrechte und Rohstoffe gesichert. Und wir wollen es mit den Ausländern nicht übertreiben. Die sollen gefälligst zu Hause arm bleiben. Dublin war ein genialer Schachzug. Wir geben allen anderen Kohle, damit die uns in Ruhe lassen.

Ach, es gibt so vieles, was ich nicht mehr hören kann und will. Enden möchte ich mit der miesesten Kampagne, die derzeit seitens der CDU gefahren wird. Am 19.03. gab Armin Laschet im ZDF ein Interview, bei dem mir die Spucke wegblieb. Dort steigt er mit einer vermeintlichen zu geringen Aufklärung über Impfschäden ein. Was erstmal völliger Blödsinn ist, weil dies die Ärzte umfassend taten. Zudem sind Impfungen nicht etwas wirklich Neues. Die überwiegende Zahl der Deutschen ist gegen viele Krankheiten geimpft. Und bei jeder Impfung bekommen alle brav ihre Belehrungen. Irgendwann schwenkt er auf die Impfgegner um, für die man doch Verständnis haben müsse. Ebenso für die erlebnisorientierten Mitglieder der überversorgten Spaßgesellschaft in einem reichen Industrieland. Kurzfristig benötigte ich ein Taschentuch, weil Deutsche mal ein Jahr nicht auf einer Fressmeile mit der Bezeichnung Weihnachtsmarkt Glühwein saufen oder beim Karneval nicht die Sau herauslassen konnten. Mal zum Vergleich: Auf Langkawi/Malaysia saßen ein paar Freunde von mir bei einem Bier zusammen. Dann kam die Polizei und nahm alle fest. Und weil der Sultan keinen Spaß versteht, landeten sie zu fünft in einer mit 10 Mann belegten Zelle, die für 4 Leute ausgelegt ist. Im hinteren Bereich eine Rinne für die Notdurft. Ansonsten keinerlei Mobiliar. Also wurde wechselweise auf dem Betonfußboden geschlafen. Die malaiische Polizei hat etwas andere Vorstellungen von Polizeigewalt und verteilt als Essen nicht mehr ganz frischen Fisch, damit die Verdauung besser in Gang kommt. Das ganze Programm dauerte einen Monat. Jetzt aktuell läuft ein Prozess gegen einen hohen Beamten, der Hilfsgelder um die Ecke brachte. In ihrer Not hängten die Leute weiße Flaggen aus dem Fenster und signalisierten so, dass sie noch etwas zu Essen für andere abgeben könnten. Während der Pandemie erreichten mich Nachrichten von indischen Bekannten, deren Verwandte wie die Fliegen an Corona starben, weil die Versorgung mit Impfstoff nicht klappte.
Hoch spannend ist auch der Umstand, dass ausgerechnet in Deutschland ganz doll viele Impfschäden auftauchen. Für zartbesaitete Wohlstandkörper scheint der Impfstoff besonders gefährlich zu sein. Ich will nicht in Abrede stellen, dass es Schäden gibt. Die gibt es zu einer gewissen Prozentzahl immer. Aber vermutlich wird auch nicht der Nachweis erbracht werden können, was mit den Geschädigten passiert wäre, wenn sie Corona mit der vollen Wucht bekommen hätten.
Was Laschet im Auftrag der UNION veranstaltet, ist klar. Die greifen das negativ konnotierte Thema auf und versuchen es für sich positiv zu drehen. Das ist absolut unterirdisch und beispiellos. Das Sahnetörtchen gibt es dann zum Ende des Interviews. Er sagt selbst wortwörtlich: … die wenigen, es sind ja nicht viele, die jetzt Impfschäden …” Dabei fordert er die Pharmakonzerne auf, sich an den Kosten zu beteiligen. In einem Abwasch bedient er auch noch diejenigen, welche die Verschwörungstheorie aufstellten, dass alles nur zum Gelddrucken erfunden wurde. Ich befürchte, die kommen mit dieser Nummer durch.

Nein, es ist nicht alles schlecht und einer Vielzahl von Entscheidungsträgern/innen aus der Politik und Wirtschaft unterstelle ich nicht einmal Bösartigkeit. Es mangelt ihnen an Weitsicht. Sie haben das Jetzt und Morgen, ihren persönlichen Status und Erfolg vor Augen. Was sie mit all ihrer Propaganda, kurzsichtigen Handeln, ihrer Egozentrik, für die Zukunft anrichten, sehen sie nicht. Sie konstruieren ein System, welches auf Profit, Wachstum und Geld basiert. In der Konsequenz gibt es natürlich Leute, die alles ausreizen. Darauf reagieren sie wiederum mit Gesetzen, Überwachung, Abschaffung des Bargelds. Die Gierigen finden neue Wege und überwacht wird am Ende der normale rechtschaffende Staatsbürger. Das Regelwerk wird immer engmaschiger. Dies hat irgendwann zur Folge, dass ein Denken entsteht, in dem alles erlaubt und zulässig ist, was nicht in den Regeln verboten wurde. Wer dann sagt: Stopp, es gibt einige sich logisch ergebende Grenzen, die nicht niedergeschrieben sind, wird zum Moralisten abgestempelt. Weltweit setzen diese Leute alles dran, dass alles nach ökonomischen Kriterien geprüft wird … und das wird richtig böse schiefgehen.


1 März 2023

Die Suche nach Frieden

Lesedauer 13 Minuten

Im Menschen stecken zwei Wesen. Der Primat, ein Affe mit trockener Nase und spärlicher Behaarung, welcher sich mit seinen Fähigkeiten an die Spitze der Nahrungskette setzte. Ein Raubtier! Eins, welches sich zu Horden zusammenschließen kann und nicht nur gemeinsam auf die Jagd geht, sondern auch gegen andere konkurrierende Horden unerbittlich bis zum Tod kämpft. Doch dieser Primat entwickelte ein Bewusstsein. Er kann sich über die Regeln der Natur hinwegsetzen, ihr trotzen, die Folgen seiner Handlungen erkennen, Trieben gewahr werden und sie kontrollieren. Erst, wenn dieses Bewusstsein, in Verbindung mit Verstand, Vernunft, Reflexion, zum Tragen kommt, überschreitet der Primat die Schwelle zum Menschsein.

Die innewohnende Aggressivität, die Kampfbereitschaft, die Intelligenzleistung, sich zusammenzuschließen und in einem Kampfverband zu organisieren brachte das Tier nach oben. Doch gleichzeitig bringt dies die Gefahr der totalen Vernichtung der eigenen und anderer Spezies mit sich. Kurzum, das Großhirn ist dazu fähig darüber zu entscheiden, ob es sich selbst und die Evolution beendet oder leben will.

Seit Menschengedenken wird experimentiert, wie man am besten das Leben gestalten kann. Krieg, Frieden, Diktaturen, Königreiche, Kaiserreiche, Klerikale Staaten, Anarchie, Kommunismus, Sozialismus, Kapitalismus, aus all diesen Experimenten kann man Lehren ziehen. Parallel entwickelten die Menschen immer ausgefeiltere Methoden, sich gegenseitig abzuschlachten. Wenn nicht bereits die Atombombe den absoluten Overkill ermöglicht, wird die absolute Waffe noch entwickelt werden. Da bin ich mir absolut sicher. Ginge man mit Vernunft und Verstand heran, wüssten wir, dass wir das Ende der Fahnenstange erreicht haben. Die Waffensysteme haben einen technischen Stand erreicht, der völlig neue Betrachtungen notwendig macht. Ich denke, dass 1945 der historisch verpasste Zeitpunkt war, an dem die Chance bestand, inne zuhalten, alles neu zu bewerten und völlig andere Wege zu gehen. Doch jeder weiß, dass unsere Mütter, Väter, Großmütter, Großväter, deren Anführer, diese Chance verstreichen ließen.

Mit Nuancen besteht das alte System, welches zwei Weltkriege hervorbrachte, in den Grundzügen immer noch. Konkurrierende Nationalstaaten und Großmächte, ein globales Wirtschaftssystem, welches auf Wachstum, Profite, Gier, gründet und vor allem in einem Dilemma festhängt. Jede Großmacht inklusive ihrer Vasallen beäugen misstrauisch die Konkurrenz und ihre Strategien, sich Macht, Rohstoffe, geostrategische Vorteile, zu sichern. Und fortwährend flammt immer mal wieder ein Krieg auf.

Innerhalb dieses Systems ist es unmöglich sich herauszuhalten oder eine sichere Neutralität zu bewahren. Stets muss man auf der Hut sein, Allianzen schmieden, Drohkulissen aufbauen und dafür Sorge tragen, dass der andere nicht zu stark wird. Macht ein Beteiligter einen Schrittfehler, grätscht der Gegner hinein. Wird das System nicht radikal umgebaut, muss ich mich den aus ihm entstehenden Regeln beugen. Isoliere ich aus einem Computernetzwerk einen Client, der auf die Programme im Netz zugreift, kann ich mit dem nicht allzu viel anfangen.

Neue Friedensbewegung in einem alten System?

Dieser Tage gehen wieder einmal Leute auf die Straße und fordern Frieden. Einige sprechen von einer neuen Friedensbewegung. Ich kann dem nicht ganz folgen. Die alte, in den 80ern, richtete sich nicht gegen einen konkreten Krieg, sondern gegen das Wettrüsten zwischen USA und UdSSR. Nach allem, was man nunmehr im Nachgang weiß, waren die Sorgen der Bürger durchaus berechtigt.
Eher passend finde ich eine Analogie zu den Protesten in den 60ern gegen den Vietnamkrieg. Damals hieß der Aggressor USA und die verantwortlichen Präsidenten hießen Lyndon B. Johnson und Richard Nixon. Folgerichtig wandte sich die Protestbewegung gegen die USA und nicht gegen die kommunistischen Kämpfer auf der Seite der Vietnamesen. Und soweit ich weiß, kam niemand auf die Idee, einen Stopp der Waffenlieferungen für den Vietcong zu fordern. Dies wäre auch ziemlich zwecklos gewesen, da die Waffen damals aus dem Ostblock stammten. Ziehe ich einen Vergleich zu heute, hätten damals Frau Wagenknecht und Frau Schwarzer den Vietcong zum Einstellen der Kampfhandlungen und eine Verhandlungsbereitschaft mit den USA einfordern müssen. Was garantiert nicht funktioniert hätte, da die USA mit aller Macht die Ausbreitung des Kommunismus in Südostasien verhindern wollten. Heute wissen wir, dass trotz des verlorenen Krieges nur Vietnam und Laos kommunistische Systeme aufbauten.

Nein, die seitens Wagenknecht, Schwarzer u.a. eingeforderte Demutsgeste der Ukraine hat nichts mit den Gedanken und Intentionen der 80er – Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland gemein. Ich betone Bundesrepublik Deutschland! In der DDR wurde damals die Ausrüstung mit SS20 Raketen und der Wehrunterricht in den Schulen favorisiert. Auch der Afghanistan-Krieg, ausgehend von der UdSSR, wurde billigend hingenommen. Während dieser Zeit schenkten sich die Geheimdienste aus Ost und West nichts. Damals ahnte man es, heute weiß man, dass der MfS im Westen fleißig unterwegs war.

Geheimdienste, Propaganda gehen nicht mit dem Krieg einher, sondern sind schlicht Unterabschnitte. Und zur Propaganda gehört das Grauen. Viele Waffengattungen sind darauf ausgerichtet, Soldaten und Zivilisten zu verstümmeln. Sie sollen nicht sterben, sondern davon berichten. Folter, Vergewaltigungen, Hinrichtungen verfolgen den gleichen Zweck. Gleichfalls gehört es dazu, die Bevölkerung der anderen Seite gegen ihre Regierung aufzubringen. Der Hinweis, dass in der Ukraine tausende Menschen sterben, ist nahezu obsolet. Denn hierfür steht das Wort Krieg. Menschen schlachten Menschen ab, oder sie setzen Waffen ein, die Gliedmaße abreißen, Gesichter entstellen. Es wird gefoltert, geplündert, gebrandschatzt, vergewaltigt. Das Tier wütet. Wenn also Wagenknecht und Schwarzer auf die Sterbenden, Vergewaltigten, Gefolterten hinweisen, sagen nicht mehr oder weniger, als dass ein Krieg tobt. Die Bilder, das Grauen, gehört zu Putins Kalkül und ist Teil der Kriegspropaganda. Nun aber stellt sich die Frage, wie man darauf reagiert. Kann es richtig sein, die Opfer aufzufordern, endlich Ruhe zu geben, weil es dann vorbei ist? Putin ist in diesen Krieg nicht hineingeraten. Er hat ihn gezielt, kalkuliert, vorsätzlich, begonnen. Alles andere endete damit. Zuvor hätte es noch die Option von Verhandlungen gegeben. NATO, neutrale Zonen, die Einrichtung seitens UN-Truppen überwachter Regionen usw. Auch wäre die Einnahme unterschiedlicher Positionen gerechtfertigt gewesen. Doch all dies hat er mit dem Angriff beendet. Anders: Eine neue faktische Lage geschaffen, die Krieg heißt. Und da er sich nicht auf einige Gebiete beschränkte, lautet das Ziel: Vernichtung der Ukraine als Staatsgebilde. Ginge es nicht um Russland, einem Atom-Staat, gäbe es hierauf nur eine Reaktion: Eine seitens der UN genehmigte konsequente Intervention.
Aber da es sich nicht um einen der kleineren Staaten handelt, der überdies nicht Teil eines militärischen Paktes ist, kommt dies nicht infrage. Dies ist eine Botschaft an alle anderen Staaten auf der Erde, die u.a. Norwegen, Finnland und Schweden verstanden. Wer keine Atomwaffen besitzt und auch nicht Mitglied eines Militärpaktes ist, wird zur Beute, der niemand beispringen kann. Was bleibt, ist die logistische Unterstützung. Hier kann es meiner Meinung nach keine Abstufungen geben. Wenn ich mich dazu entschließe, muss ich es richtig und nicht halbherzig tun. Ob dies seitens Putins als Kriegsteilnahme oder nicht bewertet wird, ist ihm ohnehin selbst überlassen. Da können sich Völkerrechtler den Mund fusselig reden. Der Mann spricht öffentlich davon, dass der Westen vorhabe, die russische Ethnie auszulöschen. Reden wir doch nicht um den heißen Brei herum. Solche Töne kennen wir in Deutschland sehr gut. Diesmal kommen sie aus der anderen Richtung. Wer sich die öffentlichen Inszenierungen Putins zu Pferd in der Steppe, posierend mit Bären und Waffen anschaut, kann als Deutscher einfach nicht anders, als an den germanischen Zirkus der Nationalsozialisten zu denken. Letztens sprach ich mit einer Russin. Die sprach von “Brudervölkern”, die sich vereinen müssen. Ach Leute, haben wir Euch nicht gezeigt, dass dieser Schwachsinn keine gute Idee ist? OK, ich räume ein, dass wir sogar im Bundestag noch einige herumzurennen haben, die es immer noch nicht kapiert haben. Und wenn sie es nicht offen tun, quatschen sie von leistungsfähigen, ordentlichen, pünktlichen, fleißigen, Deutschen. Das ist der gleiche Dreck, nur eloquenter, mit einem neoliberalen Upgrade.

Meine Generation wurde in einem dualen, globalen System groß. Im Prinzip durften die beiden Großmächte innerhalb ihrer Bereiche schalten und walten, wie sie wollten. Die Gegenseite regte sich künstlich auf, aber es passierte nichts wirklich Gravierendes. Ich denke, eine Menge Leute rechnen die Ukraine immer noch dem alten Einflussbereich Russlands, der ehemaligen Führungsmacht der UdSSR, zu. Ein Aufbegehren der Ukraine, vornehmlich einer neuen Post-Sowjet-Generation, passt nicht in deren Weltbild. Und so wie ich dies aus Gesprächen mit Ukrainern/innen im Alter von um die 30-40 Jahre mitgenommen habe, sind sie im eigenen Land zerstritten. Die Alten sind entweder Freunde der alten Sowjetzeiten oder sie hassen sie. Einige der Älteren sprechen ausschließlich Russisch und werden über die russische Propaganda gesteuert. Mir scheint, dass durch einige Familien ein Spalt verläuft. Ich weiß auch nicht, inwieweit man dem ukrainischen Regierungsapparat über den Weg trauen kann. Beide, Russland und Ukraine, sind meiner Kenntnis nach tief mit kriminellen Strukturen verstrickt. In den 90ern erklärte mir in einer Vernehmung ein ehemaliger KGB Offizier das Prinzip der russischen Korruption. Seiner Beschreibung nach gab es damals ein unmittelbar kriminelles Handeln von Regierungsmitgliedern, welche er als die “Rote Mafia” bezeichnete und Banden, die unabhängig von diesen Personen agierten. Jene titulierte er als “Weiße Mafia”. Die Roten schafften damals, keine Ahnung wie es heute läuft, auf staatlich kontrollierten Wegen Geld außer Landes und parkten es in Firmen. Die Weißen entwickelten das Geschäftsmodell eben genau diese Firmen anzugehen und Zwangsbeteiligungen, zum Teil mit Gewalt, einzufordern. Ein wenig erinnerte mich dieses Vorgehen an einige ehem. Regierungsmitglieder bzw. Verwaltungsmitglieder der DDR in den Wendejahren. Und einigen Artikeln nach, ist davon auszugehen, dass z.B. auch Putin mit kriminellen Strukturen verstrickt ist. Er ist halt vermutlich ein Kleptokrat unter Kleptokraten, in einem Staat, in dem es sich die Oberen schon immer gut gehen ließen. Und ich denke, es wäre naiv, davon auszugehen, dass dies in Teilen der Ukraine anders ist. Was mich wiederum vermuten lässt, dass im Falle eines Weiterbestehens der Ukraine, die unteren Schichten nicht sonderlich viel davon haben werden. Was da im Einzelnen tatsächlich vor sich geht, werden nur absolute Insider verstehen.

Doch dies gehört für mich alles zum System. Ebenso, wie rund um den Krieg herum garantiert jede Menge krumme Geschäfte und Absprachen stattfinden. Allein schon der Umstand, dass die US-amerikanische Rüstungsindustrie quasi die Sektkorken knallen lässt, wenn Panzer aus deutscher Produktion in die Ukraine gehen und sie den Nachschub für die NATO stellen können, ließ aufhorchen. Bei den Ferengis aus dem Star-Trek-Universum gilt: Regel 034, Krieg ist gut für das Geschäft [1](DS9: Trekors Prophe­zeiung, Die Belagerung von AR-558) Regel 035, Frieden ist gut für das Geschäft [2]DS9: Trekors Prophe­zeiung. In einer Folge wird ein Ferengi in Kampfhandlungen verwickelt. Nachdem er sich mehrfach in seiner Deckung darüber beschwert, wird er auf diese Regeln hingewiesen. Er antwortet: “Die gilt nur, wenn man nicht zu nah dran ist.” Man muss kein großer Analytiker sein, um schnell zu kapieren, dass mit den Ferengis Neoliberale US-Amerikaner gemeint sind, deren Ableger sich in Deutschland in der FDP sammeln. Die Rüstungsindustrie ist keine Ansammlung von Patrioten, sondern ein Zusammentreffen knallharter Geschäftemacher, die nach den Regeln des Markts alles und jeden beliefern, bis ihnen mal wieder jemand auf die Schliche kommt. Machen wir uns nichts vor. Alles, was im Lager liegt oder auf dem Hof herumsteht, bringt keine Profite. Aber spätestens Munition ist Verbrauchsmaterial.

Systemimmanent ist aber leider ebenfalls der Umstand, dass die Rüstungskonzerne Teil der Gleichgewichtsstrategie sind. Baut der eine, zieht der andere nach. Wird irgendwo etwas entwickelt, was für ein innovatives Waffensystem nützlich ist, wird es aufgekauft und gleichzeitig die Forschung auf der anderen Seite gepusht. Da kann man nicht mal eben aussteigen, ohne sich Beulen einzufangen. Die Jungs aus der Nerd-WG in der Serie Big Bang Theory stehen vor diesem Dilemma, als sie für die NASA ein GPS-System entwickeln und erkennen, dass dieses ebenfalls in Waffensysteme eingebaut werden kann. Ihre Lösung: Wenn bisher kein Terminator aufgekreuzt ist, weil wir den Untergang der Welt eingeleitet haben, ist alles in Ordnung. Nun ja, eben eine Nerd-Rechtfertigung.

Was offiziell an Lieferungen erlaubt ist, richtet sich stets nach der Nützlichkeit eines Staats. Keinesfalls nach ethischen Aspekten. Ressourcen aller Art und Bereitwilligkeit der jeweils vorhandenen Regierung, diese möglichst günstig zu verkaufen, sind die Voraussetzungen für die Bewilligung. Bisweilen geht das schief. Es war keine gute Idee, die Taliban zu fördern und auszubilden, damit sie die russischen Truppen dezimieren. Jedenfalls nicht, wenn man ein paar Jahre später selbst einmarschieren will. Wenn Frau Wagenknecht eine Forderung aufstellt, sollte sie sich gegen alle Waffenlieferungen, jetzt, morgen, für immer aussprechen. Alles andere riecht verdächtig nach Heuchelei.

Für das Individuum bedeutet Krieg immer eine existenzielle Entscheidung. Sartre, als einer der Hauptvertreter des Existenzialismus, schrieb hierzu, dass sich jeder Soldat für oder gegen den Krieg entscheiden könne. Am Ende bliebe ihm immer einen Suizid zu begehen oder zu desertieren. Würden sich alle gegen den Krieg entscheiden, gäbe es keine. Aber so läuft es nun einmal nicht. Jedes Mal auf ein Neues, finden sich genügend, die kämpfen. Und ob es nun nach Russophobie klingt oder nicht, ist mir egal: Ich glaube nicht, dass jemand in die Hände von Truppen der Roten Armee fallen will. Den armen geknechteten Typen, die damals um Berlin herum abgezogen wurden, möchte ich nicht ausgeliefert sein. Wer Full Metal Jacket gesehen hat, weiß, was ich meine. Die Hierarchischen Systeme fordern den Kampf auf Befehl ein. “Stell Dir vor, es ist Krieg, aber keiner geht hin!”, stand in den 80ern auf Hauswänden. Netter Spruch – aber irreal.

Verständnis für Putin

Wer diesem Gemenge an prominenten Protestlern zuhört, stößt häufig auf ein gewisses Verständnis von Putins Handeln. Innerhalb des Systems sah er angeblich sein von ihm angeführtes Russland seitens der NATO bedroht. Na ja, wie wahrscheinlich wäre ein konventionelles Einmarschieren von NATO-Truppen in Russland? Es ist nahezu auszuschließen. Der Neoliberalismus zeigte in der Vergangenheit, wie es läuft. Mittels Wettrüsten, was durch das Dilemma funktioniert, wurde die UdSSR wirtschaftlich an die Wand gedrückt. Spätestens als im Zentrum des Inbegriffs von Kommunismus eine McDonald Filiale eröffnete, war klar, wie es weiter geht. Mit westlicher Dekadenz, Geld und Konsumgier die Roten an die Wand spielen. Solange dies mit einem Staatskapitalismus einherging und alle Oberen genug Geld scheffelten, ging dies auch durch. Wenn alles nach den Regeln der Spitze läuft, gibt es keine Probleme. Auch wenn es nicht hierher gehört, beobachtete ich in diesem Zusammenhang amüsiert den Aufstieg von Gerhard Schröder. Jeder, der auch mal eine Welt außerhalb des gehobenen Bürgertums kennenlernte, hat Biografien erlebt, in denen sich Leute von unten nach oben bugsierten. Ich habe keine Ahnung, wo die irrige Auffassung herrührt, dass sich solche Charaktere daran erinnern, wo sie mal herkamen. Sie tun es durchaus, aber anders, als sich dies einige wünschen. Zwei Typen aus ehemals ärmlichen Verhältnissen kommen nach harten Bandagen-Kämpfen in Luxussuiten an und schlürfen teuren Whisky. Mich wundert nicht, dass Putin und Schröder sich gut verstehen.

Meiner Meinung nach, war die Maidan-Revolution für Leute wie Putin und Konsorten ein nicht hinnehmbares Zeichen, gleichzeitig eine Gefahr für ihren Staatskapitalismus, der nur noch in einem Negligé mit der Aufschrift Kommunismus steckt. Wo landet man, wenn eingesetzte Marionetten einfach abgesetzt werden? Eventuell sogar noch die eine oder andere Sauerei aufgedeckt wird? Was passiert, wenn man an der Stelle Schwäche zeigt? Putins Problem war kein anderes, als die USA jedes Mal in Südamerika bekommen, wenn die Leute mal wieder einen Sozialisten wählen, der nicht geneigt ist, die Marionette zu spielen.
Die Verhältnisse auf der Erde verändern sich. Das 20. Jahrhundert sagt leise adieu. Das Thema USA vs. Sowjetunion, also das bisherige duale System, funktioniert zurzeit nicht mehr. Längst ist China als Dritter im Spiel. Und wenn sich Putin verkalkuliert, macht er Russland zum Vasallen von China. In diversen Ländern zeichnen sich Generationskonflikte ab. Einige Jüngere beginnen am Vorgefundenen zu zweifeln, während die Älteren noch in den alten Mustern hängen. Unübersehbar versammelten sich in Berlin mehrheitlich junge Nostalgiker und Frauen/Männer, die auf die 60 zugehen. Was auch immer Wagenknecht und Lafontaine verbindet, auch er gehört nicht gerade zu den innovativen Ideengebern. Alice Schwarzer ist 80! Ich weiß nicht, wie es um ihre Kenntnisse moderner digitaler Propaganda bestellt ist. Mich stört an den Protagonisten gewaltig, dass es durch die Bank Machtmenschen sind, die Hierarchien toll finden und sich an die Spitze setzen wollen. Wagenknecht ist von je her bekennender DDR-Fan. Eine Kommunistin ganz alter Schule. Hierarchie ist wichtig, jeder hat seinen Platz und seine Aufgabe. Ich kann nachvollziehen, dass ihr das Geschehen in der Ukraine suspekter ist, als das Verhalten Putins. Alice Schwarzer kämpfte zeitlebens für eine Umkehr. Gleichberechtigung wäre gut gewesen, aber sie wollte einen Machtaustausch zugunsten der Frauen. Das ist nochmals was anderes. Ich habe Frauen mit Macht kennengelernt. Meiner Erfahrung nach ist es die gleiche Chose, nur mit Brüsten. Sie kämpft nicht für die Auflösung von Hierarchien, sondern für einen Austausch der Machtpositionen. Grundsätzlich könnte man darüber sprechen. Frei nach dem Motto: Jetzt hatten die Männer lange Zeit Gelegenheit, die Leute herumzukommandieren, jetzt sind mal die Frauen dran. Aber ein Lösungsansatz für unsere Probleme ist das nicht.

Und auch wenn es die Teilnehmer bestreiten: Natürlich waren da teilweise die üblichen Verdächtigen mit auf der Straße. Was ich auch nicht weiter verwunderlich finde. Es gibt nämlich eine ganze Menge Überschneidungen. Die Veränderungen, nicht nur die bereits genannten, erfordern eine bei allen nicht vorhandene Anpassungsfähigkeit. Klima, Ressourcen, veränderte geostrategische Verhältnisse (z.B. ganzjährige Beschiffbarkeit der Nordroute), alternde Industrienationen, Flüchtlingsströme, kulturelle Veränderungen, junge Leute mit anderen Denkstrukturen, maßgeblich auch von der Digitalisierung und dem Internet geprägt, mischen die bisherige Welt auf. Keiner kann wirklich sagen, wo die Reise hingeht, schlicht, weil wir eine solche Lage noch nie hatten.

Tja, und dann spielen ein paar Alte die Spiele, welche sie schon immer spielten und ihre festen Rollen innehaben. Putins Nummer ist typisch 20. Jahrhundert, so wie auch die bisherigen Reaktionen aus dieser Zeit stammen. Kommunisten, Sozialisten, Faschisten, Neoliberale, Nationalisten, selbst die Anhänger des Systems der repräsentativen Demokratien, sind gedanklich alle in lokal eingegrenzten hierarchischen Systemen unterwegs. Internet, Digitalisierung, globale Probleme, sprengen diese Modelle. Weiterhin eint alle, dass sie es sich auf dem erreichten Niveau weiter gut gehen lassen wollen. Statt Arm und Reich zu mitteln und sich auf einen globalen Standard einzupendeln, der in der Mitte liegt, wollen einige die Armen auf das Level der Reichen ziehen. Ob das funktionieren kann? Ich bezweifle es.

Frieden?

Er wird eines Tages, so oder so, wieder eintreten. Und wenn keiner das globale System radikal verändert oder Umstände dazu führen, lässt der nächste Krieg nicht lange auf sich warten. Einen Typen aus dem 20. Jahrhundert, einen Veteranen des Kalten Krieges, mit Mitteln aus dem zurückliegenden Jahrhundert durchkommen zu lassen, halte ich für das falsche Zeichen. Die Diskussion über die Waffenlieferungen sind etwas aberwitzig oder mindestens zu spät. Wozu und wofür wurden denn die Dinger entwickelt, gebaut, getestet? Für eine reine Landesverteidigung des eigenen Landes benötige ich nur ein paar Atombomben. Greifst Du mich an, schicke ich die Dinger ab. Fertig! Nein, das Ziel lautet verkaufen, töten, kaputt machen, noch mehr verkaufen. Vielleicht noch, um in das eine oder andere Land einzumarschieren. Alle Atomstaaten können sich zurücklehnen und sagen: “Was ich auf meinem Territorium veranstalte, geht Euch nichts an. Mischt ihr Euch ein, knallt es.” Wenn, dann hätten sich all die Pazifisten bereits vor Jahrzehnten melden müssen und auf ein Verzicht der Produktion pochen sollen. Sich jetzt hinzustellen und zu sagen: “Upsi, damit kann man ja Menschen töten und verstümmeln!”, ist ein wenig albern. Und ob die nun in der Ukraine zum Einsatz kommen oder woanders, ist doch auch egal. Irgendeiner hat immer Pech. Lustigerweise haben wir die Leopard II Panzer sogar Chile angedreht, die damit nur in wenigen Regionen herumkurven können, weil der Rest aus Gebirge besteht. Rheinmetall schreibt zum Aufrüstungsset Revolution-Pack:

Das veränderte Missionsspektrum der heutigen Streitkräfte hat die Anforderungen an moderne Hauptkampfpanzer drastisch verändert. Es ist klar, dass sie weiterhin eine wichtige Rolle in aktuellen und zukünftigen Konflikten spielen werden. Aber in den allermeisten Fällen wird diese Rolle viel weniger mit der Gewinnung von Panzerschlachten zu tun haben, als mit der Sicherung positiver Ergebnisse in asymmetrischen Szenarien. Indem sie eine massive Kraftprobe produzieren, liefern Panzer eine kompromisslose Botschaft an Freunde und Feinde gleichermaßen und wirken in Konfliktsituationen weltweit als Wendepunkt. Neue Missionen und neue Bedrohungen, gepaart mit der Verfügbarkeit neuer Technologien, treiben den Modernisierungsbedarf. Was Armeen jetzt brauchen, sind effiziente und kostengünstige Lösungen.

https://rheinmetall-defence.com/en/rheinmetall_defence/public_relations/news/detail_1408.php

Asymmetrisch! So, so … mit anderen Worten, eine gut ausgerüstete Armee trifft auf eine militärisch schlecht ausgerüstete Partisanenarmee oder Aufständische. Was haben die bloß alle gegen Putin, wenn er von einer militärischen Operation spricht? In der euphemistischen Sprache der Militärs und Mächtigen gibt es schon länger keine Kriege mehr. Offiziell sind es bewaffnete Konflikte, mit internationaler Beteiligung oder eben jene ohne, früher simpel Bürgerkrieg genannt. Also, alle haben bisher brav dem einträglichen Geschäft zugestimmt und gut davon gelebt. Dass die Dinger nun ihrem Zweck zugeführt werden, ist konsequent. Bestellt und bekommen! Fertig. Im Übrigen wurden die Dinger auch an Staaten wie Qatar, Türkei, ausgeliefert. Die Saudis bekamen keine, weil sie sich nicht mit Israel verstehen. Deshalb mussten die USA in das Geschäft einsteigen und lieferten Abrams.

Doch um all solche Dinge geht es dieser sogenannten neuen Friedensbewegung nicht. Denen passen die Einschränkungen nicht, die sich aus der Solidarität mit der Ukraine ergaben. Putin wird sich denken: “Das war einfach!” Der kennt sich selbst ohne die modernen Möglichkeiten einer Stimmungserhebung, wie sie Geheimdienste regelmäßig durchführen, mit der deutschen Volksseele aus. Kalt? Teurer? Flüchtlinge? Geht gar nicht! Ergebt Euch gefälligst, damit mal wieder Ruhe eintritt. Etwas lächerlich ist die Angst vor einem Angriff auf Deutschland. Sollte es dazu kommen, hat sich alles erledigt. Darüber ist sich selbst Putin im Klaren. Ich hab leicht reden. Denn während ich schreibe, herrschen an meinem Aufenthaltsort über 30 Grad und meine Lebenskosten sind überschaubar.

In der Ferne stelle ich mir die Frage, ob es richtig ist, sich in Putins altes Spiel hineinziehen zu lassen. Und was ist gewonnen, wenn er abgelöst wird und andere weiter machen? Die USA und China suchen sich gerade mal wieder eine Spielwiese. China reibt sich mit Indien. Südostasien muss knirschend hinnehmen, dass die Chinesen in den Hoheitsgebieten der Küstenstaaten herum schippern. Erdogan und Assad machen ohnehin, was sie wollen. Hach, da gibt es soviel und alles ist ziemlich unübersichtlich. Nicht einmal das Wetter spielt noch mit.

Wie kann man alledem entkommen? Vielleicht läuft es bei der Menschheit, wie bei einem harten Alkoholiker. Bevor der nicht seine persönliche Bankrotterklärung erfahren hat, kommt er nicht vom Sprit weg. Allerdings besteht auch die Gefahr, dass er diese nicht überleben wird. Ja, ich glaube, so könnte es laufen. Wir werden so lange weitermachen, bis es auf der absoluten Kippe steht und ob wir es überleben oder nicht, wird von Faktoren entschieden, die sich jenseits unserer Kontrolle befinden.

22 Februar 2023

Deutsche Flüchtlinge

Lesedauer 6 Minuten

” … ich kenne viele, die in den letzten zwei Jahren geflüchtet sind. Einige sogar nach Zypern in den türkischen Teil, weil sie da außerhalb der EU leben können.”

Werner, Deutscher Aussteiger, 58 Jahre, Rheinland-Pfalz

Werner machte vor zwei Jahren alles zu Geld und begab sich auf eine ungewisse Reise. Damit hat er bereits in den 90ern seine Erfahrungen gemacht. Damals fuhr er mit dem Rad von Berlin nach Singapur. Danach arbeitete er in leitender Stellung u.a. in Saudi-Arabien, Singapur, Malaysia, für einen Tech-Riesen. Doch dieses Mal war es nicht die Abenteuerlust, welche ihn antrieb, sondern die Flucht vor allem, was ihn in und an Deutschland stört. Und das ist eine ganze Menge. Vornehmlich geht es um die Pandemie und aller damit in Zusammenhang stehender Maßnahmen. Hierbei wiederum primär um die Impfung. Eben jene trieb seiner Aussage nach viele aus Deutschland weg.

Ich gebe zu, dass ich mich bisher denen anschloss, die Leute mit dieser Haltung nicht unbedingt für die schlauesten halten. Ich traf Werner in einer einfach zusammen gezimmerten Strandbar. Von dort aus kann man mit billigem Bier aus der Dose, untermalt mit Rock-Musik aus den 70ern&80ern den Sonnenuntergang beobachten. Während wir sprachen, kam noch ein weiterer Deutscher, Klaus (62 J.), aus München hinzu. Auch der war, allerdings aus beruflichen Gründen, schon lange nicht mehr in Deutschland. Seiner Erzählung nach war er lange Jahre CEO bei einem Tochterunternehmen von SIEMENS und deshalb viel unterwegs. Als die Pandemie ausbrach, beschloss er, mit seiner malaiischen Frau ein Haus auf der Insel Langkawi zu kaufen. Alles, was er zu sagen hatte, ging in die gleiche Richtung, wie Werners Ausführungen.

Nun, zumindest haben beide so etwas hinter sich, was man in Deutschland allgemein als eine erfolgreiche Biografie bezeichnet. Anders: Sie haben unter Beweis gestellt, dass sie nicht ganz doof sind. Was in mir die Frage aufkommen lässt: Was ist da passiert?

Impfgegner sind keine neue gesellschaftliche Erscheinung. Soweit ich das überblicken kann, ging es damit etwa zum Beginn der 80er los und wurde in den 90ern zu einem Thema innerhalb des gutsituierten Bürgertums. Unübersehbar steht diese Entwicklung im Zusammenhang mit der Renaissance der Homöopathie und diversen sogenannten alternativen Heilmethoden. Während zuvor nur einige Sparten-Verlage gutes Geld mit diversen Publikationen verdienten, ist mit der Digitalisierung eine nie dagewesene Möglichkeit der Verbreitung möglich. Der Szene wurde seitens der Pharmaindustrie in die Hände gespielt. Die Profite sind gigantisch und damit die Verlockung groß, alle erdenklichen Tricks, PR-Strategien, Bestechungen, anzuwenden. Im Gegenzuge wurde das propagandistische Wort “Schulmedizin” geschaffen, der viele skeptisch gegenüber stehen. Wie auch in anderen Bereichen ist ein stark ausgeprägtes Misstrauen entstanden. Staatliche Institutionen, Konzerne, Krankenhäuser, Ärzte, Politiker, stehen unter dem Verdacht, für Profite und Zuwendungen so ziemlich alles zu tun. In einer Art Kollateralschaden wurden die Wissenschaften gleichfalls in Mitleidenschaft gezogen.

Ich denke, bei einer genaueren Analyse müsste man dabei mehrere Aspekte berücksichtigen. Zum einen ist es tatsächlich an dem. Spätestens beim sog. Masken-Deal zeigte sich dies wieder. Ebenso signifikant war die Entwicklung in den Krankenhäusern und bei der Pflege. Allerdings kommt noch die allgegenwärtige Propaganda hinzu. Es gibt kaum noch einen gesellschaftlichen Bereich, innerhalb dessen rational, vernünftig, verständig und logisch argumentiert wird. Dabei besteht der Trend, alle wissenschaftlichen Erkenntnisse, die einen Profit versprechen, zu stützen und alles, was sich eventuell negativ auswirken könnte, mittels Desinformation zu diskreditieren. Und wenn es der politischen Opposition nützlich ist, wird auch noch der übelste Unfug in die Mikrofone gesprochen. Dabei ist es egal, ob eine Maßnahme der amtierenden Regierung angezeigt ist. Hauptsache, man kann ihr wieder die Machtposition abringen, um dann selbst lukrative Pfründe zu erschließen.

Insofern ist es nicht einfach, ein Vertrauen zu entwickeln. Ich war über Jahrzehnte hinweg von Impfgegnern/innen und Heilpraktikern/innen umgeben. Insofern sind mir einige mehr oder weniger wissenschaftliche, oftmals pseudowissenschaftliche, Abhandlungen und Bücher bekannt. Im Prinzip läuft es immer wieder auf den gleichen Fehler hinaus. Auf Basis einer falschen Prämisse wird ein komplettes in sich selbst logisches, dennoch falsches, Konstrukt erzeugt. Zum Beispiel kam einst der Begründer der Homöopathie zur Auffassung, dass seine selbst erzeugten Tinkturen heilen würden, weil seine Patienten im Gegensatz zu denen, die zu anderen Ärzten gingen, nicht starben. Doch dies spielte sich in einer Zeit ab, zu der es besser war, keinen Arzt aufzusuchen, als sich den oftmals brutalen Behandlungen zu unterziehen. Dadurch, dass er selbst ihnen wirkungslose Wässerchen verabreichte, rettete er ihnen das Leben. Ich denke, moderne Impfgegner, Corona-Leugner, sind häufig niemals so tief in die Materie eingestiegen. Sie waren bereits zuvor nicht mehr bereit, die allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen zu akzeptieren. Ich stimme zu, wenn jemand den Zirkus nicht verstehen kann, den diverse Leute um die eigene Gesundheit und die ihrer Kinder veranstalten. Doch hieraus zu schließen, dass dies bei Corona analog läuft, ist schlicht falsch. Ebenfalls falsch ist die Schlussfolgerung bezüglich der Virologen, der nach diese, mal solche und dann wieder andere Empfehlungen aussprachen, insofern Blödsinn von sich gaben. Nein, dies ist schlicht eine wissenschaftliche Vorgehensweise, mit der große Teile der Bevölkerung nichts anfangen können. Annahme, These, überprüfen, ob sie entweder falsch oder richtig ist, im Anschluss mit den ermittelten Richtigen weitermachen.

Bezüglich der Impfschäden ist mir persönlich eins suspekt. Kontakte von Aliens mit Erdbewohnern finden meistens ausgerechnet in den USA statt und auch nahezu ausschließlich dort, berichten Betroffene mit voller Überzeugung von rektalen Untersuchungen, die die Aliens bei ihnen vornahmen. Gegen Corona wurden zig Millionen Impfdosen gespritzt und nahezu ausschließlich in den entwickelten Industrieländern, klagen Leute öffentlichkeitswirksam über Impfschäden. Seltsam!

Wie auch immer, bezüglich der “Flüchtlinge” lassen sich auch einige auffällige Gemeinsamkeiten erkennen. Nahezu alle stammen aus dem etablierten, gut versorgten Bürgertum. Und sie alle haben einen Pass in der Tasche, der ihnen weltweit eine problemlose Einreise in die meisten Staaten ermöglicht. Allerdings bietet kaum ein Staat die Handlungsfreiheit, wie sie in Deutschland gegeben ist. Doch dieses ist den Leuten egal. Weder interessiert sie in Thailand das Gebaren des Königs, noch die Eigenarten des islamischen Rechts in Malaysia oder die Armut in vielen der von ihnen aufgesuchten Staaten. Politische Beteiligung, Teilhabe an der Gesellschaftsgestaltung, soziales Engagement u.ä., waren für sie in Deutschland auch kein Thema. Soziale Themen würden sie erst dann interessieren, wenn sie selbst betroffen sind. Bis dahin befinden sie sich auf dem Thron, von dem aus sie behaupten, alles richtig gemacht zu haben, während die armen Schlucker schlicht zu dumm waren. Grundsätzlich bin ich ohnehin sehr vorsichtig mit dem Urteil über Intelligenz. Nach einer alten Betrachtung, ich glaube, es war Alexander von Humboldt, sind wir Menschen eins der wenigen Wesen, welches nicht hochkomplexe Werkzeuge der Natur und von ihr bestimmt sind, sondern eigene Entscheidungen treffen können. Und darüber hinaus befähigt sind, dieses bewusste Handeln mit einer Sprache zu begründen.
Darum geht es: Wie kam deren Entscheidung zustande und welche Bedingungen mussten vorhanden sein, damit sie ihr auch Taten folgen lassen konnten? Ganz entgegengesetzt zu deren eigener Auffassung, ist ihre Entscheidung sich aus Deutschland herauszubewegen, die kognitive Fähigkeit zu besitzen, die notwendigen Mittel zu besitzen und in zig Länder einreisen zu können: Freiheit! Eine, die auf diesem Planeten nur wenige Menschen innehaben. Auch die Entscheidung, wem sie Glauben schenken, ist frei gewesen. Nicht zu übersehen ist auch die Wahlmöglichkeit. In diversen anderen Ländern konnten sich die Menschen mangels medizinischer Versorgung keine Impfung leisten. Ich für meinen Teil habe meinem Arzt, der Naturwissenschaft und der medizinischen Forschung vertraut. Des Weiteren setzte ich auf die Logik. Wenn erstmals in der Geschichte weltweit millionenfach geimpft werden und sich die Nebenwirkungen bei der eindeutigen Mehrheit in Grenzen halten, genügt mir dieses vollauf. Nicht denken zu können ist etwas anderes, als es nicht zu tun. Erneut eine Entscheidung!

Wer sich dazu entscheidet, ausschließlich an sich selbst zu denken, oder stets an der Oberfläche, dem rein Praktischen bzw. dem Konsum, zu bleiben, kann dies tun. Für mich ist dies kein menschliches Leben. Zumindest kein vollständiges, in dem alle Möglichkeiten ausgereizt werden.

All dies zusammen führte beim Sonnenuntergang zu einer seltsamen Konstellation. Ich sehe mich nicht als jemanden, der auf der Flucht ist, aber ich bin nicht undankbar für einen Abstand von diversen Bevölkerungsteilen in Deutschland. Unter anderen genau von jenen, die sich als Flüchtlinge aus Deutschland sehen, weil alles so schlimm geworden ist. Ich war klug genug, nur zuzuhören. Selbstverständlich kam auch das Thema Ausländerpolitik zur Sprache. Wobei da der Bayer eine überraschend vernünftig klingende Aussage machte: “Wenn Deutschland weiterhin hoch qualifizierte ausländische Arbeitskräfte so mies behandelt, wird es bald sehr dunkel. Wer sich z.B. zum Studium nach Frankreich, England oder in die nordischen Staaten begibt, erhält dort jede Menge Unterstützung. In Deutschland bekommen sie nur den Weg zur Ausländerbehörde beschrieben.” Zumindest teilweise stimme ich ihm zu. Allerdings finde ich, dass wir die anderen, also die nicht studierenden Ausländer auch nicht gerade zuvorkommend behandeln. Doch gleichfalls bin ich gerade nicht in Malaysia, weil die hier eine besonders gute Lösung fanden. Ganz im Gegenteil! Und nach allem, was ich hier so mitbekomme, sind die hier in Sachen Bürokratie mit Deutschland auf Augenhöhe. Aber die Korruption ist noch offensichtlicher und macht die Bürokratie gegen Geld einfacher. Gegen die passende Zahlung kann man sich hier fast alles erlauben. Wer kein Geld hat, steht vor schwer überwindbaren Problemen.

Hier auf der Insel gibt es eine Menge Einheimische, die im Verhalten sehr den beschriebenen Deutschen ähneln. Fürsorge, Mitverantwortung, soziale Hilfe, die über die Familie hinaus geht, bleibt allzu häufig auf der Strecke. Unter der Oberfläche findet ein ziemliches Hauen und Stechen statt. Teilweise ist dies sicherlich der Armut geschuldet. Wer einen Fehler macht, ist selbst schuld. Und vor allem muss jeder sehen, wo sie/er bleibt. Ich weiß nicht, ob dies immer der Fall war oder dies auch ein wenig mit den Veränderungen zu tun hat, die der Tourismus mit sich brachte. Seitens der offiziellen Behörden haben die Leute wenig zu erwarten. Aber wie gesagt: Wer keine Fragen stellt, bekommt keine Antworten und wer nichts infrage stellt, kriegt auch keine Probleme. Damit befinden sich die deutschen Flüchtlinge, wenn man sie dann mit dieser Bezeichnung durchkommen lässt, wieder auf der sicheren Seite. Schwierig wird es erst, wenn sie kein Geld mehr haben, aber dann springt die deutsche Sozial-Gemeinschaft für sie ein. Beim Bayern wird dies kein Problem sein, bei dem Radfahrer bin ich mir nicht sicher.