2 November 2022

Man denkt Deutsch

cars on highway in traffic Lesedauer 7 Minuten

Vor einigen Wochen traf ich abends in einem Lokal mit einer in Deutschland lebenden iranischen Autorin zusammen. Im Zuge unseres Gesprächs fragte sie ich, was ich als typisch deutsch empfände. Neben einigen anderen Aspekten antwortete ich: “Bei uns wird für alles auf eine sehr eigene Art und Weise immer ein Verantwortlicher gesucht. Verkehrsunfall, umfallende Bäume, Straßenglätte, Brände, Blitzschlag, Schäden durch Starkregen, Verbrechen, Terror – egal! Wenn es zu einem Unfall kommt, muss de facto ein Fehler vorangegangen sein, sonst wäre er nicht passiert. Und wenn der nicht unmittelbar bei den Beteiligten zu finden ist, liegt der Schwarze Peter bei einer Behörde, die nicht die richtigen Schilder aufgestellt hat. Oder noch besser wird es auf Landstraßen. Gurkt dort einer gegen einen Baum, ist der Baum Schuld und im Nachgang wird die Allee abgeholzt. Schlägt der Blitz ein und alles verschmort, muss es am Installateur gelegen haben. Wir bezichtigen auch nicht all diejenigen, inklusive uns selbst, die mit ihrem Way of Life das Klima negativ beeinflussen, sondern den dummen Architekten, der dies nicht berücksichtigte. Fällt ein Einbrecher im Garten in eine unbedeckte Grube, ist der Hausbesitzer schuld, weil er sie nicht gesichert hat. Nicht der Verbrecher ist der alleinige Übeltäter, sondern gleichsam die Polizei, welche ihn nicht stoppte. Kommt es zu einem Terroranschlag und der Terrorist stirbt, müssen Mitglieder einer Behörde für die Tat herhalten.”
Im Grunde genommen bewegen wir Deutsche uns in der Weltgeschichte wie kleine Kinder, die im Gegensatz zu einem Erwachsenen nicht umsichtig auf sich selbst Acht geben können. Gleichsam sind wir nicht dazu in der Lage, das Leben mit all seinen Tücken, Gefahren, Widrigkeiten, hinzunehmen. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. In die gleiche Kategorie fallen Eltern, die sich an einem Waldrand ein Haus kaufen und sich darüber mokieren, dass sich dort Waldtiere herumtreiben, die die eigenen Ableger gefährden könnten. Also muss der Jäger kommen und alles über den Haufen knallen, was größer als ein Kaninchen ist.


Am Morgen des 31. Oktober 2022 ereigneten sich in Berlin mehrere Geschichten. In der einen geht es um einen tragischen Verkehrsunfall. Eine Frau geriet mit ihrem Fahrrad unter die Räder eines Betonmischers. Wie es dazu kam, ist öffentlich nicht bekannt. Vielleicht lag es an einem Fahrfehler des Fahrers. Möglich ist auch eine Unaufmerksamkeit der Radfahrerin. Oder beide haben dazu beigetragen. An der Stelle schreien bereits die ersten Deutschen auf. Stichwort: Opferumkehr! Es besteht eine große Diskrepanz zwischen einer rechtlichen Betrachtung und dem echten Leben. Will ich in einer Großstadt leben oder besser ausgedrückt, überleben, kann ich weder ständig auf mein Recht pochen, noch davon ausgehen, dass alle anderen alles korrekt machen und ihre Hausaufgaben machten. Ich muss meine Augen aufhalten und wachsam bleiben. Mich wundert dabei, dass in einer Zeit von Kopfhörern und Smartphones nicht deutlich mehr passiert. Gute Kraft- und Radfahrer haben stets im Kopf, dass die anderen Fehler machen und versucht sie vorauszusehen. Im Nachgang kann ich den oder die andere/n immer noch vor den Kadi ziehen. Aber erstmal habe ich mich selbst gerettet. Jedenfalls lag diese Frau nun lebensgefährlich verletzt unter dem Betonmischer. Berlin befindet sich in der luxuriösen Lage, für derartige Fälle über ein Spezialeinsatzfahrzeug der Feuerwehr zu verfügen. In diversen ländlichen Gebieten unvorstellbar. Vollkommen ausgeschlossen in 90 % der restlichen Regionen dieses Planeten. Jetzt steht die Behauptung im Raum, dass die Feuerwehr kausal und den Aktivisten vorwerfbar verspätet eintraf. Es dürfte sich interessant gestalten, wie der Nachweis zu erbringen ist, dass sie sonst mit absoluter Sicherheit früher eingetroffen wäre. Nach meinem Verständnis ist dies unmöglich. Es kann nicht einmal bewiesen werden, dass ohne die Aktivisten kein Stau aus anderen Gründen zustande gekommen wäre.

Nach dem Unfall passierte eine zunächst separat zu sehende Geschichte. Ein Unbekannter nahm den Unfall zum Anlass, den Fahrer des Betonmischers mit einem Messer zu attackieren. Mehr ist dazu öffentlich nicht bekannt. War es ein anderer Radfahrer, der sich über das Geschehen so sehr aufregte, dass bei ihm die Sicherungen durchbrannten? Ein durch die schon seit längerer Zeit vergiftet geführte Debatte bezüglich des Berliner Straßenverkehrs aufgestachelter Mann? Oder ein Passant? All dies werden Ermittlerinnen und Ermittler zu klären haben. Vielleicht gibt es auch gar keine Kausalität?

Auf einer der möglichen Anfahrtsstrecken, die der Fahrer oder Fahrerin der Feuerwehr nehmen konnte, herrschte ein Stau auf der BAB100. An diesem Tag verursacht von Aktivisten, die das Unterlassen von schädlichen Eingriffen ins Klimageschehen einfordern und mit ihren Aktionen die Politik zum Handeln zwingen wollen. In Berlin ist auf dieser Autobahn mit Einsetzen des Berufsverkehrs quasi immer Stau. Und da die wenigsten Autofahrer und Fahrerinnen in der Fahrschule aufpassten, sind Rettungsgassen ein seltenes Ereignis. Mit anderen Worten: Für einen Stau braucht es nicht die Aktivisten. Was die Besatzung des Spezialfahrzeugs veranlasste, sich trotzdem für die Bahn zu entscheiden, weiß ich nicht. Auf der Bahn benötigt ein Fahrzeug ohne Sonder – und Wegerechte vom Bereitstellungsort Hauptfeuerwache (wenn das Fahrzeug dort stand!) normalerweise 11 Minuten und bei einer Fahrt abseits der Bahn 16 Minuten. Mit Blaulicht und Martinshorn verändern sich die Zeiten natürlich. Ich weiß nicht, wie viele Fahrzeuge dieser Art die BFW hat, aber bei der Finanzlage Berlins vermute ich ein einziges oder maximal zwei. Ergo, hätte es auch überall woanders stehen können oder schlimmsten Falls an einem anderen Ort eingesetzt sein können. Jedenfalls kommen da einige mögliche Parameter zusammen. Im Prinzip läuft es auf “Hätte, hätte, Fahrradkette!” und auf an anderen Orten des Planeten geltendes “Kismet!” hinaus.

Doch alle drei Ereignisse fanden in Deutschland statt. Menschen an sich sind ohnehin Opfer eines evolutionär bedingten Denkfehlers. Sie verknüpfen stets Ereignisse zu einer einzigen Erzählung. Es erscheint uns vollkommen logisch, dass das eine anderes nach sich zieht. Wenn das so wäre, würde sich das Chaos ordnen lassen und mittels eines noch zu konstruierenden Computers zuverlässige Aussagen über die Zukunft treffen lassen. Ich treibe es mal auf die Spitze: Wie viele Menschen kamen durch den Stau nicht dazu, etwas zu tun, was unter Umständen schlimme Folgen nach sich gezogen hätte? Wir wissen es nicht, die wissen es nicht und niemand wird es jemals erfahren. Doch im deutschen Denken ist dies alles nicht vorgesehen. Ordnung fabriziert Sicherheit und wer sie stört, ist eine Gefahr. Ein Mensch ist unter Millionen anderer zu Schaden gekommen. Wenn alles seinen ordentlichen deutschen Verlauf genommen hätte, wäre dies nicht passiert. Somit muss an irgendeiner Stelle die Ordnung durcheinander gebracht worden sein. Moment! Richtig, da gibt es doch noch diese nervigen Aktivisten, denen man praktischerweise endlich etwas unter wuchten kann.

Ich schrieb bereits einige Male über eine Begebenheit, die mich nachhaltig zum Nachdenken brachte. Am Strand einer malaiischen Insel stürzte vor 2 Jahren eine Palme auf zwei Chinesinnen und einen jungen Malaien. Die beiden Frauen wurden verletzt und der Mann erschlagen. Die Feuerwehr hätte viel zu lange gebraucht, also wurden die Frauen mit einem Taxi ins Krankenhaus gefahren. Um die 30 Minuten später rückten zwei Polizisten an. Sie schauten sich alles an und mit vereinten Kräften einiger Beschäftigten aus umliegenden Bars, zogen sie den Leichnam unter der Palme hervor. Ich selbst wurde Zeuge vom ganzen Geschehen. Nicht nur das. Dort wo die gesessen hatten, saß ich häufiger selbst. Deshalb ging mir einiges durch den Kopf. “Hätte, hätte, hätte!” An diesem Abend saß ich in unmittelbarer Nähe am Tresen und bestellte mir einen Schnaps. Der Besitzer der Bar fragte mich, was mit mir los sei. Etwas irritiert fragte ich, ob ihm die ganze Aktion nicht zu denken gäbe. Dabei zeigte ich auf die von uns 10 Meter entfernt liegende Leiche. Seine Antwort: “Weder Du noch ich hatten eine Verabredung mit der Palme. Der Junge da schon. Wir leben weiter, bis unsere Verabredung ansteht.”
Am Vormittag des nächsten Tages waren alle Spuren der Tragödie beseitigt. Niemand prüfte das Wurzelwerk der Palme und ob sie von der beauftragten Firma ordnungsgemäß eingesetzt wurde. Keine Ermittler kamen, um mittels Zeugen zu klären, ob vielleicht jemand gegen gefahren war oder ob es überhaupt zulässig ist, dass sich Leute im Fallbereich von Palmen aufhalten. Mit Sicherheit wird auch keiner auf die Idee gekommen sein, die Standsicherheit des Baumes zu prüfen. Niemand muss dies toll finden. Doch es ist der unumstößliche Beweis, dass man alles auch ganz anders angehen kann.

Selbstverständlich ändert sich alles, wenn jemand vorsätzlich einen Erfolg herbeiführt oder mit halbwegs verständigen Überlegungen darauf kommen kann, dass ein konkreter Schaden bei einem bestimmbaren Objekt oder Person eintreten wird. Auf den Betonmischer und die Aktivisten angewendet, bedeutete dies eine konkrete gezielte Blockade der Zufahrtsstraße. Aber eine Verantwortlichkeit für alles, was in dieser Stadt passiert, weil jemand aufgrund eines Staus nicht plangemäß an Ort und Stelle ankam, ist absoluter Blödsinn. Erst recht, wenn mit der Bildung einer Rettungsgasse alles ganz anders gelaufen wäre. Ich will gar nicht damit anfangen, dass in dieser Stadt im 21. Jahrhundert etwas schiefläuft, wenn sich im Berufsverkehr jeden Tag eine Blechlawine hindurch wälzt. Daran sollten vielleicht mal einige nachdenken, die von einer kritischen Infrastruktur reden. Natürlich könnte die Antwort aus noch mehr, breiteren, größeren, Straßen bestehen. Mir kommt dabei allerdings der Gedanke, dass Fahrzeuge immer noch tote seelenlose Maschinen sind. Ich persönlich bin nicht bereit, Leblosem den Vorzug vor dem Lebendigen einzuräumen. Bemerkenswert ist dabei, dass lediglich knappe 90 Jahre deutsche Auto-Kultur (Ich nehme als Eckpunkt den ersten Volkswagen) einer viel größeren Zeitspanne der Stadtentwicklung gegenüber stehen. Spannend sind auch Formulierungen wie “Auto-Liebhaber” oder “Auto-Hasser”. Lieben und Hassen liegen eng beieinander, sollten aber Emotionen sein, die sich auf Lebendiges beziehen. Jeder kann sein Sexualleben ausleben (Einvernehmlichkeit vorausgesetzt), aber die Liebe zu toten Gegenständen ist schon ein wenig speziell.
Gebildet wird die Lawine von Fahrzeugen, in denen völlig überforderte Leute sitzen. So ziemlich jede schlechte Charaktereigenschaft und Großstadtneurose erfährt durch eine Tonne und mehr Metall nach außen hin sichtbare Verstärkung. Das ist eine der schönen Seiten des Kapitalismus. Eine ganze Menge Mitmenschen offenbaren uns über ihr Auto, Fabrikat, Form, Ausstattung, eine Menge über sich selbst. Die Designer und die Industrie bedienen nahezu alle Bedürfnisse.
Käme jemals jemand auf die Idee, die rechtlich mögliche Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen charakterlicher und wesensbedingter Unfähigkeit konsequent umzusetzen, müssten dreiviertel der Verkehrsteilnehmer aufs Fahrrad umsatteln. Und selbst beim Fahrrad hege ich noch Zweifel.


Das System wehrt sich und mich erschreckt ein wenig, dass die Presse durchgehend beteiligt ist. Die Aktivisten zu beschuldigen, ist eine fadenscheinige Rhetorik. Klima? Ja, Ja, alles ganz schlimm, aber man darf es auch nicht übertreiben. Immerhin hat es für viele Lebewesen auch Vorteile. Man nehme zum Beispiel die Kraniche. Früher mussten die armen Tiere über lange Strecken in den Süden fliegen. Jetzt bleiben viele hier, weil es bei uns warm genug wird. Wer weiß, vielleicht bleiben dann die Deutschen auch hier. (Muss derjenige sagen, der sich irgendwann wieder auf asiatischen Inseln herumtreibt!) Ich nehme die Kritik an. Angebot meinerseits: Alle, Politik, Industrie, arm, reich, ziehen alle an einem Strang. Dann steige ich nicht in den Flieger. Doch solange es darauf hinausläuft, dass auf Sicht alles an die Wand gefahren wird und zu viele Zeitgenossen den Hals nicht voll genug bekommen, verziehe ich mich ab und zu dahin, wo mehr Hippies unterwegs sind. Mit Blockaden sind die jedenfalls nicht aus der Ruhe zu bringen. Die Meldungen im Berliner Pressewald haben mir schon wieder gereicht. Die Aktivisten sollten mehr Mahnung sein und ein schlechtes Gewissen erzeugen, denn Empörung hervorrufen. Ob sie nun etwas erreichen oder nicht: Sie tun etwas! Die Sache mit dem Spiegeln! Schon doof, wenn man in Ruhe im Falschen sein Ding machen will und die einem auf die Nerven gehen. Wir haben doch jetzt lange genug über dieses Klimathema geredet. Reicht jetzt!

Ihr habt doch den Knall verpasst.

11 April 2022

Schweigendes Beobachten

Lesedauer 5 Minuten

Es gibt einen Typen, den ich seit Jahren immer wieder in einem meiner bevorzugten Lokale treffe. Wir beide kennen uns bereits aus der Schulzeit. Ich hab ihn immer als einen Sonderling wahrgenommen. Letztens änderte sich dies. Ich war losgezogen, weil mir die Decke auf den Kopf fiel. All die Nachrichten, das Geschehen um mich herum, trieben mich heraus. Der Laden war voll und er konnte sich nicht an seinen Stammplatz setzen. Dort sitzt er jeden Abend nach seinem Feierabend. Er arbeitet in einer Pflegeeinrichtung für Leute mit geistigen Einschränkungen und Menschen, die mit einer Trisomie 21 (Down-Syndrom) geboren wurden. Der Eindruck Sonderling bezieht sich darauf, dass er nahezu nicht spricht. Meistens sitzt er schweigend mit seinen drei bis vier Weizen am Tisch. Einmal gelang es mir in all den Jahren ihn aus der Reserve zu locken. Aus einem Gespräch mit anderen Leuten ergab sich, dass er einen Verwandten erwähnte, der über Jahrzehnte hinweg einen kleinen festen Kreis mit Marihuana versorgt hatte, bis eines Tages die Kripo vor der Tür stand. So oft kommt es nicht vor, dass richtig alte “Kiffer”, die sich quasi seit den 70ern gegenseitig versorgen, in Schwierigkeiten geraten. Zerknirscht musste ich zugeben, dass ich bei der Aktion beteiligt war. Nicht unbedingt eine meiner Sternstunden. Mit taten die Typen damals leid. Außerdem fühlte ich mich äußerst deplatziert. Deshalb konnte ich mich an die Geschichte erinnern. Sie gehört zu den kleinen Bausteinen eines Gesamtbilds, was mich an einigen Sachen zweifeln ließ. Jedenfalls taute er auf und ich bekam die Geschichte hinter der Geschichte zu hören.m

Zurück zu dem Abend. Ich weiß nicht, was es war. Aber irgendetwas in seinem Blick, mit dem er die anderen Gäste beobachtete, berührte mich. Plötzlich verstand ich all seine Schweigsamkeit. Quer durch den Raum trafen sich unsere Blicke. Es war einer der Momente, wo man ganz genau weiß, was der andere gerade denkt. Eigentlich wollte ich es dabei belassen. Ich setzte mich zu einigen Leuten an den Tisch, die ich mehr oder weniger flüchtig kenne. Nach einer Weile setzte sich ein Paar an den Tisch, die ich bis dahin nicht kannte. Das Gespräch kam auf Corona und der Unbekannte meinte, dass viele die Quarantäneregelung ausnutzen würden und sich eine Art Urlaub verschafften. Ich fragte ihn nach seinem Beruf. Ausnahmsweise hatte ich es nicht erahnt. Es lag vermutlich an der Umgebung, die früher eher nicht von Polizisten privat besucht wurde. Kurz um: einer von der Kripo. Ich ließ ihn nicht auflaufen und sagte ihm, dass ich pensioniert wäre. Gleichzeitig hielt ich ihm entgegen, dass jeder mein vollstes Verständnis hat, wenn er diese Karte zieht. Zumal ich es noch so kenne, dass sich die meisten halbtot zum Dienst schleppen und dann alle anderen anstecken. Das Thema wechselte schnell. Eine junge Frau beklagte sich über einen Nachbarn, der sich daneben benimmt und außerdem dealt. Sie wohnt nicht gerade in der besten und teuersten Gegend. Es ist mehr eine dieser Hochhaussiedlungen, in der sich mehrere hundert Jahre Knast zusammenfinden. Bereits früher vertrat ich den Standpunkt, dass es mit den Mengen und dem Geschäftsmodell nicht weit her sein kann, wenn ein Dealer dort wohnt und am besten noch mit einem Auto unterwegs ist, welches an der nächsten Ecke auseinanderfällt. Deshalb fragte ich nach, ob sie es wirklich für eine gute Idee hält, einen Polizisten, der privat unterwegs ist, damit zu belagern. Zumal sie äußerlich auftritt, als wenn sie normalerweise nicht wirklich etwas gegen Leute hat, die sich mit Kleinkram über Wasser halten.

Ich suchte mir einen anderen Platz. Im Laden war ein anderer aufgetaucht, den ich einen Winter zuvor kennengelernt hatte. Ein Italiener, der sich nach einer harten Zeit zeitweilig als Straßenmusiker und später als Lagerarbeiter durchschlug. Langes schwarzes Haar, jede Menge Nieten und eine Lederjacke, der klassische Heavymetal Fan. Zu ihm hatte sich ein schwäbischer Straßenmaler gesellt. Eigentlich hatte er gute Sachen zu sagen. Doch leider tat er dies in der typisch nasalen aufgeklärten Art, die jeden weniger “Aufgeklärten” zum Rennen bringt. Ich fragte ihn, wie er als älterer gestandener Straßenmaler mit internationaler Erfahrung auf diese neue 3D-Techniken reagieren würde. Darüber war er erstaunt, weil ihn dies wohl noch niemand außerhalb der Szene gefragt hatte. Dabei fand ich die Überlegung naheliegend. Davon zu leben ist ohnehin hart, aber dann kommen die Youngsters daher und machen es noch schwerer. Aber man kann das wohl recht zügig erlernen, weil es dafür in Quadrate aufgeteilte Vorlagen gibt, an denen man sich orientieren kann.

Auch dieses Gespräch verlief sich irgendwie. Wie auch immer es kam, stand ich später neben meinem schweigsamen Bekannten: “Sag mal, Du siehst jeden Tag eine vollkommen andere Lebensrealität, als die Menschen, die sich hier sammeln und dennoch gibt es viele Gemeinsamkeiten. Die hier verpacken alles anders, aber letztlich sind sie genauso unterwegs, wie die von Dir betreuten. Dann kommst Du her, siehst Dir den Zirkus an und denkst Dir einfach Deinen Teil. Warum sprechen? Sie würden es ohnehin nicht kapieren, oder?” Seine Antwort war ein Grinsen. In diesem Moment überkam mich beängstigender Gedanke. Ich sah ihn an und fügte hinzu: “Ich habe echt Sorge, genauso zu werden.”
Ich ließ den Blick nochmals schweifen. Als ich vor Corona in Südostasien unterwegs war, ging es mir gut. Ich traf auf Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern und vor allem Biografien, Sichtweisen, Ansätzen, die wohltuend anders waren. Im Prinzip stellten sie dar, was mir mal unter dem Begriff alternative Pfade begegnete. Man wählt unter mehreren möglichen Wegen einen aus. Wo einen die anderen hingeführt hätten, kann man erahnen, aber nicht wissen. Bei der Auswahl orientiert man sich häufig an den Beschreibungen, Warnungen, Prophezeiungen anderer. Und je mehr die alternativen Strecken als schlecht, unwegsam, oder als Irrwege dargestellt werden, die einen nicht dort ankommen lassen, was als das richtige Ziel erachtet wird, um so geringer wird die Vielfalt.
Gleichsam hat es mit einer Risikobewertung zu tun. Manchmal ist es das, was den Unterschied zwischen einem Kriminellen und einem “rechtschaffenden” Bürger ausmacht. Eine Straftat, die einen lukrativen Gewinn verspricht, kommt stets mit einem Risiko daher. Komme ich durch, habe ich in kürzester Zeit soviel Geld ergaunert, wie ich mit 15 Jahren ehrlicher Arbeit nicht verdienen werde. Kriegen sie mich, komme ich eventuell nie wieder auf die Beine. Meinem Erleben nach ist es häufig mit der Moral nicht weit her. Lange Zeit habe ich Leute gefragt, warum sie nicht stehlen. Meistens lautete die Antwort: “Weil es verboten ist!” Sehr selten kamen moralische oder ethische Erwägungen. Ich erinnere mich auch an die Sympathien, die einem Arnold Funke, besser bekannt unter dem Namen “Dagobert” entgegenschlugen. Ich gebe zu, dass ich auch Favoriten habe. Die Typen, welche damals die Rohrpost der Spielbank anzapften und niemals geschnappt wurden, hatten echt Stil.
Es ist auch der Unterschied zwischen einem jungen Mann oder Frau, die/der sich für eine Beamtenlaufbahn entscheidet. Jahrzehntelang geregelte Armut, mit der Aussicht nach hinten raus auf der sicheren Seite zu sein oder sich zum Beispiel selbstständig zu machen und eine Chance zu haben, damit den großen Wurf zu landen.
Von dort aus, wo ich stand, sah ich nur Menschen, die auf einem Weg unterwegs waren. Manche am Anfang, die meisten irgendwo auf halber Strecke, wenige am Ende.

Sie glauben alle an ihre Unterschiede. Manche sehen sich als Rebellen, die alles ganz anders machen. Dabei ist das eine Falle. Am Anfang dieses Weges gehört das Auflehnen dazu. Nicht zu heftig, weil dann das Risiko ansteigt. Aber was soll schon mit ein wenig provokativen Aussehen, einem Motto-Shirt, ein wenig Körpermodifikation und Rezipieren von ein wenig Untergrundkultur passieren?  Später kann man sich damit brüsten, nicht immer ein etabliertes Leben geführt zu haben, sondern wie alle anderen, die in der Jugend etwas auf sich hielten, dagegen gewesen zu sein. Genau genommen haben sie nicht bemerkt, dass diese Rebellion für andere ein Geschäftsmodell ist, welches sie ein Leben lang begleiten wird. Wo sind die großen Unterschiede zu denen, die sich in ihrer Einfachheit nicht in die großen theoretischen Rechtfertigungen und Erzählungen ergehen können? Es bleibt ein betreutes Leben auf einem vorgezeichneten Weg.

Ich kritisiere dies nicht. Da stände ich mit meiner Biografie auf verlorenen Posten. Aber ich kann Menschen respektieren und bisweilen auch die bewundern, die einen anderen Weg gehen oder gingen. Wobei ich dabei genau hinschaue, wofür und warum jemand die Risiken eingegangen ist. Doch so oder so, ist es ein Ausbruch aus der Betreuung, das Suchen eines anderen, jenseits des breiten asphaltierten Weges, den die breite Masse geht. Viel zu viele Menschen lassen sich in vorbereitete Gruppen pressen, in denen sie schnell Opfer des Gruppendenkens und der Gruppenmoral werden. Den eingangs erwähnte Bekannten hat das Leben, mehr oder weniger ohne sein Dazutun, außerhalb der ganzen Gruppen gestellt. Deshalb erkennt er, wie sie alle zu Mitgliedern geformt werden, während ausgerechnet seine Schützlinge bedingt durch ihre speziellen Voraussetzungen das Individuelle leben können oder dürfen?

11 März 2021

Führung schützt Führung

Lesedauer 6 Minuten

Die Überschrift ist Teil eines grundsätzlichen Führungsgrundsatzes. Aktuell wurde seitens der Staatsanwaltschaft Berlin mitgeteilt, dass die Ermittlungen im Zusammenhang mit der sogenannten Schießstandaffäre gegen Frau Margarete Koppers eingestellt wären. Was hätte auch anderes herauskommen sollen?

Ich trenne das Ganze mal von ihrer Person. Außenstehende kennen Schießstände der Polizei in der Regel aus amerikanischen Kriminal – und Action Filmen. Meistens stehen die Schützen in separaten Kammern, schießen auf Scheiben, die nach Schussabgabe automatisch zurückgefahren kommen. Mit der realen Situation auf einem Schießstand der Berliner Polizei hat dies wenig zu tun. Hauptsächlich geht es bei der “Schießstandaffäre” um eine Halle in der Bernauer Straße. Das Areal wurde 1989 von den Alliierten der Polizei übergeben. Bereits zuvor, nutzte die West – Berliner Polizei das Gelände zusammen mit den Militärs. Ich gab dort meine ersten Schüsse im Jahr 1987 ab. Konkret in einem Flachbau, der in mehrere Hallen unterteilt ist, die jeweils mit schweren Schallschutztüren ausgestattet sind. Der Boden besteht aus verdichteten schwarzen Schotterboden. Am Ende der Hallen befindet sich eine primitive Holzkonstruktion, in der die Schießscheiben aufgestellt werden. Als Kugelfang dient ein aufgeschütteter Sandberg. Geschossen wird auf Anweisung eines Ausbilders in einer Reihe stehend. Da kann es schon mal passieren, das sich eine warme ausgeworfene Hülse in den Kragen verirrt. Sarkastisch könnte man sagen: Das übt!

Die Auszubildenden lernen, trotz eines Brennens am Hals keine unkontrollierten Bewegungen zu machen. Nach der Übung erfolgt die Trefferaufnahme an der Scheibe, wobei nach Sichtung die Löcher mit runden Aufklebern überdeckt werden, sodass die Scheibe noch einige Male wiederverwendet werden kann. Danach folgt das unliebsame Sammeln der Hülsen vom Schotterboden, wobei nie alle aufgesammelt werden, der verbleibende Rest läuft unter dem Motto: “Lass liegen, tritt sich fest!” Ich schreib es mal sehr deutlich: Mit einer Schießausbildung für die Realität hat dies alles nichts zu tun. Eine Halle war den Spezialeinheiten vorbehalten. Im Unterschied zu den anderen hatte sie eine Lichtanlage, mit der z.B. eine Dämmerung simuliert werden konnte. Außerdem konnte an einer Seilbahn eine Scheibe schräg durch die Halle gezogen werden, womit bewegte Ziele simuliert wurden. Irgendwann entstand im Rahmen einer Eigeninitiative eine “Wohnungssimulation”, in der die Schussabgabe innerhalb einer realistischen Umgebung geübt werden konnte. Soweit ich mich erinnere, war die Beleuchtungsanlage und der Seilzug ab dem Ende der 90er außer Funktion. Den Spezialeinheiten wurde selbst während Sparwut “Ära” unter Wowereit, Sarrazin, Fugman – Heesing ein bedingtes erhöhtes Bedürfnis nach Training und somit auch Zuteilung von Munition zugebilligt, während in den restlichen Teilen der Polizei immer mal wieder gespart wurde. Halten wir fest: Sie sparten bereits bei der Munition, da ist noch nicht von Ausstattung der Hallen die Rede. Ich bin seither ein wenig herumgekommen.

Alles an dieser Halle hatte den “Charme” einer Schießhalle der Sowjet – Armee. Doch wer bei der Berliner Polizei beschäftigt ist, darf bei solchen Dingen nicht genau hinsehen. Das gehört schlicht dazu und gibt den Berlinern bundesweit den Status der “Underdogs”. Ich habe die Halle diversen Einheiten von Niedersachsen bis Bayern gezeigt. Alle standen kopfschüttelnd davor. Der letzte Präsident, dem man keinen Vorwurf machen kann, war Klaus Hübner, weil alles schlicht den Möglichkeiten entsprach, Schertz bekam nie eine Chance, danach folgten Apparatschiks wie Saberschinsky, Glietsch, Koppers (kommissarisch), der dankbare Aufsteiger Kandt (der die Halle als einziger praktisch kannte) und wiederum Krömer (kommissarisch), ein Ur – Gestein der Polizei, der auf die neue Besetzung wartete. Wie beschrieben passten die Hallen zum Gesamtbild. Es gibt bundesweit nicht viele Spezialeinheiten, die ihren Trainingsraum auf einem Dachboden mit privaten Mitteln einrichteten, gleichfalls wenige, die ihre Räume mit Mobiliar ausstatteten, welches sie von mitleidigen Banken, Versicherungen, nach dem Ausrangieren, geschenkt bekamen. Mit alledem hat Frau Koppers nichts zu tun. Es war ein Glietsch, der den Standort der Spezialeinheiten besuchte und ein subalterner eilfertiger Beamter forderte, dass alles vom Flur verschwindet und in die viel zu kleinen Räume gestellt wird, damit der Präsident das Elend nicht sieht. Kandt besuchte den A – Platz mit den Worten: “Hat sich ja kaum etwas verändert!” Das gab Anlass zum Nachdenken.

Anders sieht es da beim Bundeskriminalamt aus. Mit Bezug der Außenstelle in Treptow (1999) wurde dort auch eine Schießhalle eingerichtet. Der Boden verfügt über einen Belag, die Hülsen müssen nicht vom kontaminierten Schotterboden mit der Hand aufgesammelt werden. Munition war von Anfang an in Hülle und Fülle vorhanden, die Belüftung funktionierte und auf einer Leinwand wurden Szenarien eingespielt. In Berlin war das Teilweise im Rahmen eines “Laser – Schießen” möglich. Doch jeder erfahrene Schütze weiß, dass “Bumm” und “Rückschlag” alles nochmals ein wenig verändern. Möglich war auch unter strengen Reglement das Schießen mit sogenannter FX Munition, die etwas von “Gotcha” hat. Aber leider ziemlich teuer, jedenfalls für den zugebilligten Haushalt, und weitestgehend nur im mittlerweile auch verkommenen Areal “Fighting City” – Ruhleben, verwendbar. Ich weiß nicht, vielleicht steckt hinter allem ein Masterplan der GRÜNEN, in deren Augen eine Schusswaffe in Händen der Polizei ohnehin ein Übel ist.

Von diesem BLOG aus an meine ehemaligen Mitstreiter: Wir wussten doch, dass sie uns veralbern, wir unser eigenes Ding machen und “Drehstuhlbewacher” wie Saberschinsky, Glietsch, Koppers, mit unserem Verständnis von Polizei nichts zu tun haben. Apparatschiks gab es immer und es wird sie geben, solange das Modell “Deutsche Behörde” existiert. Die “Schießstandaffäre” ist ein Ereignis von sehr vielen. Was war mit der Zitadelle Berlin – Spandau? Hat irgendjemand eine Untersuchung interessiert, ob es Jahre später vermehrt Fälle von merkwürdigen Krankheitsverläufen gab? Was ist mit dem Tränengastraining in der Radelandstraße? Oder den Leuten, die beim ABC – Lehrgang mehr oder weniger vertrauensvoll mit “Strahlern” hantierten? Was ist mit dem Terror – Paket? Eine Tüte mit einer Staubmaske aus dem Bauhaus, eine Flasche mit Desinfektionsmittel und Gummihandschuhen. Ausgeteilt in einer Zeit, als die Republik Panik vor Anschlägen mit Milzbrand hatte. Was ist mit den Helmen? Könnte Boulette noch leben? Oder dem jahrelangen Kampf um geeignete Schusswesten? Gab es irgendetwas, was jemals freiwillig herausgerückt wurde? Ich bin jetzt drei Jahre raus … hat sich etwas geändert?

Jeder der Betroffenen muss selbst wissen, wie er mit der Geschichte umgeht. Ich sitze bei den “Vielschießern” mit im Boot. Als ich den ersten Schrieb mit der Aufforderung zum Bluttest bekam, musste ich zusammen mit meinem Arzt herzhaft lachen. Wenn überhaupt, müssen Biopsien durchgeführt werden, weil sich der Mist in den Organen ansammelt. Und die “Behörde” wird sich immer auf den Punkt zurückziehen: “Wir wissen ja nicht, was sie in ihrer Freizeit veranstaltet haben. Beweisen sie erst einmal die Kausalität!” Ich habe das ein paar Mal bei an Krebs verstorbenen ehemaligen Kollegen erlebt. Und sollte ich das “böse” Ergebnis bekommen, stellt sich die Frage: Und nun? Ich für meinen Teil lebe nach dem Motto: Manche Fragen stelle ich nicht, weil ich keine Antworten haben will.

Gesellschaften, die wie unsere aufgestellt sind, leben von “Bumms – Birnen”, die bereit sind trotz aller Widrigkeiten Körper, Leben, Persönlichkeit, in den Dienst des Wahnsinns zu stellen. Manch einer hat Glück und kommt durch, andere bleiben auf der Strecke. Koppers, Kandt, Saberschinsky, Glietsch u.a. sind eben keine “Bumms – Birnen”, sie haben für sich rechtzeitig erkannt, wie sie das System für sich benutzen können. Ich denke mal, Frau Koppers weiß heute noch nicht, worum es eigentlich geht. Einen Vermerk nicht gelesen? Ein Stabs – Mitarbeiter, der die Straße letztmalig im Praktikum auf der Fachhochschule, Sorry, Akademie, gesehen hat, hatte mal wieder etwas “schön” geschrieben?

Wer Frau Koppers schuldig spricht, wendet sich gegen das gesamte System. Dies sollte klar sein.

Wie oft war die Halle blau? Wie oft konnte man die Scheibe nicht mehr sehen? Wie oft kam der schwarze Schleim hoch? Alles nicht gesund! Genauso wenig wie mit 230 km/h über die Autobahn zu rasen, mit einem zig Kilo schweren Helm die Halswirbelsäule belasten, die Nächte in Autositzen zu verbringen, die bereits tausende ähnlicher Stunden hinter sich haben. Heute sah ich ein Video von Maaßen. Er erzählt wie belastend doch Alarmierungen an Feiertagen, ständige Erreichbarkeit, dauerhafte Konzentration und durchgemachte Nächte sind. Ich hab kurz überlegt, ob ich ihm Geld spende. JA! Jeder, der die Chance auf eine Entschädigung hat, soll sie bekommen. Aber kann man das an Frau Koppers festmachen? Ich denke nicht. An der Suppe haben viele gekocht und manch einer war schon lange nicht mehr im Amt. Am Ende muss sich jeder eine Frage ganz alleine stellen: Warum habe ich wider besseres Wissen den Dreck mitgemacht?

Wie sagte es einer der ehemaligen Führungsoffiziere im LKA 6 Berlin Jörg M.?: “Ich kann Ihnen alles wegnehmen. Auto, Stühle, Waffe. Sie wehren sich nicht und werden trotzdem herausfahren. Warum? Weil sie Polizisten sind! Sie können nicht anders.” Wie vieles hat er das vermutlich irgendwo aufgeschnappt und fand es total toll. Er wandelte auch Kennedy um: “Fragen sie nicht, was die Behörde für sie tun kann, fragen sie sich, was sie für die Behörde tun können.” Nein, ich will Frau Koppers nicht vor Gericht sehen. Sie hat einfach gemacht, was alle anderen auch getan haben. Einen Posten übernommen, von dem sie keine Ahnung hat, der sich aber gut auf dem Konto gemacht hat. Schlimmer sind die, welche bei Interesse die Möglichkeit gehabt hätten, die Notbremse zu ziehen, statt auf A13 zu schielen, damit der Pool realisiert werden kann und die Karre unter dem Car – Port finanziert wird. Die würden mich persönlich viel mehr interessieren.

17 Februar 2021

Die Kinder vom Bahnhof Zoo

Lesedauer 2 Minuten

Sie legen die Geschichte nochmals neu auf. 2021, in einer Zeit der Influencer, Oberflächlichkeit, billigem Trash, der Empörung über alles, der Hochstilisierung, der Spaltung zwischen Hochhaussiedlungen am Rande der Stadt, den selbstgefälligen Kindern des Bürgertums und den Etablierten jenseits von Gut und Böse in ihren Elfenbeintürmen.

Photo by Matthew T Rader on Pexels.com

Ich habe Beton vor Augen. Stinkende Urinpfützen in der Ecke des Fahrstuhls, jeder Knopf bis zur 10en Etage ist angekokelt, im Treppenhaus hat einer seine Notdurft verrichtet. Junge Männer und Frauen liegen tot mit ausgewaschenen Jeans im Neonlicht auf den Fliesen von Bahnhofs – Toiletten in schwarzen Blutlachen. Die eigentümliche Akustik des “Sound” und des “Ballhaus Tiergarten” erklingen wieder in meinen Ohren. Leere Augen mit gesenkten Lidern schauen mich an und das letzte übriggebliebene Menschliche grüßt mich mit schleppender Sprache. Leere, eine abgrundtiefe Leere, so unendlich dunkel, wie man es sich nicht ausdenken kann. Nichts hat mehr Bestand. Keine Moral, Ethik, Freundschaft, Liebe, Nähe, Vertrauen, Rücksicht, Frauen, Kinder, Alte, die Hölle des Mittelalters hat Gestalt angenommen. Kein Glauben an irgendetwas kann das überleben.

Vierzehnjährige schminken sich und machen für fünfzigjährige Familienväter auf der Rückbank neben der neuesten Erfindung der Autoindustrie, dem Kindersitz, die Beine breit. Das, was man Gesellschaft nennt, zeigt mir die nackte ungeschminkte Fratze. Verlogenheit, Brutalität, pornografischer Egoismus, irgendwo dazwischen ein wenig Liebe und Eifersucht, dann wieder der nackte Mensch, so wie er ist.

Auf dem Zenit der Dekadenz, der absoluten Machtvollkommenheit des Kapitalismus, in der alles zum Produkt geworden ist und der Mensch von damals geblieben ist, was er ist, aber wenigstens noch die Verzweiflung nicht mehr ertrug, die Abgründe endgültig aus der Sicht an den Rand der Städte und der Republik verdrängt wurden, wie der unansehnliche Komposthaufen im Garten, drehen nette saubere Kinder des Bürgertums eine Geschichte in Form einer Serie ab. Zeitgerecht, farbig … der Horror als mediales Ereignis.

Nein, ich will mit dieser Dekadenz nichts zu tun haben …

13 Dezember 2019

Berlin entdeckt die OK

Lesedauer 7 Minuten

Seitens der Berliner Polizei wurden Informationen über die dort bekannten Zahlen bezüglich der Organisierten Kriminalität preisgegeben. Der Begriff klingt bedrohlich. So als gäbe es eine normale verträgliche Kriminalität und eine qualifizierte. Manch einer denkt dabei sofort an die italienische Mafia. Wer etwas informierter ist, dem fallen vielleicht noch Camorra, N’dhangreta, ein. Einige mögen auch schon einmal etwas von den Triaden oder Yakuza gehört haben. Kaum einer kennt den Zemun Clan aus Belgrad oder hat mal etwas von Bulgarischen Banden vernommen.

Deutschland tat sich schon immer ein wenig schwer mit dem Thema. Jahrzehntelang wurde eine Definition gesucht. Was ist denn überhaupt “Organisierte Kriminalität”? Nachdem man sich ab den ’90ern ein wenig vorgetastet hatte, versuchte der Gesetzgeber zu reagieren. Meiner Meinung nach nicht erfolglos, aber auch nicht erfolgreich. Zum Beispiel gibt es in Deutschland den Begriff “Kriminelle Vereinigung”. Ich bleibe mal auf der juristischen Laienebene. Damit diese Bezeichnung greift, müssen sich einige Täter zusammenschließen und einen Namen finden, mit dem sie sich identifizieren können. Ist dies der Fall, können bei den Ermittlungen auch Zuträger mit Ermittlungsmaßnahmen überzogen werden, die sonst gesetzlich nicht möglich wären. Früher, in der guten alten analogen Zeit, konnte dann zum Beispiel der Telefonanschluss eines Lokals abgehört werden, in dem sich Täter aus dieser Gruppe trafen.

Das Problem ist dabei, dass sich die wenigsten Täter den deutschen Lebensvorstellungen eines Vereinslebens anschließen. Da gäbe es einen Vorstand, eine Kasse, einen Schriftführer, einen Buchhalter, einen der das Sagen hat und andere, die ihm folgen. Das funktioniert nicht!

Auch wenn es in Deutschland einige gern hätten, wir sind nicht allein, nicht der Maßstab aller Dinge, aber ein Teil des Ganzen. Deutschland ist nun einmal eins der betuchtesten Länder weit und breit. Damit ein Magnet für Kriminelle aus aller Welt. Aber nicht nur, weil es hier etwas zu holen gibt, sondern auch wegen der Investitionsmöglichkeiten, Geldwäsche, Vermögensbildung, politische Optionen. Die Internationalität ist eine der größten Schwierigkeiten beim Eindämmen der Kriminalität. An eine Bekämpfung ist ohnehin nicht zu denken.

Wer es mit solchen Strukturen zu tun bekommt, muss viel über fremde Kulturen und Mentalitäten lernen. Ich kann die italienischen Strukturen nur verstehen, wenn ich mich mit der Geschichte, der Kultur und der Sprache auseinandersetze. Zum Beispiel beschrieb der legendäre Falcone in einer seiner Abhandlungen eine Situation, in der er mit einem hochrangigen Mafioso im Gefängnis zusammentraf. Als der ihn mit der falschen Anrede ansprach, wusste Falcone sofort, dass er nicht für voll genommen wurde und ging wieder. Dann zog er die Daumenschrauben an. Außerdem hielten sich in der Zwischenzeit die anderen Mafiosi nicht an die Regeln. Beim zweiten Mal kam die richtige wertschätzende Anrede und Falcone bekam seine Aussagen.

Ein Belgrader meinte mal zu mir, dass die deutsche Suche nach festen Strukturen und Hierarchien bei serbischen Banden nicht zieht. “Bei uns führt immer der Stärkste und Brutalste. Bis ihr das geschnallt habt, ist der längst tot und ein Neuer ist der Chef.” Mit institutioneller Autorität, wie sie zum Beispiel deutsche Beamte kennen, kommt in diesem Milieu keiner voran. Entweder man hat sie und setzt sie um oder man kann sich verabschieden.

Bei russischen Kriminellen wird immer mal wieder von den sogenannten Dieben im Gesetz gesprochen. In der Realität gibt es die nicht mehr. Ein Dieb ist in Russland mit einem Gangster gleichzusetzen. Mit unserer harmlosen Vorstellung von einem Dieb, der weniger gefährlich ist, als ein Räuber, hat das nichts zu tun. Von den echten Dieben im Gesetz, wie sie einst in den Gulag entstanden, ist nichts übrig geblieben. Es gab davon immer nur eine überschaubare Zahl. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und Öffnung Russlands hat sich vieles geändert. Ich habe mal vor Jahrzehnten eine Liste zu sehen bekommen, die ein Militärkommandant beim Abzug der Russen einem Berliner Spezialisten für Russen OK übergab. Die Anzahl der Namen passte auf ein Blatt. Wenn heute von Tausend Dieben im Gesetz gesprochen wird, sind das mehr folkloristische Titel, die sich die Herrschaften angemaßt haben. Die Strukturen sind viel komplizierter und die Vernetzung mit der Politik, sowie den Nachrichtendiensten, macht es noch unübersichtlicher. Es gibt einflussreiche Führungsfiguren, die komplette Netzwerke steuern, aber eben nicht mehr diejenigen, welche innerhalb der alten Regeln leben. Den besten Text, den ich hierzu kenne, gibt es hier >>

Unsere gesellschaftlichen und kulturellen Vorstellungen sind diesen Strukturen teilweise nicht gewachsen. Ein Gefängnisaufenthalt ist bei vielen in der Biografie vorgesehen. Georgier oder Tschetschenen, die aus diesem Milieu kommen haben keinerlei Interesse an Resozialisierungsmaßnahmen. Im Zusammenhang mit ausländischen OK Tätern auch völliger Unfug. Die sind sozialisiert, aber halt anders, wie wir uns das vorstellen. Hinzu kommt, dass sie mit unseren Lebensvorstellungen in ihrem Umfeld maximal eine Woche überleben würden. Gleichfalls ist eine Integration absoluter Blödsinn. Die wollen hier nicht Leben, eine Familie gründen und ein Haus bauen. Sie gehen ihren Geschäften nach. Selbst eine Ausweisung ergibt keinen Sinn. Die kommen wieder oder es wird Ersatz gestellt. Im Zweifel bekommen sie zu Hause eine frische Identität.

Und das ist nur das Fußvolk. An die richtigen Kandidaten kommt kaum einer heran. Die Herrschaften arbeiten global, da wo es gerade passt. Vornehmlich in instabilen Staaten, in denen sie physisch selten auftreten, die erlangten Gelder in unsere Wirtschaft investieren und ein schickes Apartment in Berlin – Wilmersdorf bewohnen. Andere sitzen in Berlin als gut versorgte Statthalter und regeln entspannt aus einem Café heraus die Geschäfte. Das da etwas nicht stimmt, merkt man selten, wenn nicht gerade ein Fahrzeug hält und die Konkurrenz das Feuer eröffnet.

Bei allen geht es um eins: “Möglichst viel Geld mit geringstem Arbeitsaufwand unter Ausnutzung aller Optionen zu verdienen.” Die Gesellschaft, ein soziales Leben, Engagement für die legale Gesellschaft, die Herde der Opfer, national, international, ist denen vollkommen egal. Das haben sie alle gemeinsam. Wenn sie so etwas wie eine Gesellschaft haben, dann ist es die, welche sie sich selbst konstruiert haben.

Daraus ergibt sich ein Dilemma. Mit rechtsstaatlichen Mitteln, ethischen und moralischen Grundsätzen, ist denen nicht beizukommen. Aber genau diese Prinzipien bestimmen das legale Leben und sind das Spiegelbild. Bekämpfen könnte man sie nur mit ihren eigenen Regeln. Dies mündet in einer Gewaltherrschaft, die neue Probleme erzeugt und ausschließlich die primitiven Stärken bedient. Man kann ihnen das Leben nur so anstrengend wie eben möglich gestalten. Und auch hier gibt es einen Haken.

Immer, wenn der Verfolgungsdruck erhöht wird, passieren zuverlässig zwei Dinge. Zum einen kommt Unruhe ins Milieu und es wird sichtbar, was vorher durch Arrangements im Dunkeln eine regulierte Koexistenz pflegte. Schießereien, Entführungen, Messerstechereien und so weiter sind die Folgen. Das mobilisiert die Bürgerschaft. Dabei sind solche Ereignisse immer ein Zeichen davon, dass die Ermittlungsbehörden etwas richtig gemacht haben.

Zum anderen melden sich diejenigen zu Wort, denen dieses Milieu fremd ist und eigene Maßstäbe anlegen. Sie vermuten Rassismus, Diskriminierung und Ausländerfeindlichkeit. Wenn beispielsweise ein Gastronom nicht dazu in der Lage ist seinen Laden sauber zu halten und sich dort die “Unterwelt” trifft, wäre es eine Option, dort mit der Polizei häufiger vorbeizuschauen. Doch nach kurzer Zeit wird er sich beschweren und von einer Geschäftsschädigung sprechen. Im gewissen Sinne gar nicht mal falsch. Aufgebrachte sozial denkende Menschen werden von einem “Racial Profiling” sprechen. Und am Ende wird er und damit dann auch seine Gäste, wieder seine Ruhe haben. Doch wie gesagt, in der Regel trifft es ohnehin nur das Fussvolk.

Noch spannender wird es auf der nächst höheren Ebene. Da kommt nämlich Geld ins Spiel. Unser Wirtschaftssystem bietet mannigfaltige Möglichkeiten den wahren Geldgeber zu verschleiern. Davon profitieren nicht nur die klassischen Kriminellen, sondern auch die halbseidenen Geschäftemacher, die sich in einem eigenen Regelwerk bewegen.

Erinnern Sie sich an das Gezeter, als die Abschaffung des 500 EUR Schein bekannt gegeben wurde? Kaum jemand hat im normalen Leben Kontakt mit diesem Schein gehabt. Leute die große Summen Schwarzgeld schmuggeln durchaus. Das Gewicht ist nicht ausschlaggebend. 1 Million EUR wiegen bei 200 EUR Noten 5,4 kg und in 500er Noten die Hälfte. Aber das Volumen wird zum Problem. Ich habe mal 1 Million EUR in unterschiedlichen Noten in einem Bankschließfach deponiert. Bei den Standardfächern ist das nicht einfach.

Amüsanter Weise echauffierte sich bei kürzlich geführten Bundestagsdebatte ausgerechnet Frau Alice Weidel von der AfD über die geplanten verschärften Maßnahmen bei Bargeld Geschäften. Wo wohnt sie doch gleich? Aber das nur am Rande. Zurück zur Berliner OK – Szene. Immobilien, Geschäftsmodelle mit hoher Bargeld Fluktuation, Wohnungsbau, Baufirmen, Speditionen und Investitionsmodelle sind für die Geldebene der OK immer interessant. Vor einigen Jahrzehnten musste ich herzhaft lachen, als ein befreundeter Banker, der Investitionshilfen seiner Bank verkaufte, mir sagte: “Es gibt da eine Klientel, den muss ich immer sagen, dass wir ihnen Geld geben und nicht sie uns.” Die OK Täter gehen in diesen Bereichen mit scheinbar oder tatsächlich legalen Wirtschaftsvertretern händchenhaltend durch Berlin.

Im November gab es eine bundesweite Razzia gegen das sogenannte Hawala – Banking. Sachgüter und Bargeld im Wert von 22 Millionen EUR wurden beschlagnahmt. Der Täter betrieb u.a. ein Pfandleihhaus in Berlin. Ein Täter! Nur einer, über den illegale Bargelder international verschoben werden konnten.

Alles dreht sich um einen zentralen Punkt. Alles Geld, welches außerhalb des gesetzlichen Rahmens erlangt wurde, muss irgendwie in die legale Wirtschaft, sonst hat man nichts davon. Prinzipiell muss man sich bei jeder Firma, Geschäftsmann, Person, die Frage stellen: Woher hat die oder der das Vermögen? Kann das passen? Im Zweifel müsste genau nachgeschaut werden. Das ist logisch, aber nicht durchführbar. Wer will sich dem Sturm der Entrüstung aussetzen, wenn man beispielsweise den kometenhaften Aufstieg einer aus dem Ausland eingereisten Familie merkwürdig findet und deshalb einige Großgastronomien auseinandernimmt? Oder will man sich des Neids bezichtigen lassen, wenn man den doch recht sorglosen Umgang mit Geld einiger wichtiger Personen merkwürdig findet, weil keiner, der sein Geld mühsam und ehrlich verdient hat, so damit herumwerfen würde? Man müsste sich theoretisch nur mal ansehen, wer welche Summen beim legalen und illegalen Glücksspiel investiert.

Wenn Berlin sich wirklich der OK widmen will, müssen einige Leute erheblich umdenken und ein ganzes System neu betrachten. Aktuell stehen alle Zeichen auf Bauen. Die Investoren aus aller Welt stehen vor der Tür. Kann man es sich leisten, nur die makellosen zu nehmen? Ist man bereit, sich der russischen Verflechtung zwischen OK und Politik entgegenzustellen oder nimmt man das Geld der Oligarchen? Will man Hochhäuser errichten, die von Versprechungen begleitet sind, bei denen jeder Ermittler sich vor Lachen ausschüttet? Ist die Politik bereit, Ross und Reiter zu benennen? Kann sie eine Aufklärungskampagne umsetzen, in der den biederen Bürgern die Realität jenseits der Illusionen erläutert wird?

Ich erinnere mich an eine zurückliegende Diskussion über Racial Profiling. In der gab ich ein Beispiel. Vier polnische Staatsbürger kommen mit dem Flugzeug in Berlin an. Beim Verlassen des Flugzeugs kannten sie sich noch. Spätestens am Laufband kennen sie sich nicht mehr. Ab da beginnt das Geschäft. Einer sondiert, einer lenkt ab, einer greift zu und der letzte in der Kette bringt die Beute in Sicherheit. Vier klassische Abgesandte einer organisierten Struktur in Polen, die europaweit agiert. Keiner kann sagen, wie viele unterwegs sind und sie haben ständig Nachwuchs. Sie kommen aus einer bestimmten Region. Die Flugtickets werden ihnen bezahlt und sie arbeiten nicht auf eigene Rechnung. Der Umsatz ist beträchtlich und irgendwie gelangt das Geld in den Wirtschaftskreislauf. Prompt bekam ich den Vorwurf Polen zu stigmatisieren und Ausländerfeindlich zu sein. Was würde wohl passieren, wenn ich auch noch gezielt nach Polen aus dieser Region Ausschau hielte? Und das sind nur Polen! Die gehören keiner komplizierten Volksgruppe an.

Was wäre, wenn ich alleinstehende Männer aus Litauen, die sich in Berlin nur einige Wochen als Touristen aufhalten, unter eine Art Generalverdacht stellen würde. Vor allem, wenn sie in seltsamen Häusern absteigen, die irgendwie gar nicht nach einem Hotel aussehen. Wie würde es ankommen, wenn ich in meinen Verdacht gleich noch den Hausbesitzer und seinen Steuerberater mit einbeziehe? Schlimmer noch! Ich könnte auf die Idee kommen, aufzuhorchen, weil ein bestimmter Rechtsanwalt in der Akte auftaucht.

Ja … die Organisierte Kriminalität ist ein weites Feld. Betrachtungen hierzu führen immer wieder zur Frage: Wer verdient eigentlich alles daran und kann sie ohne eine Kritik an unser Wirtschaftssystem diskutiert werden? Eigentlich nur, wenn man sich auf das Fußvolk beschränkt, ein paar übliche Verdächtige ärgert und ansonsten ab und zu den Bürger beruhigt. Eins tut allerdings immer ein wenig weh. Dieses hässliche Gelächter, wenn man sich auf internationaler Ebene darüber austauscht. Die Deutschen und ihre seltsamen Vorstellungen.

30 November 2019

Notizen zur OK in Berlin

Lesedauer 5 Minuten

Aus einem gegebenen Anlass heraus, grüble ich aktuell über Begriffe wie Kriminalität, Verbrechen, Schwerkriminalität, Organisierte Kriminalität und einige andere Kategorien. In der allgemeinen Diskussion geht dabei häufig unter, dass es da eklatante Unterschiede gibt. Die Organisierte Kriminalität (OK) ist prinzipiell eine Begleiterscheinung eines kapitalistisch organisierten Systems, deshalb funktioniert sie nahezu identisch und die Grauzonen zwischen der als legal und illegal definierten Wirtschaft sind riesig. Die OK orientiert sich an Standortbedingungen, Personal, Qualifikationen, Absatzmöglichkeiten und Zulieferer. Häufig haben Bekämpfungsstrategien Auswirkungen auf die scheinbar legalen Strukturen. Zum Beispiel führen Überlegungen zu effektiven Gesetzen zur Bekämpfung der Geldwäsche meist zu panikartigen Reaktionen bei «legalen» Wirtschaftsakteuren, weil ihre politisch geduldeten oder sogar gewollten Regelverstöße aufgedeckt werden könnten.

Zu den Standortbedingungen gehören auch die in der Gesellschaft dominierenden Werte -, Ethik -, und Moralvorstellungen. OK Täter scheren sich um diese Themen einen feuchten Kehricht und wenden sie eiskalt als taktisches Mittel an. Beispiele gibt es dafür reichlich. Eine beliebte Waschmaschine für illegale Gelder sind beispielsweise religiöse Einrichtungen, weil Ermittlungen in diese Richtung häufig tabuisiert sind. Oftmals ist die ethnische Abschottung ein unschätzbarer Vorteil, besonders wenn sie in der Vergangenheit Verfolgungen unterlagen. Niemand, der nicht öffentlich Prügel beziehen will, wird bei denen die Daumenschrauben anziehen. Wenn eine Religionsgemeinschaft in mehreren Ländern verfolgt wurde, erfährt sie einen besonderen, durchaus gerechtfertigten Schutzstatus. Die Kehrseite der Medaille ist die entstehende Lücke in der Verteidigungslinie. Wenn mir Religion egal ist, habe ich keinerlei Probleme damit zu konvertieren und damit einen besonderen Status zu erlangen. Von Vorteil ist es auch, eine Sprache zu sprechen, die weltweit wenige Menschen sprechen. Ein Umstand der im II. Weltkrieg von der US Army ausgenutzt wurde, als sie indigene Funker ausbildeten, deren Sprache von den Japanern nicht verstanden wurde. Nichts anderes machen Minderheiten, von denen sich manche kriminell organisieren. Hilfreich können archaische Sippenstrukturen sein, welche sich über Jahrhunderte, u.a. bei der Verfolgung in diktatorischen Systemen bewährten.
Hinter der OK steckt strategisches, taktisches, intelligentes und strukturiertes Denken. Die bekannten Unterstrukturen sind dabei qualitativ durchaus unterschiedlich zu bewerten. Manche agieren leise und wenden Sanktionen gezielt unauffällig an. Nur im äußersten Notfall wird es bei Ihnen laut. Asiatische Strukturen haben gelernt, dass es sinnvoller ist, die Familien im Heimatland anzugehen, denn Morde in Deutschland zu begehen. Osteuropäische Banden setzen kurze extrem brutale Zeichen mit einer langen Wirkung. Zumeist weichen sie bei Sanktionen auf Länder aus, in denen ihr Einfluss auf offizielle Stellen größer ist. Die italienischen OK Strukturen arbeiten in weiten Teilen mit einheimischen Statthaltern zusammen. Gut zu erkennen ist dies beim Handel mit Falschgeld. Gedruckt wird im sicheren Italien. Den Vertrieb im Ausland übernehmen andere Gruppierungen. Verhandlungsgespräche über größere Mengen erfolgen ausschließlich in Italien.

Wie beschrieben, ist Mitgliedern der OK jedes Mittel recht, wenn es denn wirksam ist. In Deutschland ist eine berechtigte oder unberechtigte kritische Haltung gegenüber der Polizei entstanden. Dies ist den Taktikern der OK nicht entgangen. Gegen Ermittler Teile der Bevölkerung zu mobilisieren bzw. diese unliebsamen Gegner zu kriminalisieren, ist ein hochwirksames Mittel.
Vietnamesen zeigten zeitweilig reihenweise Polizisten wegen unzulässiger Übergriffe an, um den Verfolgungsdruck der Zigarettenhändler zu mildern. Rumänische Banden erkannten zeitweilig ein internes Konkurrenzverhalten bei der Berliner Polizei. In Vernehmungen boten sie deshalb Aussagen zu vermeintlich korrupten Beamten an. Das funktionierte zeitweilig, bis mittels Dienstanweisungen solche Aussagen anders behandelt wurden. Andere osteuropäische Banden setzten auf das Mitleid der Umstehenden bei Festnahmen und täuschten epileptische Anfälle vor oder fügten sich selbst massive Verletzungen zu. Russische Täter zeigten sich scheinbar kooperativ, lieferten Informationen zu internationalen Verfahren, bei denen sie wussten, dass sie das Problem unter Kontrolle bekommen und setzten auf das Erfolgsbestreben der deutschen Staatsanwaltschaft. Wie gesagt: Doof sind die alle nicht.

Der Kriminalbeamte im OK Bereich kämpft an mehreren Fronten gleichzeitig. Gegen die zumeist recht naiv romantischen Vorstellungen des Bürgertums, ein politisches Establishment, welches in Teilen aus Unwissenheit verstrickt wird, den begrenzten Ressourcen im Innern der Polizei, Lobbyisten, die ein eigenes Süppchen kochen, machtpolitisch begründete Vorwürfe und Vorgaben, sowie ein bedauerliches Unwissen, welches oft auf Ignoranz beruht. Die Geschehnisse sind komplex. Hinzu kommen dann am Ende noch Vernetzungen mit Nachrichtendiensten aus allen Teilen der Welt, Terrorismus und halblegale Aktivitäten von Konzernen. Paradox ist dabei die Rolle des harmlosen Bürgers. Sie oder er mutiert zur Schachfigur auf einem riesigen Spielfeld. Politiker ziehen ihre Steine zum Zwecke einer Wiederwahl, die Kriminellen verwenden das Bürgertum als Opfer und Bollwerk zugleich, die Ermittler versuchen die Züge zu sabotieren.

In all den zurückliegenden Jahren erhoffte ich mir durch die fortwährende Berichterstattung in wirklich gut recherchierten Reportagen, Büchern, digitalen Medien, Whistleblowern, eine wachsendes Verständnis in der Bevölkerung, welches in einer höheren Effizienz mündet. Eingetreten ist es nicht. Im Gegenteil, vieles ehemals noch Mögliche, ist sabotiert worden.
In den 90ern zog sich ein Kriminaldirektor die Meldedaten aller in Berlin angemeldeten Italiener, inklusive derjenigen, welche durch Heirat die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen hatten. Außerdem ließ er sich Handelsregisterauszüge anliefern. Zusätzlich ließ er eine Recherche zu schweren Straftaten laufen. Weiterhin glich er die Namen mit den Erkenntnissen der passenden Dienststellen in Italien ab. Am Ende bot sich ein wenig erfreuliches Bild. Alle Strukturen waren anwesend, die Indikatoren sprachen für sich, doch es gab kaum rechtlich zulässige Ermittlungsansätze. Was will man machen, wenn ein international auffälliges Massensterben in einer Familie einsetzt, deren Vertreter u.a. friedlich und unauffällig in Berlin leben?
Ein einziger Mord, viel Geld und Besitz, angesehener sozialer Status … und nun? Allein schon der damalige Ansatz, ist heute unvorstellbar. Ich glaube, dass ich es bereits in einem anderen Beitrag notierte. Eins ist doch klar: In einer Stadt, wie Berlin, treten sich alle gegenseitig auf die Füße. Dienste, diverse politische Oppositionen, die nicht ins Heimatland können, Terrorvereinigungen, alle bekannten OK Strukturen, Geldwäscher u.s.w.. Natürlich sind Immobilien, Großgastronomien, Spielotheken, Bars mit schwer nachvollziehbaren Umsätzen, Blumenhändler, Imbissbuden, lohnende Objekte. Es wäre auch mehr als naiv, Schutzgeld, Zwangsbeteiligungen, Verbindungen zum internationalen Terrorismus als nicht existent zu betrachten. Und jeden Tag finden sie neue Lücken, bei denen sie von versierten Juristen, Banken, Steuerberatern, unterstützt werden.

Berlin hat sich derzeit auf die Clans eingeschossen. Die schmutzigen lauten Schmuddelkinder der OK. Ich höre das Lachen der Italiener, Russen, Osteuropäer, Asiaten. Die Nummer haben die in den ausgehenden Achtzigern und am Beginn der Neunziger hinter sich gebracht. Damals haben sie schnell gelernt, wie man mit der deutschen Gesellschaft richtig umgeht. Sie sind nicht gegangen. Sie haben ausschließlich ihre Vorgehensweise verändert. In Berlin sollen Wohnungen gebaut werden. Bauvorhaben werden ausgeschrieben, Grundstücke zur Bebauung frei gegeben, Hochhäuser geplant … in der OK, bei Steuervermeidern, Konzernen, knallen die Sektkorken. Wenn ich die Berichte über die Vergaben lese, wird mir ganz anders. Letztens las ich vom Jubelgeschrei bezüglich des Spielhallensterbens in Berlin. Die Politiker bildeten einen Kreis und klopften sich gegenseitig auf die Schultern. Eine Woche später setzte ich mich in Aufwallung alter Erinnerungen in ein paar einschlägige Lokale meines Bezirks. Spielautomaten, die üblichen kleinen Gangster, welche Umsatz vortäuschen sollen, stündlich vorbei kommende Kontrolleure der passenden Familien und anderen OK Strukturen. Läuft!

Könnte man gegen all das etwas unternehmen? Vielleicht … aber auf keinen Fall mit den Leuten, die derzeit in Rang und Würden sind, einer Bevölkerung, die sich eine Nebelkerze nach den anderen verkaufen lässt und Senatsmitgliedern, die mit Sicherheit von vielem Ahnung haben, aber nicht von OK und Terror. Meiner persönlichen Auffassung nach, wäre innerhalb von Berlin ein wichtiger Schritt, in den Bezirken alle in ein Boot zu setzen. Vertreter vom Handwerk, Gewerbe, Bürger, Mitglieder der Kiez Büros, Schutzpolizei, Kripo, Ordnungsamt, Finanzamt, Bauamt, in eine beratende Kommission zusammensetzen. Das wird die OK nicht im Allgemeinen interessieren, aber ich kann ihnen die Bezirke wegnehmen.

In meinem Wohnbezirk Spandau sind die Würfel gefallen. Die Clans haben langsam die Nase von Neukölln und Wedding voll und entdecken die Randbezirke. Sie treffen auf Teilgebiete, die bereits besetzt sind. Tschetschenische Hoheitsgebiete oder die klassischen PKK Einzugsviertel (Spandau Neustadt) werden sie nicht besetzen können. Aber es bleibt noch genug übrig. Parallel tauchen auch die ersten Salafisten (Falkenhagener Feld), interessanterweise deutsche Konvertiten auf. Unter anderen ist das ein Ergebnis der Innenstadtpolitik des Senats.
Es war klar, worauf die Stärkung der Polizei in der polierten Innenstadt hinausläuft. Der arbeitende Teil der OK verzieht sich in die Außenbezirke und die Gewinne werden in der Innenstadt investiert.
Mir muss niemand mit der CDU, FDP oder der AfD kommen. Das ist genau, was die wollen. Ihre klassischen Wohlfühlzonen, in denen sie wohnen, Zehlendorf, Wannsee, die bewaldeten Teile von Reinickendorf, sollen unberührt bleiben. Die Innenstadt soll für Investoren attraktiv werden. Die hippen Zukunftsprojekte Kreuzberg Bereich Görlitzer Park, werden nach und nach bereinigt. Auch das verschiebt sich langsam. Die Drogenszene ist längst wieder auf Wanderschaft. Wahrscheinlich wird sie wieder ankommen, wo sie mal herkam … in den Hochhaussiedlungen. Für die Platte ist der Effekt allerdings neu.

Die Älteren in der SPD versucht in den BVV’s verzweifelt für die Bezirke Schadensbegrenzung zu betreiben. Die GRÜNEN sind mehrheitlich ein naiver Ausfall, weil sie aus ihrer Blase nicht herauskommen. Die junge LINKE ist verstrahlt und die Alten von denen trauen sich nicht mehr. Traurig … Puh … Ich denke mal weiter nach.

30 November 2019

Notizbuch Fortsetzung 2019 … 30/11

Lesedauer 4 Minuten

Liebes Notizbuch … in Berlin hat der Senat beschlossen, dass es demnächst einen Polizeibeauftragten/in geben soll. Was die oder der machen soll, habe ich noch nicht so ganz verstanden. In einigen Artikeln habe ich gelesen, dass das so eine Art Beschwerdestelle werden soll. Seit ich davon las, überlege ich, was ich davon halten soll. Wie sieht denn der Status Quo aus?

Worüber könnte ich mich dort beschweren? OK, vielleicht ist einer der Meinung, in seinem Kiez sollte von der Polizei mehr unternommen werden. Dann ruft der dort an. Die o. der Beauftragte müsste dann in der Direktion anrufen und nachfragen, warum da bisher nichts unternommen wurde. Wahrscheinlich landet die Angelegenheit dann über den Direktionsleiter beim Abschnittsleiter und später beim Hauptsachbearbeiter Einsatz. Der schreibt die Nummer glatt u. die Sache geht zurück an diesen Beauftragten/in. Bisher hätte sich der Anrufer bei seinem Abgeordneten direkt beschweren oder sich beim Stadtrat melden können. Also … kann sie/er immer noch, so viel ich weiß, sind die nicht überlastet.

Man könnte sich dort über eine subjektiv als ungerecht empfundene Handlung der Polizei beschweren. Gut … wenn Polizisten handeln, ist das juristisch ein Verwaltungsakt. Entweder mit einer Widerspruchsfrist oder ein Sofortvollzug, dessen Rechtmäßigkeit ich beim Verwaltungsgericht feststellen lassen kann. Was könnte die Beschwerdestelle dabei regeln? Als Rechtsanwalt den Anrufer o. Einreicher einer Beschwerde beraten? Darf er nicht … das ist gesetzlich geregelt. Da haben die Anwälte etwas dagegen.

Was würde bei einer Straftat passieren? Denkbar ist ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, bei dem sich einer übel behandelt fühlt. Das ist dann eine Strafanzeige, die von der Polizei oder Staatsanwaltschaft aufgenommen und verfolgt werden muss. Entweder war die angewandte Gewalt zulässig, geeignet und verhältnismäßig oder eben nicht. Schwierig! Dazu muss man den gesamten Sachverhalt kennen. Festnahmeberichte, das Ermittlungsergebnis zur Straftat, die Ergebnisse von medizinisch forensischen Untersuchungen interpretieren. Bisher haben dies spezielle Ermittler bei der Polizei gemacht. In der Regel Frauen und Männer mit geringem Verständnis für die eigenen Leute. Ihr Credo: Laden sauber halten! Die werden auch bei Korruptionsverdacht aktiv. Da reicht schon ein geringwertiges Werbegeschenk. Es gibt da dieses uralte Motto: Mit einem Bein steht der Polizist immer im Knast.

Prinzipiell kann sich das jeder schnell erklären, der mal in einer Hauerei verwickelt war. Der Gegner darf Kratzen, Beißen, Hauen und ungesundene Gegenstände verwenden, während Du ein ziemlich begrenztes Spektrum an Griffen und Gegenständen zum Einsatz bringen darfst. Solch Freefighter Techniken aus der Kneipe, Aschenbecher greifen, Billard Kugel in Socke, Kreuzbänder durchtreten, Kopfstöße, Barhocker wegtreten und was man halt alles so machen kann, ist nicht erlaubt.

Übergriffe in Demonstrationen könnten eine Rolle spielen. Na ja … bei so einer Demo kann viel passieren. Im Vorbeirennen einen umhauen, weil er einen blöden Spruch macht, in den Hausflur ziehen und ein paar Backpfeifen austeilen … Straßenkampf ist Straßenkampf. Beide Seiten schenken sich da in der Regel nichts. Ob sich ein richtiger Randalierer nachträglich beschwert? Irgendwie haben die doch auch einen eigenen Kodex, oder? Gut, wenn sie oder er festgenommen wurde, dann vielleicht. Aber das ist dann doch auch Thema bei der Verhandlung zum Landfriedensbruch. Legt dann die/der Polizeibeauftragte einen eigenen Ermittlungsbericht mit Gerichtsmedizinischen Gutachten, Videoauswertung, Vernehmungsprotokollen und allem vor?

Vielleicht könnte man sich dort gegen die Maßnahme an sich beschweren. Zum Beispiel gegen die Räumung eines Hauses. Aber der Auftrag geht von der Politik aus. Dann wären doch die Abgeordneten verantwortlich. Seltsam! Die Shisha Bar Besitzer könnten sich über die Razzien beschweren. Das ist aber Angelegenheit des Ordnungsamts und da wäre wieder der Stadtrat gefragt. Die Polizei unterstützt in dem Fall nur. Oder das Finanzamt geht rein. Ist aber auch nicht Polizei.

Bei den ganzen Überlegungen zum Thema kam mir der Gedanke, dass die beschließenden Politiker vielleicht gar keinen Durchblick haben. Unter Umständen kennen die gar nicht die vielen Ermittlungsstellen. Oder sie haben keine Strafprozessordnung, Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz mit den dazugehörigen Durchführungsverordnungen bzw. Zuständigkeitsregelungen. So etwas soll vorkommen. Erinnerst Du Dich noch an Innensenator Kewenig? Da mussten wir Polizeischüler beim Professor als Klausur rechtliche Gutachten abliefern. Meistens lag er gründlich daneben. Der Untersuchungsausschuss Amri zeigte, dass die Mitglieder nicht wirklich einen Durchblick im Aufbau der Polizei haben. Erinnerst Du Dich an diese Geschichte, dass der Innensenator angeblich alle Observationskräfte für die Rigaer abstellte? Amüsant! Der versammelte Augusta Platz mit allen Gruppen, inklusive der Aufklärer, in der Rigaer. Das Chaos hätte ich gern gesehen. Erinnert mich ein wenig an die alten Ermittlungen gegen die Herausgeber der “RADIKAL” oder die “MG Militante Gruppe”. Nach drei Wochen waren alle Eingesetzten aufgeflogen. Und selbst in der Zeit kümmerten sich die andern Gruppen um das Restgeschäft. Mal ganz abgesehen von den örtlichen Fahndungsgruppen, die sind ja auch noch da. Wer so einen Schrott annimmt, hat wahrlich keinerlei Überblick. Ein Polizeibeauftragter könnte die vielleicht beraten. Das müsste dann aber ein freigestellter Polizist sein, der sich mit solchen Maßnahmen auskennt. So einen wollen die ja nicht haben.

Die erzählen ja immer, dass Polizisten nicht verurteilt werden. Kenne ich ein wenig anders. Ich wollte deswegen mal kündigen. Möglicherweise erinnerst Du Dich noch daran. Ich weiß nicht, ob ich damals schon Notizen aufschrieb. Im Buch die “Wanderung Vol. II” schrieb ich dazu etwas. Mein Kumpel wurde damals zu einer Sachbeschädigung gerufen. Zwei besoffene junge Kerle zerlegten auf dem Weg nachhause Bushaltestellen und Telefonzellen. Das übliche Berliner Nachtleben. Gegen Treten bis die Scheiben zerbröseln. Was kostet so etwas? 2000, — EUR? Egal! Nach der vierten wurden die beiden gestellt. Sie wehrten sich wohl ordentlich. Aber am Ende verloren sie dann doch. Im Fahrzeug wurde dann bemerkt, dass sich einer eine Platzwunde eingehandelt hatte. Nicht weiter dramatisch. Wenn einer betrunken zu Boden geht, kann das passieren. Muss man nicht einmal glatt schreiben. In der Gerichtsverhandlung unterstellte der Staatsanwalt, dass mein Kumpel mit dem Tonfa zuschlug. Selbst der medizinische Gutachter schüttelte mit dem Kopf. Mein Kumpel meinte dazu in der Aussage: “Mit Verlaub … wenn ich das Ding benutzt hätte … sähe der Beschuldigte anders aus.” Was sagt der Staatsanwalt? “Sie sind am Tonfa ausgebildet, also gehe ich von einer Benutzung aus.” In erster Instanz kam es zu einer Verurteilung. Erst in der Berufung waltete die Vernunft. Wäre die nicht erfolgreich gewesen, hätte meine Polizeikarriere damals geendet.

Auch egal! Bin ja nicht mehr dabei. Zurück zum Beauftragten. Wenn er die Abgeordneten beraten würde, müsste man die Stelle Verbindungsbeamter nennen. Darum scheint es ihnen nicht zu gehen. Wie ich es drehe und wende, komme ich zu keinem Ergebnis. Eins bekomme ich gar nicht hin. Bei allem, was ihr oder ihm berichtet wird, kommt es zu einem Zeugenstatus. Zeugnisverweigerungsrecht kann nicht funktionieren, es sei denn, sie setzen da einen Pfarrer, Anwalt oder Arzt hin. Anwalt geht auch nicht, wegen des Parteiverrats.

Ich meine, dass kann doch jeder im § 163 StPO nachlesen. Sorry … ich verstehe es nicht. Aber die werden schon wissen, was sie tun. Wie sagte damals ein Kriminaldirektor zu mir: “Sie müssen lernen, höhergestellten Leuten zu vertrauen, weil die einen besseren Überblick haben.”

22 November 2019

Im Wendekreis des Zwiebelfisches

Lesedauer < 1 Minute

Teil I meines Buchprojekts ist abgeschlossen. Das vorläufige Manuskript steht. Immer wieder neu auf eine Fehlersuche zu gehen, bringt nichts mehr. Ich habe mein “Baby” ein paar Leuten zum Lesen gegeben und erwarte von denen noch ein Feedback. Danach werde ich auf die hoffnungsvolle Suche nach einem Lektorat und einem Verlag gehen. Wer etwas passendes kennt, darf sich gern – bitte – bei mir melden.

Vorab stelle ich den vorläufigen Prolog online, der eine Auskunft gibt, worum es geht. Ich ziehe nach dreissig Jahren Kriminalpolizei aus mehreren Perspektiven Bilanz. Darüber hinaus beschreibe ich, wie ich nach diesen Jahren, als gelernter Polizist, die Welt, die Gesellschaft und den weitere Werdegang von beiden einschätze. Für die berühmten Zeilen dazwischen habe ich mir das Ziel gesetzt, einen Einblick in das Innenleben eines Berliner Kriminalbeamten im Jahr 2019 zu geben. Mir geht es dabei weniger um die Auffassungen, sondern mehr um die Tatsache, dass bei der Polizei durchaus nachgedacht wird. Weit über die üblichen Klischees hinaus.

Wer meinen BLOG schon ein paar Male besucht hat, weiß um mein Fremdschämen, wenn sich Polizisten in merkwürdige politische Law & Order Positionen hinein begegeben, stets neue Gesetze, Techniken und Überwachungen einfordern. Eins kann ich vorab kund tun: Es sind keine Interna zu erwarten, die unbefugte Personen unnötig schlau werden lassen oder Anlass für neugierige Fragen geben könnten. Solche Aktionen überlasse ich Ausschüssen, Gewerkschaftlern und Personalräten. Dennoch gehe ich auf Dinge ein, die bereits an unterschiedlichsten Stellen beschrieben wurden. Da ich aber viele Hintergründe kenne, habe ich eigene Interpretationen. So genug der Ankündigungen von dem, was alles noch nicht online ist. Ich lasse lieber meine Worte sprechen.

Bereits beim Prolog bin ich für jeden Kommentar und kritische Auseinandersetzung offen. Denn hierfür habe ich dieses Buch geschrieben. Wie es weiter geht, wird sich noch zeigen.

zum Prolog =>

4 September 2019

Rassismus bei der Polizei?

Lesedauer 7 Minuten

Wieder einmal kochen die GRÜNEN das Thema «Rassismus bei der Polizei» auf. Die Schlagworte lauten «Racial Profiling» und «Struktureller Rassismus». Wortführer ist der Sprecher für Antidiskriminierung von der Fraktion der GRÜNEN. Die Betonung liegt auf «Schlagworte». Zwei Fragen liegen sofort nahe. Was ist Rassismus? Was ist ein «Struktureller Rassismus»?
Gemeint ist offensichtlich der in den USA entstandene Begriff des Rassismus ohne Rassen. Wikipedia zitiert zum Thema «Struktureller Rassismus» die Psychologin Ute Osterkamp:

« … dass rassistische Denk- und Handlungsweisen nicht Sache der persönlichen Einstellungen von Individuen, sondern in der Organisation des gesellschaftlichen Miteinanders verortet sind, welche die Angehörigen der eigenen Gruppe systematisch gegenüber den Nicht-Dazugehörigen privilegieren.»

( U. Osterkamp: Rassismus als Selbstentmächtigung. Argument, Hamburg 1996, S. 201)

OK! Es gibt dabei mehrere Seiten. Zum einen wird kritisiert, dass bei Ermittlungen nicht oft genug der rassistische Hintergrund einer Straftat berücksichtigt wird und zum anderen, dass gesellschaftliche Minderheiten vermehrt kriminalisiert, kontrolliert und damit diskriminiert werden, oder sich gar einem Verhalten ausgesetzt sehen, welches eine Straftat, begangen vom eingesetzten Polizeibeamten, darstellt.

«Du bist ein Rassist!», erzeugt zunächst einmal eine emotionale Abwehr. Blende ich die mal aus, räume ich ein, einer zu sein. Eigentlich fällt mir dies persönlich gar nicht schwer. Rassismus ist im menschlichen Verhalten ein Grundprogramm. Erst das Einschalten meines Großhirns und die Aktivierung eines vernünftigen Verhaltens lässt mich davon Abstand nehmen. Dies gilt insbesondere, wenn es um einen Rassismus ohne Rasse geht. Mir persönlich ist es zu allgemein, gleich von Rassismus zu sprechen.

Wie jeder andere Mensch auch, verspüre ich Abneigungen, Ekel, Unverständnis für Verhaltens – und Denkweisen, Abscheu oder sogar Wut.

Zum Beispiel geht mir regelmäßig in den öffentlichen Verkehrsmitteln das grenzdebile Gequatsche einiger Zeitgenossen auf die Nerven. Seltsamerweise sind die meisten Kandidaten ähnlich gekleidet. Gewissermaßen ergibt dies Sinn, weil sie selbst auch das Bedürfnis haben sich von Leuten wie mir abzugrenzen. Ähnlich verhält es sich mit Heranwachsenden, welche besondere Haarschnitte favorisieren. Im Dienst nannten wir diese Frisuren «Kreisdeckelgehirnbremsen».
Früher im Dienst orientierte ich mich auf der Straße vornehmlich an meinen über Jahrzehnte hinweg entstandenen Stereotypen. Ich kann heute noch nichts Schlechtes daran finden.

Bevor ich das Wort Stereotyp lernte, nannte ich das Berufs – und Lebenserfahrung. Bitte nicht lachen, ich gehöre einer Generation an, in der Migration und Migrationshintergrund ausschließlich von Studenten der Soziologie verwendet wurden. Rassismus bezog sich lediglich auf Menschen, die dem Unsinn einer Rassenlehre anhingen. Alles andere waren Vorurteile und Diskriminierung.

In der Schule lernte ich vor langer Zeit, dass sich die Mitglieder von Subkulturen untereinander angleichen, weil sie damit u.a. ihre Gruppenzusammengehörigkeit kundtun. Das führt dazu, dass beispielsweise Mitglieder krimineller Clans relativ sicher zu erkennen sind.
Manche Gruppierungen merken nicht einmal, wie sich angleichen. Russische Straftäter haben nun einmal eine spezielle Art ihre «Herrenhandtäschen» zu tragen und fast alle haben spezielle Vorlieben für Schmuck und Kleidung. Anläßlich des Einbruchs bei CHRIST im KaDeWe meinte der Leiter, es sei hauptsächlich Schmuck gestohlen worden, der nur an Russen und Umgebung zu veräußern wäre.

Hinzu kommen Besonderheiten bei Delikten. Der potenzielle Angreifer verrät sich durch seine Körperhaltung. Scheinbar ziellos in der Gegend herumfahrende Einbrecher haben einen besonderen Habitus und eine auffällige Fahrweise. Kleinkriminelle laufen nicht wie der «normale» Spaziergänger auf der Straße. Das schlechte Gewissen, die Panik beobachtet zu werden, die ewige Angst von der Polizei erwischt zu werden, steht ihnen quasi ins Gesicht geschrieben. Kein schönes Leben, das wird von vielen übersehen.
Bisweilen ist es auch einfach das Alter, die Uhrzeit, der Ort, die Umstände, die einen Rückschlüsse ziehen lassen. Nebenbei beruht das auf Gegenseitigkeit. Polizeierfahrende Kriminelle enttarnen eine Zivilstreife recht zügig. Gleiches gilt für Mitglieder der sogenannten linken Szene. Denen etwas vorzumachen, ist nicht einfach. Es funktioniert nur, wenn man sie sehr genau beobachtet und in der Lage ist, die Art, das Aussehen, die Sprache und den Habitus zu adaptieren.

Von einigen wird meine damalige Vorgehensweise als «Racial Profiling» bezeichnet. Bis zu einem gewissen Grad kann ich den Unmut verstehen. Man läuft als 18 Jähriger mit einigen Freunden durch einen Szenebezirk, hat sich nichts zu Schulden kommen lassen und steht plötzlich an der Wand, weil in der Nähe ein Fahrzeug gebrannt hat. OK! Gegenvorschläge? Es ist nun einmal nicht von der Hand zu weisen, dass man um 03:00 Uhr in der Nähe der Rigaer zum Kreis der Verdächtigen gehört.

Anders ergeht es nicht dem nächtens ziellos in der Straße herumlaufenden Mann um die vierzig, wenn es in der Gegend mehrfach zu Brandstiftungen gekommen ist und die eingesetzten Fahnder nach einem Feuerteufel Ausschau halten. Oder was ist mit dem einsamen Mann auf einem Kinderspielplatz, der aufmerksam den dort spielenden Kindern zusieht? Meine Kriterien werden die Art seiner Blicke und seine Kleidung sein. Um so unauffälliger, je verdächtiger wird er sein.
Wenn ich auf einem Bahnhof nach illegalen Ausländern Ausschau halte, werde ich mein Augenmerk auf Leute richten, die danach aussehen. Besonders verdächtig werden sich Personen machen, die zum Wetter äußerst unpassend gekleidet sind. Die armen Frauen und Kerle haben nämlich meistens nur eine Garnitur. Osteuropäer, die stundenlang mit ihrem Rollkoffer über den Bahnhof irren, verdienen sich eine besondere Aufmerksamkeit. So benehmen sich in der Regel professionelle Taschendiebe. Wenn ich dann auch noch sehe, dass sie sich eben noch unterhielten und von einem Moment auf den anderen sich nicht mehr zu kennen scheinen, sollte jeder Fahnder alarmiert sein.

In den Vierteln, die von den Clans kontrolliert werden, besteht für jeden entsprechend aussehenden Fahrer einer hochklassigen Limousine die Gefahr, mit der Polizei in einen Konflikt zu geraten. Wer unschuldig ist, soll sich dafür bitte bei Remmou, Ali – Khan, Abou Chaker oder anderen Gesellen bedanken.

Ist das alles «Racial Profiling»?

Wie verhält es sich mit den Dealern im Görlitzer Park? Der Görlitzer ist nicht der einzige Drogenumschlagplatz in Berlin. Andere Plätze – andere Tätergruppierungen. Das Konkurrenzverhalten kommt dem Fahnder entgegen. Die Jungs aus dem «Görli» werden es tunlichst unterlassen sich an den anderen Plätzen blicken zu lassen. Wen soll der Polizist dort kontrollieren? Den niederländischen Backpacker? Die sich im Park auf der Wiese wälzenden Schwaben?

Auf einem Flyer fordern die GRÜNEN (Ich gehe aufgrund eines Tweets von ihrer Urheberschaft aus.) – BAN Racial Profiling /gefährliche Orte abschaffen.
Liebe Verfasser des Flyers, aus der Praxis für die Praxis, eine kleine Beobachtung. In der Berliner Kurfürstenstraße ist bekanntermaßen seit langer Zeit der sog. «Babystrich» u. deshalb auch ein gefährlicher Ort. Die «netten» Freier patrouillieren dort mit der Familienkutsche und schauen sich die Mädels an. Sie warten so lange, bis sie eins für reif halten. Wenn sie nämlich lange genug auf «Affe» ist, macht sie den Blowjob auch für kleines Geld. Der Status «gefährlicher Ort» ermöglicht es einer Zivilstreife, diesen Widerlingen auf die Finger zu klopfen und sie zu kontrollieren. Solche Kontrollen mögen die überhaupt nicht. Ist das für Euch auch eine ganz furchtbare Maßnahme?
An anderen Stellen, wo Drogen vertickt werden, soll der eine oder andere auch schon übel abgezogen worden sein. Die Polizei macht nicht die Drogenpolitik, sie setzt den Quatsch nur um. Aber solange wie es läuft, wie es aktuell der Fall ist, treiben sich da jede Menge Unsympathen herum, die schnell ziemlich ungemütlich werden können. Wollt Ihr die durchkommen lassen?

Die Stellen in Berlin, wo illegale Zwangsprostitution auf der Straße stattfindet, sind ebenfalls gefährliche Orte. Ja, die Mädels sind die Opfer. Aber dahinter befinden sich zwei Gruppen, an die man irgendwie herankommen muss. Zum einen die Freier, die die Notlage ausnutzen und zum anderen die Zuhälter im Hintergrund. Kontrollen sind ein unverzichtbarer Teil der Beweisführung. Abschaffen?

Ich kann nachvollziehen, dass diese Bereiche und Ansichten Berlins nicht jedermanns Gebiet sind. Manch einer kennt vielleicht noch die Band Belami. Die hatten einen Hit «Berlin bei Nacht!»

Hier ist immer was los,
hier im Herzen der City.
Heroin und Koks,
heiße Uhren und Gold.
Wenn du Stricher brauchst,
junge Knaben ohne Bauch,

Ich will nicht persönlich werden. Aber … ich habe mal nachgelesen, wer Sebastian Walter, der anfangs erwähnte Sprecher, ist. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemand, der sich im Berliner Nachtleben und nachts an den Stellen in Berlin herumtreibt, wo die Füße riechen, wenn die Sonne vom Himmel gefallen ist. Wenn ich etwas an Regelungen fordere, muss ich immer ein paar Schritte weiter denken, welche Folge in der Gesamtheit eintreten.

Konkret zum Thema Rassismus möchte ich anmerken, dass es in dem einen oder anderen Polizisten dunkler aussieht, als beim Standard – Rassisten. Die können nämlich langsam alle, ohne großartige Ausnahmen, nicht mehr leiden. Bisweilen kommen sich die Beamten vor, wie Pflegekräfte in einem Irrenhaus bei der Essensausgabe. Freiheit ist eine feine Sache und mein absoluter Favorit. In erster Instanz ist sie eine Pflichtaufgabe. Erst wenn ich sie meinerseits allen einräume, kann ich erwarten, dass ein System entsteht, welches sich frei nennen darf.
Bedauerlicherweise funktioniert dies mit einigen Zeitgenossen nicht. Die wollen ihre Freiheit, ohne sie anderen zu gönnen. So lange wir uns in einem System befinden, wo dies Fakt ist, wird es auch die Notwendigkeit von Kontrollen geben. Es wäre auch fair Klartext zu sprechen und auszudrücken, worum es tatsächlich geht.

Menschen mögen es nicht, wenn sie kontrolliert werden. Einige haben dafür mehr Verständnis und andere weniger. Manch einer ist auch der Meinung, mächtig das Rad anwerfen zu müssen. Diese Leute würde ich gern mal in einer Kontrolle im Ausland erleben. Man kann sich tatsächlich auch widerstandslos von der Polizei festnehmen lassen und alles Weitere in Ruhe klären. Funktioniert! Man kann aber auch immer aktiv gegenhalten. Das Leute wegen ihres Aussehens von der Straße gepflückt, und im Hausflur vermöbelt wurden, um dann ohne Protokoll wieder entlassen zu werden, soll um die 70er – 80er bei Demonstrationen vorgekommen sein. Bei besonders heftigen Straßenkämpfen gab es die Parole: «Gefangene werden nicht gemacht!» Die Zeiten sind vorbei. Im Alltagsdienst war das wenigstens seit den 70ern nicht der Fall und 2019 schon gar nicht.

Intern gibt es selbstverständlich immer mal wieder den alltäglichen menschlichen Rassismus. Es gibt aber auch klare saubere Instanzen, die dem entgegenwirken. Sonst hätte es die vielen Kollegen, die mahnend und kritisch Missstände anprangerten nicht gegeben. Besonders in sensiblen Bereichen, in denen noch andere psychologische Effekte eine Rolle spielen (Gefangenenwesen – Stanford Experiment) kommt es zu Situationen, die ich als Mensch trifft auf Mensch beschreiben würde. Und stets gab es Beamte, die gegenhielten. Doch mit irgendwelchen Beauftragten, die am Besten auch noch Laien sind, kommt da niemand weiter. Ebenso ist es absolut kontraproduktiv von der Polizei und der Struktur zu sprechen. Es lohnt sich dann doch, sehr genau hinzusehen, wo und wer handelt. Mit Gießkannenparolen und Feindbildern zu agieren verfehlt das Ziel.
Diese Methodik wird völlig zulässig den Rechtspopulisten vorgeworfen. Vollkommen unnötig werden mit der Sprachwahl und Vorgehensweise der GRÜNEN den Rechten Türen aufgestoßen. In der alten Zeitschrift MAD nannte sich das «Spion gegen Spion». Hier heißt es Dogmatiker gegen Dogmatiker. Lassen wir doch einfach mal die Phrasendrescherei und differenzieren ein wenig. Dann könnten sich auch Polizisten, ohne sich persönlich attackiert zu fühlen, an der Diskussion beteiligen.

Auf eines möchte ich am Ende noch hinweisen. Der größte Teil der Polizeiarbeit auf der Straße besteht aus Auftragsarbeiten. Einem Polizeibeamten der draußen arbeitet, ist es ziemlich egal, ob da im Görli gedealt wird oder nicht. Die wissen genau, dass es nur um eine Verdrängung geht. Das Problem wird an eine andere Stelle verlagert. Wem dies nicht gefällt, muss sich an die Politik und das Bürgertum wenden.

Ganz allein für mich, gebe ich zu, dass die Sache mit den Clans manchmal etwas Persönliches hatte. Ich würde es aber eher als Abscheu und Abneigung gegenüber einer bestimmten Sorte Charakter sehen, die ich bei Zuhältern und Rockern ebenfalls empfand. Ich mag es halt nicht, wenn sich körperlich stärkere, skrupellos an Schwachen austoben. Mit Macheten und Schusswaffen Frauen und Minderjährige zu bedrohen geht mir zu weit. Bin ich deshalb Rassist? Nun … dann ist das so.

9 Juni 2019

Seltsame Vorstellungen …

Lesedauer 6 Minuten

Träume junger Gangster

Es war irgendwann zu Beginn der Neunziger, als ich das erste Mal auf einen der jungen Männer traf, deren Geschichte und damit auch meine, ich hier erzähle. Sie alle stammten aus Belgrad. Die Stadt wurde zur damaligen Zeit boykottiert. Die «Jungs» saßen in einer Siedlung im Stadtteil Zemun und schlugen die Zeit mit Fernsehen tot. Dort wurde ihnen gezeigt, wie erfolgreiche Menschen leben. Schnelle große Autos, leichtbekleidete Frauen, Schmuck, Geld, Kreditkarten, all die für sie unerreichbaren Statussymbole wurden ihnen jeden Tag wie die berühmte Möhre vor die Nase gehalten.

Die Straßen und die Politik waren fest in der Hand der Gangster. Der stärkste, brutalste und skrupelloseste hatte die Macht, bis ein anderer ihn über den Haufen knallte. Aber immerhin gab es einen Weg des Entkommens. Auch wenn er sehr gefährlich war. Überall hörten sie von den internationalen Verbrechern, die außerhalb Serbiens ihr Glück machten. Spieler, Drogenhändler, Taschendiebe und Einbrecher.

Zoran R. setzte sich eines Tages in den Zug und wollte dieses Leben führen. In Berlin spazierte er in ein Lokal, von dem er wusste, dass sich dort Serben trafen, die bereits wussten, wie es geht. Ich las von ihm erstmals, als er mit einer Schussverletzung im Unterleib ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Nicht klassisch mit der Feuerwehr, sondern mit einer Taxe, in die sie ihn blutend gesetzt hatten. Trotz allem Zuredens, machte er keine Aussage. Zu dieser Zeit war er bereits mehrfach bei Einbrüchen in Einfamilienhäuser festgenommen worden. Aus seiner Akte erfuhr ich, dass er einen engen Freund hatte, der ebenfalls aus der Siedlung in der Heimat stammte. Jovica S. träumte denselben Traum. Nach und nach, fand ich eine ganze Gruppe junger Männer, aus dieser Gegend, im gleichen Alter und mit demselben Beruf: Einbrecher! Aber mit Jovica S. schien Zoran R. mehr zu verbinden. Ich musste ihn ziehen lassen. Immerhin war er vordergründig das Opfer.

Die beiden und ihre Freunde tauchten immer wieder auf. Unterstützt wurden sie von allen nur möglichen Landsleuten. Ältere Bauunternehmer nahmen ihr erbeutetes Geld entgegen und überwiesen es über ihre Konten an die Familien oder Sparkonten. Manche gaben ihnen konspirative Wohnungen. Andere wiederum nahmen ihnen den Schmuck und die Kreditkarten ab, die sie nächtens aus den Häusern ihrer schlafenden Opfer heraus holten. Manchmal erbeuteten sie auch teure Autos, die sie an Albaner weiter gaben. Wurden sie erwischt, bekamen sie Jugendstrafen und landeten in der JVA Plötzensee. Dort bekamen sie die Gelegenheit, sich mit einer Sozialbetreuerin zu unterhalten. Eine engagierte Serbin, die mit einem Stadtrat verheiratet war. Passte die nicht auf, und das tat sie häufig, schmiedeten die Jungs neue Pläne.

Eines Tages tauchte ein weiterer engerer Kumpan der beiden auf. Zoran E. liebte Cabriolets. Zu dritt fuhren sie mit einem durch die Stadt und posierten vor den Frauen. Andere begannen über die drei zu reden. Dabei verrieten sie auch, was Zoran R. widerfahren war. Er hatte sich eine schusssichere Weste besorgt. Mit dieser prahlte er und schoß aus nächster Nähe auf sich selbst. Dabei berücksichtigte er nicht, dass sich dabei die Weste nach oben schob und den Unterleib frei gab.

Hunderte Einbrüche trugen die Handschrift der drei «Internationalen Einbrecher», wie sie sich selbst bezeichneten. Als einer aus ihrem Kreis erschossen wurde, fanden sie sich alle auf einem Gruppenfoto zusammen, dass der italienischen Mafia ebenbürtig war. Bei einer Gerichtsverhandlung legte ich so viele ihrer Einbrüche vor, dass der Rechtsanwalt S. empört sagte: «Wollen sie meinen Mandanten alle Einbrüche dieser Stadt vorwerfen?».

Gangster sein ist gefährlich

Sie konnten es nicht lassen. Zoran R. wurde dreist. Im Suff versuchte er in einer anderen Stadt in eine Bank einzubrechen. Es ging schief und er landete in Untersuchungshaft. Seine Freunde sammelten Geld und verdienten welches dazu, in dem sie den anderen serbischen Einbrechern in der anderen Stadt ihre besonderen Techniken bei brachten. Irgendwie schaffte es der Rechtsanwalt, Zoran R. wieder frei zu bekommen. Dann machten sie einen Fehler. Sie erweiterten ihren Aktionsradius auf das Bundesland Bayern. Der Richter dort, ließ nicht mit sich reden. «Über 150 Einbrüche verlangen eine Hintergrundstruktur … 6 Jahre ohne Bewährung.»
Wieder auf freien Fuß versuchten sie, wieder ins Geschäft einzusteigen. Etwas muss schief gegangen sein. Zoran R., der niemals Heroin genommen hatte, wurde mit einer Überdosis in einer Wohnung gefunden. Sein Freund Jovica S. tauchte mit einer seiner vielen Identitäten unter und Zoran E. verschwand ins Ausland. Der Rest ihrer Leute macht bis heute fleißig weiter.

Ich kümmerte mich nicht mehr darum. Vergessen hatte ich sie nie. Da fragte mich ein Schweizer Ermittler, ob ich aus meiner alten Zeit einen Einbrecher kennen würde, der während die anderen einstiegen, mit einem Cabrio in der Gegend patrouillierte. Zoran E. hatte sich mittlerweile ein Porsche zugelegt. Die Geschäfte mussten gut gegangen sein. Für mich war das ein Anlass, mal wieder ein wenig zu recherchieren, was aus all ihnen geworden war. Nichts hat sich geändert. Vielleicht doch! Niemand redet mehr über sie. Sie sind etwas ruhiger und leiser geworden.

Internationale Kriminelle … vs. Deutschland … ein Dilemma

Alle reden und diskutieren über die Organisierte Kriminalität. Kriminologen versuchen, Definitionen zu finden. Dezentralisierte Bandenstrukturen hören sich besser an, denn dieses böse Wort. OK – klingt nach Mafia, Camorra oder `Ndrangheta. Ständig wird nach einer Hierarchie gesucht.

Ein Bekannter der drei Kumpane sagte mal zu mir: «Ihr Deutschen sucht immer einen Führer. Bei uns herrscht immer der gerade Stärkste. Und der kann Übermorgen tot in der Ecke liegen.»

Nemanja S.

Ich habe sie nicht nur als Gangster kennengelernt, sondern auch ein wenig die menschlichen Hintergründe. Sie wollten das haben, was alle anderen auch haben, aber es gab keine legalen Chancen dafür. Also fanden sie einen anderen Weg. Dies passiert jeden Tag, in Bukarest, Warschau, Moskau, Belgrad usw.. Um so größer die sozialen Abstände werden, je härter werden diese Typen.

Wir hängen in einem Dilemma. Die Sozialisation findet nicht in Deutschland statt. Keine Strafe hält sie von ihrem Treiben ab. Wir können Gefängnisse schlecht in unterschiedliche Kategorien unterteilen. 50 Mann Zellen für die Russen, 20 Mann Zellen ohne Betten für die Serben, Sammelareale für Asiaten … das funktioniert nicht. Man müsste den Menschen soziale Aufstiegsmöglichkeiten im eigenen Land geben. Auch das ist eine irreale Option. Eine Abschottung Deutschlands ist nicht möglich, die finden immer einen Weg und außerdem würde alles noch viel schlimmer werden.

Unterstützt wird dies alles von Politikern und Strategen, die sich niemals mit einem dieser Typen auseinandergesetzt haben und ihre Antriebe, Psyche und Sozialisation kennen. Uns bleibt, bei unveränderten sozialen Gefälle zwischen den Gesellschaften, nur ein ewiger Kampf. Wir rollen den Felsbrocken ein paar Meter nach oben und dann rollt er wieder herunter. Zahlen werden interpretiert, verfälscht, Erfolge werden vermeldet, die keine sind, es wird verdrängt und unter den Teppich gekehrt. Mal sind es die russischen Banden, dann die Vietnamesen, ein anderes Mal werden einige Italiener gesichtet und aktuell sind die Clans in der Mode. Und wenn es zu langweilig wird, wird ein Terroranschlag analysiert.

Der Untersuchungsausschuss – wir stellen uns in einen Kreis ….

Und was macht die Politik? Wir bilden einen Kreis, fassen uns alle an den Schultern und nennen es Untersuchungsausschuss. Wer nur ein wenig Insiderwissen besitzt und wenigstens die Grundzüge des Aufbaus der Polizei kennt, erkennt schnell die Ahnungslosigkeit und den dort betriebenen Alibismus. Der neueste Unsinn ist die Behauptung, die Polizei hätte sich mehr auf ein besetztes Haus, denn auf einen «Top» Terroristen und Tob – Gangster Anis AMRI konzentriert.

Selbstverständlich hat die Kriminalpolizei nur diese beiden Probleme gehabt. Russen, Serben, Vietnamesen, Italiener, fremde Nachrichtendienste, bewaffnete Räuber, richtige Dealer (nicht «Körperschmuggler», wie ein Amri), Clans, Vergewaltiger, Feuerteufel und was sich sonst noch in der Stadt herumtreibt, spielen keine Rolle. Dunkle Mächte hatten in Berlin die gesamte Polizei inklusive aller Spezialisten für Observationen auf ein besetztes Haus angesetzt. Diese Gestalten im Hintergrund sorgten auch dafür, dass alle anderen der knapp über 100 angesiedelten islamistischen Gefährder, vollkommen außer Acht gelassen wurden. Wer will in dieser Stadt, mit Leuten, die so denken und argumentieren auch nur einen ganz kleinen Stein einige Meter den Berg hoch rollen?

In meiner Fantasie gibt es irgendwo in Berlin ein Lokal, in dem sich die alten Kumpane von meinem Trio, zusammen mit den Russen, Albanern, Italienern, einigen deutschen Geldwäschern und Räubern, ein paar Zuhälter aller Nationalitäten, jeden Tag die Schampusflaschen schmecken lassen. Was Besseres, als ein AMRI und die deutschen Antworten darauf, konnte denen nicht passieren.

Die Mutter von AMRI bedankte sich bei ihrem Sohn, dass er ihr in mehreren Raten die gewaltige Summe von 1500 EUR überwiesen hatte. Ein mit Koks, XTC, Haschisch, Pillen dealender Marokkaner mit bescheidenen Lebensstil kann gerade Mal in Raten 1500 EUR an Mama überweisen?

Quelle: https://www.bundestag.de/presse/hib/2018_06/562330-562330

Den Betrag hatte mein Trio in einer Nacht zusammen. Irgendwo an der Adria Küste stehen einige Häuser, die sich ihre Kumpels erarbeiteten und sich dort zur Ruhe setzten. Ihre albanischen Fahrzeugabnehmer haben sich vornehmlich in Decin, Usty und Teplice Villen gebaut. Und mit – eintausendfünhundert- EUR wird AMRI in einem U – Ausschuss zum Top Dealer, der im großen Stil dealte? Ui, Ui, Ui …

Wir bräuchten diverse Ausschüsse, wenn einer auf die Idee kommen sollte, auf solche Hansel das Schwergewicht der Spezialeinheiten zu bündeln.

Aber darum geht es der Politik vermutlich auch gar nicht. Sie wollen sich für den nächsten Wahlkampf gegenseitig die Beine dick hauen. Anders lässt sich das alles nicht begreifen. Ach ja … was wurde aus E. in der Schweiz? Soviel ich weiß, hat er eine zweistellige Haftstrafe bekommen. Aber so wie ich ihn kenne, hat mittlerweile genug gespart , um sich danach ein gutes Leben leisten zu können. Vielleicht erzählt er den Jungen Nachkömmlingen in Zemun seine Geschichte. Dann werden sie eines Tages nach Berlin kommen.

Was soll ihnen passieren? Gemäß Untersuchungsausschuss stehen ja alle Ermittler vor einem besetzten Haus herum, oder kümmern sich um Top – Verbrecher mit terroristischen Ambitionen, wie den ehemals erfolgreichen Dealer AMRI.