10 Dezember 2019

Ulan Bataar

Lesedauer < 1 Minute

Der nächste Teil aus der Reihe Reiseberichte. Dieses Mal aus der Hauptstadt der Mongolei. Ein Klosterbesuch, eine Buddhistische Zeremonie, Geld Mützen und ein wenig etwas über das Schicksal der Nomaden.

zur Geschichte =>

22 November 2019

Im Wendekreis des Zwiebelfisches

Lesedauer < 1 Minute

Teil I meines Buchprojekts ist abgeschlossen. Das vorläufige Manuskript steht. Immer wieder neu auf eine Fehlersuche zu gehen, bringt nichts mehr. Ich habe mein “Baby” ein paar Leuten zum Lesen gegeben und erwarte von denen noch ein Feedback. Danach werde ich auf die hoffnungsvolle Suche nach einem Lektorat und einem Verlag gehen. Wer etwas passendes kennt, darf sich gern – bitte – bei mir melden.

Vorab stelle ich den vorläufigen Prolog online, der eine Auskunft gibt, worum es geht. Ich ziehe nach dreissig Jahren Kriminalpolizei aus mehreren Perspektiven Bilanz. Darüber hinaus beschreibe ich, wie ich nach diesen Jahren, als gelernter Polizist, die Welt, die Gesellschaft und den weitere Werdegang von beiden einschätze. Für die berühmten Zeilen dazwischen habe ich mir das Ziel gesetzt, einen Einblick in das Innenleben eines Berliner Kriminalbeamten im Jahr 2019 zu geben. Mir geht es dabei weniger um die Auffassungen, sondern mehr um die Tatsache, dass bei der Polizei durchaus nachgedacht wird. Weit über die üblichen Klischees hinaus.

Wer meinen BLOG schon ein paar Male besucht hat, weiß um mein Fremdschämen, wenn sich Polizisten in merkwürdige politische Law & Order Positionen hinein begegeben, stets neue Gesetze, Techniken und Überwachungen einfordern. Eins kann ich vorab kund tun: Es sind keine Interna zu erwarten, die unbefugte Personen unnötig schlau werden lassen oder Anlass für neugierige Fragen geben könnten. Solche Aktionen überlasse ich Ausschüssen, Gewerkschaftlern und Personalräten. Dennoch gehe ich auf Dinge ein, die bereits an unterschiedlichsten Stellen beschrieben wurden. Da ich aber viele Hintergründe kenne, habe ich eigene Interpretationen. So genug der Ankündigungen von dem, was alles noch nicht online ist. Ich lasse lieber meine Worte sprechen.

Bereits beim Prolog bin ich für jeden Kommentar und kritische Auseinandersetzung offen. Denn hierfür habe ich dieses Buch geschrieben. Wie es weiter geht, wird sich noch zeigen.

zum Prolog =>

22 November 2019

Reiseberichte

Lesedauer 4 Minuten

Oder: das Buch, welches einem anderen weichen musste.

Ich habe mich hier im BLOG bereits mehrfach über die Wirkung von langen Reisen und dem Schreiben ausgelassen. Kaum etwas hat mich in den letzten drei Jahrzehnten so verändert, wie diese beiden Aktivitäten. Das Schreiben führte zu einer Reflexion des Ich und die Menschen, welche ich beim Reisen traf, waren die notwendigen Spiegel.

Veränderung bedeutet, dass es ein davor und ein danach gibt. Begonnen habe ich mit einer gehöriggen Wut im Bauch. In meinem Fall ist das durchaus wörtlich zu nehmen. Ziemlich simpel ausgedrückt: Ich war im Arsch! Durch, ausgebrannt, von Depressionen geplagt und asolut ungeniessbar. Mit dem Einsteigen in den Waggon der Transsibirischen Eisenbahn entfernte ich nach und nach tausende Kilometer. Nicht nur physikalisch sondern auch mein Inneres gewann Abstand zum Leben davor. Heute würde ich sagen, ein frustrierter Bulle stieg ein und Monate später kam aus Bangkok ein an der Polizei immer noch interessierter Mann zurück, der kein Bulle mehr ist.

Ich verwende die Bezeichnung Bulle sehr bewusst. Die Polizei besteht aus zwei großen Teilen. Zum einen gehören die auf der Straße arbeitenden und der andere wird von denen gestellt, die aus dem Büro heraus Direktiven beschließen. Beide haben charakterlich wenig miteinander zu tun. Die Arbeit im Sumpf von Berlin ist nicht spurlos an mir vorbeigegangen. Doch nunmehr ersehe ich die Zeit als eine Art notwendige Ausbildung, die mich dahin brachte, wo ich heute stehe. Erst gestern las ich im Tagesspiegel einen wirklich gut recherchierten Artikel über Sexualverbrecher, die nach langer Haftzeit Freigang aus der Sicherheitsverwahrung bekamen.

Ich habe solche Männer observiert. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich dabei oftmals eine Hasskappe auf hatte. So schwer es auch sein mag, sich dies vor Augen zu führen: Auch die haben eine Biogfrafie. Eine, die man in der Regel nicht haben möchte. Sie und ihr Verhalten sind ein Ergebnis von sehr vielen Dingen, die in der Gesellschaft schief gehen können. Trotzdem müssen sie ausgebremst werden. Dies steht nicht zur Diskussion. Aber sich damit auseinanderzusetzen, anhand ihrer Person das Menschliche nachzuvollziehen, halte ich für den Königsweg. Sie und einige andere, sind die Facette des Menschen, die wir nicht wahr haben wollen. Die Augen zu verschliessen bringt nichts. Jeder der uns begegnet ist ein Mensch, ein Exemplar der eigenen Spezies.

Unterwegs lernte ich die unterschiedlichsten Typen von mehreren Kontinenten in sehr verschiedenen Lebenssituationen, Umfeld und vor allem Zeitpunkten ihrer Biografie kennen. Ich denke, ohne die dreissig Jahre Dienstzeit bei der Polizei hätte dies so nicht funktioniert. Wahrscheinlich wäre ich nicht einmal an die Orte gelangt, die ich sah. Selbstverständlich lebte oder lebe ich unter Umständen immer noch in einer Blase. Der Begriff ist recht modern. Aber er gehört zu den wenigen, die ich sehr treffend finde. Ich der Deutsche, der knapp über Fünfzigjährige, Beamter, Mitteleuropäer, geprägt im unteren Teil des Mittelstands, geschieden, Vater, all dies formt das Denken. Aus diesen Wohlfühlzonen wurde ich mehrfach herausgerissen. Dies war recht heilsam. Gleichsam aber auch verstörend, verwirrend und es eröffnete neue Baustellen.

Gesellschaft ist ein Oberbegrifff. Deutschland strebte nach dem Dritten Reich eine pluralistische Gesellschaft an, die aus vielen kleinen unterschiedlichen Teilen besteht. Dabei bleiben Konflikte nicht aus. Dies war vermutlich eine der großen Aufgaben: Unterschiede aushalten und Konflikte lösen. Die allgemeinen Tendenzen nach dem Zusaammenschluss der beiden deutschen Staaten Bundesrepublik Deutschland und DDR deuten darauf hin, dass dies entweder gescheitert ist oder zumindest noch einige Zeit dauern wird. Hinzu kommt, dass Deutschland wieder an der alten Hybris leidet, aufgrund wirtschaftlicher Kraft, kulturell, politisch, ethisch, militärisch, eine globale Führungsrolle einnehmen zu müssen. Diejenigen welche ich sprach, waren davon nicht unbedingt begeistert, wenn es sie nicht sogar belustigte. Der kleine bunte Fleck auf dem Globus, mit einer verhältnismäßig überschaubaren Hauptstadt, einem international bekannten Fussballverein, wenigen Einwohnern, die in jeder Fremdsprache einen harten militärischen Akzent unterbringen, dreht mal wieder am Rad. Eins hat Hitler erreicht. Er hat Deutschland bekannt gemacht, sonst würden uns einfache Bürger in diversen deutlich größeren Staaten immer noch nicht kennen.

Ich kann mich mit diesen neuen Tendenzen in Deutschland nicht anfreunden. Mir geht dieses Selbstverständnis gehörig gegen den Strich. Besonders stieß mir dies in Thailand auf der Touristeninsel Koh Samui auf. Die Rentner und Babyboomer aus Deutschland und der Schweiz haben dort Kolonien errichtet, in denen sie ihr Brauchtum bei 35 Grad über Null fröhnen. Zusätzlich leben die meisten Männer dort aus, was ihnen intellektuell in der Heimat verwehrt wird, aber durchaus dem gängigen Mainstream entspricht. Deutschland ist eben nicht das Land der Soziologen, Intellektuellen und Aufgeklärten, sondern im überwiegenden Maße die piefige Provinz. Wir belächeln die US Amerikaner, deren Bildungsniveau mit jedem Kilometer Abstand zu den großen Städten rapide abnimmt. Sieht es bei uns wirklich so viel anders aus?

Ich begreife die Welt mittlerweile als ein Bühnengeschehen mit Schauspielern, die keine Regieanweisung haben und frei agieren. Jeder beinflusst mit seinem Spiel den anderen. Keiner der Akteure kommt an dem Umstand vorbei, dass das Spektrum seines schauspielerischen Talents von den Möglichkeiten des menschlichen Daseins begrenzt ist. Die Bühne und Kulisse wechselt beim Reisen, die Akteure sehen anders aus, doch in vielen Dingen gibt es Überschneidungen. Spannend wird es immer, wenn es diese nicht gibt. Dann basiert das Geschehen augenscheinlich nicht auf dem instinktiven Verhalten, sondern ist kulturell geprägt. Damit unterliegt es der Veränderlichkeit. Es muss nicht alles sein, wie es ist. Jemand hat beschlossen, dass es so sein soll.

Meine erlebten Geschichten stelle ich online. Vielleicht münden sie eines Tages doch noch in einem Buch. Das andere Buch endet mit einem Beschluss. Polizei – es war eine interessante Zeit. Als Autor, nicht zwingend als BLOGGER, endet für mich die Auseinandersetzung mit diesem biografischen Abschnitt. Die Gründe hierfür ergeben sich im Buch. Bezüglich der Veröffentlichung befinde ich mich noch in der Findungsphase. Ich werde hierzu berichten. Bis dahin … vielleicht ein wenig Freude mit den Reisegeschichten und möglicherweise erwecke ich ja die Lust, sich auch mal auf den Weg zu machen.

Ein französischer Straßenmusiker sagte zu mir: Wer niemals lange gereist ist und alles hinter sich ließ, hat nur die erste Seite des Buches über das Leben aufgeschlagen.

On the Road … (Vorwort)

Kapitel I – Ein verschwindendes Paradies

8 Juni 2017

… die richtigen Fragen.

Lesedauer 7 Minuten

«Und hast Du in Deinem Buch komplett ausgepackt?» Den Mann, der diese Frage an mich richtet, kenne ich fast solange, wie ich beim Verein bin. Wir sitzen uns in einer großen Stadt bei einem Bier gegenüber. Seltsamerweise stellen mir in den letzten Tagen diese Frage einige alte Kollegen. «Nein!», antworte ich. «Vieles habe ich nur angedeutet.» Er blinzelt mich gegen die Sonne schauend an. Einer der alten Haudegen, der nun wirklich alles mitgemacht hat, was in diesem Verein geht. «Warum nicht?»

Ich überlege einen Augenblick. «Das war meine Familie, ich habe nicht vor, alles und jeden in die Pfanne zu hauen.» Für einen Bruchteil der Sekunde überlege ich, ob dies der Wahrheit entspricht. Ist es nicht einfach nur die Angst vor den Konsequenzen? Aber stellt sich immer auch die Frage: Was soll das bringen? Ich will nur in dem einen oder anderen Kopf neue Gedanken erzeugen. Was geschehen ist, ist geschehen, es läßt sich nicht mehr ändern. Aber einige werden noch sehr lange etwas zu sagen haben. Sie werden neue Opfer finden. Manch einem kann nicht mal Vorsatz unterstellt werden, sie wissen es einfach nicht besser. Andere haben nur ihre Chance zu nutzen gewusst, die ihnen die Hierarchie gegeben hat.

Es sind auch sehr feine Unterschiede zu berücksichtigen. Vieles ist durch Prozesse entstanden, die hoch komplex sind und dem Individuum innerhalb des Systems nicht vorzuhalten sind. Laurence J. Peter und Raymond Hull, schreiben 1970 in der Widmung zum Buch “Das Peter – Prinzip o. die Die Hierarchie der Unfähigen:

Dieses Buch ist all denen gewidmet, die auf ihrer Stufe der Unfähigkeit arbeiten, spielen, lieben, leben und sterben und damit das Forschungsmaterial für Entstehung und Entwicklung der Hierarchologie, der rettenden Wissenschaft, bereitstellen.

Sie retteten andere, sich selbst konnten sie nicht helfen.

Die schon 1970 aufgezeigten Prozesse gnadenlos zu ignorieren, ist einer der eklatanten Fehler. Der ehemalige General und Politiker Jörg Schönbohm schilderte anlässlich eines Treffens mit Polizisten folgendes: “Wenn ich am Frühstückstisch sitze und die Meldungen durchgehe, steht dort: Wir haben alles im Griff, alles ist gut! Taucht mein Sohn auf, der ebenfalls Soldat ist, schildert er mir ein ganz anderes Bild. Nach oben hin wird alles solange schön geschrieben, bis vom Ursprung nichts mehr übrig ist.

Notwendig wäre eine echte Fehlerkultur, in der nicht das “Ducken” favorisiert wird um die Persönlichkeitsstörungen von Narzissten zu bedienen, sondern konstruktive Kritik muss gefördert werden. Gerade die Polizei muss einer selbstgefälligen sich selbst generierenden Politischen Klasse die Stirn bieten. Klare Botschaft: Ihr gebt uns nichts, dann können wir auch nur leisten, was ihr bezahlt habt.

Gewerkschaftler sind am Verzweifeln. Kämpfen sie für Überstundenabbau, plädieren für Liegevermerke und Auftragsablehnung, maulen sofort die ersten, weil sie selbst die schlecht bezahlten Überstunden zum Überleben brauchen. Am Ende entsteht innerhalb der Polizei die “DDR” neu, mit all den hinreichend bekannten Auswirkungen. Eine ist ist davon sicherlich auch, dass Menschen mit einem bestimmten Sozialverhalten in Führungsetagen landen.

«Das ehrt Dich, aber ich hätte bei Dir und Deiner Biografie gedacht, dass Du die Karten offen legst.» Es klingt beinahe ein wenig danach, als wenn er zu denen gehört, die sich das wünschen. Endlich mal einer, der die Themen angeht.

Aber wo sollte ich da anfangen? Im Buch «Die Wanderung Vol. II» legte ich den Schwerpunkt auf den menschlichen Faktor. Was passiert mit dem Menschen in dieser Hierarchie und welche Dinge werden ausgelöst. Überschriften gibt es da viele. Alleine der Ausspruch «Die einzige Bestrafung, die ein Täter bekommt, ist unsere Festnahme!» umfasst ein riesiges Feld. Der drohend hingeworfene Satz eines Verdeckten Ermittlers: «Am Ende bin ich da draußen immer alleine und Du wirst das nicht ändern!» Oder die frustrierte Feststellung: «Wir legen jeden Tag Leute auf’s Kreuz und lassen uns von dem da vorne verarschen?», könnte ein ganzes Buch füllen.

Der Dialog: «Sie können das Ganze aus Ihrer Perspektive nicht überblicken, da müssen sie ihren Vorgesetzten mit dem geheimen Führungswissen schon vertrauen.» «Ach ja? Sie meinen die Sache mit dem Tellerrand? Es gibt aber auch Menschen, die sind soweit vom Teller, das sie diesen gar nicht mehr sehen können!», könnte eine ganze Analyse des Führungsgebarens diverser Herrschaften aus dem Höheren Dienst nach sich ziehen.

Oder welche Botschaft vermittelt ein Kommissariatsleiter, wenn er sagt: «Die Behörde orientiert sich schon lange nicht mehr an der Kriminalität, sondern nur noch an Zahlen. Wir verwalten hier die Kriminalität. Wenn da draußen eine Woche lang keine Straftaten stattfänden, wir würden es nicht merken, weil wir uns in dieser Zeit mit uns alleine beschäftigt haben.»

Die Presse liefert dank des Vorpreschens des Innensenators eine Steilvorlage nach der anderen. «Priorisierung erfüllt faktisch den Tatbestand einer Strafvereitlung im Amt!», sagt ein Pressevertreter und gibt damit wieder, was Kollegen völlig frustriert nach außen kolportieren. An dieser Stelle kann ich nur sehr böse in mich hineinlachen. Ich erinnere mich an eine junge engagierte Kollegin, die einer Gruppe von bundesweit und international agierenden Tätern auf die Spur gekommen war. Sie erbat eine Freistellung von anderen Ermittlungen, stattdessen wurde ihr von «oben» her nahe gelegt, die Ermittlungen nicht fortzuführen. Als sie bockig wurde, wurde sie zusammen gebrüllt. Am Ende folgten eine Versetzung für sie und ein mündlicher Verweis an den Vorgesetzten. Das ist bereits 10 Jahre her, da hat es nur niemanden interessiert. Sachbearbeiter müssen sich bei größeren Verfahren Gedanken über die zu erwartenden Kosten und Länge des Verfahrens machen. Warum? Ich lasse die Frage offen.

Im Zusammenhang mit AMRI wird immer von Aktenbelastung gesprochen. Wie viele Akten, Anfragen, Telefonüberwachungen, Dolmetscher usw. hat denn so ein Sachbearbeiter eigentlich zu bewältigen? Wie hoch ist die Belastung in den Sachgebieten der OK und Rauschgiftkriminalität? Und bitte nicht schummeln! Die Frage galt den Einzelverfahren, nicht den Sammelakten oder nach Personen.

Immerhin unterstellte Herr Ströbele Faulheit! Wie hoch war die Anzahl von Verdachtsfällen eines Dienstvergehens in den letzten Jahren, bei denen der Verdacht bestand, dass der Beamte in Akten/Vorgängen “absoff”. Wurden die Beamten irgendwie betreut? Oder wurden sie nur als Täter behandelt? Gab es Konsequenzen auf der Vorgesetztenebene? Es wird von einem hohen Krankenstand bei der Berliner Polizei gesprochen. Gibt es da Zahlen zu? Haben die sich alle einen Arm gebrochen? Oder gibt es anonymisierte Zahlen darüber, wie hoch der Krankenstand verursacht durch psychische Erkrankungen ist? Wie hoch ist die Anzahl der an Depressionen erkrankten Beamten – eine Kennzahl für ein Burnout Syndrom?

Es wird doch zu fast allem eine Statistik geführt. Darüber auch? Gibt es eine Ursachenforschung? Besteht eine ausreichende Versorgung mit einer professionellen Supervision? In welchen Altersklassen setzen diese eventuell vorhandenen Erkrankungen ein? Welche professionellen routinemäßigen Vorbeugungen werden zur Vermeidung von Traumatisierungen betrieben? Und in welchem Umfang geschieht dieses? Wird dieses nur im Rahmen von Fortbildungsmaßnahmen betrieben oder geschieht dieses auch “niedrigschwellig” durch extern professionell ausgebildete Beamte, die auf belasteten Dienststellen vorhanden sind.

Werden auf Dienststellen, die besonderen Belastungen ausgesetzt sind, Statistiken über Verletzungen bzw. Erkrankungen geführt und diese entsprechend ausgewertet? Wie hoch ist die Rate bei HWS – Schäden, insbesondere bei Beamten im Streifendienst? Oder bei Beamten in Spezialeinheiten, die über einen längeren Zeitraum besondere Schutzkleidung (besonders schwere Helme) tragen müssen. Gibt es Erkenntnisse bezüglich der Auswirkungen beim langen Sitzen in Fahrzeugen und dem gleichzeitigen Tragen einer Schusswaffe sowie einer Schussweste? Lassen sich Analogien zu Berufskraftfahrern herstellen? Wie verhält es sich mit Langzeitbelastungen durch “Tränengas”? usw., usw..

In der öffentlichen Verwaltung haben diverse Begriffe aus dem Management Einzug genommen. Hierzu gehören u.a. “Gender Mainstream”, “Corporate Identity”, “Balanced – Score – Card” und das “Work-Life-Balance”. Vermutlich wurden im Rahmen eines Controlling die notwendigen Kennzahlen, auch in Bezug auf die bestehende Anzahl der Sachbearbeiter ermittelt, und inwieweit sie in Balance zu den restlichen Kennzahlen stehen. Wie drückt sich dieses Verhältnis in Zahlen aus? Welche inneren Freizeitangebote – wie z.B. Saunen oder außerdienstlich nutzbare Sportstätten bestehen für ein Work – Life – Balance? Gab es diese Angebote?


Ohnehin reagieren Politiker und Journalisten nur auf die gerade stattfindenden Ereignisse. Interessant wäre es doch, die Fragen aufzuwerfen, die in jeder Kneipe bei vorgehaltener Hand gestellt werden. Fragen, die ein Polizist nicht stellen kann. Laufe ich durch meinen Bezirk, sehe ich eine Shisha Bar Neueröffnung nach der anderen. Ich kenne die Gewerbemieten in den Häusern. Woher haben die das Geld für die Miete? Es wäre ein einfaches Ding, mal nachzusehen, wie viel Publikumsverkehr dort stattfindet und ob mit dem Umsatz auch nur ansatzweise die Kosten gedeckt werden können. Was passiert da in den Spielhallen? Wer sind die Besitzer? Zahlen? Wie viele Lokalkontrollen wurden 2016 zusammen mit dem Ordnungsamt durchgeführt? Solche Fragen stellen sich in meinem Bezirk ganz normale Wirte.

Immobilien! Wer ist im Grundbuchamt eingetragen und können die Besitzverhältnisse stimmen? Warum haben Läden, die angeblich alle nichts miteinander zu tun haben, alle den gleichen Steuerberater? Zufall? Vielleicht! Warum tragen sich auf den einschlägigen Social Media Seiten dieser Shisha Bars jede Menge Mitglieder der großen 1 % MCs ein? Wie hoch sind eigentlich die Honorarvereinbarungen der üblichen Rechtsanwälte bei der Verteidigung von Clan – Mitgliedern und besteht eine erklärbare Gegenfinanzierung? Gibt es Rechtsanwälte, die in diesen Verfahren vermehrt auftauchen und “Querwissen” aus anderen Verfahren haben? Das müssten doch Journalisten herausbekommen können. Polizeiarbeit ist das nicht. Vielleicht ist ja auch alles ganz anders? Eventuell hat ja Paul Meyer die gleichen Chancen und die Beträge sind überschaubar. Ich meine die wenigsten der Zeitungsleser kennen sich mit solchen Dingen aus. Sind das Pauschalverträge, Tagessätze oder wird pro Verhandlungstag berechnet?

In welchen Umfang wurden in den Schwerpunktabschnitten “Allgemeine Standkontrollen” durchgeführt? Und wenn diese nicht stattfanden, warum nicht?

Jeder Beamte, der jemals Kontakt mit der Organisierten Kriminalität hatte, weiß eins: Das Milieu muss in Bewegung bleiben. Sie dürfen niemals zur Ruhe kommen. Die «Paten» müssen in den Lokalen vor Angst schwitzen. Irgendwo müssen sich zum Beispiel die ausländischen Einbrecher schließlich aufhalten oder ihre Hehler treffen. Sie brauchen sichere Wohnungen, die ihnen irgendjemand überlassen muss. Hat die Polizei für solche Ermittlungen ausreichend Sachbearbeiter und operative Einsatzkräfte? Vielleicht!

In allen nur erdenklichen öffentlichen Medien wird quasi 24 Stunden lang von selbst- ernannten Experten davon gesprochen, dass es eine Schnittstelle zwischen Organisierter Kriminalität und Terrorismus auf internationaler Ebene gibt. Das ist interessant! Gibt es denn in Berlin so etwas überhaupt?

Jeder der Kinder hat, weiß eines sehr genau: «Wenn es im Kinderzimmer zu leise ist, dann ist das kein gutes Zeichen!» Als Zeitungsleser stelle ich eines fest, entweder ist alles, was bis ca. 2010 Alarm gemacht hat ausgeflogen oder sie gehen tiefen -entspannt ihren Geschäften nach.

Das sind alles nur Fragen. Ich kenne die Antworten auch nicht, und wenn ich sie kennen würde, gäbe ich sie nicht preis. Aber als Spandauer und Berliner, darf ich mit offenen Augen durch die Straßen laufen und mir diese Fragen laut stellen. Ebenso wie ich mir als interessierter Bürger die Frage stellen darf, wie wahrscheinlich die Abwesenheit der großen Truppen in Berlin ist. 1991 sagte mal ein Kriminaloberdirektor der damals noch bestehenden Direktion Verbrechensbekämpfung Organisierte Kriminalität, kurz Dir VB O I: «Wenn eine große Anzahl Italiener in der Stadt sind, ist auch die Mafia zusammen mit der Camorra anwesend, wenn viele Chinesen da sind, sind auch die Triaden anwesend und wenn genug Russen da sind, ist auch die Tambowskaja – Malyschewskaja mit im Boot. Aber wir werden immer nur zugeben, dass sie da sind, wenn sie sich zeigen.» Aber diese Aussage ist Schnee von gestern, die Welt hat sich vollkommen geändert.

Nein, keine Angst, über diese Sachen habe ich nicht geschrieben. Das überlasse ich besseren Autoren, wie einem Jürgen Roth, der dazu berufen ist. Vieles ist ja auch alter kalter Kaffee. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Verhältnisse aus dem Jahr 1989, die der ehemalige Ermittler Rolf Ackermann unter dem Pseudonym Bodo Morstein in seinem Buch «Der Pate des Terrors» beschrieb, immer noch bestehen.

Mir geht es vielmehr darum, wie auf menschlicher Ebene mit Menschen umgegangen wurde, die sich genau diese Fragen stellten und versuchten Antworten zu finden, und wie es dazu kommen konnte, dass viele von ihnen kalt gestellt wurden bzw. sie aufgaben. Mal sehen, vielleicht reicht es ja noch für eine kleine Kurzgeschichte.

 

13 Mai 2017

:: Sag mal Emmes … ::

Lesedauer 8 MinutenLESEPROBE


Spandau

Berlin – Spandau, Montag Abend in einer Kneipe. Einem Berliner reichen diese Informationen. Sie sind kein Berliner? Dann brauchen Sie mehr Input. An einem Montag ist abends nahezu jeder Laden in Spandau leer. Und wenn Sie doch jemanden antreffen, ist derjenige ein Mann, irgendetwas zwischen 40–50 Jahre, unverheiratet und gelangweilt. Sie wissen nichts mit dem Bezirk – Spandau anzufangen? OK! Ich beschränke mich auf das Notwendige. Berliner bezeichnen sich meistens nur außerhalb des Stadtgebiets als Berliner.
Treffen sie sich untereinander, wird zumeist die Frage gestellt: «Wo kommste denn her?»
«Vom Wedding! Aus Prenzlberg! Ick bin Marzahner, aus Neukölln oder eben aus Spandau.»
Auf die Antwort Spandau folgt im Regelfall eine kurze Pause. Der «echte» Berliner entgegnet dann: «Ach so, Spandau, also nicht aus Berlin! Musste nicht bald nach Hause? Die Brücken werden bald hochgezogen?»

Dies bezieht sich darauf, dass Spandau an der Havel liegt und von Berlin aus nur über eine der 11 Brücken erreicht werden kann. Es ist typisch für Berliner, dass sie diesen Umstand für eine Besonderheit halten. Jedenfalls leben jenseits dieser 11 Brücken, die Spandauer. Aber es wird noch verrückter. Treffen nämlich zwei Spandauer aufeinander, die sich nicht kennen, also ein fast nicht anzunehmender Fall, wird eine weitere Aufteilung vorgenommen. «Kommste von der Buber, Kant, Bartning oder Carossa?» Hinter dieser Frage verbergen sich die Namen von Spandauer Schulen. Irritierenderweise kommt es dann zu Auskünften wie: «Nee aus Staaken, Neustadt oder Hakenkreuzfelde.»
Mit diesem Dialog werden für den Ureinwohner wichtige versteckte Botschaften ausgetauscht. Stellen Sie sich folgende Szene vor. Sie sind Spandauer und baggern eine junge Frau an. Sie erhalten die Antwort: «Buber!». Ihre zukünftige Ex – Freundin war irgendwann in ihrem Leben auf der Martin – Buber – Oberschule. Vorsicht! Viele der Absolventen waren anfangs auf einer anderen Schule, landeten dann dort, um einen halbwegs brauchbaren Schulabschluss zu bekommen. Das bedeutet, sie hat unter Umständen Geschwister, die auf anderen Schulen waren. Als Mann und Einheimischer sollten jetzt die Alarmglocken läuten. Die junge attraktive Frau vor Ihnen hat möglicherweise einen Bruder, den Sie kennen! Je nach Alter hatten sie unter Umständen etwas mit der Mutter oder Sie hatten mal in der Vergangenheit  mit dem Vater zu tun.
Die Antwort «Carossa», bringt sie eventuell in juristische Schwierigkeiten, weil der Vater Rechtsanwalt sein könnte. «Kant» bedeutet: «Freundeskreis und Familienstammbaum sind ein Kreis!» Als Außenstehender können Sie das selbstverständlich alles vergessen. Entweder die Frau ist dankbar, endlich mal einen Typen von auswärts kennenzulernen, was sehr wahrscheinlich ist, oder sie hat ohnehin kein Interesse an Ihnen.

Nach dieser groben Sortierung kommt das Feintuning. «Wo bist Du denn abends immer?» In Spandau gibt es eine überschaubare Anzahl von zentralen Einrichtungen, die man als Einheimischer kennen muss. Ich finde am ehesten können diese Einrichtungen als Institutionen bezeichnet werden. Irgendwo las ich, dass eine Institution etwas darstellt, wo Leute zusammenkommen und einen festen sozialen Ablauf erwarten können. Wenn das nicht auf eine Spandauer Kneipe zutrifft, dann weiß ich nicht weiter. Outet sich ein Einheimischer als Stammgast dieser Institutionen, wissen Sie über diesen Menschen mehr als Google, Verfassungsschutz und Krankenversicherung zusammen.

Ausländische Sender

In einer dieser Institutionen sitzt an diesem Montag Emmes. Kennen Sie nicht? Macht nichts. Sie werden ihn kennenlernen. Er ist einer der gelangweilten vier Männer am Tresen. Der mit der Mütze auf dem Kopf. Zu seiner Rechten trinkt der ebenso an einem Montag stets anwesende arbeitslose Maler Thomas, wie alle Thomas einfach nur Tom genannt, sein Bier aus einem Einliterkrug.

«Sag mal Emmes, hast Du schon einen neuen Dekoder?»
Emmes hebt unmerklich den Kopf. «Nö! Wieso?»
«Habe mich den ganzen Abend mit diesem Mist herum geschlagen. Das ist vielleicht ein Dreck.»
«Warum?»
«Bis ich alle Sender drin hatte, hat es eine Ewigkeit gedauert. Und Du bekommst nur unsere Sender rein.»
«Wieso willst Du denn noch mehr haben? Den Rest kannst Du doch sowieso knicken. Ist entweder Werbung oder Ausland.»
Tom triumphiert. «Eben, Ausland!»
Emmes schaut skeptisch und greift nach einer Zigarette.
«Ach ja? Welche willst Du denn reinbekommen?»
«Österreich, Schweiz, BBC und so.»
«Warum willst Du die denn sehen?»
«Na zum Beispiel lese und höre ich jetzt täglich über den Skandal in der Bundeswehr. Der Skandal ist doch ein ganz anderer. Das Bundesamt für Flüchtlinge erkennt einen Deutschen als Flüchtling an und blecht auch noch dafür. Klarer Fall, jeder Terrorist kommt hier ganz einfach rein. Bekommt Asyl und Kohle für seine geplanten Taten in den Hintern geschoben.»
Emmes schaut immer noch skeptisch und zündet sich die Zigarette an.
«Was hat das jetzt mit Deinen Sendern zu tun?»
«Warum wohl werden deutschsprachige Sender z. B. aus der Schweiz oder Österreich nicht in unser Kabelnetz eingespeist? Nicht mal im Internet geht das einfach so. Ich habe mir extra über einen Server aus der Schweiz einen Account bei Zattoo TV eingerichtet.» Tom nimmt einen Schluck aus seinem Krug. «Wenn Du nur Sender aus Deinem Land empfangen kannst, bist Du Deutscher oder Koreaner! So siehts doch aus.»
«Hmmm? Koreaner?», brummt Emmes.
«Was?»
«Korea? Ernsthaft?»
«Oder Türkei, Demokratie gibt es hier schon lange nicht mehr!»
Emmes zieht aus seiner Jacke ein Notizbuch heraus und beginnt etwas hinein zu schreiben.
«Was schreibst Du da?»
«Ich mache mir Notizen!»
«Worüber?»
«Ich muss Morgen wieder über Dich berichten !»
«Hä?»
«Na bei meinem Führungsoffizier. Ich bin doch Beamter und muss Dich als Systemkritiker melden.»
Tom kräuselt die Stirn.
«Willst Du mich verarschen?»
«Würde ich nie tun. Ich kann Dich verstehen, aber ich habe das Problem nicht.»
«Du kannst natürlich alles empfangen, weil Du so schlau bist!», empört sich Tom.
«Einfach so nicht! Ich musste mich beim Kauf der Satelliten – Schüssel mit meinem Dienstausweis als Mitglied der Überwachungsbehörde ausweisen. Jetzt kann ich sogar japanische Sender empfangen.»
«Sehr witzig!», stellt Tom leicht aggressiv fest.
Emmes schaut Tom nicht an. «Stimmt, ich kann nämlich kein Wort Japanisch!»
«Du bist echt ein Spinner! Wirst schon sehen, was Du davon hast. Spätestens wenn Deine Töchter mit einer Burka herumrennen müssen, wirst auch Du kapieren, was hier abläuft.»
Emmes schaut Tom nun doch an. «Vorsicht! Ich bin gläubig. Bei Religion verstehe ich kein Spaß!»
Tom stutzt.
«Ernsthaft?»
«Ja, ich habe auch schon mal darüber nachgedacht zum Islam zu konvertieren!»
«Bist Du bescheuert?»
«Gar nicht! Denk Du doch mal nach. Du kannst mehrere Frauen haben, solange Du sie einiger Maßen versorgen kannst. Sie müssen jeden Tag mit Dir vögeln und Du bist der Bestimmer zu Hause. Zugegeben, die Sache mit dem Suff ist ein wenig problematisch, aber ein Muslim hat mir mal erklärt, aber in der Wohnung ist OK, da sieht es Allah nicht.»
«Ach so! Ich dachte schon, Du meinst das ernst.»
Emmes grinst und beginnt leise zu lachen. «Was genau hast Du nicht verstanden?»
«Ist doch alles Quatsch! Oder?», kameradschaftlich klopft Tom Emmes auf die Schulter.
«Du musst doch zugeben, dass mit den Flüchtlingen jede Menge Penner ins Land kommen. Wir zahlen und zahlen …»
Emmes unterbricht ihn.
«Und verdienen jede Menge Geld!»
«Na hör mal, wo verdienen wir denn Geld an denen?»
«Warum flüchten die denn?»
«Was weiß ich? Wenn es so schlimm ist in Syrien, sollen sie lieber kämpfen. Wir können nicht jeden aufnehmen.»
«OK, und wie sollen sie kämpfen?»
«Na mit der Knarre in der Hand!»
«Die bekommen sie woher?»
Tom zuckt mal wieder mit den Schultern.
«Keine Ahnung! Sind doch genug Knarren da.»
«Die wir ihnen verkauft haben! Anderes Thema, wo wohnen denn die Flüchtlinge?»
«Na in den Containern, Sporthallen, Schulen, was weiß denn ich?»
«Die Container stellt wer her? Wer vermietet dem Senat alte Hotels?»
«Ach? Und Du willst mir jetzt verklickern, dass wir daran Geld verdienen? Wer zahlt denn die Miete? Du! Ich! Wir Steuerzahler.»
«Ja, aber es verdient auch jemand. Genauso, wie einer an den Waffen verdient. So wie wir alle verdammt gut davon leben, dass die in Afrika nichts auf die Reihe bekommen. Was meinst Du wohl, was passiert, wenn die uns für die Rohstoffe richtige Rechnungen ausstellen, dann wird es aber ganz schön dunkel hier.»
Tom winkt ab.
«Bla, Bla! Fakt ist doch, dass die nichts hinbekommen. Mit Dir kann man nicht reden. Du bist so ein richtiger Möchtegern Gegenhalter. Ich bleibe dabei, Deutschland schafft sich ab.»
Emmes schüttelt mit den Kopf.
«Sinnlos!»
«Ja, weil Du Dich immer mehr zum Systemling entwickelst.»
«Ich denk, Du bist Wessi?»
«Ja und?», fragt Tom erstaunt nach.
«Ich dachte immer, das Wort wird nur von Ossis benutzt. Wessis  sagen so etwas wie: Mitläufer, Opportunist … oder so. Systemling? Ernsthaft? Machst Du demnächst auch durchs Gebiet?»
«Du hast auf alles eine Antwort, oder? Auf jeden Fall läßt Du Dich von diesen Volksschädlingen vor den Karren spannen!»
Emmes schlägt auf dem Barhocker sitzend die Hacken zusammen «Heil!»
«Ach kommt jetzt wieder die Nazikeule?»
«Wenn Du Naziwörter benutzt …»
«Bleib doch mal beim Inhalt! Da draußen herrscht dank unserer feigen Politiker ein Religionskrieg. Mit schlauen Gehirnwichsereien werden wir da nichts ausrichten.»
«Aber mit Dummheit?»
«Ach ich bin dumm?»
«Na klar, weil Du Dir den Scheiß einreden läßt.»
«Und Du hast die Wahrheit gepachtet?»
«Nö, aber ich kenne mich ein wenig mit Paranoiden aus!»
«Ach hat der Herr jetzt auch noch Psychologie studiert.»
«Nein, aber ich war mit genug paranoiden Weibern zusammen.»
«Und warum bin ich Deiner Auffassung nach paranoid?»
«Du hast vor etwas Angst, was Dir andere eingeredet haben. Es ist vollkommen bescheuert, aber Du glaubst dran. Dann versuchst Du jedem zu verklickern, dass es doch ganz normal ist, davor Angst zu haben. Ich hatte mal eine, die konnte sich nicht ins Gesicht fassen, weil Sie Angst hatte davon krank zu werden. Dann hat Sie mir versucht klar zu machen, dass ich das auch unterlassen sollte. Verrückt!»
«Und was haben die Flüchtlinge damit zu tun?»
«Das einer von denen ausgerechnet Dir Kackvogel etwas tut, ist extrem unwahrscheinlich. Genauso unwahrscheinlich, wie das die Tante sich Ebola oder sonst etwas einfängt. Da sollte sie sich eher einen Kopf um Chlamydien machen. Egal! Was soll das mit den Sendern?»
«Zensur!»
«Zensur?»
«Ja, ich hab keinen Bock mehr darauf, von diesen Einheitsmedien gesteuert zu werden.»
«Und die Ösis haben keine Zensur? Kauf Dir doch mal ein Buch oder eine brauchbare Zeitung.»
«Keine Zeit!»
«Aber ausländische Sender? Stundenlang vor dem Rechner sitzen und Fake Accounts einrichten, dafür hast Du Zeit?»
«Es geht um die Möglichkeit!»
Emmes läßt demonstrativ den Kopf sinken.
«Wieder so ein Tussi Ding!»
«Warum?»
«Nur Frauen wollen immer die Möglichkeit haben. Eigentlich wollen sie gerade nicht, aber die Möglichkeit muss bestehen. Ihr ganzer Kleiderschrank ist ein Einziges: Ich will die Möglichkeit haben!»
«Kann es sein, dass Du ein Chauvi bist?»
«Hab nie etwas anderes behauptet.»

Pause

«Ich bleibe dabei!»
«Wobei?»
«Na, dass wir hier nicht jeden aufnehmen können!»
«Von Können ist auch nicht die Rede!»
«Siehste, Du sagst es auch …!»
«Die kommen einfach! Das wirst Du nicht verhindern und ich auch nicht.»
«Aber wir können die Grenzen dichtmachen.»
«Könnten wir. Und dann?»
«Na, dann kommen die nicht mehr her.»
«Und wie verhinderst Du, dass sie Deine tolle Grenze nicht doch überwinden?»
«Keine Ahnung, was an Grenzen halt so gemacht wird. Kontrollen, nicht durchlassen, wieder nach Hause schicken.»
«Wenn die aber nicht wollen? Abknallen?»
«Du musst Sie ja nicht abknallen. Warnschüsse dürften reichen.»
Emmes dreht sich nun auf seinem Barhocker vollständig zu Tom um.
«Nicht so hastig mein Freund. Ein Typ, der nicht getroffen ist, rennt einfach weiter. Also wer schießt richtig? Denn das würde sich herumsprechen. An der deutschen Grenze wird scharf geschossen.»
«Dann müssen halt die Grenzer schießen.»
Emmes zieht die Augenbrauen hoch.
«Ach so? Und wer genau soll da an der Grenze stehen? Du?»
«Ich bin Maler und kein Grenzer. Augen auf bei der Berufswahl, kann ich nur sagen. Wer den Job macht, muss auch in der Lage sein zu schießen, so ist das nun einmal.»
«Und Du beschwerst Dich über unsere Politiker?»
«Wieso?»
«Weil die genauso eine Grütze quatschen. Pulle voll, Frau besoffen! Nach Krieg schreien, aber andere an die Front schicken.»
«Was soll denn Deiner Meinung nach passieren?»
«Wo?»
«Na, mit den Flüchtlingen?»
«Der Zug ist abgefahren.»
«Also Du nimmst das alles so hin?»
«Ich sehe keine Alternative. Wir können nur noch das Beste draus machen. Die Weichen haben ganz andere schon vor Jahrzehnten gestellt.»
«Das wäre?»
«Ich stehe auf südländische Frauen. Da wird sich doch vielleicht eine Dankbare finden.»
«Du Bock!»
«Ich sagte es bereits. Ich habe niemals etwas Anderes behauptet. Die wollen unsere dicken blonden Weiber, also hole ich mir ihre dunkelhaarigen Bräute.»
«Du bist ja noch schlimmer als ich!»
Emmes zuckt mit den Schultern.
«Ich hab nicht gesagt, dass ich ein guter Mensch bin, ich behaupte lediglich, Realist zu sein. Weder Du noch ich, werden etwas aufhalten, wir können uns nur damit arrangieren. Jägermeister?»
«Bin dabei.»

Amira, die arabisch stämmige junge Bedienung stellt den beiden Jägermeister hin.

«Mach Dir mal auch einen!», fordert Emmes.
«Danke!»
«Nicht dafür.»
Amira hebt ihr Glas. «Auf Euch alte Säcke! Prost!»
Emmes verzieht das Gesicht. «Wir sollten noch mal über die Grenze nachdenken.»
«Welche Grenze?», fragt Amira.
«Ach nichts, war nur so ein Spruch.»

Fortsetzung folgt …

2 Mai 2017

Die Wanderung Vol. 2

Lesedauer 3 Minuten

Es ist vollbracht. Die Überarbeitung der “Wanderung” ist fertig und mal eben von 147 auf 468 Seiten verlängert. Innerhalb der nächsten 14 Tage wird das Buch bei BoD ablangbar sein. In dieser Zeitspanne ein Angebot meinerseits. Wer sich bereits die erste Version gekauft hat, bekommt von mir auf Nachfrage unter der Adresse wanderung.at.trollhaus.de oder das.at.trollhaus.de (und einem kleinen Nachweis, dass sie/er es wirklich gelesen hat 😉 ) einen Link zur PDF Datei zugesandt. Das Buch wird dann im Handel wieder EUR 9.99 kosten. Signaturen gibt es an den üblichen Hotspots und selbstverständlich auf Anfrage.

Aus dem Vorwort:

” Fünfundzwanzig Jahre habe ich in einer Observationseinheit der Berliner Polizei zugebracht. In dieser Zeit habe ich in erster Linie nicht als Polizist beobachtet, sondern als Mensch. Denn Polizist ist nur eine Berufsbezeichnung. Ein Mensch beobachtet andere Menschen! Und dieses nicht nur innerhalb des kleinen Zeitfensters der Tatbegehung.
Es kommt zu gegenseitigen Beeinflussungen, Projektionen und Veränderungen. Das Gehirn hat einige Eigenarten, an denen wir alle nicht vorbeikommen. Da wäre der Umstand, dass unser Gehirn versucht, die Dinge stimmig zu machen.
Es benötigt kausale Zusammenhänge. Da es diese aber real oftmals nicht gibt, passieren uns Denkfehler.
Außerdem müssen wir die Dinge erfassbar, greifbar, begreifbar und messbar machen. Wir gehen gemeinsam eine Strecke, wenn wir eine in Minuten nicht erfassbare Lebenszeit miteinander verbringen. Wir gehen aufeinander zu, obwohl wir uns gegenüber sitzen. Wir kennen den Lebensweg eines Menschen. Es geht stets wieder nach oben, aber wir stürzen auch ab. Erfahrungen sind nach Konfuzius Lampen die den Weg immer nur nach hinten ausleuchten.
Es gibt unzählige Metaphern, die das zeitliche Intervall zwischen Geburt und Tod, mit einer Strecke gleichsetzen.
Ich finde dies sinnvoll. Anders dargestellt wäre ich jetzt in diesem Augenblick 18 731 Tage, kaum noch vorstellbare 449 544 Stunden, oder 26.972.697 Minuten, auf der Welt. Können Sie mit diesen Zahlen etwas anfangen? Durchschnittlich werden Männer aus meinem Geburtsjahrgang 70 Jahre. Das bedeutet, ich habe 73 % meines Lebens hinter mir. Sind Sie in Mathematik genauso schwach, wie Ich? Dann für Sie, ich bin 40 Jahre! Das war ein Spaß, ich bin 51 Jahre.

In unserer Zeit ist eine unserer größten Ängste, dass der Handyakku nicht mehr genug Ladung hat. Oben in der Anzeige steht also 27 %. Doch der Titel des Buches lautet «die Wanderung». Im Durchschnitt hatten die Pässe, die ich zusammen mit meinem Freund überschritt, 2000 Meter. Bis zum Pass meiner Lebenswanderung sind es noch 540 Höhenmeter. Ich finde, da kann ich einen Augenblick verharren, nach unten auf den bereits zurückliegenden Weg schauen und mir auch die Landschaft vor mir ansehen, die ich noch durchlaufen werde.”

“Aber ich gehe nochmals auf die spezielle Psyche des Polizisten ein. Welche Auskunft wollen Sie in einer Fernsehsendung erwarten, in der sich ein Polizist (ich vermeide ab hier dieses lästige Frau/Mann Geschreibe) zum Thema Sicherheit äußert? Natürlich wird er mit erhobenem Zeigefinger mahnen und eine klare Vorstellung von den Lösungen haben. Gleichermaßen, wird ein schreibender Polizist dazu neigen, sie zu belehren. Normaler Weise ist das in unserem Staat nicht vorgesehen. Lösungen hat die Legislative zu finden. Die Judikative richtet und die Exekutive handelt im Auftrag. Mich persönlich macht es nervös, wenn Polizisten sich in der Politik zu sehr nach vorn schieben. Andererseits wird öffentlich soviel Stuss geredet, dass es einem nicht mehr im Hintergrund hält. Das beginnt bei ganz einfachen verfassungsrechtlichen Fehlern und geht weiter bei Versprechungen, die unmöglich eingehalten werden können. Die Superlative fliegen uns nur so um die Ohren. Kohorten von Experten kommen aus allen erdenklichen Löchern gekrochen. Gewerkschaftler, die schon jahrzehntelang keinen Dienst mehr gemacht haben, erzählen irgendetwas, nur nichts von der Strassenrealität. In der rechten Ecke des Rings steht die Mannschaft «Law and Order» und in der Linken sammeln sich die üblichen Dauerbedenkenträger. Da wird mit Zahlen jongliert, die Rabulistik hat Hochkonjunktur und Propagandamaschine ächzt unter Volllast. Alle belehren und haben die Lösungen parat, oder wenigstens haben Sie schon immer gemahnt und recht gehaemmesbt.”

Was könnt Ihr noch erwarten? Im Buch ist es diesmal ein wenig bunter. Aus dem Text heraus erklärt sich manch eine Bemerkung von Emmes. Das Projekt “Die Wanderung”, wäre damit endgültig abgeschlossen. Worum es im nächsten Buch geht, erfahrt ihr am Ende der Wanderung.

Bye, Euer Trölle und natürlich schöne launische Grüße von Emmes. An alle, die ich im letzten Jahr neu kennen lernen durfte, nach der Übernachtung im Tal, kurz schütteln, den geleerten Rucksack umschnallen und zum Pass empor laufen. Am Ende ist alles nur Rock’ n Roll und immer dran denken: “Einen verdammten Scheiß müsst ihr! Bleibt doch einfach auf Couch sitzen, ihr faulen Säcke!”