27 März 2023

Roundhouse Kick

man walking on floor Lesedauer 22 Minuten

Ich schrieb in den letzten Tagen an einem ziemlich langen Beitrag. Plötzlich überkam mich eine tiefe Frustration. Warum schreibe ich das alles? Alles ist bekannt, jeder kann sehen, was passiert. Wer sich nur ein Funken dafür interessiert, erkennt mit Leichtigkeit all die Propaganda, die Euphemismen, die ursächlichen Strukturen. Hitler brachte es auf den Punkt, als er meinte, sie müsse derart simpel sein, dass auch noch der letzte Depp sie versteht. Ist nicht irgendwann der Punkt gekommen, an dem man einfach das Handtuch werfen sollte? Im Prinzip hab ich das versucht. Erfolglos!
Wieder einmal wirkten meine eigenen Worte auf mich, als wären sie ein Zeichen von Feigheit. Ich lebe in einer Epoche, in der durch die Digitalisierung alles miteinander vernetzt ist und nahezu jede Information abgerufen werden kann. Eine große Zahl an Universitäten stellen allerhand Vorträge zu den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Themen ins Netz. Professoren veröffentlichen aus reinem Sendungsbewusstsein heraus Vorlesungen. Philosophen, Systemkritiker, Originalquellen, sind auf allen Streaming-Portalen vorhanden. OK, man muss auch mit all dem umgehen können. Mit Sicherheit kann das nicht jeder, dennoch dürften es sehr viele sein, die zumindest in der Lage sind, sich die gleichen Informationen zu beschaffen, wie ich.
Oscar Wilde schrieb sinngemäß: “Warum erzählen Leute anderen von ihrer Meinung? Weil sie sich ängstigen, mit ihr alleine zu sein.” Das Zitat beeindruckte mich schon vor Jahrzehnten. In die gleiche Richtung geht ein psychologisches Experiment, von dem ich las, als ich vor einigen Jahren ein Seminar vorbereitete.
Die Versuchsleiter präsentierten Gruppen mit fünf Probanden drei auf dem Boden liegende Seile. Zwei identisch lang und eins erkennbar kürzer. Je Gruppe waren vier der Teilnehmer instruiert, zu behaupten, dass die Seile alle die gleiche Länge hätten. Nur eine/r, der/die letzte Befragte, war nicht eingeweiht. Fast alle der Unwissenden schlossen sich der Gruppenmeinung an. In mehreren Versuchsreihen wurde die Differenz bei der Länge immer größer. Erst bei wirklich vollkommen absurden Differenzen regte sich Widerspruch.
Bisweilen fühle ich mich, wie einer von den uneingeweihten Versuchsteilnehmern. Ich schaue auf das kürzere Seil und frage mich, ob die alle eine Macke haben. Und so, wie es Oscar Wilde ausdrückte, ängstige ich mich davor, mich zu weit von dem zu entfernen, wo ich herkomme und versuche alle anderen im Raum zu überzeugen. Im harten Kern meines Freundeskreises ist das nicht notwendig. Die sind alle schlau genug, den Unterschied zwischen den Seilen zu erkennen und sagen dies auch. Ich bin dafür dankbar, dass dies so ist. Allerdings gibt es auch eine ganze Menge Leute, die ich in meinem engeren und weiteren beruflichen Umfeld kennenlernte, zu denen ich alle Kontakte abbrach und soweit ich es überblicken kann, beruht dies auf Gegenseitigkeit. Es bleibt das Gefühl: Was ist denn los mit Euch?

Lange überkam mich beim Lesen diverser Artikel in Zeitungen, beim Hören von Radio-Sendungen, Lesen von Tweets oder Postings bei Facebook so etwas wie eine ohnmächtige Sprachlosigkeit. Ich fragte mich, was das alles sollte? Groß angelegte Verarschungen von Leuten, kollektive Beleidigung, weil manche einen für derart dämlich halten, den Stuss zu glauben?
Es ist schwer zu sagen, wann es anfing. Die eigene Wahrnehmung täuscht einen dabei. Vielleicht träufelte es auch dauerhaft vor sich hin und fiel mir erst auf, als es unübersehbar war. Doch mittlerweile ist jede öffentliche Debatte durchsetzt mit propagandistischer Rhetorik, eindeutig auszumachenden Spin-Begriffen und leicht erkennbaren PR-Strategien.
Wer auch immer dies zu verantworten hat, leistete ganze Arbeit. OK, der Satz ist Quatsch. Es war eine Entwicklung, die irgendwann in den 20ern des letzten Jahrhunderts begann und heute ihre Perfektion erlangt. Wer Näheres dazu wissen will, muss sich mit der Person Edward Bernays beschäftigen. Politik wird nicht mehr mit Argumenten betrieben, die an der Sache orientiert sind, sondern die Parteien, welche längst überall den Charakter von Firmen aufweisen, preisen sich mit Mitteln aus der kommerziellen Produktwerbung an oder versuchen den Mitbewerber auf dem politischen Markt auszustechen. Zu den Mitteln gehören auch die Desinformation, die Diffamierung der Wissenschaft und Intellektuellen. Die Digitalisierung wirkte wie ein Katalysator. Alles, der einzelne Mensch, jeder Gegenstand, jedes Lebewesen ist ein Datensatz. Einen Datensatz kann man mit anderen Gruppieren, recherchieren, mit Routinen abfragen oder vergleichen.
Es ist ein Leichtes nach Bedarf, Kriterien zusammenzustellen und sie für nützliche Abfragen zu benutzen. Männlich, deutsch, frühpensionierter Kriminalbeamter, über 55 Jahre, hört diese Musik und schaut sich jene Filme, Dokumentationen, Vorträge, an. Schreibt in einem BLOG, benutzt dabei folgende Stichworte, hält sich länger in den Ländern xy auf, usw., usw. Wer sich ein wenig auskennt, kann von mir schnell ein Profil erstellen. Persönlich habe ich eines Tages den Widerstand aufgegeben.
Das ist das Problem: Irgendwann gibt jeder auf und fügt sich ins Schicksal, weil es einfach zu viel Energie raubt. In jedem industrialisierten Land, werden die Menschen zu Gruppen zusammengefügt, die gezielt mit Produkten bedient werden. Und das sind nicht nur Haushaltsgeräte, Fahrzeuge, Reisen, Versicherungen. Auch die Politik liefert Produkte, die auf die Bedürfnisse zugeschnitten werden und entsprechend beworben werden. Alles nur für das verdammte Geld und die Macht über andere.
In letzter Zeit nehme ich nur noch Meldungen über Geschehnisse zur Kenntnis. All das ganze Gewäsch, was Leute von sich geben, die sich dazu berufen fühlen, über die Geschicke anderer Menschen zu bestimmen, interessiert mich nicht mehr.
Diese Aneinanderreihung vorgefertigter Phrasen und Euphemismen verdient keinerlei Auseinandersetzung. Dabei ist weitestgehend egal, von wem etwas kommt. Allerdings ist bei mir der Eindruck entstanden, dass CDU/CSU, FDP und AfD, am intensivsten auf PR Strategien setzen.
“Die GRÜNEN sind eine Verbotspartei!” Wer so einen Müll von sich gibt, hätte früher in der Höhle vermutlich auch gesagt: “Es ist meine persönliche Freiheit, wenn ich hier und nicht draußen kacke!” Oder: “Technologieoffenheit!” Ja, klar, lasst uns alles, was technologisch machbar ist durchziehen. Was soll schon passieren? Aber die meinen ohnehin nur, dass sie von einigen Lobbyisten aus den betreffenden Branchen Geld und zukünftige Posten bekamen, damit sie deren Kram präsentieren und am besten noch Fördermittel bewilligen. Neuerdings brabbeln wieder einige, dass Atomkraft praktizierter Umweltschutz ist. Man Leute, der Vorteil und gleichsam Nachteil am fortschreitenden Lebensalter ist, dass man sich daran erinnern kann, dass man diesen Unfug schon Ende der 70er aus den USA herüberschwappend präsentiert bekam. Korruption und feindliche Attacken gibt es immer noch. Niemand kann garantieren, dass es nicht doch noch zu einem GAU kommt. Und ein Zaubermittel, was die Strahlung beim Müll verschwinden lässt, hat auch noch keiner gefunden. Aber die an den Humbug glauben wollen, tun es und die es besser wissen, springen nicht an. Aus der Sicht eines ehemaligen Ermittlers ist es ganz simpel. Wenn es ums Geld geht, wird geschoben, gedealt, gespart, werden Vorschriften umgangen und gelogen, dass sich die berühmten Balken biegen. Und was bei illegalen Mülldeponien, der Chemo-Industrie, Ölplattformen, Tankern, Raffinerien gilt, trifft auch bei AKWs zu.

Deutschland! Alles schlecht?

Ist alles schlecht? In Berlin? In Deutschland? In der Welt? Nein, ganz und gar nicht. Schlecht kann nur schlecht bleiben oder besser werden. Wenn ich mein Geburtsland Deutschland betrachte, tue ich dies von einem sehr hohen Niveau aus. Meine Ansprüche an dieses Land und Bürger sind deutlich höher, als an andere Staaten oder Gesellschaften. Alleine mein Pass ermöglicht es mir in zig Länder zu reisen, während unzählige Menschen dies nicht haben. Es gibt auf der Erde ein Passport-Ranking! Dies muss man sich man mal auf der Zunge zergehen lassen. Wir, die ehemaligen Barbaren, die Geißel der Menschheit, dürfen überall hinreisen. Ich finde dies bemerkenswert.
Wir verfügen über Bibliotheken, mit Büchern und freiem Internetzugang. Mit ein wenig Aufwand bekomme ich nahezu jedes, egal wie kritisch der Inhalt ist, weltweit veröffentlichte Buch. Ich habe in Deutschland gute Chancen, auch Kunst und Kultur jenseits des Mainstreams genießen zu können. Es steht mir frei, irgendeiner Religionsgemeinschaft beizutreten und die jeweiligen Riten zu praktizieren. Ich darf sogar problemlos, jedenfalls von staatlicher Seite her, eine Frau aus einer anderen Religionsgemeinschaft heiraten, ohne ausgebürgert zu werden. Wenn eine oder einer in Deutschland schlecht informiert ist, sich nicht selbstständig eine Bildung, über die der Schule hinaus, aneignet, liegt der Fehler meistens bei den Betroffenen. Nur wenige bringen nicht die biologischen Voraussetzungen mit, dies leisten zu können. Doch eben, weil dies alles so ist, kritisiere ich meine eigenen Landsleute härter, als diejenigen, welche in Ländern leben, wo dies alles nicht der Fall ist. Jede oder jeder, der sich diese Möglichkeiten nicht zunutze macht, verrät die Freiheit und all die Mitmenschen auf der Welt, die dies nicht leben können.

Hier, wo ich mich gerade befinde, dürfen Muslime nicht einfach eine Frau oder einen Mann mit einem anderen Glaubensbekenntnis heiraten. Und tun sie dies im Ausland, kommt es zu Problemen mit der Staatsbürgerschaft. Bildung ist möglich, aber die Hürden sind außerhalb der Großstadt erheblich höher, als bei uns. Der Staatsapparat ist durch und durch von Korruption durchseucht. Diverse Internetseiten können nur mit einigen Tricks aufgerufen werden. Der Islam ist Staatsreligion und wenigstens im Zivilrecht, eine Richtschnur. Überall spürt man, dass zwischen den “Regulären”, denen mit indischen oder chinesischen Wurzeln, Malaien, Spannungen bestehen, die absolut die Bezeichnung Rassismus verdienen. Überdies kommt noch ein inhumaner Umgang mit Leuten dazu, die gegen die Regeln verstoßen. Soweit ich dies beurteilen kann, ist vieles, vor allem wenn es die Einflüsse der Religion betrifft, auf den Einfluss der Wahhabiten aus Saudi-Arabien zurückzuführen.
Ein ehemaliger “Beachboy” hat es mir mal aus seiner Perspektive geschildert: “Ich bin kaum zur Schule gegangen und kann leidlich lesen. Früher betreute ich die Touristen am Strand und trank viel Alkohol. Dann wurden die Gästehäuser gebaut. Damit fiel meine Einnahmequelle weg und ich wurde zum Obdachlosen. Mich hat niemals jemand aufgeklärt. Und auch wenn ich lesen kann, weiß ich nicht, welche Bücher ich lesen sollte. Da bin ich zur Moschee gegangen. Man gab mir Obdach, Essen, Trinken und Koran-Unterricht. Dass da noch vieles anderes ist, weiß ich von den Touristen. Aber ich wüsste nicht, wie ich es lernen soll.” Die Moschee, welche er aufsuchte und in deren Räumen er heute lebt, ist nicht irgendeine, sondern wird von einer von Saudi-Arabien ausgehenden Missionsbewegung finanziert. Interessiert beobachtete ich während der Pandemie den Konflikt zwischen Staat und Moschee-Angehörigen. Deren Aussage lautete: “Es gibt Dinge, die sind höher als der Staat und niemand kann das gemeinsame Gebet verbieten.” Konnte der Staat doch! Der rückte mit Polizeieinheiten an, nahm alle fest und sie landeten im Gefängnis.
Nein, weder ihm noch einem Wanderarbeiter aus Bangladesch, einer Frau, die von Kindesbeinen an eine Rolle lernte, einem geflüchteten Rohingya oder einem indischen Küchengehilfen kann ich einen Vorwurf machen.

Dies sieht in Deutschland ganz anders aus. Die bei uns durch das Grundgesetz existierenden Voraussetzungen ermöglichen das Nachdenken, das Entwickeln neuer gesellschaftlicher Konzepte, Ideen, das Erkennen von Gefahren und auch das Sinnieren darüber, wie man die Erde zu einem besseren Platz für alle Lebewesen machen könnte. Rudi Dutschke prophezeite Mitte der 70er eine Zukunft, in der die normalen Menschen weniger Arbeiten müssten und deshalb mehr Lebenszeit in Bildung und Denken investieren würden. Dutschke war ein toller Vordenker, doch er schloss allzu oft von sich auf andere. Deshalb unterschätzte er die Gefahr der Dekadenz, Denkfaulheit, vor allem das Potenzial seines Gegners, den Mächtigen, Reichen und Ausbeutern. Außerdem verstand er wenig davon, was Geld und ein wenig Luxus, mit Leuten anstellt. Nicht die Aufsteiger formen das Establishment, sondern es passiert genau andersherum.
Die Vertreter der “Frankfurter Schule” sahen eine Zeit kommen, in der das Individuum grundsätzlich alle Voraussetzungen für ein freies, selbstbestimmtes Leben vorfindet, aber immer mehr Kraft aufwenden müsse, um diese wirklich nutzen zu können. Schaue ich mich um, lagen sie absolut richtig. Passt man nicht auf, findet man sich unversehens in einer Gruppe wieder. Entweder eine, die man sich selbst zuzuschreiben hat, in den Sog geraten ist, oder von anderen Leuten oder Institutionen hineingepresst wurde. Danach wirken auf einen all die Effekte ein, die Gruppen so mit sich bringen. Und es erfordert einen täglichen Kraftaufwand, sich dem zu entziehen. Jedenfalls, wenn man nicht zu denen gehören will, die auf diese Effekte stehen. Davon gibt es eine ganze Menge. Sie genießen die kuschelige Wärme, den gegenseitigen Zuspruch und die Anerkennung.

Ich persönlich sehe einen sich langsam ausbreitenden Schatten. An vielerlei Stellen hat sich in den vergangenen Jahrhunderten im Grunde genommen wenig verändert. Könige, Kaiser, wurden gegen Vermögende, Eigentümer der Produktionsmittel eingetauscht. Was einst die “Freien” waren, wird heute vom Bürgertum gestellt und die Tagelöhner, Knechte, Diener, sind heutzutage all jene, die im Niedriglohnsektor unterwegs sind. Einige Leute arbeiten gegen das Grundgesetz. Modern ausgedrückt: Sie hacken das System! Oftmals gar nicht bewusst. Wenn ich beispielsweise eine Verwaltung aufbaue, die so kompliziert ist, dass sie nur Spezialisten verstehen, ist es schwer oder teuer, meine verbürgten Rechte in Anspruch zu nehmen. Weitaus gefährlicher sind die Zeitgenossen und Genossinnen, welche täglich gesetzliche Lücken suchen, um sich in nicht verträglicher Art und Weise zu bereichern. Präziser: Sie sind die eigentlichen Gefährder, weil sie nichts anderes im Sinn haben, als die dem Grundgesetz innewohnende Grundidee zu überwinden. Ich bezeichne ihr Verhalten schlicht als asozial. In der Regel sind Kriminelle, also Frauen und Männer, die es darauf abgesehen haben, mit wenig Aufwand und Skrupel, sich einen maximalen Vermögensvorteil zu verschaffen, der Kriminalpolizei stets einen Schritt voraus. Breitet sich eine neue Methode aus, wird darauf reagiert und die denken sich was anderes aus.
In der Wirtschaft läuft es nicht anders. Nur, dass es an dieser Stelle der Gesetzgeber an sich ist, der ständig am Reagieren ist. Infolgedessen wird das System immer undurchschaubarer, engmaschiger und führt zu finanziellen und ideellen Verlusten für die Gesellschaft. Nochmals anders formuliert: Würden sich alle Leute, die auf unserem Staatsgebiet leben, an die Regeln halten, welche in jeder menschlichen Gemeinschaft für ein friedliches Zusammenleben notwendig sind, könnten wir die Gesetze einmotten.

Wir wissen, dass das nicht funktioniert. In diesem Zusammenhang halte ich diese ganzen Schwätzer, welche von den Vorteilen vollkommen freier und sich selbst regulierenden Märkten schwärmen, gar nichts. Für mich sind sie lächerliche Erscheinungen der Dekadenz. Wenn ich Leuten zügellosen Lauf lasse, die als Entscheidungskriterien, einzig und allein, Zahlen, Geld, Vermögen, Profite, Wachstum, anlegen, muss ich mich nicht wundern, wenn ich eines Tages in einer Hölle auf Erden lebe.
Noch gibt es Menschen, die bereit sind, unökonomisch zu handeln, weil sie damit anderen Aspekten Vorschub leisten. Beispielsweise, wenn sie lieber in einem örtlichen kleinen Laden etwas mehr Geld ausgeben, als sie dies in einem Discounter tun müssten, um diesen zu erhalten. So wie es auch Vermieter für Gewerbeimmobilien gibt, die nicht nach denen suchen, die jeden Preis zahlen können, sondern ein Interesse an der Gestaltung eines lebendigen Wohnumfelds interessiert sind.
Doch sie werden kontinuierlich weniger. Leider ist es dazu gekommen, dass ausgerechnet die mit der asozialen Haltung in die Führungsspitzen gelangten. Die Aspekte, welche die positiven Seiten des Homo sapiens darstellen, nämlich die Kooperationsfähigkeit, das Sozialverhalten, das füreinander Einstehen, wird der schlechtesten Eigenart, der Gier, geopfert. Es ist bezeichnend, dass Deutschland aktuell einen Finanzminister hat, der sich bereits in jungen Jahren der Öffentlichkeit als jemand präsentierte, der auf Bildung, die sich nicht unmittelbar auf seinen Geldbeutel auswirkt, herabsieht.
Das Phänomen zeigt sich überall. Aktuell erheben sich die Franzosen gegen den Neoliberalen Macron. In einigen osteuropäischen Staaten machen sich Kleptokraten breit. Und dies sind ausschließlich die aktuellen Highlights.
Diese Leute mögen es anders sehen und weiter an ihrer in die Jahre gekommenen Theorie festhalten, für mich gilt, was ich sehe.

Der Schatten, ein Bild welches ich mir erlaube bei Tolkien zu klauen, frisst weltweit die Freiheit. Ich gehöre nicht zu denjenigen, welche einen völlig pervertierten Freiheitsbegriff benutzen. Frei zu sein, bedeutet für mich in erster Linie, nicht abhängig zu sein, sodass die Gedanken freien Lauf haben. Hänge ich an einem Vermögen, kreisen meine Gedanken darum, wie ich es behalten kann. Bin ich stets auf der Suche nach Anerkennung, werde ich mein Verhalten darauf abstellen und nicht ich selbst sein. Bin ich süchtig, muss ich alles für den nächsten Kick tun. Falle ich auf den Trick herein, dass ein Haus, ein Auto und teure Reisen die ultimative Lebenserfüllung sind, komme ich in der Regel nicht daran vorbei, einen Kredit aufzunehmen, für den ich die nächsten Jahrzehnte arbeiten muss.
Freiheit beginnt im Kopf. Wenn mich jemand einsperrt, mir Befehle erteilt, mir etwas verbietet oder mir Strafen androht, weiß ich woran ich bin. Dagegen kann ich mich auflehnen, protestieren oder Widerstand leisten. Wenn meine Gedanken übernommen werden, jemand in mir geschickt Bedürfnisse erzeugt, mich manipuliert, merke ich nicht einmal, dass ich meine Freiheit aufgegeben habe.
Genau dies geschieht zunehmend. Neu ist dies nicht. “Menschenfänger” gab es schon immer. Religiöse Führer, Cäsare, Imperatoren, Diktatoren, taten dies bereits vor tausenden Jahren. Aber niemals zuvor standen ihnen Mittel zur Verfügung, wie sie die Digitalisierung mit sich brachte. Andere Religionen zu dämonisieren, Außenfeinde zu erzeugen, Wohlstand, Geld und Macht zu versprechen, inneren Frieden und Sicherheit in Aussicht zu stellen, sind alte Hüte. Massengesellschaften verfügen über eigene Dynamiken.

Die Diktatur des trockennasigen Affen über die Welt

Überall wo ich hinkomme, ist das Leid zu sehen, welches die Diktatur des gierigen Homo sapiens anrichtet. Der trockennasige Affe, welcher sich selbst ins Zentrum gestellt hat, läuft einem kleinen bockigen Kind gleich, durch die Welt, will alles haben und zerkloppt, was ihm nicht passt. Und jede/r der halbwegs bei Verstand und ehrlich sich selbst gegenüber ist, weiß, woran es liegt. Ich mache längst keine Unterschiede mehr zwischen schlichten Menschen, die einfach ihren Müll in die Gegend werfen oder einem Manager, Politiker, der den Hals nicht voll genug bekommen kann. Im Grunde genommen ist ihre Haltung zur Welt, zu anderen Lebewesen, zum Haben, identisch.
Es wäre ein Experiment wert, sich einen armen Schlucker zu greifen, dessen Verhalten mit seiner Armut entschuldigt wird, und ihn auf einen gut dotierten Posten zu setzen, wo er die Macht und die Mittel hat, etwas zu verändern.
Nachdem was ich bisher erlebte, ist die Wahrscheinlichkeit unter Armen empathische, ehrliche und aufrichtige Menschen zu treffen deutlich höher, als sie unter Reichen zu finden. Mit zunehmendem Reichtum und Macht verändert sich der Charakter. Doch wer arm ist und bereits ohne nennenswerten Besitz hinterhältig, durchtrieben ist, wird durch Geld nicht besser, sondern eher schlechter. Und wie immer gilt für mich hierbei: Ausnahmen bestätigen die Regel. Immer mal wieder gibt es welche, die nachdenken und mit ihrem Geld durchaus vernünftige Dinge anstellen, das System des Geldes kritisieren, obwohl es sie selbst begünstigt.

Der Punkt ist, dass der Mensch die Fähigkeit besitzt, sich für verschiedene Wege zu entscheiden. Ich stimme den Existenzialisten zu: Niemand ist zu etwas gezwungen. In der letzten Konsequenz bleibt der Suizid. Doch soweit muss es meistens nicht kommen. Wer zum Beispiel ein Ziel verfolgt und zur Umsetzung ein politisches Amt antritt, ist nicht dazu gezwungen auch noch das letzte Zugeständnis zu machen. Man kann auch einfach gehen. Ein Versuch war es wert, aber man ist halt aus Gründen gescheitert. Jeder Tag länger, den man auf seinem Posten sitzt, ist ein Verrat an den eigenen Idealen. Nun, wir wissen, dies geschieht nicht.

Die Welt ist fest in Händen von denen, die sich für ein egozentrisches Leben entschieden: Machtgierige, Glücksritter, Neoliberale, Demagogen, Populisten, Geschäftemacher, Kriegsgewinnler, Waffenhändler. Sie verkörpern den zerstörerischen Part des menschlichen Habitus. Und weil die Menschen mit der Überversorgung gern ihren Status beibehalten wollen, folgen sie ihnen. Die Satten werden niemals dagegen vorgehen. Die Französische Revolution war in meinen Augen die letzte wirklich ernstzunehmende Veränderung, die auf rationellen Überlegungen basierte. Die gesellschaftlichen Veränderungen durch die Industrialisierung und neuerdings Digitalisierung ergaben sich aus Erfindungen und man ließ sich treiben und reagierte, ohne jemals vor die Entwicklung zu kommen. Bisher stellten in den Industriestaaten wenige Leute ethische Fragen oder gar die gesamte Entwicklung infrage. Darf der Homo sapiens, ein ins übergeordnete natürliche System eingeordneter Affe, alles tun, weil er es kann? Gibt es Grenzen? Jeder weiß, dass es eine blöde Idee ist, einem Bonobo eine geladene und entsicherte Maschinenpistole in die Hände zu geben. Anatomisch ist er dazu in der Lage, sie abzufeuern. Aber er versteht nicht, was da passiert.
Haben wir im übertragenen Sinne nicht auch einiges in den Händen, was wir lieber nicht haben sollten? Anfangs bestand der Vorteil des Homo sapiens darin, dass er neugierig alles in die Hände nahm und ausprobierte, um Herauszufinden, was man damit anstellen konnte.
Doch Neugier kann einen auch umbringen. Von Anfang an gab es Dinge, die dem Menschen nicht geheuer waren und er die Finger davon ließ, bis er sie verstand. Auch das war schon immer ein Bedürfnis des Menschen: die Kontrolle! Wir können nicht alles kontrollieren, doch wir können Risiken bewerten. Von mehreren Optionen können wir diejenige auswählen, von der wir, wenn etwas schiefgeht, den geringsten Schaden erwarten.
Seit mehreren tausend Jahren ist dem Menschen bewusst, dass die Wahrnehmung des Menschen ihre Eigenarten hat. Auf unsere Bedürfnisse abgestimmte Sinne melden an das Gehirn Informationen, welches aus all diesen Einzelheiten eine uns logisch erscheinende Geschichte formt. Mal ganz abgesehen davon, dass unsere Sinne keine Präzisionsinstrumente sind und diverses nicht wahrnehmen können, ist einer unser größten Schwachpunkte die Verarbeitung im Gehirn. Erst das Wissen um Fehlerquellen, eine strukturierte Praxis des Denkens, das Hinzuziehen anderer Quellen und der Abgleich, die Spiegelung, lassen aus allem etwas Vernünftiges und Verständiges werden. Gautama Siddhartha, Konfuzius, Laotse, Platon, Aristoteles, sind nur einige Beispiele für Leute, die sich bereits vor langer Zeit damit auseinandersetzten. Und vieles davon ist immer noch aktuell. Sind die Menschen der industrialisierten Staaten die Gefangenen aus Platons Höhlengleichnis? Und würden sie lieber jeden, der aus der Höhle entkam und von den wirklichen Zusammenhängen erzählt, umbringen, als ihm zu glauben? Platon schrieb das Gleichnis im siebenten Buch der Politeia nieder. Er leitete davon die Forderung ab, die politische Führung einer Gesellschaft denen zu überlassen, die dazu in der Lage sind, die Höhle zu verlassen.
Konfuzius hinterließ den berühmten Satz: “Der Weg ist das Ziel!” Ein Ideal ist nicht zu erreichen, aber man kann diesen gesetzten Punkt anstreben, also sein Verhalten darauf abstellen, dass es geeignet ist, sich dem Ziel zu nähern, anstatt sich zu entfernen.
Was wollen mir Leute sagen, die ihre Kritiker als Ideologen beschimpfen? Wenn meine idealen Ziele Gerechtigkeit, weltweite faire Verteilung, Erhalt des natürlichen Systems der Erde, die Rückkehr des Menschen ins Gleichgewicht, lauten, und ich jeden dazu auffordere, unsere Handlungen danach auszurichten, auch wenn wir vermutlich niemals den idealen Zustand erreichen werden, bin ich dann ein Ideologe? Welches Ziel haben diejenigen vor Augen, die lediglich ihren Wohlstand, ihre Nation als Gewinner in Konkurrenz zu anderen Nationen und den Menschen als Spielleiter im Gott-Modus, anstreben?
Gautama Siddhartha, als Philosoph, nicht als Buddha, dachte lange über das eigentliche, sozusagen das Problem aller Probleme nach. Am Ende kam er zum Ergebnis, dass es die Gier, das Haben, das Anhaften an Vergänglichen, ist. Und ohne es beweisen zu können, behaupte ich, dass jemand wie er, eingebunden in seine Zeit, dabei auf noch viel älteres Wissen aus der Veda zurückgriff, welche ca. 1500 v. Christus entstand. Trotzdem wir über dieses uralte kollektive Menschheitswissen verfügen, haben wir es zugelassen, dass sich an den meisten Stellen der Erde ein System ausbreitete, welches exakt diesen Aspekt des menschlichen Verhaltens bedient. Wir sind Alkoholiker, die bis zum Delirium als Genossenschaft ihre eigene Kneipe betreiben.
Es gibt kaum etwas, was wir uns nicht aneignen. Wir besitzen Lebewesen und verfahren mit ihnen wie mit Dingen. Alles wird zu einem Produkt, was wir uns aneignen können, in dem wir es kaufen oder vergeben, in dem wir es verkaufen. Freiheit wird zu etwas, was man sich angeblich mit dem Kauf eines schnellen Autos zulegen kann. Anerkennung und Identität kommt mit käuflichen Symbolen und Zahlen auf dem Konto, daher. Mit Geschenken, Zuwendungen, versuchen wir uns Liebe zu erkaufen. Üble Zeitgenossen fordern dazu auf, alles, was verknappt werden kann, mit einem monetären Wert zu versehen, weil die Menschen sonst keine Wertschätzung aufbringen: Boden, atembare Luft, Trinkwasser, demnächst bewohnbare Lebensräume, Bodenschätze und andere natürliche Ressourcen. Dann gibt es auch Leute, die diese Dinge besitzen und verkaufen, so wie es diejenigen gibt, die für die pure Existenz kaufen müssen. Und wo bleiben die, welche nicht zahlen können?

All dies sind Ideen, welche in den Großhirnen von einem Teil der Weltbevölkerung entstanden. Im absoluten Gegensatz dazu stehen die uralten Traditionen der Völker, die bereits vor der Kolonialisierung durch die Europäer und Ausbreitung des Kapitalismus in ihren angestammten Gebieten leben. Ausnahmslos sehen sie sich als einen Teil des Systems, dessen Gleichgewicht sie achten und innerhalb dessen sie ihr Leben gestalten. Es gibt somit ein vorher, da wo wir herkommen, und einen Zustand, der durch die Umsetzung der Ideen ausgehend von den Industrienationen, entstanden ist. Diese Ideen wurden nicht von einem imaginären Gott an einen Typen auf einem Berg diktiert, sie sind von verhältnismäßig wenigen erdacht worden. Damit sind sie nicht ewig gültige Vorgaben, sondern überprüfbar, revidierbar, veränderbar. Mir scheint, dies haben einige vergessen. Alles, Industrialisierung, Kapitalismus, Wohlstand, Wirtschaftssysteme, das Verhältnis des Menschen zu allen Lebewesen und seine Bedeutung im System, Eigentum, Besitz, Umgang mit den Ressourcen, Wachstum oder Rückbesinnung, kann, muss, darf, hinterfragt werden.

Ich möchte nicht um den heißen Brei herumschreiben. Zweifellos brachte die Industrialisierung einige Entwicklungen mit sich, die wir schätzen und für uns Vorteile mit sich brachten. Aber aufs Ganze gesehen, zu welchem Preis? Läuft es nicht darauf hinaus, dass die Länder, welche den Weg der Industrialisierung beschritten, alle ins Verderben reißen? Was wäre, wenn eine kleine Gruppe Menschen die Macht besäße, in die Vergangenheit zu reisen und dort darüber entscheiden könnten, wie es weitergehen soll. Würden sie um die Folgen für den Planeten wissend, der Industrialisierung die Rote Karte zeigen?

Mir gehen die Zeitgenossen/innen gegen den Strich, welche ständig anderen “Moralisieren” oder “Bevormundung” unterstellen, nur weil sie weiterhin unbehelligt wie “offene” Hose leben wollen. Wie ich bereits schrieb: “Lass mich gefälligst in die Höhle kacken, das ist Ausdruck meiner Freiheit und Dein Gesülze darüber ist moralisches Zeugs.”
Die den Leuten Einhalt gebieten wollen, sprechen nicht davon, wer mit wem und wie ins Bett steigen darf. Oder ob Rülpsen, Furzen, schicklich ist. Wenn es ein Problem mit denen gibt, die Änderungen einfordern, dann ist es oftmals Heuchelei und der Adressat. Beim von uns installierten System ist es völliger Humbug bei den einzelnen Verbrauchern anzusetzen. Sie sind Teil einer vom Kommerz gesteuerten Massengesellschaft. In der Regel ist das ein Trick, um den Konzernen durch die Hintertür Geld zuzuwerfen. Die erfinden täglich neue Kniffe. Mal verkaufen sie den Leuten ein Recycling-Modell, damit ihnen niemand verbietet weiterhin Plastikverpackungen zu produzieren oder sie tüfteln wie die PR-Agentur Ogilvy & Mather für den Ölkonzern BP eine Desinformationskampagne aus. Jeder darf brav seinen CO₂-Abdruck berechnen und sich schuldig fühlen. Wie praktisch, wenn sich der Konzern als Großemittent in der Masse des Kleinviehs verstecken kann. In den letzten Tagen kursierte ein Propaganda-Video der CDU, in dem eine junge Frau den Leuten Handlungsempfehlungen gibt, wie sie weniger CO₂ verursachen könnten. Das ist exakt die gleiche Masche.
Heuchelei deshalb, weil sie nicht die Traute haben, an die Wurzeln heranzugehen. Durchaus nachvollziehbar, weil sie damit innerhalb einer Demokratie ziemlich schnell von der politischen Bildfläche verschwänden. Ihnen bliebe nur noch der Protest auf der Straße. Wer den Leuten nicht das Blaue vom Himmel, noch mehr Sicherheit, Wohlstand, Wachstum, verspricht, braucht sein Büromaterial gar nicht erst auszupacken.

Der Affe will spielen

Tja, und dann ist da noch die Sache mit dem großen Affen und seinem Spieltrieb. Hat der Affe nichts zum Spielen, fängt er entweder an nachzudenken oder aggressiv zu werden. Dafür gibt es PC-Spiele, Smartphones, Smartwatches, Instagram, Facebook, TikTok. Der Ring Saurons aus dem Herrn der Ringe ist dagegen ein harmloses Kinderspielzeug. Die gesamte Riege der Diktatoren vor der Digitalisierung wäre fassungslos, welche Möglichkeiten heute bestehen. Jeder lässt sich freiwillig orten, gibt ohne Spitzel und Observation wirklich jede Information preis und lässt sich stundenlang mit Trash das Gehirn weichkochen. Nichts ist zu blöd, zu peinlich oder geschmacklos, um ins Internet gesetzt zu werden. Wer braucht in der Politik noch Faschisten, wenn der Kommerz längst die Diktatur übernommen hat? Allmählich macht sich die Verblödung breit. Wer lässt sich einfacher nach Belieben steuern, als eine Meute Deppen? Diesem Beitrag wird einer über meine aktuelle Zeit in einem Guesthouse folgen. Jeden Tag tun sich neue Abgründe auf. Und die ich hier treffe, haben es immerhin bis nach Malaysia geschafft. Ich frage mich, wie sie dies anstellten, aber sie haben es geschafft.

Die Pandemie und die Aktivisten/innen haben eins gemeinsam: Beides, die Pandemie und die Aktionen vermochten es, unzählige Leute ins Licht zu zerren, wo sie zeigten, wer sie sind, welche Haltung sie einnehmen und wie es um ihre kognitiven Fähigkeiten steht. Journalisten/innen, Frauen und Männer aus der Wirtschaft, Künstler/innen aller Couleur, Leute von der Straße, Politiker/innen, gaben und geben unfassbare Aussagen von sich. “Die Aktionen schädigen der Sache des Klimaschutzes.” Ich möchte schreien, wenn ich so etwas lese oder höre. Man stelle sich ein paar Schiffbrüchige in einem leckgeschlagenen Rettungsboot vor, in das Wasser eindringt. Würden die zu denen, die die Initiative ergreifen und auffordern, das Wasser herauszuschöpfen, sagen: “Nicht in dem Ton, Freundchen, dann machen wir gar nichts. Und wenn wir absaufen, seid ihr Schuld!”

Die PR-Agenturen schieben Doppelschichten und werden nicht müde, einen öffentlichen Diskurs zu unterbinden. Linksversifft, Verbotspartei, grüne Faschisten, grüner Mist, eine Diffamierungs- und Schmutzkampagne folgt der nächsten. Es gibt nur noch links und rechts. Alldieweil kann man so keine differenzierte Debatte oder Diskussion führen. Und genau dies ist gewollt. Das ist Faschismus! Wissenschaftliche und intellektuelle Diskurse zu unterbinden, ist einer der Standards. Desinformation zu betreiben, jede Aussage, sei sie auch noch so fundiert, im Zweifel mit absurden Entgegnungen, beliebig werden zu lassen, kontinuierlich mit einer stetigen Steigerung die Grenzen zu verschieben, gehören zum 1×1 des Faschismus.
Nur weil sich jemand als gemäßigt bezeichnet, ein etabliertes Parteibuch in der Tasche hat, ist er/sie noch lange keine/r, die/der sich aufführt und agiert wie ein/e Faschist/in. Was da aus den Reihen der CDU/CSU, FDP, teilweise zu vernehmen ist und welche Schalter die umlegen, macht mich fassungslos. Angst, Diffamierungen von politischen Gegnern, erzeugen von Außenfeinden, nationalistische Appelle, Stigmatisierung von Bevölkerungsgruppen. In der netten Version würde ich dies “American Stile” nennen, in der bösartigen fällt mir mindestens Mussolini ein.
Ja, ich habe als geborener West-Berliner auch gelernt, dass uns die Alliierten befreiten. Das stimmt mit Sicherheit. Trotzdem kann ich mich nicht ernsthaft mit dem anfreunden, was die US-Amerikaner als Demokratie bezeichnen. Ob die auf seltsame Art und Weise ihre Wahlbezirke hin und her schieben, nicht jeder eine Stimme hat oder bereits von Anfang an die Wahlleute eingeführt wurden, weil nur Reiche in der Lage sind über die Geschicke eines Landes zu bestimmen, es stinkt gewaltig. Und die USA, welche in den II. Weltkrieg eintrat, existiert schon lange nicht mehr.

Es tut mir leid, aber ich sehe die Demokratien scheitern. Einerseits am Kapitalismus und zum Zweiten an dem, was Platon schon für die ersten Demokratien anmerkte. Sie sind ein offenes Spielfeld für nicht an der Sache orientierte Demagogen. Und die haben heutzutage ungleich bessere Möglichkeiten, als im alten Griechenland. Bernays sagte einst:

Die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element der demokratischen Gesellschaft. Diejenigen, die diesen unsichtbaren Mechanismus der Gesellschaft manipulieren, stellen eine unsichtbare Regierung dar, die die wahre herrschende Macht unseres Landes ist. …
Wir werden regiert, unser Geist ist geformt, unser Geschmack gebildet, unsere Ideen wurden vorgeschlagen, hauptsächlich von Männern, von denen wir noch nie gehört haben. Dies ist ein logisches Ergebnis der Art und Weise, wie unsere demokratische Gesellschaft organisiert ist. Eine große Anzahl von Menschen muss auf diese Weise zusammenarbeiten, wenn sie als reibungslos funktionierende Gesellschaft zusammenleben sollen.

Propaganda 1928

Dass es an dem ist, da mag ich ihm zustimmen. Doch beim Thema Demokratie widerspreche ich vehement. Es ist eine sehr amerikanische Denkweise, der nach Leute, die es zu einem Vermögen brachten, auch klug und weise sind. Die Leute, die da agieren, haben Profite und Wachstum im Sinn. Der Mensch an sich ist ihnen völlig egal. Die sind für sie Zahnräder in einer Maschine, die entweder funktionieren oder ausgetauscht werden. Ich hab auch noch nie so richtig verstanden, welches Bild vom Menschen diese ganzen Neoliberalen haben, die innerhalb des bestehenden Systems unterwegs sind.
Geld und Macht korrumpieren. Gesetze werden geschaffen, um die Gier und Skrupellosigkeit einigermaßen im Zaum zu halten. Würden die halbwegs sozial denken, umsichtig handeln, nicht zur Profitsteigerung jede Sauerei ausprobieren und die Gemeinschaft vor Augen haben, bräuchten wir all die Gesetze, Steuerfahnder und spezialisierte Ermittler/innen für Wirtschaftskriminalität nicht.

Menschen neigen dazu, sich nicht die Frage zu stellen, welche Rolle ihre Unterschrift, Bewilligung, im Gesamtgeschehen spielt. Eben sowenig wie sich ein Eichmann darüber einen Kopf machte, was es mit den Transporten wirklich auf sich hatte, denkt ein Buchhalter, der eine Bezahlung für eine Dienstreise anweist, darüber nach, was dieser ominöse Typ in Südamerika genau veranstaltet. Dass er indirekt am Auslöschen eines indigenen Stammes in Brasilien beteiligt ist, sieht der nicht. Kaum einer im Konzern weiß über alles Bescheid. Am Ende zählt die Auszahlung an die Aktionäre, Anleger und Großinvestoren.
Die letzten Jahrzehnte dürften doch jedem gezeigt haben, wie es weltweit läuft. Es wird erst einmal gemacht. Im Zweifel ohne Rücksicht auf Verluste. Bis eines Tages schlecht gelaunte Leute oder investigative Journalisten den Braten riechen. Dann wird die PR-Abteilung bemüht und Schadensbegrenzung betrieben. Wenn ein wenig Gras über die Sache gewachsen ist, werden die neuen Auflagen, die weiteren Schaden verhindern sollen, als tolle Leistungen und Dienst für die gute Sache verkauft.

Wenn ein Verbrecher eine Tat plant, weiß er genau um das Risiko erwischt zu werden. Aber es ist eben ein Risiko und keine absolute Sicherheit. Es kann klappen und wenn es funktioniert, hat er einiges mehr in der Tasche. Also nimmt er das Risiko in Kauf. Bei Produzenten läuft das nicht anders, nur dass die keinen Bruch planen, sondern eine Chemiefabrik oder eine Mine. Ich bleibe dabei: Ich fühle mich veralbert. Stichwort: Werteorientierte Politik. Ausnahmsweise haben die Rechten mal was Richtiges von sich gegeben: Die kann es im aktuellen Weltwirtschaftssystem nicht geben. Wenn Deutschland keine Geschäfte mit Kleptokraten, Diktatoren, Kriegsverbrechern, korrupten Regimen und anderen Widerlingen macht, gehen bei uns die Lichter aus und die Leute gehen auf die Barrikaden. Deutsche Politiker/innen haben einst damit angefangen, den Leute zu suggerieren, dass sie die Guten sind, nun müssen sie es auch durchziehen.
Nach 1945 wurde alles drangesetzt, den Makel des Barbarentums wieder loszuwerden. “Wir sind doch so nett geworden. Wir kommen mit Ausländern klar, überfallen keine anderen Länder, zahlen Wiedergutmachungen, nehmen Flüchtlinge auf und helfen der Dritten Welt.” Alles ein wenig zähneknirschend, mal abgesehen von Überfällen auf andere Länder, aber immerhin.
Es gibt keinen Altruismus und schon gar nicht unter Nationalstaaten. Warum sind die so versessen auf deutsches Kriegsgerät? Ganz einfach, weil es gutes Zeug ist und eine Menge Geld in die Forschung und Ingenieurskunst gesteckt wurde. Wären unsere Waffensysteme, Panzer, Haubitzen, der letzte Schrott, steckten wir nicht in der Bredouille. Bräuchten wir den Kram selbst? Wohl kaum! Das ist ja der Sinn der NATO. Um uns herum gibt es genügend andere, die den Knopf drücken können. Und Deutschland als Mittelstaat ist ein nettes Kampfgebiet, von dem am Ende wenig übrig bliebe. Andere Staaten zu überfallen ist heutzutage eher die rustikale, primitive Art, die Staaten ohne großartige Wirtschaftskraft vorbehalten ist. Man kann Staaten auch wirtschaftlich kolonialisieren und sie an der Leine führen. Die Chinesen sind da wahre Meister. Taiwan ist mehr so ein Macho-Prestige-Objekt. Aber wir können das auch ganz gut. Haben wir Entwicklungshilfe gezahlt, weil wir so gute Menschen sind? Nein! Wir haben uns Märkte, Schürfrechte und Rohstoffe gesichert. Und wir wollen es mit den Ausländern nicht übertreiben. Die sollen gefälligst zu Hause arm bleiben. Dublin war ein genialer Schachzug. Wir geben allen anderen Kohle, damit die uns in Ruhe lassen.

Ach, es gibt so vieles, was ich nicht mehr hören kann und will. Enden möchte ich mit der miesesten Kampagne, die derzeit seitens der CDU gefahren wird. Am 19.03. gab Armin Laschet im ZDF ein Interview, bei dem mir die Spucke wegblieb. Dort steigt er mit einer vermeintlichen zu geringen Aufklärung über Impfschäden ein. Was erstmal völliger Blödsinn ist, weil dies die Ärzte umfassend taten. Zudem sind Impfungen nicht etwas wirklich Neues. Die überwiegende Zahl der Deutschen ist gegen viele Krankheiten geimpft. Und bei jeder Impfung bekommen alle brav ihre Belehrungen. Irgendwann schwenkt er auf die Impfgegner um, für die man doch Verständnis haben müsse. Ebenso für die erlebnisorientierten Mitglieder der überversorgten Spaßgesellschaft in einem reichen Industrieland. Kurzfristig benötigte ich ein Taschentuch, weil Deutsche mal ein Jahr nicht auf einer Fressmeile mit der Bezeichnung Weihnachtsmarkt Glühwein saufen oder beim Karneval nicht die Sau herauslassen konnten. Mal zum Vergleich: Auf Langkawi/Malaysia saßen ein paar Freunde von mir bei einem Bier zusammen. Dann kam die Polizei und nahm alle fest. Und weil der Sultan keinen Spaß versteht, landeten sie zu fünft in einer mit 10 Mann belegten Zelle, die für 4 Leute ausgelegt ist. Im hinteren Bereich eine Rinne für die Notdurft. Ansonsten keinerlei Mobiliar. Also wurde wechselweise auf dem Betonfußboden geschlafen. Die malaiische Polizei hat etwas andere Vorstellungen von Polizeigewalt und verteilt als Essen nicht mehr ganz frischen Fisch, damit die Verdauung besser in Gang kommt. Das ganze Programm dauerte einen Monat. Jetzt aktuell läuft ein Prozess gegen einen hohen Beamten, der Hilfsgelder um die Ecke brachte. In ihrer Not hängten die Leute weiße Flaggen aus dem Fenster und signalisierten so, dass sie noch etwas zu Essen für andere abgeben könnten. Während der Pandemie erreichten mich Nachrichten von indischen Bekannten, deren Verwandte wie die Fliegen an Corona starben, weil die Versorgung mit Impfstoff nicht klappte.
Hoch spannend ist auch der Umstand, dass ausgerechnet in Deutschland ganz doll viele Impfschäden auftauchen. Für zartbesaitete Wohlstandkörper scheint der Impfstoff besonders gefährlich zu sein. Ich will nicht in Abrede stellen, dass es Schäden gibt. Die gibt es zu einer gewissen Prozentzahl immer. Aber vermutlich wird auch nicht der Nachweis erbracht werden können, was mit den Geschädigten passiert wäre, wenn sie Corona mit der vollen Wucht bekommen hätten.
Was Laschet im Auftrag der UNION veranstaltet, ist klar. Die greifen das negativ konnotierte Thema auf und versuchen es für sich positiv zu drehen. Das ist absolut unterirdisch und beispiellos. Das Sahnetörtchen gibt es dann zum Ende des Interviews. Er sagt selbst wortwörtlich: … die wenigen, es sind ja nicht viele, die jetzt Impfschäden …” Dabei fordert er die Pharmakonzerne auf, sich an den Kosten zu beteiligen. In einem Abwasch bedient er auch noch diejenigen, welche die Verschwörungstheorie aufstellten, dass alles nur zum Gelddrucken erfunden wurde. Ich befürchte, die kommen mit dieser Nummer durch.

Nein, es ist nicht alles schlecht und einer Vielzahl von Entscheidungsträgern/innen aus der Politik und Wirtschaft unterstelle ich nicht einmal Bösartigkeit. Es mangelt ihnen an Weitsicht. Sie haben das Jetzt und Morgen, ihren persönlichen Status und Erfolg vor Augen. Was sie mit all ihrer Propaganda, kurzsichtigen Handeln, ihrer Egozentrik, für die Zukunft anrichten, sehen sie nicht. Sie konstruieren ein System, welches auf Profit, Wachstum und Geld basiert. In der Konsequenz gibt es natürlich Leute, die alles ausreizen. Darauf reagieren sie wiederum mit Gesetzen, Überwachung, Abschaffung des Bargelds. Die Gierigen finden neue Wege und überwacht wird am Ende der normale rechtschaffende Staatsbürger. Das Regelwerk wird immer engmaschiger. Dies hat irgendwann zur Folge, dass ein Denken entsteht, in dem alles erlaubt und zulässig ist, was nicht in den Regeln verboten wurde. Wer dann sagt: Stopp, es gibt einige sich logisch ergebende Grenzen, die nicht niedergeschrieben sind, wird zum Moralisten abgestempelt. Weltweit setzen diese Leute alles dran, dass alles nach ökonomischen Kriterien geprüft wird … und das wird richtig böse schiefgehen.


1 März 2023

Die Suche nach Frieden

Lesedauer 13 Minuten

Im Menschen stecken zwei Wesen. Der Primat, ein Affe mit trockener Nase und spärlicher Behaarung, welcher sich mit seinen Fähigkeiten an die Spitze der Nahrungskette setzte. Ein Raubtier! Eins, welches sich zu Horden zusammenschließen kann und nicht nur gemeinsam auf die Jagd geht, sondern auch gegen andere konkurrierende Horden unerbittlich bis zum Tod kämpft. Doch dieser Primat entwickelte ein Bewusstsein. Er kann sich über die Regeln der Natur hinwegsetzen, ihr trotzen, die Folgen seiner Handlungen erkennen, Trieben gewahr werden und sie kontrollieren. Erst, wenn dieses Bewusstsein, in Verbindung mit Verstand, Vernunft, Reflexion, zum Tragen kommt, überschreitet der Primat die Schwelle zum Menschsein.

Die innewohnende Aggressivität, die Kampfbereitschaft, die Intelligenzleistung, sich zusammenzuschließen und in einem Kampfverband zu organisieren brachte das Tier nach oben. Doch gleichzeitig bringt dies die Gefahr der totalen Vernichtung der eigenen und anderer Spezies mit sich. Kurzum, das Großhirn ist dazu fähig darüber zu entscheiden, ob es sich selbst und die Evolution beendet oder leben will.

Seit Menschengedenken wird experimentiert, wie man am besten das Leben gestalten kann. Krieg, Frieden, Diktaturen, Königreiche, Kaiserreiche, Klerikale Staaten, Anarchie, Kommunismus, Sozialismus, Kapitalismus, aus all diesen Experimenten kann man Lehren ziehen. Parallel entwickelten die Menschen immer ausgefeiltere Methoden, sich gegenseitig abzuschlachten. Wenn nicht bereits die Atombombe den absoluten Overkill ermöglicht, wird die absolute Waffe noch entwickelt werden. Da bin ich mir absolut sicher. Ginge man mit Vernunft und Verstand heran, wüssten wir, dass wir das Ende der Fahnenstange erreicht haben. Die Waffensysteme haben einen technischen Stand erreicht, der völlig neue Betrachtungen notwendig macht. Ich denke, dass 1945 der historisch verpasste Zeitpunkt war, an dem die Chance bestand, inne zuhalten, alles neu zu bewerten und völlig andere Wege zu gehen. Doch jeder weiß, dass unsere Mütter, Väter, Großmütter, Großväter, deren Anführer, diese Chance verstreichen ließen.

Mit Nuancen besteht das alte System, welches zwei Weltkriege hervorbrachte, in den Grundzügen immer noch. Konkurrierende Nationalstaaten und Großmächte, ein globales Wirtschaftssystem, welches auf Wachstum, Profite, Gier, gründet und vor allem in einem Dilemma festhängt. Jede Großmacht inklusive ihrer Vasallen beäugen misstrauisch die Konkurrenz und ihre Strategien, sich Macht, Rohstoffe, geostrategische Vorteile, zu sichern. Und fortwährend flammt immer mal wieder ein Krieg auf.

Innerhalb dieses Systems ist es unmöglich sich herauszuhalten oder eine sichere Neutralität zu bewahren. Stets muss man auf der Hut sein, Allianzen schmieden, Drohkulissen aufbauen und dafür Sorge tragen, dass der andere nicht zu stark wird. Macht ein Beteiligter einen Schrittfehler, grätscht der Gegner hinein. Wird das System nicht radikal umgebaut, muss ich mich den aus ihm entstehenden Regeln beugen. Isoliere ich aus einem Computernetzwerk einen Client, der auf die Programme im Netz zugreift, kann ich mit dem nicht allzu viel anfangen.

Neue Friedensbewegung in einem alten System?

Dieser Tage gehen wieder einmal Leute auf die Straße und fordern Frieden. Einige sprechen von einer neuen Friedensbewegung. Ich kann dem nicht ganz folgen. Die alte, in den 80ern, richtete sich nicht gegen einen konkreten Krieg, sondern gegen das Wettrüsten zwischen USA und UdSSR. Nach allem, was man nunmehr im Nachgang weiß, waren die Sorgen der Bürger durchaus berechtigt.
Eher passend finde ich eine Analogie zu den Protesten in den 60ern gegen den Vietnamkrieg. Damals hieß der Aggressor USA und die verantwortlichen Präsidenten hießen Lyndon B. Johnson und Richard Nixon. Folgerichtig wandte sich die Protestbewegung gegen die USA und nicht gegen die kommunistischen Kämpfer auf der Seite der Vietnamesen. Und soweit ich weiß, kam niemand auf die Idee, einen Stopp der Waffenlieferungen für den Vietcong zu fordern. Dies wäre auch ziemlich zwecklos gewesen, da die Waffen damals aus dem Ostblock stammten. Ziehe ich einen Vergleich zu heute, hätten damals Frau Wagenknecht und Frau Schwarzer den Vietcong zum Einstellen der Kampfhandlungen und eine Verhandlungsbereitschaft mit den USA einfordern müssen. Was garantiert nicht funktioniert hätte, da die USA mit aller Macht die Ausbreitung des Kommunismus in Südostasien verhindern wollten. Heute wissen wir, dass trotz des verlorenen Krieges nur Vietnam und Laos kommunistische Systeme aufbauten.

Nein, die seitens Wagenknecht, Schwarzer u.a. eingeforderte Demutsgeste der Ukraine hat nichts mit den Gedanken und Intentionen der 80er – Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland gemein. Ich betone Bundesrepublik Deutschland! In der DDR wurde damals die Ausrüstung mit SS20 Raketen und der Wehrunterricht in den Schulen favorisiert. Auch der Afghanistan-Krieg, ausgehend von der UdSSR, wurde billigend hingenommen. Während dieser Zeit schenkten sich die Geheimdienste aus Ost und West nichts. Damals ahnte man es, heute weiß man, dass der MfS im Westen fleißig unterwegs war.

Geheimdienste, Propaganda gehen nicht mit dem Krieg einher, sondern sind schlicht Unterabschnitte. Und zur Propaganda gehört das Grauen. Viele Waffengattungen sind darauf ausgerichtet, Soldaten und Zivilisten zu verstümmeln. Sie sollen nicht sterben, sondern davon berichten. Folter, Vergewaltigungen, Hinrichtungen verfolgen den gleichen Zweck. Gleichfalls gehört es dazu, die Bevölkerung der anderen Seite gegen ihre Regierung aufzubringen. Der Hinweis, dass in der Ukraine tausende Menschen sterben, ist nahezu obsolet. Denn hierfür steht das Wort Krieg. Menschen schlachten Menschen ab, oder sie setzen Waffen ein, die Gliedmaße abreißen, Gesichter entstellen. Es wird gefoltert, geplündert, gebrandschatzt, vergewaltigt. Das Tier wütet. Wenn also Wagenknecht und Schwarzer auf die Sterbenden, Vergewaltigten, Gefolterten hinweisen, sagen nicht mehr oder weniger, als dass ein Krieg tobt. Die Bilder, das Grauen, gehört zu Putins Kalkül und ist Teil der Kriegspropaganda. Nun aber stellt sich die Frage, wie man darauf reagiert. Kann es richtig sein, die Opfer aufzufordern, endlich Ruhe zu geben, weil es dann vorbei ist? Putin ist in diesen Krieg nicht hineingeraten. Er hat ihn gezielt, kalkuliert, vorsätzlich, begonnen. Alles andere endete damit. Zuvor hätte es noch die Option von Verhandlungen gegeben. NATO, neutrale Zonen, die Einrichtung seitens UN-Truppen überwachter Regionen usw. Auch wäre die Einnahme unterschiedlicher Positionen gerechtfertigt gewesen. Doch all dies hat er mit dem Angriff beendet. Anders: Eine neue faktische Lage geschaffen, die Krieg heißt. Und da er sich nicht auf einige Gebiete beschränkte, lautet das Ziel: Vernichtung der Ukraine als Staatsgebilde. Ginge es nicht um Russland, einem Atom-Staat, gäbe es hierauf nur eine Reaktion: Eine seitens der UN genehmigte konsequente Intervention.
Aber da es sich nicht um einen der kleineren Staaten handelt, der überdies nicht Teil eines militärischen Paktes ist, kommt dies nicht infrage. Dies ist eine Botschaft an alle anderen Staaten auf der Erde, die u.a. Norwegen, Finnland und Schweden verstanden. Wer keine Atomwaffen besitzt und auch nicht Mitglied eines Militärpaktes ist, wird zur Beute, der niemand beispringen kann. Was bleibt, ist die logistische Unterstützung. Hier kann es meiner Meinung nach keine Abstufungen geben. Wenn ich mich dazu entschließe, muss ich es richtig und nicht halbherzig tun. Ob dies seitens Putins als Kriegsteilnahme oder nicht bewertet wird, ist ihm ohnehin selbst überlassen. Da können sich Völkerrechtler den Mund fusselig reden. Der Mann spricht öffentlich davon, dass der Westen vorhabe, die russische Ethnie auszulöschen. Reden wir doch nicht um den heißen Brei herum. Solche Töne kennen wir in Deutschland sehr gut. Diesmal kommen sie aus der anderen Richtung. Wer sich die öffentlichen Inszenierungen Putins zu Pferd in der Steppe, posierend mit Bären und Waffen anschaut, kann als Deutscher einfach nicht anders, als an den germanischen Zirkus der Nationalsozialisten zu denken. Letztens sprach ich mit einer Russin. Die sprach von “Brudervölkern”, die sich vereinen müssen. Ach Leute, haben wir Euch nicht gezeigt, dass dieser Schwachsinn keine gute Idee ist? OK, ich räume ein, dass wir sogar im Bundestag noch einige herumzurennen haben, die es immer noch nicht kapiert haben. Und wenn sie es nicht offen tun, quatschen sie von leistungsfähigen, ordentlichen, pünktlichen, fleißigen, Deutschen. Das ist der gleiche Dreck, nur eloquenter, mit einem neoliberalen Upgrade.

Meine Generation wurde in einem dualen, globalen System groß. Im Prinzip durften die beiden Großmächte innerhalb ihrer Bereiche schalten und walten, wie sie wollten. Die Gegenseite regte sich künstlich auf, aber es passierte nichts wirklich Gravierendes. Ich denke, eine Menge Leute rechnen die Ukraine immer noch dem alten Einflussbereich Russlands, der ehemaligen Führungsmacht der UdSSR, zu. Ein Aufbegehren der Ukraine, vornehmlich einer neuen Post-Sowjet-Generation, passt nicht in deren Weltbild. Und so wie ich dies aus Gesprächen mit Ukrainern/innen im Alter von um die 30-40 Jahre mitgenommen habe, sind sie im eigenen Land zerstritten. Die Alten sind entweder Freunde der alten Sowjetzeiten oder sie hassen sie. Einige der Älteren sprechen ausschließlich Russisch und werden über die russische Propaganda gesteuert. Mir scheint, dass durch einige Familien ein Spalt verläuft. Ich weiß auch nicht, inwieweit man dem ukrainischen Regierungsapparat über den Weg trauen kann. Beide, Russland und Ukraine, sind meiner Kenntnis nach tief mit kriminellen Strukturen verstrickt. In den 90ern erklärte mir in einer Vernehmung ein ehemaliger KGB Offizier das Prinzip der russischen Korruption. Seiner Beschreibung nach gab es damals ein unmittelbar kriminelles Handeln von Regierungsmitgliedern, welche er als die “Rote Mafia” bezeichnete und Banden, die unabhängig von diesen Personen agierten. Jene titulierte er als “Weiße Mafia”. Die Roten schafften damals, keine Ahnung wie es heute läuft, auf staatlich kontrollierten Wegen Geld außer Landes und parkten es in Firmen. Die Weißen entwickelten das Geschäftsmodell eben genau diese Firmen anzugehen und Zwangsbeteiligungen, zum Teil mit Gewalt, einzufordern. Ein wenig erinnerte mich dieses Vorgehen an einige ehem. Regierungsmitglieder bzw. Verwaltungsmitglieder der DDR in den Wendejahren. Und einigen Artikeln nach, ist davon auszugehen, dass z.B. auch Putin mit kriminellen Strukturen verstrickt ist. Er ist halt vermutlich ein Kleptokrat unter Kleptokraten, in einem Staat, in dem es sich die Oberen schon immer gut gehen ließen. Und ich denke, es wäre naiv, davon auszugehen, dass dies in Teilen der Ukraine anders ist. Was mich wiederum vermuten lässt, dass im Falle eines Weiterbestehens der Ukraine, die unteren Schichten nicht sonderlich viel davon haben werden. Was da im Einzelnen tatsächlich vor sich geht, werden nur absolute Insider verstehen.

Doch dies gehört für mich alles zum System. Ebenso, wie rund um den Krieg herum garantiert jede Menge krumme Geschäfte und Absprachen stattfinden. Allein schon der Umstand, dass die US-amerikanische Rüstungsindustrie quasi die Sektkorken knallen lässt, wenn Panzer aus deutscher Produktion in die Ukraine gehen und sie den Nachschub für die NATO stellen können, ließ aufhorchen. Bei den Ferengis aus dem Star-Trek-Universum gilt: Regel 034, Krieg ist gut für das Geschäft [1](DS9: Trekors Prophe­zeiung, Die Belagerung von AR-558) Regel 035, Frieden ist gut für das Geschäft [2]DS9: Trekors Prophe­zeiung. In einer Folge wird ein Ferengi in Kampfhandlungen verwickelt. Nachdem er sich mehrfach in seiner Deckung darüber beschwert, wird er auf diese Regeln hingewiesen. Er antwortet: “Die gilt nur, wenn man nicht zu nah dran ist.” Man muss kein großer Analytiker sein, um schnell zu kapieren, dass mit den Ferengis Neoliberale US-Amerikaner gemeint sind, deren Ableger sich in Deutschland in der FDP sammeln. Die Rüstungsindustrie ist keine Ansammlung von Patrioten, sondern ein Zusammentreffen knallharter Geschäftemacher, die nach den Regeln des Markts alles und jeden beliefern, bis ihnen mal wieder jemand auf die Schliche kommt. Machen wir uns nichts vor. Alles, was im Lager liegt oder auf dem Hof herumsteht, bringt keine Profite. Aber spätestens Munition ist Verbrauchsmaterial.

Systemimmanent ist aber leider ebenfalls der Umstand, dass die Rüstungskonzerne Teil der Gleichgewichtsstrategie sind. Baut der eine, zieht der andere nach. Wird irgendwo etwas entwickelt, was für ein innovatives Waffensystem nützlich ist, wird es aufgekauft und gleichzeitig die Forschung auf der anderen Seite gepusht. Da kann man nicht mal eben aussteigen, ohne sich Beulen einzufangen. Die Jungs aus der Nerd-WG in der Serie Big Bang Theory stehen vor diesem Dilemma, als sie für die NASA ein GPS-System entwickeln und erkennen, dass dieses ebenfalls in Waffensysteme eingebaut werden kann. Ihre Lösung: Wenn bisher kein Terminator aufgekreuzt ist, weil wir den Untergang der Welt eingeleitet haben, ist alles in Ordnung. Nun ja, eben eine Nerd-Rechtfertigung.

Was offiziell an Lieferungen erlaubt ist, richtet sich stets nach der Nützlichkeit eines Staats. Keinesfalls nach ethischen Aspekten. Ressourcen aller Art und Bereitwilligkeit der jeweils vorhandenen Regierung, diese möglichst günstig zu verkaufen, sind die Voraussetzungen für die Bewilligung. Bisweilen geht das schief. Es war keine gute Idee, die Taliban zu fördern und auszubilden, damit sie die russischen Truppen dezimieren. Jedenfalls nicht, wenn man ein paar Jahre später selbst einmarschieren will. Wenn Frau Wagenknecht eine Forderung aufstellt, sollte sie sich gegen alle Waffenlieferungen, jetzt, morgen, für immer aussprechen. Alles andere riecht verdächtig nach Heuchelei.

Für das Individuum bedeutet Krieg immer eine existenzielle Entscheidung. Sartre, als einer der Hauptvertreter des Existenzialismus, schrieb hierzu, dass sich jeder Soldat für oder gegen den Krieg entscheiden könne. Am Ende bliebe ihm immer einen Suizid zu begehen oder zu desertieren. Würden sich alle gegen den Krieg entscheiden, gäbe es keine. Aber so läuft es nun einmal nicht. Jedes Mal auf ein Neues, finden sich genügend, die kämpfen. Und ob es nun nach Russophobie klingt oder nicht, ist mir egal: Ich glaube nicht, dass jemand in die Hände von Truppen der Roten Armee fallen will. Den armen geknechteten Typen, die damals um Berlin herum abgezogen wurden, möchte ich nicht ausgeliefert sein. Wer Full Metal Jacket gesehen hat, weiß, was ich meine. Die Hierarchischen Systeme fordern den Kampf auf Befehl ein. “Stell Dir vor, es ist Krieg, aber keiner geht hin!”, stand in den 80ern auf Hauswänden. Netter Spruch – aber irreal.

Verständnis für Putin

Wer diesem Gemenge an prominenten Protestlern zuhört, stößt häufig auf ein gewisses Verständnis von Putins Handeln. Innerhalb des Systems sah er angeblich sein von ihm angeführtes Russland seitens der NATO bedroht. Na ja, wie wahrscheinlich wäre ein konventionelles Einmarschieren von NATO-Truppen in Russland? Es ist nahezu auszuschließen. Der Neoliberalismus zeigte in der Vergangenheit, wie es läuft. Mittels Wettrüsten, was durch das Dilemma funktioniert, wurde die UdSSR wirtschaftlich an die Wand gedrückt. Spätestens als im Zentrum des Inbegriffs von Kommunismus eine McDonald Filiale eröffnete, war klar, wie es weiter geht. Mit westlicher Dekadenz, Geld und Konsumgier die Roten an die Wand spielen. Solange dies mit einem Staatskapitalismus einherging und alle Oberen genug Geld scheffelten, ging dies auch durch. Wenn alles nach den Regeln der Spitze läuft, gibt es keine Probleme. Auch wenn es nicht hierher gehört, beobachtete ich in diesem Zusammenhang amüsiert den Aufstieg von Gerhard Schröder. Jeder, der auch mal eine Welt außerhalb des gehobenen Bürgertums kennenlernte, hat Biografien erlebt, in denen sich Leute von unten nach oben bugsierten. Ich habe keine Ahnung, wo die irrige Auffassung herrührt, dass sich solche Charaktere daran erinnern, wo sie mal herkamen. Sie tun es durchaus, aber anders, als sich dies einige wünschen. Zwei Typen aus ehemals ärmlichen Verhältnissen kommen nach harten Bandagen-Kämpfen in Luxussuiten an und schlürfen teuren Whisky. Mich wundert nicht, dass Putin und Schröder sich gut verstehen.

Meiner Meinung nach, war die Maidan-Revolution für Leute wie Putin und Konsorten ein nicht hinnehmbares Zeichen, gleichzeitig eine Gefahr für ihren Staatskapitalismus, der nur noch in einem Negligé mit der Aufschrift Kommunismus steckt. Wo landet man, wenn eingesetzte Marionetten einfach abgesetzt werden? Eventuell sogar noch die eine oder andere Sauerei aufgedeckt wird? Was passiert, wenn man an der Stelle Schwäche zeigt? Putins Problem war kein anderes, als die USA jedes Mal in Südamerika bekommen, wenn die Leute mal wieder einen Sozialisten wählen, der nicht geneigt ist, die Marionette zu spielen.
Die Verhältnisse auf der Erde verändern sich. Das 20. Jahrhundert sagt leise adieu. Das Thema USA vs. Sowjetunion, also das bisherige duale System, funktioniert zurzeit nicht mehr. Längst ist China als Dritter im Spiel. Und wenn sich Putin verkalkuliert, macht er Russland zum Vasallen von China. In diversen Ländern zeichnen sich Generationskonflikte ab. Einige Jüngere beginnen am Vorgefundenen zu zweifeln, während die Älteren noch in den alten Mustern hängen. Unübersehbar versammelten sich in Berlin mehrheitlich junge Nostalgiker und Frauen/Männer, die auf die 60 zugehen. Was auch immer Wagenknecht und Lafontaine verbindet, auch er gehört nicht gerade zu den innovativen Ideengebern. Alice Schwarzer ist 80! Ich weiß nicht, wie es um ihre Kenntnisse moderner digitaler Propaganda bestellt ist. Mich stört an den Protagonisten gewaltig, dass es durch die Bank Machtmenschen sind, die Hierarchien toll finden und sich an die Spitze setzen wollen. Wagenknecht ist von je her bekennender DDR-Fan. Eine Kommunistin ganz alter Schule. Hierarchie ist wichtig, jeder hat seinen Platz und seine Aufgabe. Ich kann nachvollziehen, dass ihr das Geschehen in der Ukraine suspekter ist, als das Verhalten Putins. Alice Schwarzer kämpfte zeitlebens für eine Umkehr. Gleichberechtigung wäre gut gewesen, aber sie wollte einen Machtaustausch zugunsten der Frauen. Das ist nochmals was anderes. Ich habe Frauen mit Macht kennengelernt. Meiner Erfahrung nach ist es die gleiche Chose, nur mit Brüsten. Sie kämpft nicht für die Auflösung von Hierarchien, sondern für einen Austausch der Machtpositionen. Grundsätzlich könnte man darüber sprechen. Frei nach dem Motto: Jetzt hatten die Männer lange Zeit Gelegenheit, die Leute herumzukommandieren, jetzt sind mal die Frauen dran. Aber ein Lösungsansatz für unsere Probleme ist das nicht.

Und auch wenn es die Teilnehmer bestreiten: Natürlich waren da teilweise die üblichen Verdächtigen mit auf der Straße. Was ich auch nicht weiter verwunderlich finde. Es gibt nämlich eine ganze Menge Überschneidungen. Die Veränderungen, nicht nur die bereits genannten, erfordern eine bei allen nicht vorhandene Anpassungsfähigkeit. Klima, Ressourcen, veränderte geostrategische Verhältnisse (z.B. ganzjährige Beschiffbarkeit der Nordroute), alternde Industrienationen, Flüchtlingsströme, kulturelle Veränderungen, junge Leute mit anderen Denkstrukturen, maßgeblich auch von der Digitalisierung und dem Internet geprägt, mischen die bisherige Welt auf. Keiner kann wirklich sagen, wo die Reise hingeht, schlicht, weil wir eine solche Lage noch nie hatten.

Tja, und dann spielen ein paar Alte die Spiele, welche sie schon immer spielten und ihre festen Rollen innehaben. Putins Nummer ist typisch 20. Jahrhundert, so wie auch die bisherigen Reaktionen aus dieser Zeit stammen. Kommunisten, Sozialisten, Faschisten, Neoliberale, Nationalisten, selbst die Anhänger des Systems der repräsentativen Demokratien, sind gedanklich alle in lokal eingegrenzten hierarchischen Systemen unterwegs. Internet, Digitalisierung, globale Probleme, sprengen diese Modelle. Weiterhin eint alle, dass sie es sich auf dem erreichten Niveau weiter gut gehen lassen wollen. Statt Arm und Reich zu mitteln und sich auf einen globalen Standard einzupendeln, der in der Mitte liegt, wollen einige die Armen auf das Level der Reichen ziehen. Ob das funktionieren kann? Ich bezweifle es.

Frieden?

Er wird eines Tages, so oder so, wieder eintreten. Und wenn keiner das globale System radikal verändert oder Umstände dazu führen, lässt der nächste Krieg nicht lange auf sich warten. Einen Typen aus dem 20. Jahrhundert, einen Veteranen des Kalten Krieges, mit Mitteln aus dem zurückliegenden Jahrhundert durchkommen zu lassen, halte ich für das falsche Zeichen. Die Diskussion über die Waffenlieferungen sind etwas aberwitzig oder mindestens zu spät. Wozu und wofür wurden denn die Dinger entwickelt, gebaut, getestet? Für eine reine Landesverteidigung des eigenen Landes benötige ich nur ein paar Atombomben. Greifst Du mich an, schicke ich die Dinger ab. Fertig! Nein, das Ziel lautet verkaufen, töten, kaputt machen, noch mehr verkaufen. Vielleicht noch, um in das eine oder andere Land einzumarschieren. Alle Atomstaaten können sich zurücklehnen und sagen: “Was ich auf meinem Territorium veranstalte, geht Euch nichts an. Mischt ihr Euch ein, knallt es.” Wenn, dann hätten sich all die Pazifisten bereits vor Jahrzehnten melden müssen und auf ein Verzicht der Produktion pochen sollen. Sich jetzt hinzustellen und zu sagen: “Upsi, damit kann man ja Menschen töten und verstümmeln!”, ist ein wenig albern. Und ob die nun in der Ukraine zum Einsatz kommen oder woanders, ist doch auch egal. Irgendeiner hat immer Pech. Lustigerweise haben wir die Leopard II Panzer sogar Chile angedreht, die damit nur in wenigen Regionen herumkurven können, weil der Rest aus Gebirge besteht. Rheinmetall schreibt zum Aufrüstungsset Revolution-Pack:

Das veränderte Missionsspektrum der heutigen Streitkräfte hat die Anforderungen an moderne Hauptkampfpanzer drastisch verändert. Es ist klar, dass sie weiterhin eine wichtige Rolle in aktuellen und zukünftigen Konflikten spielen werden. Aber in den allermeisten Fällen wird diese Rolle viel weniger mit der Gewinnung von Panzerschlachten zu tun haben, als mit der Sicherung positiver Ergebnisse in asymmetrischen Szenarien. Indem sie eine massive Kraftprobe produzieren, liefern Panzer eine kompromisslose Botschaft an Freunde und Feinde gleichermaßen und wirken in Konfliktsituationen weltweit als Wendepunkt. Neue Missionen und neue Bedrohungen, gepaart mit der Verfügbarkeit neuer Technologien, treiben den Modernisierungsbedarf. Was Armeen jetzt brauchen, sind effiziente und kostengünstige Lösungen.

https://rheinmetall-defence.com/en/rheinmetall_defence/public_relations/news/detail_1408.php

Asymmetrisch! So, so … mit anderen Worten, eine gut ausgerüstete Armee trifft auf eine militärisch schlecht ausgerüstete Partisanenarmee oder Aufständische. Was haben die bloß alle gegen Putin, wenn er von einer militärischen Operation spricht? In der euphemistischen Sprache der Militärs und Mächtigen gibt es schon länger keine Kriege mehr. Offiziell sind es bewaffnete Konflikte, mit internationaler Beteiligung oder eben jene ohne, früher simpel Bürgerkrieg genannt. Also, alle haben bisher brav dem einträglichen Geschäft zugestimmt und gut davon gelebt. Dass die Dinger nun ihrem Zweck zugeführt werden, ist konsequent. Bestellt und bekommen! Fertig. Im Übrigen wurden die Dinger auch an Staaten wie Qatar, Türkei, ausgeliefert. Die Saudis bekamen keine, weil sie sich nicht mit Israel verstehen. Deshalb mussten die USA in das Geschäft einsteigen und lieferten Abrams.

Doch um all solche Dinge geht es dieser sogenannten neuen Friedensbewegung nicht. Denen passen die Einschränkungen nicht, die sich aus der Solidarität mit der Ukraine ergaben. Putin wird sich denken: “Das war einfach!” Der kennt sich selbst ohne die modernen Möglichkeiten einer Stimmungserhebung, wie sie Geheimdienste regelmäßig durchführen, mit der deutschen Volksseele aus. Kalt? Teurer? Flüchtlinge? Geht gar nicht! Ergebt Euch gefälligst, damit mal wieder Ruhe eintritt. Etwas lächerlich ist die Angst vor einem Angriff auf Deutschland. Sollte es dazu kommen, hat sich alles erledigt. Darüber ist sich selbst Putin im Klaren. Ich hab leicht reden. Denn während ich schreibe, herrschen an meinem Aufenthaltsort über 30 Grad und meine Lebenskosten sind überschaubar.

In der Ferne stelle ich mir die Frage, ob es richtig ist, sich in Putins altes Spiel hineinziehen zu lassen. Und was ist gewonnen, wenn er abgelöst wird und andere weiter machen? Die USA und China suchen sich gerade mal wieder eine Spielwiese. China reibt sich mit Indien. Südostasien muss knirschend hinnehmen, dass die Chinesen in den Hoheitsgebieten der Küstenstaaten herum schippern. Erdogan und Assad machen ohnehin, was sie wollen. Hach, da gibt es soviel und alles ist ziemlich unübersichtlich. Nicht einmal das Wetter spielt noch mit.

Wie kann man alledem entkommen? Vielleicht läuft es bei der Menschheit, wie bei einem harten Alkoholiker. Bevor der nicht seine persönliche Bankrotterklärung erfahren hat, kommt er nicht vom Sprit weg. Allerdings besteht auch die Gefahr, dass er diese nicht überleben wird. Ja, ich glaube, so könnte es laufen. Wir werden so lange weitermachen, bis es auf der absoluten Kippe steht und ob wir es überleben oder nicht, wird von Faktoren entschieden, die sich jenseits unserer Kontrolle befinden.

22 Februar 2023

Deutsche Flüchtlinge

Lesedauer 6 Minuten

” … ich kenne viele, die in den letzten zwei Jahren geflüchtet sind. Einige sogar nach Zypern in den türkischen Teil, weil sie da außerhalb der EU leben können.”

Werner, Deutscher Aussteiger, 58 Jahre, Rheinland-Pfalz

Werner machte vor zwei Jahren alles zu Geld und begab sich auf eine ungewisse Reise. Damit hat er bereits in den 90ern seine Erfahrungen gemacht. Damals fuhr er mit dem Rad von Berlin nach Singapur. Danach arbeitete er in leitender Stellung u.a. in Saudi-Arabien, Singapur, Malaysia, für einen Tech-Riesen. Doch dieses Mal war es nicht die Abenteuerlust, welche ihn antrieb, sondern die Flucht vor allem, was ihn in und an Deutschland stört. Und das ist eine ganze Menge. Vornehmlich geht es um die Pandemie und aller damit in Zusammenhang stehender Maßnahmen. Hierbei wiederum primär um die Impfung. Eben jene trieb seiner Aussage nach viele aus Deutschland weg.

Ich gebe zu, dass ich mich bisher denen anschloss, die Leute mit dieser Haltung nicht unbedingt für die schlauesten halten. Ich traf Werner in einer einfach zusammen gezimmerten Strandbar. Von dort aus kann man mit billigem Bier aus der Dose, untermalt mit Rock-Musik aus den 70ern&80ern den Sonnenuntergang beobachten. Während wir sprachen, kam noch ein weiterer Deutscher, Klaus (62 J.), aus München hinzu. Auch der war, allerdings aus beruflichen Gründen, schon lange nicht mehr in Deutschland. Seiner Erzählung nach war er lange Jahre CEO bei einem Tochterunternehmen von SIEMENS und deshalb viel unterwegs. Als die Pandemie ausbrach, beschloss er, mit seiner malaiischen Frau ein Haus auf der Insel Langkawi zu kaufen. Alles, was er zu sagen hatte, ging in die gleiche Richtung, wie Werners Ausführungen.

Nun, zumindest haben beide so etwas hinter sich, was man in Deutschland allgemein als eine erfolgreiche Biografie bezeichnet. Anders: Sie haben unter Beweis gestellt, dass sie nicht ganz doof sind. Was in mir die Frage aufkommen lässt: Was ist da passiert?

Impfgegner sind keine neue gesellschaftliche Erscheinung. Soweit ich das überblicken kann, ging es damit etwa zum Beginn der 80er los und wurde in den 90ern zu einem Thema innerhalb des gutsituierten Bürgertums. Unübersehbar steht diese Entwicklung im Zusammenhang mit der Renaissance der Homöopathie und diversen sogenannten alternativen Heilmethoden. Während zuvor nur einige Sparten-Verlage gutes Geld mit diversen Publikationen verdienten, ist mit der Digitalisierung eine nie dagewesene Möglichkeit der Verbreitung möglich. Der Szene wurde seitens der Pharmaindustrie in die Hände gespielt. Die Profite sind gigantisch und damit die Verlockung groß, alle erdenklichen Tricks, PR-Strategien, Bestechungen, anzuwenden. Im Gegenzuge wurde das propagandistische Wort “Schulmedizin” geschaffen, der viele skeptisch gegenüber stehen. Wie auch in anderen Bereichen ist ein stark ausgeprägtes Misstrauen entstanden. Staatliche Institutionen, Konzerne, Krankenhäuser, Ärzte, Politiker, stehen unter dem Verdacht, für Profite und Zuwendungen so ziemlich alles zu tun. In einer Art Kollateralschaden wurden die Wissenschaften gleichfalls in Mitleidenschaft gezogen.

Ich denke, bei einer genaueren Analyse müsste man dabei mehrere Aspekte berücksichtigen. Zum einen ist es tatsächlich an dem. Spätestens beim sog. Masken-Deal zeigte sich dies wieder. Ebenso signifikant war die Entwicklung in den Krankenhäusern und bei der Pflege. Allerdings kommt noch die allgegenwärtige Propaganda hinzu. Es gibt kaum noch einen gesellschaftlichen Bereich, innerhalb dessen rational, vernünftig, verständig und logisch argumentiert wird. Dabei besteht der Trend, alle wissenschaftlichen Erkenntnisse, die einen Profit versprechen, zu stützen und alles, was sich eventuell negativ auswirken könnte, mittels Desinformation zu diskreditieren. Und wenn es der politischen Opposition nützlich ist, wird auch noch der übelste Unfug in die Mikrofone gesprochen. Dabei ist es egal, ob eine Maßnahme der amtierenden Regierung angezeigt ist. Hauptsache, man kann ihr wieder die Machtposition abringen, um dann selbst lukrative Pfründe zu erschließen.

Insofern ist es nicht einfach, ein Vertrauen zu entwickeln. Ich war über Jahrzehnte hinweg von Impfgegnern/innen und Heilpraktikern/innen umgeben. Insofern sind mir einige mehr oder weniger wissenschaftliche, oftmals pseudowissenschaftliche, Abhandlungen und Bücher bekannt. Im Prinzip läuft es immer wieder auf den gleichen Fehler hinaus. Auf Basis einer falschen Prämisse wird ein komplettes in sich selbst logisches, dennoch falsches, Konstrukt erzeugt. Zum Beispiel kam einst der Begründer der Homöopathie zur Auffassung, dass seine selbst erzeugten Tinkturen heilen würden, weil seine Patienten im Gegensatz zu denen, die zu anderen Ärzten gingen, nicht starben. Doch dies spielte sich in einer Zeit ab, zu der es besser war, keinen Arzt aufzusuchen, als sich den oftmals brutalen Behandlungen zu unterziehen. Dadurch, dass er selbst ihnen wirkungslose Wässerchen verabreichte, rettete er ihnen das Leben. Ich denke, moderne Impfgegner, Corona-Leugner, sind häufig niemals so tief in die Materie eingestiegen. Sie waren bereits zuvor nicht mehr bereit, die allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen zu akzeptieren. Ich stimme zu, wenn jemand den Zirkus nicht verstehen kann, den diverse Leute um die eigene Gesundheit und die ihrer Kinder veranstalten. Doch hieraus zu schließen, dass dies bei Corona analog läuft, ist schlicht falsch. Ebenfalls falsch ist die Schlussfolgerung bezüglich der Virologen, der nach diese, mal solche und dann wieder andere Empfehlungen aussprachen, insofern Blödsinn von sich gaben. Nein, dies ist schlicht eine wissenschaftliche Vorgehensweise, mit der große Teile der Bevölkerung nichts anfangen können. Annahme, These, überprüfen, ob sie entweder falsch oder richtig ist, im Anschluss mit den ermittelten Richtigen weitermachen.

Bezüglich der Impfschäden ist mir persönlich eins suspekt. Kontakte von Aliens mit Erdbewohnern finden meistens ausgerechnet in den USA statt und auch nahezu ausschließlich dort, berichten Betroffene mit voller Überzeugung von rektalen Untersuchungen, die die Aliens bei ihnen vornahmen. Gegen Corona wurden zig Millionen Impfdosen gespritzt und nahezu ausschließlich in den entwickelten Industrieländern, klagen Leute öffentlichkeitswirksam über Impfschäden. Seltsam!

Wie auch immer, bezüglich der “Flüchtlinge” lassen sich auch einige auffällige Gemeinsamkeiten erkennen. Nahezu alle stammen aus dem etablierten, gut versorgten Bürgertum. Und sie alle haben einen Pass in der Tasche, der ihnen weltweit eine problemlose Einreise in die meisten Staaten ermöglicht. Allerdings bietet kaum ein Staat die Handlungsfreiheit, wie sie in Deutschland gegeben ist. Doch dieses ist den Leuten egal. Weder interessiert sie in Thailand das Gebaren des Königs, noch die Eigenarten des islamischen Rechts in Malaysia oder die Armut in vielen der von ihnen aufgesuchten Staaten. Politische Beteiligung, Teilhabe an der Gesellschaftsgestaltung, soziales Engagement u.ä., waren für sie in Deutschland auch kein Thema. Soziale Themen würden sie erst dann interessieren, wenn sie selbst betroffen sind. Bis dahin befinden sie sich auf dem Thron, von dem aus sie behaupten, alles richtig gemacht zu haben, während die armen Schlucker schlicht zu dumm waren. Grundsätzlich bin ich ohnehin sehr vorsichtig mit dem Urteil über Intelligenz. Nach einer alten Betrachtung, ich glaube, es war Alexander von Humboldt, sind wir Menschen eins der wenigen Wesen, welches nicht hochkomplexe Werkzeuge der Natur und von ihr bestimmt sind, sondern eigene Entscheidungen treffen können. Und darüber hinaus befähigt sind, dieses bewusste Handeln mit einer Sprache zu begründen.
Darum geht es: Wie kam deren Entscheidung zustande und welche Bedingungen mussten vorhanden sein, damit sie ihr auch Taten folgen lassen konnten? Ganz entgegengesetzt zu deren eigener Auffassung, ist ihre Entscheidung sich aus Deutschland herauszubewegen, die kognitive Fähigkeit zu besitzen, die notwendigen Mittel zu besitzen und in zig Länder einreisen zu können: Freiheit! Eine, die auf diesem Planeten nur wenige Menschen innehaben. Auch die Entscheidung, wem sie Glauben schenken, ist frei gewesen. Nicht zu übersehen ist auch die Wahlmöglichkeit. In diversen anderen Ländern konnten sich die Menschen mangels medizinischer Versorgung keine Impfung leisten. Ich für meinen Teil habe meinem Arzt, der Naturwissenschaft und der medizinischen Forschung vertraut. Des Weiteren setzte ich auf die Logik. Wenn erstmals in der Geschichte weltweit millionenfach geimpft werden und sich die Nebenwirkungen bei der eindeutigen Mehrheit in Grenzen halten, genügt mir dieses vollauf. Nicht denken zu können ist etwas anderes, als es nicht zu tun. Erneut eine Entscheidung!

Wer sich dazu entscheidet, ausschließlich an sich selbst zu denken, oder stets an der Oberfläche, dem rein Praktischen bzw. dem Konsum, zu bleiben, kann dies tun. Für mich ist dies kein menschliches Leben. Zumindest kein vollständiges, in dem alle Möglichkeiten ausgereizt werden.

All dies zusammen führte beim Sonnenuntergang zu einer seltsamen Konstellation. Ich sehe mich nicht als jemanden, der auf der Flucht ist, aber ich bin nicht undankbar für einen Abstand von diversen Bevölkerungsteilen in Deutschland. Unter anderen genau von jenen, die sich als Flüchtlinge aus Deutschland sehen, weil alles so schlimm geworden ist. Ich war klug genug, nur zuzuhören. Selbstverständlich kam auch das Thema Ausländerpolitik zur Sprache. Wobei da der Bayer eine überraschend vernünftig klingende Aussage machte: “Wenn Deutschland weiterhin hoch qualifizierte ausländische Arbeitskräfte so mies behandelt, wird es bald sehr dunkel. Wer sich z.B. zum Studium nach Frankreich, England oder in die nordischen Staaten begibt, erhält dort jede Menge Unterstützung. In Deutschland bekommen sie nur den Weg zur Ausländerbehörde beschrieben.” Zumindest teilweise stimme ich ihm zu. Allerdings finde ich, dass wir die anderen, also die nicht studierenden Ausländer auch nicht gerade zuvorkommend behandeln. Doch gleichfalls bin ich gerade nicht in Malaysia, weil die hier eine besonders gute Lösung fanden. Ganz im Gegenteil! Und nach allem, was ich hier so mitbekomme, sind die hier in Sachen Bürokratie mit Deutschland auf Augenhöhe. Aber die Korruption ist noch offensichtlicher und macht die Bürokratie gegen Geld einfacher. Gegen die passende Zahlung kann man sich hier fast alles erlauben. Wer kein Geld hat, steht vor schwer überwindbaren Problemen.

Hier auf der Insel gibt es eine Menge Einheimische, die im Verhalten sehr den beschriebenen Deutschen ähneln. Fürsorge, Mitverantwortung, soziale Hilfe, die über die Familie hinaus geht, bleibt allzu häufig auf der Strecke. Unter der Oberfläche findet ein ziemliches Hauen und Stechen statt. Teilweise ist dies sicherlich der Armut geschuldet. Wer einen Fehler macht, ist selbst schuld. Und vor allem muss jeder sehen, wo sie/er bleibt. Ich weiß nicht, ob dies immer der Fall war oder dies auch ein wenig mit den Veränderungen zu tun hat, die der Tourismus mit sich brachte. Seitens der offiziellen Behörden haben die Leute wenig zu erwarten. Aber wie gesagt: Wer keine Fragen stellt, bekommt keine Antworten und wer nichts infrage stellt, kriegt auch keine Probleme. Damit befinden sich die deutschen Flüchtlinge, wenn man sie dann mit dieser Bezeichnung durchkommen lässt, wieder auf der sicheren Seite. Schwierig wird es erst, wenn sie kein Geld mehr haben, aber dann springt die deutsche Sozial-Gemeinschaft für sie ein. Beim Bayern wird dies kein Problem sein, bei dem Radfahrer bin ich mir nicht sicher.

18 Februar 2023

Jetpack stellt Fragen

Lesedauer 2 Minuten

Bist du patriotisch? Was bedeutet es für dich, patriotisch zu sein?

Bin ich es? Nein. Wenn überhaupt, wurde ich in ein regional geltendes System hineingeboren, welches auf einem völkerrechtlich anerkannten Gebiet vor meiner Zeit installiert wurde. Diesbezüglich hatte ich keine Wahl. Stets auf ein Neues, schaue ich es mir genau an und bilde mir eine Meinung, wie gut oder schlecht es funktioniert. Im Ergebnis hat das nach 1945 installierte Gesellschaftssystem basierend auf dem Grundgesetz, Vor- und Nachteile. Es ist anfällig und entfernt sich durch wirtschaftliche Prozesse im weiter von dem, was der demokratische Urgedanke war. Andererseits steht es jedem frei, dies zu äußern und kritisch zu kommentieren, ohne in den Bereich staatlicher Sanktionen zu kommen. Einher mit diesen ökonomischen Interessen geht eine allumfassende Propaganda, ökonomisch als auch politisch. Und bereits Platon stellte fest, dass die Demokratie stets die Gefahr mit sich bringt, dass sie von Demagogen missbraucht wird.

Das häufig zu hörende Argument lautet: In anderen Staaten sieht es schlechter aus bzw. von den nicht perfekten Systemen, ist Deutschland immer noch das Beste. Nun, fraglich ist, was die Leute daraus machen. Jemanden demokratische Rechte und Freiheit einzuräumen, sagt nichts über die Nutzung aus. Zumal es offen gezeigte staatliche Autorität gibt und eine versteckte, indirekt wirkende, welche sich aus gesellschaftlichen Strukturen ergibt. Letztens sagte ein Schwede zu mir: „Die besten Deutschen lernt man außerhalb Deutschlands kennen!“ Ein bedenkenswertes Statement.

Selbstverständlich geht an niemanden die Sozialisation in Deutschland vorbei. Die Kunst besteht in der Reflexion, was daran erstrebenswert ist und was man sich besser wieder abgewöhnt. Nein, Patriotismus ist dies alles nicht. Ich folge ethischen Vorstellungen, eine Art Kompass durchs Leben. Einiges ist in Deutschland verwirklicht. Aber das gilt auch für andere Staaten. Staaten sind künstliche, vom Großhirn erdachte Gebilde. Sie sind auf die gesamte Geschichte der Menschheit betrachtet, temporäre Erscheinungen, die wieder verschwinden werden. So wie zuvor, Horden, Sippen, Stadtstaaten, König- u. Kaiserreiche verschwanden. Sie sind die aktuelle Realität, aber nicht das Ideal.

6 Februar 2023

Allen oder keinem!

Lesedauer 2 Minuten

Ich sehe diesen Mann quasi jeden Tag. Entweder wir laufen uns Morgens bei meinem täglichen Local-Coffee, Kopi, über den Weg oder ich komme an seinem kleinen Schmuckladen vorbei. Laden ist ein wenig übertrieben. Es ist mehr ein kleines Kabuff, in welches gerade einmal ein Stuhl und ein an die Wand geschraubtes Brett passen. Sein Alter ist schwer zu schätzen. Ich denke, er ist knapp über 60. Manchmal setze ich mich an den Tisch zu den Einheimischen. Meistens sitzen dort ein Musiker, er, ab und zu ein Typ, den keiner leiden kann. Dies liegt daran, dass er den Touristen immer erklärt, wie viel besser es doch in Thailand wäre. Heute erzählte er mir eine Geschichte, die mich zum Nachdenken anregte. Irgendwann in den 80ern kamen die ersten Touristen nach Langkawi. Zu meinem Amüsement beschrieb er sie, in dem er mit der Hand das alte Zeichen für Peace ☮ formte. Sein rundes, braunes, verwittertes Gesicht zeigte dabei einen Anflug von Verachtung. Aber keine bösartige, sondern mehr dieses: “Du weißt schon, solche Typen!”

Unter ihnen befand sich eine Britin. Sie erzählte stolz, dass sie sich in Laos 2 Monate lang um ein armes Kind vom Volk der Hmong kümmerte. Jeden Tag gab es ihm Essen, kaufte neue Kleidung und unterrichtete es in Mathematik und Englisch. Doch dann lief ihr Visum ab. Sie zog weiter und landete auf Langkawi. “Stell Dir vor, was Sie getan hat. Das Kind, ein kleiner Junge, viel zu jung, um etwas über die Welt zu wissen, lernte einen Menschen kennen, der ihm einen Monat lang ein anderes Leben zeigte. Nur um dann wieder zu verschwinden. Damit half sie nicht, sondern zerstörte das Kind! So etwas darf man nicht tun. Wenn sie in der Zeit mehreren Kindern geholfen hätte, wäre das etwas anderes gewesen. Dann entsteht keine Beziehung. Wenn, dann musst Du allen ein wenig Hilfe zukommen lassen. Wie soll das Kind verstehen, dass es nicht schuld daran ist? Es weiß nichts von Regierungen, Grenzen, Visa, und all diesen Dingen.” Während er sprach, wechselte sein Gesichtsausdruck. Die Erinnerung ließ es verfinstern. Wahrscheinlich kann ich mir etwas darauf einbilden, dass er mir die Geschichte erzählte.

Ja, diese Sorte Mensch hat keine Exit-Strategie. Sie halten sich für Philanthropen und denken, ihr Handeln wäre altruistisch. Dabei handeln sie zutiefst egoistisch. Für einen Monat wollen sie sich gut fühlen. Ihre Hilfe dient der Selbstbefriedigung. Ganz abgesehen davon, halte ich Altruismus immer für eine Lüge. Wir wollen uns gut fühlen und in der DNA des Menschen ist festgelegt, dass dies am ehesten darüber funktioniert, wenn wir als soziale Wesen einem anderen helfen. Im Prinzip ist das nichts anderes, als die Affen, die sich gegenseitig von Parasiten befreien. Also ist es ein Geben und Nehmen. Und im Fall der privilegierten Britin, mehr ein Nehmen, denn ein Geben.

Von der Britin schwenkte er um auf die wachsende Zahl der Hunde. “Das ist die gleiche Nummer. Sie kommen hierher, mieten ein Haus, sind ein halbes Jahr hier, machen auf Love & Peace, ängstigen sich und legen sich einen Hund zu. Dann verschwinden sie wieder und der Hund verwildert. Der Hund hat sich nicht ausgesucht hier zu leben oder gar geboren zu werden. Das ist nicht gut.” Mit diesen Worten stand er abrupt auf und ging.

Ich werde ihn heute Abend wiedersehen, weil ich bei ihm einen neuen Gürtel bestellt habe. Ich weiß mittlerweile, dass er selbst jahrelang Obdachlose in Indien unterstützte. Aber in einer anderen Art und Weise. Faszinierend ist dabei, dass er selbst kaum etwas besitzt. Es tut gut, wieder der Menschlichkeit zu begegnen.

2 Februar 2023

Wieder unterwegs …

Lesedauer 2 Minuten

Vielleicht sollte ich besser sagen: Erst einmal wieder im Warmen und auf der Insel. So weit wie es mein hiesiger Bekannter “Mahdi” oder Danny, die Texanerin, “zurück in einer von mehreren Heimaten”, würde ich es nicht treiben wollen.

Die Anreise war erwartungsgemäß anstrengend. Normal kann ich einfach nicht. Mit Scoot, ging es über Singapore nach Kuala Lumpur. Tipp meinerseits: Vergesst die teure Zubuchung des Essens. Das Zeug war nicht einmal einen EURO wert. Der nächste Fehler war die Buchung eines Transfers vom Flughafen zum Hotel. Das funktioniert über WhatsApp und dies wiederum bekanntlich über mobile Daten. Jene hat man ohne Roaming innerhalb des Free-WiFi innerhalb des Flughafens, aber nicht außerhalb. Irgendwie fand ich den Fahrer dennoch. Doch dies hätte ich mir alles sparen können.

Wer in die Lage kommt: Entspannt ankommen, den nächsten Stand eines Mobilfunkanbieters aufsuchen, 8 EUR für einen Monat Internet ohne Limit, die Karte ins Telefon schieben, die APP GRAB installieren und für vielleicht 10 EUR eine Fahrt zum Hotel ordern.
Zu meiner Überraschung hatte ich exakt das gleiche Zimmer im gleichen Hotel wie vor einigen Jahren gebucht. Hotel City Sentraal kann ich empfehlen. Es befindet sich unmittelbar an der Bahnstation im Brickfield District, dem indischen Viertel. Unweit des Hotels kann man im Banana Leaf für 10 RM (2 EUR) vom indischen Buffet essen. Allerdings ist dies nichts für empfindliche Deutsche. Der Typ am Tresen pult mit bloßen Händen schon mal an einem Ei herum und holt so auch den Sticky Reis heraus. Aber Chili desinfiziert bekanntlich alles und davon ist ordentlich etwas dran. Danach lieferte ich mir in einer Bar mit drei erlebnisorientierten Indern eine Diskussion über die Qualität der Musik von den Arctic Monkeys und Arcade Fire. Die Jungs waren der Meinung, mich mittels Wodka vom letzten Arcade Fire Album überzeugen zu müssen. Nun ja, Berliner und Asiaten beim Wodka hatte ich schon einige Male. Das Ergebnis ist immer das Gleiche.

Am Folgetag wollte ich mit Zug nach Alor Setar fahren, um von dort aus mit der Fähre nach Langkawi überzusetzen. Doch alle Züge waren ausgebucht. Also blieben 7 Stunden Busfahrt nach Kuala Perlis. Eine Stadt, die man meiden sollte. Bevölkert wird sie von einer orthodoxen, muslimischen Gemeinde und einigen Chinesen. Letztere waren mit dem Abschluss ihres Neujahrsfestes beschäftigt und die anderen verkaufen kein Bier. Das Hotel pries das Zimmer mit einem besonderen Ausblick an. Wenn eine Trafo-Station neuerdings eine Besonderheit darstellt, passt es. OK, für 12 EUR darf man nicht meckern. Das Bett war sauber, die Klima-Anlage funktionierte, während die Dusche eher ein Rinnsal war.

Geschafft

Am Ende ging alles gut. Nach der Anreise war es ein gutes Gefühl, sich auf Langkawi auszukennen. Corona hat unter den Geschäften gewütet. Viele mussten aufgeben. Aber einige haben einen Neustart gemacht. Leider mussten auch einige ihr Leben lassen. Weniger wegen Corona an sich, sondern wegen der Bekämpfungsmaßnahmen. Hier ticken die Uhren anders. Ohne Rücklagen und soziale Absicherung wurde es eng. Aber es freute mich, dass gerade diejenigen, welche mir vor 1 1/2 Jahren Sorgen bereiteten und denen ich immer mal wieder etwas zusteckte, durchgekommen sind.

Der erste Abend war von Wiedersehen geprägt. Alte Stelle, alter Platz und die alten Chaoten. Mobil-Roy, Mahdi, Y, und wie sie alle heißen. Viele Pläne wurden geschmiedet und es gab auch den einen oder anderen interessanten neuen Gast. Aber die sind mir einen weiteren Beitrag wert.

Zusammenfassung der Tipps

  • Mobil Telefon mit Dual SIM
  • Zügig inländische Karte besorgen
  • GRAB installieren
  • WhatsApp installieren. SIGNAL, THREEMA kennt kaum jemand
  • Fähre nach Langkawi ONLINE buchen. Die Menüführung auf der Seite ist grauslich, aber man kommt kaum daran vorbei. Den Stress am Counter will man sich nicht antun. Zurzeit fährt die Fähre nur 3x am Tag. Wenn man sie verpasst: Direkt neben dem Terminal befindet sich ein Hotel. Eine Übernachtung liegt bei 20 EUR. Man spart sich den Weg zum Terminal und, wie in meinem Fall, um 05:00 Uhr einen GRAB-Fahrer zu bekommen ist aussichtslos.
  • Erste Location Langkawi: Kommt darauf an, was man haben will. Individualreisender, anspruchslos, Backpacker, Traveller, Hippies, Cenang Beach letztes Ende. Hostels gibt es ohne Ende. Die alleinreisenden Männer, britische Ehepaare, europäischen Rentner, sammeln sich derzeit Pantai Tengha. Dort kann ich wärmstens die Bar “The Nest” empfehlen. Hinter dem Tresen steht Danny, eine auf Langkawi hängen gebliebene Texanerin.
    Wer mich sucht: An der Mobil Bar am Strand nach “Andrrreas” fragen. Der Ex-Cop. Dann wissen die, wer gemeint ist. 😉
13 Januar 2023

Lützerath – Update

Lesedauer 6 Minuten

WELT: Was machen wir mit schwer integrierbaren Jugendlichen aus biodeutschen Akademiker-Haushalten, die in Lützerath gerade zeigen, wie sehr sie den Rechtsstaat verachten?

Frédéric Schwilden, die Welt, interviewt Thomas Heilmann, Chef der Klima-Union

Ja, die Frage ist provokativ gemeint. Dennoch zeigt sie, wie die WELT, für mich das Propaganda-Blatt der CDU, ans Thema herangeht. Ich sehe mich nicht als schwer integrierbaren Jugendlichen und ich verachte auch nicht den Rechtsstaat. Letzterer Begriff kennzeichnet das Konzept, in dem jedes staatliche Handeln auf einem regulär zustande gekommenen Gesetz basieren muss. Alles andere wäre Willkür und unzulässig. Soviel erst einmal zu Legaldefinitionen.

Vor einigen Stunden ließ die NRW-Landtagsabgeordnete Antje Grothus die Bombe platzen. RWE besitzt gar nicht alle Grundstücke jenseits von Lützerath. Wenn es für den Konzern schlecht läuft, ist es nach einigen Metern vorbei mit dem Baggern. Und noch ein weiterer Skandal kündigt sich an. Auf dem umkämpften Gelände tauchten geländefähige Transporter des Konzerns auf, mit denen Festgenommene abtransportiert wurden. Bei Twitter antwortete hierzu der Account RWE Media Relations Team:

Verwaltungshilfe! Dieser Begriff ist Behörden vorbehalten und hat nichts mit einem Konzern zu tun. Ich finde dies sehr wohl spannend. Zeigt es doch, wie das Selbstbild der RWE Mitarbeiter aussieht. Fakt ist: Die Polizei nimmt die Logistik eines Interessenträgers in Anspruch. Sie kann im Notfall bei der Gefahrenabwehr einen Unbeteiligten in Anspruch nehmen. Doch im konkreten Fall handelt es sich um einen geplanten Einsatz, bei dem entweder die eigenen Ressourcen bereitgestellt werden oder benachbarte Behörden (z.B. Bundeswehr) um Amtshilfe zu bitten sind. Hierzu mal ein Beispiel. Mir wurde bei einem Falschgeldverfahren seitens des Secret Service ein unterstützender Geldbetrag zum Ankauf von “Blüten” angeboten, da sie auch an den Dollar-Noten interessiert waren. Die Berliner Polizeibehörde lehnte ab, weil sich hier die Möglichkeit einer unerlaubten Vorteilsannahme zeigte. Wenn gar nichts geht, kann passendes Material gekauft oder gemietet werden. Doch dann grundsätzlich über eine Ausschreibung, es sei denn, die zeitliche Dringlichkeit gebietet eine sofortige Entscheidung. Die ist keinesfalls gegeben.

Zu diesem Thema antwortete RWE:

Konjunktiv!? Nein, keinesfalls! Die Kosten müssen in Rechnung gestellt werden, sonst handelt es sich um einen eindeutigen Verstoß. Aber günstigerweise war an dem Thread auch ein investigativer Journalist beteiligt.

Thorbi M. scheint da andere profunde Rechtskenntnisse zu besitzen. Nun gut, der junge Mann, Thorben Meier, ist ein kleines Licht aus Steinheim und hat nicht sonderlich viel zu melden. Aber es ist immer wieder beeindruckend, mit welcher Chuzpe die Leute von der JU unterwegs sind. Früh übt sich. Eric Beres ist da schon eine andere Hausnummer. Mal schauen, was daraus wird.

Für mich stinkt das alles mächtig gen Himmel. Mir fehlt die Sach- und Fachkenntnis, inwiefern die vorhandene Braunkohle wirklich unabdingbar notwendig ist. Hierzu gibt es unterschiedliche Quellen. Richtig daran glauben kann ich nicht. Vor allem erscheint mir der Preis in jeder Hinsicht zu hoch. Robert Habeck kann bekanntlich reden wie ein Buch. Aber irgendwann gehen ihm auch die Optionen der Verwässerung dessen aus, was jeder sehen kann. Der ehemalige Ministerpräsident Laschet twitterte:

Das politische Parkett ist glatt und eloquent. Der Tweet ist ein ausgestreckter Mittelfinger in Richtung Habeck. Einer der auszog und es dem politischen Establishment zeigen wollte, um dann festzustellen, dass die Regeln andere festlegen. Oder wie ich es selbst in einem Tweet drastisch beschrieb: Die GRÜNEN in NRW benehmen sich teilweise gerade wie Nonnen, die nach dem Kontakt mit dem Teufel und seinen Versprechungen vom Glauben abfielen, und sich deshalb auf Rastplätzen in Wohnmobilen prostituieren.

Ich weiß immer nicht, was die alle immer mit dem Begriff “Ideologie” negatives verbinden. Wenn meine politische Haltung nicht beliebig sein soll, muss es für mich einige feste Grundsätze geben, bei denen ich keine Kompromisse eingehe. Politik ist kein Business. Jedenfalls nicht nach meinem Verständnis. Komme ich an einen Punkt, an dem ich merke, dass mir die Felle wegschwimmen und ich mich selbst verraten muss, ist es an der Zeit, die Reißleine zu ziehen. Ansonsten werde ich zum Werkzeug. Im konkreten Fall das der Konzerne. Aber ich bin Realist. Parteien sind zu Firmen verkommen, die Geschäfte in die Wege leiten und eine erhebliche Personaldecke, Zulieferer, finanzieren.

Schwer integrierbar? Beziehe ich die Frage auf mich, fordere ich eine Konkretisierung ein. Wo genau hinein soll ich mich integrieren? Ich wurde sozialisiert. Bei mir bedeutet dies, dass ich mit anderen Menschen gut und erfolgreich auskomme. Nicht mit allen, aber das ist auch nicht notwendig. Integriert wurde ich in ein nicht mehr existierendes gesellschaftliches Konzept. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob es nicht schon damals eine Illusion war. Einige dienstliche Erfahrungen und Einblicke, geben dazu Anlass. Deshalb stutzte ich auch ein wenig bei den Aussagen der bereits erwähnten Antje Grothus. Zwischen den Zeilen sagte sie mehr. Seitens des Konzerns und der dazugehörenden Lobbyisten muss erheblicher Druck aufgebaut worden sein. Ich hab da so meine eigenen Vorstellungen. Aber eine alte Regel bei Ermittlungen im OK – Bereich besagt: Der kennt den, ist nicht strafbar. Vor Gericht zählen nur Fakten.

Bin ich integrationsfähig in das sich immer mehr abzeichnende Geschehen? Eher, nicht. Ich befürchte, dass eine neue Generation junger Polizisten und Polizistinnen verheizt wird. Die Auseinandersetzungen werden noch eine Weile andauern. Alles, was die da jetzt mitnehmen, speichert sich ab. Im Verlauf der Jahre wird es immer mehr. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob man einem echten Straftäter gegenüber steht oder harmlose Mitbürger, die teilweise Mutter oder Vater sein könnten, aus einer Blockade entfernen soll. Es hallt über Jahre nach, wenn die einen als Büttel bezeichnen. Jetzt, Morgen, Übermorgen, merken die das noch nicht. Aber der Tag wird kommen. Ich sehe es auch kommen, dass die Lützerath räumen, mit erheblichem Aufwand verteidigen, nur damit RWE nach absehbarer Zeit feststellt: April, April, wir baggern doch nicht alles weg, war doch nicht so wichtig. Wichtig war uns die Durchsetzung, damit dies für die Zukunft geklärt ist. Und dann? Dafür all die Einsatzstunden, weg von der Freundin, Freund, Familie? Hierfür all die Diskussionen im Freundeskreis? All die Leute, die sich nach und nach von einem abwendeten? Wie lächerlich fühlt man sich nachträglich?

Nancy Faeser, die amtierende Innenministerin, verurteilte die von den Aktivisten ausgehende Gewalt gegen die eingesetzte Polizei. Oh, da hatte ich einen kräftigen Fluch auf den Lippen. Wer hat denn die Frauen und Männer ins Rennen geschickt? Allein die Art der Räumung ist bezeichnend. Wer erzeugt denn den zeitlichen Druck? Die Polizei könnte genauso gut ganz gemächlich räumen. All die Blockaden könnte man umstellen und warten, bis die aufgeben. Hunger, Durst, kalt, Pippi machen! Das kann dauern. Na, und? Beamte bekommen ihr Geld nicht nach Stunden, sondern monatlich im Voraus bezahlt. Das funktioniert natürlich nicht, wenn ich die Interessen meiner Kumpels vom Konzern, den Aktionären, vor Augen habe. In Lützerath finden alt bekannte Rituale statt. Da steht eine Menschenmenge und mehr oder weniger unmotiviert rennt eine Gruppe darauf zu und greift sich eine oder einen. Solange, bis die richtig sauer werden. Dann kommt die Stunde derjenigen, welche in ihrer inneren Entwicklung schon einen Schritt weiter sind. Bisher zeigten die sich kaum. Was in den Videos zu sehen war, ist für erfahrene Polizisten ein Kindergeburtstag. Was nicht bedeutet, dass die nicht noch kommen. Ich lieferte mir im Laufe meines Lebens einige Diskussionen. Da kommt immer ein Argument. Wer hat denn angefangen? Bei Autonomen ist die Frage leicht zu beantworten. In der Regel gehen die in die Vorlage. Das gehört zu ihrem Konzept. Die gehen so lange vorwärts, bis sie gestoppt werden. Aber bei Ereignissen, wie in Lützerath, kann dies nicht einfach beantwortet werden.

Die Gesellschaft formt die Menschen. Und man darf sich fragen, wohin sie derzeit die jungen engagierten Leute, größtenteils unsere Kinder, formt. Dort der Staat, gelenkt von der Wirtschaft und hier Du! Freunde Dich damit an. Ist dies die Sozialisierung, die der Gesellschaft vorschwebt? Bei einigen wird dies nicht funktionieren und ich schätze, es werden immer mehr – besonders aus den in der Ausgangsfrage geschmähten biodeutschen Akademiker-Haushalten. Jenseits der Volksschullehrervorstellungen aus den 50ern, die der Vorsitzende der CDU Friedrich Merz in Talk-Shows propagiert, lernten die zu Hause etwas anderes.
Es ist bedauerlich, dass sich die kritischen Teile meiner Generation zu wenig um Partei-Karrieren kümmerten. Womöglich auch, weil wir nicht die notwendigen Eigenschaften mitbrachten, um dort erfolgreich zu sein. Die hatte zur Folge, dass wir nun mit denen leben müssen, die die passenden Talente aufweisen. Doch möglicherweise sind unsere Kinder, die verzögerte Reaktion. Es tut mir nicht wirklich leid, dass sie die Ordnung der alten weißen Männer, Charaktere wie Merz, Dobrindt, Söder, Lindner, ablehnen und sich auch nicht von denen veralbern lassen, die sich beim Weg nach oben selbst verrieten. Hans-Georg Maaßen jammert bei Twitter herum, dass in Lützerath die gleichen Leute in Erscheinung treten, die dem Land mit Zuwanderung, anderen Umgang mit neuen Mitbürgern, Empathie für Flüchtlinge, Ablehnung der bisherigen Gesellschaft, ein neues Gesicht geben wollen. Gut, so! Schlimm genug, dass dieser die Konzepte der Neuen Rechten, à la Armin Mohler, vertretende Mann, den BfV leitete. Alles, was ihm zuwider ist, klingt für mich erstrebenswert. Er sollte sich auf sein Altenteil zurückziehen und sich Büchern von Ernst Jünger widmen oder mit seinen rechtspopulistischen Kumpels ein Bier trinken gehen. Seine Funktion in der Gemeinschaft der Neuen Rechten, Werteunion, beschränkte sich ohnehin auf Wasserträger-Aufgaben.

11 Januar 2023

Lützerath, ein aussichtsloses Scharmützel

climate sign outside blur Lesedauer 6 Minuten

Die Welt ist am Ende
Kurz vorm Kollaps
Alle wissen Bescheid
Nützt aber nix
Wir machen immer weiter
Willenlose Junkies
Therapie is nich
Der Arzt ist ‘n Dealer

Knorkator

Immer mal wieder ist zu lesen, dass die in den 90ern von der SPD Landesregierung getroffenen Entscheidungen halt dem Stand des Wissens entsprachen, nunmehr als hinfällig zu sehen sind. Diese Prämisse halte ich persönlich bereits für falsch. Bereits zu dieser Zeit wusste man über den Klimawandel und das CO₂ – Problem bestens Bescheid. Zumal nicht nur das CO₂ eins darstellte, sondern der Tagebau noch viel mehr irreparable, katastrophale Schäden zur Folge hat. Es wurde eine Abwägung vorgenommen. Energie, Arbeitsplätze, Interessen der Aktionäre, Geld für das Land und auf der anderen Seite die Ökologie. Wie immer verlor die Ökologie, weil die anderen Aspekte für höherwertig erachtet wurden.

Geht es um die Ökologie, ist in einem industrialisierten Wohlstaatsland der Stress vorprogrammiert. Im Wesentlichen existieren zwei Konfliktteilnehmer. Da sind diejenigen, welche den Standpunkt vertreten, dass zum Vorteil des Menschen alles Notwendige unternommen werden darf, auch wenn dabei massive Schäden für Flora, Fauna und Klima entstehen. Begleitet wird diese Haltung von der Hybris, dass die entstandenen Schäden mittels Renaturierung und technischen Innovationen rückgängig bzw. die Folgen für den Menschen erträglich gemacht werden können. Dieser wird von der Mehrheit eingenommen. Nicht immer so klar ausgedrückt, weil diese Leute alles Mögliche anstellen, um ihr Gewissen zu beruhigen. Sie wissen instinktiv genau, wo dieser Weg hinführt. Aber sie ängstigen sich noch viel mehr vor einer Welt, in der die industrialisierten Staaten nicht mehr sind, was sie derzeit darstellen.
Ich denke, die meisten, welche echte Entscheidungsgewalt innehaben, leben gedanklich längst in einer Zukunft, in der sich die Menschen mit einem zerstörten Planeten arrangiert haben. Einen Ausblick verschafft ein Bauvorhaben in Saudi-Arabien, genannt “The Line”. Eine Mega-Stadt in der Wüste, durch und durch menschlich konstruiert, einem Biosphärenreservat ähnlich. Etwa vor einem Jahr bekam ich hierzu bei Twitter ständig Werbung eingespielt. Ich sah mir die Seite an und dachte erst an eine Fantasterei aus einem PC – Spiel. Nein, die meinen das ernst und haben bereits mit dem Bau begonnen. Eine Frage stellt sich sofort. Wer darf am Ende in solchen Städten leben und wer muss draußen bleiben?
Mit unseren jetzigen Vorstellungen von Leben, Natur, dem Planeten Erde, hat dies alles nichts mehr zu tun. Vielleicht ist Star Wars und Star Trek irreal, weil es vermutlich nie möglich sein wird, interstellar zu reisen. Was uns aber nicht daran hindert, die Erde selbst in einen anderen Planeten zu verwandeln, auf dem all die Dystopien gelebt werden. Vormals hatte der Planet lebensfeindliche Zonen, in der es Menschen dennoch schafften zu überleben und in Zukunft wird die Erde halt zu einem eigentlich unbewohnbaren Planeten, auf dem einige mittels Erfindungsgeist dennoch leben können.

Auf der anderen Seite stehen jene, welche sich mehr vor dem ängstigen, was mit Sicherheit eintreten wird, wenn der Prozess nicht gestoppt wird. Kleinlich halten sie an einem planetaren Zustand fest, der die Entwicklung des Menschen und aller anderen Lebewesen möglich machte. Im gewissen Sinne sind sie radikale Konservative. Doch bleibt das weltumspannende Konzept bestehen, besteht keine Chance, den Konflikt für sich zu entscheiden. Das Festhalten am natürlichen System ist sympathisch und kommt meinem Denken entgegen, aber die Möglichkeiten, Macht, Chancen, sind ungleich verteilt. Mich erinnert es an die Ausgangslage der Mitglieder der First Nations in den USA und den auf dem Planeten wenigen verteilten indigenen Völkern. Alles ganz nett, faszinierend, kann man sich mal ansehen, aber nun verzieht Euch, wir brauchen Euer Land. All die Tech-Freaks, die zuliefernden Energie-Konzerne, die Umgestalter, Architekten einer neuen Welt, die vollständig vom Menschen konstruiert ist, sind globale Kolonialisten.

Irgendwann in den letzten Jahrzehnten wäre die Klärung einer ethischen Frage notwendig gewesen. Darf der Mensch alles tun, nur weil er es kann? Oder gibt es Grenzen, die er sich freiwillig auferlegt? Sie wurde nie gestellt. Faktisch hat man sich treiben lassen und es einfach getan.

Lützerath ist ein Scharmützel im Kontext eines deutlich größeren Krieges. Stellvertretend kämpfen Klima-Aktivisten, die Vertreter des Erhalts, gegen die von der anderen Fraktion entsandte Polizei, die dort ihre eigentliche Funktion verliert. Von der Meta-Ebene aus gesehen, geht es dort nicht mehr um Demokratie, Rechtsstaat, verfassungsgemäße Ordnung. Diese Prinzipien und Konzepte werden als Waffe gegen die eingesetzt, welche das übergeordnete natürliche System erhalten wollen. Allerdings bin ich mir bei einigen Aktivisten nicht sicher, ob sie sich der Konsequenzen ihrer Forderungen bewusst sind. Bei manchen hege ich den Verdacht, dass sie gern alle Annehmlichkeiten behalten würden. Das funktioniert nicht. Die Industrialisierung brachte nach und nach Luxus, gleichzeitig war sie die Büchse der Pandora.

Lützerath wird auf Dauer nicht gehalten werden können. Der friedliche Protest wird absehbar ein Ende nehmen. Spätestens, wenn es an die Räumung der besetzten Häuser geht. Mich erinnert die Situation stark an Wackersdorf. Der zu erwartende militante Widerstand wird die beiden Lager noch deutlicher kennzeichnen. Ich befürchte sogar, dass es ein Auftakt für weitere Geschehnisse wird. Bereits heute melden sich die ersten Stimmen. Friedlicher Protest ist OK, aber jede Form des Widerstands ist unzulässig. Nun, dann könnten die Aktivisten auch eine Petition einreichen. Dies liefe darauf hinaus, dass alles freundlich zur Kenntnis genommen wird und danach einfach alles seinen gewohnten Gang geht. Dafür haben sich die Aktivisten nicht gesammelt. Sie wollen die Nummer stoppen, weil sie sich ihrem Gewissen verpflichtet fühlen. Dabei geht es dann auch nicht um den einzelnen oder die einzelnen Polizisten/innen. Nicht umsonst heißt es geschlossene Einheiten. Sie verschmelzen zu einer uniformierten Masse, die als verlängerter Arm für Leute in Büros tätig werden, die dazu selbst nicht fähig sind. Wie gesagt, meine Generation hatte Brokdorf, Wackersdorf, Startbahn-West und Stuttgart21. Allerdings sind wir mittlerweile an einem anderen Punkt angekommen. Es geht nicht mehr um Geschehnisse, die man zu verhindern versucht, weil sie vielleicht im Jahr 2023 eintreten könnten. Vieles ist längst eingetreten. Etwas verstörend sind die neu erwachten Befürworter der Atomkraft. Ich frage mich, wo plötzlich wieder das Vertrauen herkommt. Bei Twitter meinte einer, ich solle das Totschlagargument Atom-Müll in der Tasche lassen. Warum? Es gibt keine Lösung, die zu verantworten ist. Schlicht, weil ich für nichts gerade stehen kann, was unter Umständen erst in 500, 1000 oder 10.000 Jahren irgendwelche Lebewesen in die Bredouille bringt. In einige Schädel will nicht hineinpassen, dass diese Technologie eine Sackgasse der menschlichen Entwicklung ist. Aber ich drehe mich argumentativ im Kreis. Faktisch nehmen wir, die Bewohner der Industriestaaten, zu viel Energie und Ressourcen in Anspruch. Die Bedürfnisse können nicht verantwortungsvoll gedeckt werden.

Auch damals in Wackersdorf wurde die Polizei in ihrer Funktion missbraucht. Doch die Veteranen von Wackersdorf wurden überwiegend vom Establishment eingeatmet. Besonders fällt einem dies auf, wenn man sich vor Augen hält, dass NRW von einer schwarz-grünen Koalition regiert wird.
Nein, das Kräfteverhältnis ist eindeutig zum Vorteil derjenigen ausgelegt, die eine Anpassung an lebensfeindliche Zonen favorisieren und keinerlei Abstriche hinnehmen wollen. Sie werden weiter Autobahnen bauen, Landschaften zerschneiden, die Städte bis zum letzten möglichen Zeitpunkt für Maschinen gestalten und die Menschen an den Rand verbannen. Es ist egal, wo man hinschaut. Beispielsweise verbraucht ein E-Auto, welches mit 200 km/h fährt, deutlich mehr teure Energie und Ressourcen, als eins mit 80 km/h. Letzteres wäre vernünftig, doch das andere entspricht der Haltung: Was möglich ist, machen wir auch. So sieht es in allen Bereichen aus. Kaum hat jemand etwas erfunden, was vielleicht ein wenig hilfreich wäre, wird es ausgereizt, bis der Effekt verpufft. Und am Ende geht es dann doch wieder um den reinen Profit. Mit steigender Skepsis sehe ich ebenfalls die ganzen Aktivitäten bezüglich Mars, Mond und Weltall. Es geht augenscheinlich darum, dort Techniken zu testen, die auf einer zerstörten Erde das Überleben ermöglichen können. Mir sind zu viele unterwegs, die sich längst mit dem Endzustand abgefunden haben und daran forschen, wie man mit der neuen Lage umgeht.

Ich respektiere den aussichtslosen Kampf. In der Geschichte kämpften immer mal wieder Leute, obwohl sie genau wussten, dass sie nicht mehr gewinnen können. Es dürfte eine Art Lebensinhalt sein. Wenigstens gab man nicht widerstandslos auf. Häufig werden ausgerechnet diese Unbeugsamen posthum zu Helden erklärt und die Gewinner stehen in einem schlechten Licht da. Trotzdem hat sich nichts geändert. Tecumseh, Sitting Bull, Geronimo waren Helden und die Blauröcke nachträglich geächtete Schlächter. Dennoch basiert der Wohlstand der USA auf dem Niederringen der First Nations. Auch am Niedergang des Ökosystems werden einige wenige gut verdienen. Sie können sich dann das Leben, oder vielleicht besser Vegetieren, in neuen angepassten Städten leisten. Und auch dort wird es einen Bodensatz geben, der ihnen zuarbeitet. Außerhalb kämpfen dann Outlaws ums Überleben. Die Literatur und Filme sind voll mit Überlegungen, wo es in etwa hingeht. Wenn ich das richtig wahrnehme, hat sich ein großer Teil meiner Umgebung dazu entschlossen, das eigene Leben mit den noch erlebbaren Resten zu genießen. Schade für die nachfolgenden Generationen. Aber vielleicht ist es ja wie mit Leuten, die blind geboren wurden. Sie kennen es nicht anders.

Die letzte Generation ist vermutlich nicht mehr diejenige, welche etwas verhindern kann, sondern als letzte die alte und die neue Welt kennenlernen. Die danach können sich in digitalen Aufzeichnungen anschauen, wie es einmal war und leben im Neuen, mit dem sie sich wohl oder übel anfreunden müssen. Es wird auch niemand nachträglich zur Rechenschaft gezogen werden können. Wofür? Bis sie starben, taten sie, was von den Bevölkerungen der Industrieländer gefordert wurde. Letztens saß ich in einem Gasthof und kam dort mit einem Mann aus Thüringen ins Gespräch. Er meinte, dass insbesondere die Mitglieder der GRÜNEN alles ungelernte, unfähige Leute wären. Ich fragte, was sich ändern würde, wenn das alles hoch qualifizierte Kräfte wären. Die Wähler erwarten Versprechungen, in denen ihre vollkommen überzogenen Bedürfnisse bedient werden. Was geschehe, wenn Naturwissenschaftler das Sagen hätten und sie unmissverständlich klarmachen würden, dass sich alles radikal, am besten Morgen, ändern müsste? Wir leben in einer Demokratie! Die würden nicht einmal die halbe Regierungszeit überstehen.

Mit Lützerath wäre die Möglichkeit gegeben gewesen, wenigstens ansatzweise guten Willen zu zeigen. Vermutlich ein politischer Selbstmord. Aber was solls? Dann wären sich wenigstens mal ein paar Leute treu geblieben und hätten den Beweis angetreten, dass nicht alle korrumpierbar sind. Die Realität sieht anders aus. Nach alt bewährten Konzept, muss die Staatsmacht siegreich sein. Und statt zu reden, wie es beispielsweise bei Stuttgart21 geschah, wird mit allem, was geht, der Wahnsinn durchgedrückt. Wie gesagt, ich befürchte, dies ist nur ein Anfang.

31 Dezember 2022

Jahresrückblick 2022

Lesedauer 5 Minuten

Ich zögerte etwas. Doch einige Worte sollte mir 2022 doch wert sein. Es war ein bitteres, lehrreiches Jahr. Auf Details möchte ich verzichten. Ich bin ohnehin zur Auffassung gekommen, dass die einzelnen Ereignisse weniger von Bedeutung sind, als was man für die Zukunft daraus macht.

Jeder muss seine Haltung zum Leben finden. Existieren wir lediglich zwischen Zeugung und Tod? Ist der Körper eine Hülle, die etwas anderen als Hülle dient? Gibt es so etwas wie ein Jenseits? Nimmt man den Begriff Inkarnation wörtlich? Die Fleischwerdung von etwas, was bereits vorher existierte und nach dem Verfall des Körpers weiter besteht? Mit diesen Fragen setzte ich mich wieder einmal auseinander und gab mir selbst Antworten. Der Tod eines anderen Menschen ist immer auch eine Botschaft an die Lebenden. Das Leben, wie wir es sehen können, ist endlich. Der Körper ist vergänglich. Das, wovon wir uns verabschieden, sind die Aspekte, die wir sehen, empfinden, spüren, konnten. Keinesfalls ist es uns gegeben, den oder die Verstorbene/n in voller Gänze zu erfassen. Für einen war es die Mutter, für einen anderen die Ehefrau und wieder anderen eine Bekannte, Kollegin, Nachbarin. Und so unterschiedlich werden auch die Empfindungen sein, die jeder mit sich alleine ausmachen muss.

Als Lebender nehme ich im Leben anderer Menschen ebenso viele Rollen ein. Vater, Sohn, Ex-Kollege, Freund, Bekannter, womöglich manchmal der Feind, jemand der beeinflusst oder einfach nur vorüberzieht. Und innerhalb dessen bin ich der, den ich selbst sehe. Doch es ist mir nicht gegeben, auf der anderen Seite mein gewünschtes Abbild von mir zu erzeugen. Ich verwendete weiter oben das Verb “Verabschieden”. Ganz glücklich bin ich damit nicht. Wenn jemand stirbt, endet für mich die Zeit, in der ich dieses Wesen aktiv erlebte, bisweilen auch einiges projizierte, aber ein Abschied ist es für mich nicht. Eher hat sich dieses Wesen von mir verabschiedet und zieht weiter. Dass sich meine Mutter 2022 von mir verabschiedete, war das tiefgreifendste Ereignis. Ich schrieb, dass das Ereignis zweitrangig ist und primär die Überlegung ansteht, was dies mit einem macht.

Es hat mich erneut daran erinnert, dass ich selbst Vater bin. So seltsam es klingen mag, aber es gibt Augenblicke, wo ich übersehe, wie mich meine Kinder sehen. Ich denke, damit bin ich nicht alleine. An mir sehen sie, wie älter werden aussieht. Wie sie werden könnten, wenn sie nicht aufpassen. Auch an der Stelle gilt: Was ich einst tat, erfuhr oder lernte, ist weniger wichtig, als ich jetzt daraus mache. In der Vergangenheit zu leben ist verführerisch, zumal man sie kreativ erzählen kann. Hier und Jetzt, bekommen alle mit und können es beobachten.

Schaue ich in die Welt hinaus, passieren da lauter Dinge, die mir missfallen. Meine Lebenserfahrung sagt mir, dass ich nichts daran ändern werde. Einzig fraglich ist, wie ich damit bzw. in dieser Welt lebe. Wobei im gewissen Sinne eine Änderung möglich erscheint, nur ich dies niemals wirklich erfassen werde. Wie sich ein Verhalten meinerseits letztendlich tatsächlich auswirkt, werde ich nicht erfahren. Aber ich kann vorleben, wie ich es mir von anderen wünsche und dabei die Hoffnung hegen, einen winzig kleinen Beitrag zu leisten. Für mich ergibt sich daraus die Konsequenz, dass ich weitestgehend darauf verzichte, mich an diversen Vorgängen zu beteiligen.

2022 forderte wie bereits 2021 die Leute zum Handeln, Sprechen, Stellung beziehen, heraus. Einerseits ist das gut, andererseits war es erschütternd, was da alles zum Vorschein kam. Corona, Masken, Maßnahmen, Kritik an den Maßnahmen, der Diskurs über den Freiheitsbegriff, die Diskussionen über den Krieg, Waffen, Klima, die Rolle des Staatsbürgers, Ziviler Ungehorsam, Widerstand, Macht, Machtausübung, Machtmissbrauch, Diskussion bzw. Debatte über Werte innerhalb der Gesellschaft und in der internationalen Politik. Es gibt nicht mehrere Gesellschaften, sondern nur die eine, welche wiederum unterschiedliche Gruppen beinhaltet. Diese sind wiederum mit unterschiedlichen Möglichkeiten ausgestattet, auf gesellschaftliche Prozesse, Werte, Moral, Gesetze, einzuwirken, die dann wiederum die komplette Gesellschaft prägen.

Der Mensch, ausgestattet mit seinen geistigen Fähigkeiten, ist zu sehr vielen fähig. Jede Aussage, Handlung, Charakter, Idee, Vorstellung, zeigt uns, wozu und in welchem Umfang die Möglichkeiten reichen. Wie ich schon mehrfach in diesem BLOG schrieb, macht mir erst die Kenntnis von Dunkelheit möglich, das Gegenteil, nämlich die Helligkeit zu erkennen. Diverse Politiker/innen, deutsche und internationale, sich in Medien äußernde Zeitgenossen/innen, haben ein Verhalten an den Tag gelegt, welches ich als Ignoranz, Gier, Heuchelei, Machtgeilheit, dumm, verkommen, arrogant, empfand. Doch stets fragte ich mich, woran ich dies überhaupt erkennen konnte. Ganz einfach: Ich habe bereits an anderer Stelle das Gegenteil kennengelernt. Ein Umstand, der mich 2022 stets aufbaute. Der Mensch kann auch anders!
Der Mensch ist so oder so, ist eine inakzeptable Entschuldigung, die sich alle zurechtlegen, die nicht einmal den Versuch unternehmen, es anders anzugehen. Oder es sind diejenigen, welche nicht den Mut, die Kraft, aufbringen, eine eindeutige Stellung zu beziehen, weil sie dann mit sich selbst in Konflikt geraten. Stichwort: Gewissen! Der Mensch ist dazu fähig, eins zu entwickeln. Gemäß einiger Philosophen erwächst daraus die Verpflichtung, danach zu handeln. Da kann es kein Verstecken hinter Gesetzen, einem demokratischen Prinzip, Folgsamkeit oder temporären gesellschaftlichen moralischen Konzept geben. Ziemlich drastisch erlebten wir dies 2022 bei den zumeist jungen Aktivisten, aber auch Wissenschaftlern, Intellektuellen, Eltern, Großeltern, die sich für das ökologische System engagierten. Einen großen Teil der Wut und Hass, der ihnen entgegenschlug, führe ich auf das Gefühl ertappt zu sein, zurück. Sehr viele wissen ziemlich genau, einige spüren es instinktiv, dass sie sich mit ihrer Bequemlichkeit, ihrer Dekadenz, Abkehr von Vernunft und Verstand, außerhalb des Bildes befinden, welches sie gern von sich abgeben würden.
Darauf hingewiesen zu werden, macht sie aggressiv und lässt sie sich benehmen, wie Pubertierende. Wenn dies “nur” vom allgemeinem Volk ausginge, wäre es zwar alarmierend, aber noch halbwegs erträglich. Doch bei uns und in anderen industrialisierten Staaten ist auch die politische Führung inbegriffen und das geht schief. Wenn die Führung dilettantisch, irrational, gierig, beleidigt, pubertär, dissonant, psychopathisch unterwegs ist, führt dies erfahrungsgemäß in die Katastrophe.

Ich selbst verabschiedete mich bereits vor Jahren von gut, böse, altruistisch oder egoistisch. Die Lektion bekam ich durch die Veränderung meines beruflichen Umfelds. Ich hatte 10 gute Jahre mit einem perfekt zusammen arbeitenden Team. Dann kamen neue Führungskräfte, die Gesellschaft wandelte sich, andere Werte, Vorstellungen, dominierten nach und nach. Hiermit änderte sich alles. Anfangs haderten wir mit der Situation. Dann wurde mir persönlich klar, dass wir unsere Zeit hatten und man uns schlicht ablöste. Ob das Neue nun besser, schlechter, effektiver, zweckmäßiger, war, stand nicht zur Debatte. Es galt eine Entscheidung für sich selbst zu treffen: Beim Neuen mitmachen oder sich für ein Gehen entscheiden. Ständig gegen halten, sich zu widersetzen, immer wieder auf ein Neues aufzubegehren, macht einen am Ende kaputt.
Dies wendete ich viel zu spät, jetzt auch im Jahr 2022, an. Es läuft anders. In diesem BLOG hier, habe ich mehrfach dargestellt, wie ich dazu stehe. So wie damals habe ich eine eigene Prognose. Wenn ihr die Einsätze auf diese Art angeht, mit den Leuten so umspringt, der restlichen Gesellschaft nicht verdeutlicht, was abgeht, werdet ihr keinen Erfolg haben. Ob ich Recht behielt oder nicht, kann ich hier nicht darstellen. Inwiefern meine Prognose für die nächsten Jahre stimmig ist, werde ich erleben. Doch ich habe nunmehr im Leben andere Aufgaben und werde meine Energie nicht nochmals für einen Kampf gegen Windmühlenflügel verschwenden. Insofern freue ich mich auf 2023, in dem ich nach meinen Möglichkeiten mein Ding durchziehen werde. Mit der allgemeinen deutschen Gesellschaft, sozusagen der neuen Leitkultur oder wie es manche nennen “allgemeinen gesellschaftlichen Konsens” will ich nichts mehr zu tun haben. Davon habe ich 2022 genug gesehen.

Man liest sich oder auch nicht. Im Kopf spuken noch zwei Bücher herum. Allerdings hab ich noch keine konkrete Vorstellung, wie ich sie umsetze. Na mal sehen. Auf jeden Fall hat sich nach einem statischen 2022 jede Menge Sehnsucht nach Ferne, interessanten Menschen aus anderen Kulturen und Abstand zur deutschen “Leitkultur” angesammelt. Außerdem stehen noch einige innere Konversationen mit einem gewissen Gautama Siddhartha an.

Kommt gut rein und passt auf Euch auf.

25 Dezember 2022

Kokain im Angebot

Lesedauer < 1 Minute

Wieder einmal ist eine Ladung von 14 Kilogramm Kokain beim falschen Adressaten gelandet. Diesmal landete es bei der Tafel Attendorn. Mal abgesehen davon, wie so etwas passiert, stelle ich mir die Frage, wie das in Kolumbien ankommt.

Ich stelle mir den Drogenbaron Pablo an seinem Pool in Kolumbien vor, bei dem die verantwortlichen Verteiler zum Rapport antreten. „Boss, blöde Sache passiert. Morgen lache wir drüber!“ OK, einmal mag das angehen. ALDI ist wirklich lustig. Aber dreimal? Zückt der dann die Magnum und knallt die über den Haufen? Oder ist bei dem Vertriebsweg Schwund einkalkuliert? Hm?