Persönliche Analyse des Rechtsrucks

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„Wir werden noch deutlicher Alternativen herausarbeiten, die es zur Politik der Regierung gibt. Deswegen werden die #Grünen unser Hauptgegner sein in dieser Bundesregierung. Die Grünen sind dafür verantwortlich, dass diese Polarisierung in der Energiepolitik entstanden ist.“ ™

Friedrich Merz, bei Twitter am 27. Juni 2023, als Reaktion auf die Wahl des AfD Kandidaten in Sonneberg

Irgendjemand sagte einmal: “Die Deutschen sind so lange Demokraten, wie es Ihnen gut geht!” Nun mag man meinen, dass es Deutschland im Verhältnis zu diversen anderen Regionen auf der Erde immer noch sehr gut geht, insofern alles gut ist. Aber sie sehen es nicht! Ich selbst wuchs mit einer weiteren Weisheit auf. “Nimmt man den Deutschen etwas weg, werden sie ungemütlich.” Es ist egal, auf wie viel sie sitzen und welche Privilegien ihnen zuteilwurden.

Derzeit wird die Partei der GRÜNEN seitens einiger Zeitgenossen und Zeitgenossinnen als Verbotspartei bezeichnet. Wieder einmal einer dieser propagandistischen Kampfbegriffe aus der Feder von PR-Agenturen, die sich in den Dienst der Konservativen stellen. Verbot! In Deutschland ein sehr wirkungsvoller Trigger. Es berührt die infantilen Persönlichkeitsanteile und aktiviert bei vielen zuverlässig das in ihnen verborgene trotzige Kind. Für mich ist das Richtungsweisend, womit einige politische Strömungen gedenken zu arbeiten.

Der Aufschwung der AfD wird seitens des Vorsitzenden der CDU, Friedrich Merz, den GRÜNEN angelastet. Daraus leitet er ab, dass die CDU künftig noch mehr, als bereits geschehen, gegen sie vorgehen muss. Seine Überlegung kann nur bedeuten, dass er von Wählern ausgeht, die mit ihrer Wahl gegen die aktuelle Politik der GRÜNEN protestieren wollten. Demnach ansonsten nicht auf die Idee kämen, den Kandidaten einer faschistischen Partei zu wählen. Liegt er damit richtig?

Ich behaupte seit einigen Jahren, dass Deutschland einen “Rechtsruck” erfährt. Als ich dies für mich erstmalig feststellte, befand ich mich noch im Dienst. In dieser Zeit sagte ein Dienststellenleiter, der lange Zeit mit Ermittlungen zu politisch motivierten Straftaten aus dem rechten Spektrum betraut war, zu mir Worte, die ich seither nicht mehr vergaß: “Wir sind uns doch wohl beide einig, dass die Rechten lange nicht das Potenzial mit sich bringen, wie die Linksextremisten.” Dies sagte er etwa ein Jahr, bevor die damals noch falsch zugeordneten Straftaten der NSU bekannt wurden.

Neonazis, rechte Skinheads, neu-nationalsozialistische Kampfgruppen, Vereinigungen, 1 % Rocker aus dem rechten Spektrum nebst Hooligans, sind seit Jahrzehnten Eskalationen von in Deutschland kursierenden Lebenshaltungen, Anschauungen, Zielen. Sie sind das Extrem, wenn man erstmal “harmlos” erscheinende Aussagen bzw. weniger “harmlose” Sprüche ausgehend von ungefährlichen Personen konsequent bis zu Ende denkt. “Denen müsste man mal den Arsch versohlen und sie längere Zeit einsperren!”, ist zum Beispiel schnell daher gesagt. Es gibt Zeitgenossen/innen, die dies tatsächlich umsetzen.

In Deutschland existiert meiner Auffassung nach innerhalb des Diskurses bezüglich rechter Strömungen ein eklatantes und gleichsam gefährliches Problem. Die meisten verwenden ausschließlich die Ansprache “Nazi”. Dieser Bezeichnung kann sich jede/r Erz-Konservative oder jemand, der sich der Neuen Rechten zugewandt fühlt, leicht entziehen. Diese Leute sind keine Nationalsozialisten. Doch dies macht sie nicht weniger gefährlich für eine offene, progressive, moderne Gesellschaft, in der sich Individuen jenseits einer gelenkten Massengesellschaft entwickeln können. Hinzu kommt, dass diese Leute nicht sehen, nicht wahrhaben wollen, wem sie am Ende den Weg bereiten und sie dies nicht unter Kontrolle bekommen. Schlicht, weil sie bei sich selbst nicht erkennen, welche Niederungen im menschlichen Habitus sie aktivieren bzw. unterstützen. Historisch betrachtet, passierte dies in der Vergangenheit diversen Politikern/innen und Philosophen, welche am Ende nicht fassen konnten, welche Dynamik entstand. Hierfür ist für mich das beste Beispiel Martin Heidegger, der bereits 1933 der NSDAP beitrat.

Im weiteren Text bezeichne ich die AfD bewusst, als eine faschistische Partei. Sie noch der Neuen Rechten, auf die ich später eingehe, zuzuordnen, halte ich persönlich für falsch. Ebenso sind sie keine Nationalsozialisten. Vielleicht sind sie sogar etwas Neues, eine Mixtur, mit ähnlichen Eigenarten, aber dennoch neuen Aspekten. Für Faschismus entschied ich mich wegen des Werdegangs und Ansätzen des Begründers Mussolini. Seine Biografie war für die damalige Zeit neu.

Robert A. Paxton, schreibt hierzu in seinem Buch “Anatomie des Faschismus, Die politische Gefahr des Faschismus ist keineswegs überwunden. Auf einer ersten Stufe existiert er auch heute in allen größeren Demokratien.

… Der Faschismus dagegen (Anmerkung: auf andere *ismen bezogen) war eine neue Erfindung, die frisch für das Zeitalter der Massenpolitik geschaffen worden war. Er suchte speziell die Gefühle anzusprechen, und zwar durch den Einsatz ritueller, sorgfältig inszenierter Zeremonien und intensiv aufgeladener Rhetorik. Die Rolle, welche die Programme und Lehrmeinungen dabei spielten, ist bei näheren Hinsehen grundsätzlich verschieden von der bei Konservativismus, Liberalismus oder Sozialismus. Der Faschismus beruht eben nicht explizit auf einem elaborierten philosophischen System, sondern eher auf populären Gefühlen, Ansichten über “Herrenrassen”, deren ungerechtes Schicksal und ihre gerechtfertigte Prädominanz über minderwertige Völker. Er hat keinen intellektuellen Unterbau durch irgendeinen Systembegründer wie Marx oder irgendeine bedeutendere kritische Intelligenz wie Mill, Burke oder de Tocqueville.

Robert A. Paxton, “Anatomie des Faschismus, S.30, Einleitung, DVA München, 1.Auflage

Weiterhin weist Paxton in seinem Buch mehrfach darauf hin, dass der Faschismus nicht ausschließlich nach den Worten und Reden der Protagonisten zu beurteilen ist, sondern immer die tatsächlichen Handlungen, auch die im Verborgenen, zu berücksichtigen sind. Letztere aufzudecken ist die Aufgabe des polizeilichen Staatsschutzes der Länder, des Bundeskriminalamts, der Verfassungsschutzämter und des Bundesverfassungsschutzes. Um so gefährlicher ist es, wenn sich diese teilweise in den Händen der Neuen Rechten, der intellektuellen Vorstufe des Faschismus, befinden. Die Aussage des aktuellen Leiters des Verfassungsschutzes Thüringen Stephan Kramer, der über diesen Verdacht erhaben ist, sollte einige Leute nervös machen:

„Die AfD ist der parlamentarische Arm einer viel größeren Verschwörung, einer revolutionären Verschwörung, sie wollen die Regierung bezwingen, den Staat, und das ganze System, das in der Bundesrepublik Deutschland eingerichtet wurde“

Stephan Kramer, Interview, NDR INFO, 28.06.2023

Solche Worte vernahm und vernimmt man nie von einem Vertreter der Neuen Rechten, dem ehemaligen Leiter des Bundesverfassungsschutzes und Hans-Georg Maaßen und gegenwärtigen Vorstand der CDU internen Werteunion. Er trat zeitweilig, vermeintlich aus Protest gegen die Wahl des AfD – nahen, Autors, Max Otte aus der Werteunion aus. Aus meiner Sicht eine unpräzise Aussage. Trat er wegen der Nähe zur AfD aus oder ging es vielmehr um die Person an sich und Aussagen, die die Werteunion in den Fokus des Verfassungsschutzes gebracht hätte? Immerhin steht Maaßen im Verdacht, die AfD diesbezüglich beraten zu haben.

Sonneberg

In Sonneberg standen für die rund 50.000 Wahlberechtigten anfangs der 57-jährige ehemalige Landmaschinen u. Traktorenschlosser, Fahrlehrer u. Ex-Bürgermeister, Jürgen Köpper (CDU), eine 53-jährige ehemalige Bundespolizeibeamtin und Volljuristin, Frau Nancy Schwalbach (GRÜNE), die 41-jährige parteilose (aber von der SPD unterstützt) Anja Schönheit, ebenfalls durchaus qualifiziert und der 50-jährige Volljurist u. Mitglied in der als rechtsextrem eingestuften Thüringer AfD, Herr Robert Sesselmann. Also vier für ein höheres Verwaltungsamt qualifizierte Kandidaten. Wenn schon Protest, wäre die parteilose Kandidatin eine nachvollziehbare Option gewesen.

Gewählt wurde Robert Sesselmann. Auch wenn es weh tut, klickte ich mich durch einige Videos. Im Gegensatz zu einigen anderen Mitgliedern der AfD – Thüringen (siehe z.B. Höcke) ein leiser, ruhig, auftretender Mann, der im Landtag den einen oder anderen vernünftigen Beitrag zu Verwaltungsthemen beitrug. Im Wahlkampf äußerte er sich im Wesentlichen zu Themen, die mit seiner zukünftigen Funktion als Landrat nichts zu tun haben. Da verstieg er sich in die übliche AfD Hetze und irrationales Zeug. Mit anderen Worten, der Mann kann mit Sicherheit Verwaltung.
Was nichts an seiner Haltung zu anderen Themen ändert, weswegen er wohl auch in der AfD ist. 12 Jahre Nationalsozialismus zeigten, dass Faschisten und Verwaltungsleute, zumeist Technokraten, durchaus zusammen passen. Ich denke, in dem ich mir einige seiner Reden anschaute, habe ich der Mehrheit seiner Wähler einiges voraus. Die wählten ihn nicht, weil er sich dort profilierte, sondern wegen seiner sachfremden Wahlkampfreden. Und da ist kein Protest zu erkennen. Die stimmten ihm schlicht und ergreifend zu.

Wenn ich mehrere Optionen habe, muss es einen Grund geben, warum ich weder eine der beiden Frauen noch den männlichen Gegenkandidaten wähle oder mich ganz der Wahl enthalte. Nochmals: Für die Leitung einer Verwaltungsbehörde waren alle vier ausreichend qualifiziert. Parallel führte nachvollziehbar der Rest der AfD für ihn Wahlkampf. Seine Qualifikation wurde in Nebensätzen erwähnt, doch der Fokus lag darauf, wie wichtig das Signal ist. Auch das nährt den Verdacht, dass es nicht Protest ging, hingegen die Annahme einer Zustimmung deutlich näher liegt.

Mir stellt sich an der Stelle eine grundsätzliche Frage: Wird eine oder einer durch die Politik anderer Parteien zur Faschistin oder Faschisten? Oder sind diese Leute bereits zuvor mit faschistischen Charaktermerkmalen und Haltungen unterwegs? Womit sie keinesfalls mittels Kurskorrekturen überzeugt werden können, es sei denn, man bietet ihnen selbst eine faschistoide Politik an.

Psychologie des Faschismus

Ein zentrales Merkmal des faschistoiden Charakters ist die Lust am Treten nach unten und dem Buckeln nach oben, auch Radfahrerprinzip genannt.[1]Erich Fromm, Psychoanalyse des Faschismus Der Psychoanalytiker Erich Fromm geht noch einen Schritt weiter und stellt eine Analogie zum “Sadomasochismus” her. Der Masochist, welcher sich führen lässt und damit alle Verantwortung aufgibt, kombiniert mit dem Lustgewinn andere quälen zu können, wobei er wiederum den eigenen Status erhöht.

Nach allem, was ich von ehemaligen Kollegen mit einer DDR – Biografie erfuhr, war diese Eigenschaft nicht gerade hinderlich. Ich bin kein Freund der Erzählung, in der sich 1989 die gesamte Bevölkerung der DDR für eine friedliche “Revolution” entschied. Faktisch wirkten zu dieser Zeit viele Kräfte auf die DDR ein, ohne die Einsicht Gorbatschows hätte sich vieles anders entwickelt und diverse Hardliner, waren gar nicht glücklich darüber. Das Buckeln beherrschten viele sehr gut. Darüber hinaus lernte ich welche kennen, die dies taten und zusätzlich politische Gefangene misshandelten.
Und auch in der zuvor bestehenden BR Deutschland, hat sich diese Eigenart niemals wirklich verloren. Gerade in den Behörden war sie stets gegenwärtig. Mobber, von denen es in Behörden einige gibt, erfüllen alle Kriterien.

In beiden deutschen Teilstaaten bestand in der Gesellschaft eine feste Hierarchie. Jeweils eine, in der die individuelle Verantwortung nach oben abgegeben werden konnte, gleichzeitig mittels des Tretens nach unten, der eigene soziale Status eine Steigerung erfuhr.
Im Unterschied zur BR Deutschland wurden die meisten DDR-Bürger beinahe elterlich an die Hand genommen. Berufliches Fortkommen oder auch nicht, Wohnungszuteilung, Freizeitgestaltung, Studium, soziale Maßnahmen, der real existierende Sozialismus sprang zur Seite. Nach ’89 hatte dies für viele böse Folgen. Ich erinnere mich gut an Ermittlungsverfahren, in denen vornehmlich junge Leute, aus echter Not heraus Diebstähle begingen, weil sie keinerlei Vorstellungen hatten, wie, in welcher Form und wo, sie Hilfe bekamen.
Des Weiteren wurde nach ’89 versäumt, den “neuen” Bürgern der BR Deutschland die Verfassungsgrundlagen zu erläutern. Wenn schon die Lücken bei den alten Bundesbürgern beklagenswert waren, gab es bei ihnen keinerlei Wissen und bis heute setzt sich das im gesamten Deutschland fort. Ich mache den Leuten daraus keinerlei Vorwurf. Wer setzt sich schon nach der Arbeit hin und beschäftigt sich mit dem Grundgesetz, dem Aufbau des Staats oder mit den Gegebenheiten des Straf-, Bürgerlichen- oder Verwaltungsrechts? Verwerflich wird dies erst, wenn Frauen und Männer, die in der Politik aktiv sind, über wenig Kenntnisse verfügen.

Während die einen bereits vom Kapitalismus auf “Haben” und allem, was damit zusammenhängt, gepolt waren, kamen jetzt Ausgehungerte dazu. [2]Erich Fromm, Haben oder Sein: Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft, Taschenbuch – 1. Juli 2005Doch dieses Haben bezieht sich nicht ausschließlich auf sichtbare Güter, sondern letztlich auf nahezu alles. Die Leute reden nicht davon, dass sie sich ängstigen, sich sorgen oder fürchten.
Sie sprechen davon, dass Sie Ängste, Furcht, Sorgen, Verlustangst, Existenzangst, haben. Erst einmal klingt dies banal, doch wenn man länger darüber nachdenkt, merkt man, wie prägend dies ist. An dem, was ich habe, halte ich fest.
Die andere Formulierung, das Beibehalten des Verbs, beschreibt einen Prozess, der mit einem konkreten Anlass verbunden ist und irgendwann, mit dem Wegfall des Auslösers, endet. Der Faschismus setzt auf das traditionell bestehende, also dem Haben. Alles neu Hinzukommende, Philosophien, Lebenshaltungen, kulturelle Veränderungen durch Einwanderer, Ausländer mit längerem Aufenthalt, Asylanten, wird abgelehnt.
Wenn einem schon ein kompletter Staat abhandenkommt, will man wenigstens an den regionalen und vermeintlich typisch deutschen Gepflogenheiten festhalten. Doch auch die alten Bundesbürger, obwohl sie reisen konnten und internationalen Austausch pflegten, zeigen sich verängstigt. Es ist ja auch spätestens seit ’89 viel passiert und manch eine Region entwickelte sich bereits vor ’89 konsequent nie weiter. All dies bezieht sich nicht auf die ältere Generation, sondern die Jüngeren wuchsen ebenfalls damit auf. Mehr noch, die Jungen HABEN noch deutlich mehr Ängste, denn die Alten.
Sie bekamen eine Erziehung, in der es um das Bestehen innerhalb eines Konkurrenzkampfes geht. In der DDR hieß es, dass die “Intellektuellen” auch die richtig harte Arbeit kennenlernen müssen und ein wenig suspekt waren diese kritischen Intellektuellen immer, zumal sie zur Gefahr werden konnten.
Die ehemaligen DDR-Bürger fühlen sich gedemütigt und dies gaben sie an die Kinder weiter. Indessen fühlen sich die anderen nach dem zigsten Skandal, all den falschen Versprechungen, verraten und verkauft. Viele sind in der Bonner – Dorfrepublik geblieben, in der die Welt noch überschaubar war. Multinationale Konzerne, Globalisierung, Digitalisierung, die damit einhergehenden Aufgabenstellungen, Gefahren, die andere Staaten bereits vor Jahrzehnten erlebten, überfordern sie. [3]Umberto Ecco, 14 Merkmale des Urfaschismus

Ohne vorhandene Eigenschaften, kein Faschismus

Ich könnte noch einiges mehr anführen. Aber ich will es hier dabei belassen. Für mich steht fest, dass für die Zuwendung zum Faschismus, ebenso für das Denken der Neuen Rechten, Grundvoraussetzungen vorhanden sein müssen. Wie angeführt sind Appelle an die Emotionen innerhalb der modernen Massengesellschaften ein Kernpunkt des Faschismus.

  • Schwierigkeiten bei der Ausbildung einer eigenen tragfähigen Identität,
  • Probleme bei der Reflexion der eigenen Schwächen und des Arbeitens daran, vor allem im Hinblick auf die eigene Rolle, statt andere verantwortlich zu machen (Opferrolle),
  • tatsächliche oder angenommene Ohnmacht,
  • Fixierung auf sozialen Status durch Besitz,
  • das Bedürfnis andere zu schwächen und zu kontrollieren,
  • die Bereitschaft sich dennoch unterzuordnen,
  • die Ablehnung des Intellekts, als vermeintliche Schwäche, statt dessen favorisieren der körperlichen Leistungsfähigkeit,
  • die Annahme, die einzig wahre Ansicht zu besitzen, sich in einer stetigen Konkurrenz zu anderen zu befinden, die einem etwas wegnehmen wollen,
  • die Sehnsucht Teil von etwas Großen zu sein, was die eigene Unbedeutsamkeit wett macht.

Ganz gut zu beobachten ist das u.a. an Universitäten. Geringe Bildung ist nicht ursächlich für den Faschismus. Allerdings wird alles abgelehnt, was entweder nicht einem unmittelbar erkennbaren Zweck dient oder schlimmer noch, den Faschismus ablehnt. Naturwissenschaften fallen erst in Ungnade, wenn die wissenschaftlich gewonnen Erkenntnisse nicht ins Bild passen (siehe Klimaleugner). Lediglich eine bestimmte Sorte junger Männer lässt sich von Burschenschaften rekrutieren. Inwieweit die immer rechts sind, ist offen. Zumindest geben sie alles her, was faschistoid veranlagte Typen mögen.

Ebenso schwierig ist, wie bereits angeführt, die Abgrenzung zu der Neuen Rechten (künftig NR). Sie ist eine politische Strömung, die in den 50ern maßgeblich auf Armin Mohler[4]Armin Mohler war ein deutscher Historiker, Publizist und politischer Theoretiker. Er wurde am 12. April 1920 in Basel, Schweiz, geboren und verstarb am 4. Juli 2003 in München, Deutschland. … Continue readingzurückzuführen und entstanden ist. Sie vereint verschiedene rechtsextreme, nationalistische und konservative Ideen und Positionen. Die NR zeichnet sich durch eine intellektuelle Herangehensweise und eine Strategie der kulturellen Beeinflussung aus, um ihre Ideen in der Gesellschaft zu verbreiten.

Sie distanziert sich oft von offenkundig neonazistischen Positionen und versucht stattdessen, eine akzeptablere und weniger extremistische Fassade zu wahren. Sie bedient sich eines akademischen Vokabulars und versucht, ihre Positionen als Teil eines intellektuellen Diskurses darzustellen. Ein zentrales Ziel der Neuen Rechten ist es, Einfluss auf gesellschaftliche Bereiche wie Medien, Bildungseinrichtungen, Kunst und Kultur zu nehmen, um ihre Weltanschauung zu verbreiten und den politischen Diskurs nach rechts zu verschieben.

Die Neue Rechte in Deutschland vertritt oft nationalistische Ideen und betont die Wahrung der nationalen Identität, Kultur und Traditionen. Sie ist häufig euroskeptisch und lehnt die Europäische Union ab. Zudem zeigt sie oft eine Ablehnung von Multikulturalismus, Einwanderung und liberalen Werten wie Gendergleichheit und LGBT-Rechten.

Anzumerken ist, dass sie trotz ihres intellektuellen Auftretens und ihrer strategischen Taktiken weiterhin rechtsextreme und antidemokratische Elemente enthält. Ich denke nicht, dass ihr Kalkül ansatzweise eine Chance hat aufzugehen. Dem eigenen Verständnis nach befinden sie sich in der Tradition der Konservativen (z.B. Zentrum Partei) der Weimarer Republik und verweisen darauf, dass deren Mitglieder ebenfalls von den Nationalsozialisten verfolgt wurden.
Ich sehe es mittlerweile in der Form, dass oben als Überschrift Neo-Faschismus steht, und sich darunter neben dem von Mussolini eingeführten Faschismus, die Ausgestaltung nach Franco, der Nationalsozialismus und diverse moderne Interpretationen befinden.

Teile der UNION gehören eindeutig zur Neuen Rechten, während einige Mitglieder der AfD eine krude Mixtur, noch weiter in Richtung Ur-Faschismus, wenn nicht gar Nationalsozialismus, zusammenbrauen.

Unter der Führung von Friedrich Merz hat die Neue Rechte innerhalb der CDU, hauptsächlich organisiert in der Werteunion, erheblichen Aufwind bekommen. Was er da ankündigt, dürfte nicht dem Machtgewinn der CDU dienen. In vielerlei Bereichen sind die Grenzen zwischen AfD und CDU aufgehoben, sodass ein Gemenge entstanden ist. Nur, dass die CDU den Ruf weg hat, die der Neuen Rechten zuzuordnenden Mitglieder, allzu Stiefmütterlich behandelt zu haben.

Der Merz – Plan wird nur teilweise aufgehen

Merz und seine Seilschaft innerhalb der CDU könnten zu Gärtnern der AfD und der dahinter stehenden Kräfte werden. Nämlich dadurch, dass sie das “Beet”, den Nährboden düngen, aber statt der gewünschten Pflanzen jede Menge Beikräuter sprießen lassen. Oder um das Bild noch etwas zu erweitern: Sie benutzen einen Kompost, der aus den Abfällen des alten Faschismus und deutschen Nationalsozialismus besteht.

Hierbei ist auch die ungesunde Verknüpfung zwischen Kapitalismus und autoritären Systemen zu berücksichtigen. Klassische Unternehmen, Konzerne, Global Player, sind im Gegensatz zu beispielsweise Kooperativen, knallhart autoritär und hierarchisch strukturiert. Manche, wie z.B. Noam Chomsky, fürchten weniger politische Bewegungen, denn die Übernahme der Gesellschaften durch eben jene Wirtschaftsakteure. Wer mittels Bezahlung Propaganda initiieren kann, die Massengesellschaften steuern, braucht Wahlen nicht zu fürchten.

Ich wage es, mich für einen längeren Zeitraum festzulegen. Die sich weiter zuspitzende Klimakatastrophe mit all ihren Folgen wird ausgerechnet den Rechten, Konservativen, autoritär organisierten Wirtschaftsgrößen nutzen. Auswirkungen, wie Flüchtlingsbewegungen, Migration, Kriege um Wasser oder um für menschliches Leben geeignete Regionen, Unruhen, Aufstände, können sie in der deutschen Gesellschaft am ehesten bedienen. Gleichfalls ist die deutsche Bevölkerung noch weit davon entfernt, die auf sie zukommenden katastrophalen Veränderungen derart zu verinnerlichen, dass sie bereit wäre, ernsthaft notwendige Maßnahmen, wie sie z.B. seitens der Protestbewegungen oder auch den GRÜNEN gefordert werden, hinzunehmen. Ähnlich sieht es mit den Kriegsfolgen in der Ukraine aus. Wobei hier die noch völlig offen ist, was uns diesbezüglich erwartet. Ein Faktor, der völlig unberechenbar ist.

Ich verfolge aufmerksam im engeren und weiteren Bekanntenkreis die Entwicklung.

Ein kleiner Kreis, von dem ich nichts anderes erwartete, sieht z.B. die Proteste ähnlich wie ich. Im weiteren Kreis setzt immer mehr die Erosion ein. Es ist erschreckend, wie wirksam Propaganda sein kann. Überall sickern die “Spins” in die Gespräche und Kommentare ein. Kürzlich verfolgte ich bei Facebook Kommentare, in denen zum Beispiel der “Spin”, Greta Thunberg, sei ein missbrauchtes Kind, aufgegriffen wurde. U.a. geht dies auf ihr Asperger Syndrom zurück. Es ist zwecklos diesen Leuten rational entgegenzuhalten, dass gerade “Asperger” oftmals analytisch überlegen sind.

Gleichermaßen sieht es mit der Verschwörungserzählung aus, in der die Protestbewegung “Letzte Generation” eine “Kolonne” einiger Millionäre/Milliardäre wäre. Niemand leugnet die Geldzuwendungen. Zur Betrachtung stehen zwei Positionen. Fraglich ist, warum diese Leute bereit sind, zu fördern. Schaue ich auf die Entwicklung, verfüge über die notwendigen Mittel, kann aber aus verschiedenen Gründen nicht selbst handeln, schaue ich, wo ich mein Geld strategisch am ehesten unterbringen kann und dabei auch noch Steuern spare. Eine Informationsquelle hierfür ist influencewatch.org. Hier kann auch nachgelesen werden, wie der “Sponsor” der Letzten Generation “Climate and Clean Energy Equity Fund”, Untergruppe des “new-venture-fund“, bei dem Zuwendungen steuerlich abgesetzt werden können, funktioniert.

Dann muss ich mir die Empfänger anschauen. Ist Geld, der eigene Vorteil, ihr Motiv? Keinesfalls! Und Überraschung, selbst Frauen und Männer, die in der SPD maßgeblich eine Rolle spielen oder Gewerkschaftler springen auf die vermeintliche Verschwörung auf. Ehre, wem Ehre gebührt. Diejenigen, welche da im Hintergrund in den PR-Agenturen arbeiten, leisten ganze Arbeit. Auch wenn es teilweise die primitivsten Ansätze sind. “Die oder der kommt aus einem begüterten Elternhaus! Also sind das Heuchler!” Es funktioniert.
Die GRÜNEN und die SPD setzen auf Vernunft, Verstand und Werte. Nichts davon hat in der deutschen Bevölkerung eine Bedeutung, wenn es um Kraftfahrzeuge, Häuser, Urlaub, Fremde und finanzierbaren Konsum geht. Mittelfristig werden die autoritären Kräfte über Anpassungsmaßnahmen und diesbezügliche Versprechungen regieren, bis dies auch nicht mehr funktioniert.

Wer die Entwicklung stoppen will, muss öffentlich und umfangreich, gegen den Populismus, die allgegenwärtige Propaganda antreten, aufklären und darf sie nicht selbst anwenden. Und jenseits des Populismus, müsste in allen Bereichen “reiner Wein” eingeschenkt werden. Problem: Dies wäre das Ende der CDU/CSU, FDP, in der heutigen Ausgestaltung. Ergo, wird es nicht dazu kommen. Für mich ist die AfD der konsequente Part der “Konservativen”. Für Männer wie Höcke, denken diverse Mitglieder der CDU, vor allem die am rechten Rand, in die richtige Richtung, aber sind in seinen Augen “zu weich” es durchzuziehen. Ich befürchte, er wird eine Menge Zeitgenossen/innen finden, die ähnlich denken und sich deshalb der AfD zuwenden.

Quellen/Fußnoten

Quellen/Fußnoten
1 Erich Fromm, Psychoanalyse des Faschismus
2 Erich Fromm, Haben oder Sein: Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft, Taschenbuch – 1. Juli 2005
3 Umberto Ecco, 14 Merkmale des Urfaschismus
4 Armin Mohler war ein deutscher Historiker, Publizist und politischer Theoretiker. Er wurde am 12. April 1920 in Basel, Schweiz, geboren und verstarb am 4. Juli 2003 in München, Deutschland. Mohler war eine bedeutende Figur im intellektuellen Spektrum der sogenannten “Konservativen Revolution” und der NR in Deutschland. Er prägte maßgeblich die konservative Denkrichtung und war insbesondere in den 1950er und 1960er Jahren einflussreich. In seinen Werken beschäftigte sich Mohler mit verschiedenen politischen, kulturellen und ideologischen Strömungen.
Er analysierte vornehmlich die Ideen der Konservativen Revolution im Deutschland der Weimarer Republik, darunter Denker wie Ernst Jünger, Oswald Spengler (Anmerkung: Mit eben jenem anti-demokratischen Vordenker des Nationalsozialismus, aber Gegner der Rassenideologie, sympathisiert Max Otte) und Carl Schmitt.
Mohler betrachtete die Konservative Revolution als eine Antwort auf die kulturelle Krise und den Zusammenbruch der alten Ordnung nach dem Ersten Weltkrieg. Mohler wurde auch für seine Kontakte zur rechtsextremen Szene in Deutschland kritisiert. Er sympathisierte zeitweise mit nationalsozialistischem Gedankengut, distanzierte sich jedoch später von diesem und wandte sich einer nationalkonservativen Position zu. Er vertrat kontroverse Ansichten und war eine äußerst umstrittene Figur. Seine Werke und Ideen werden oft im Zusammenhang mit der Entwicklung der Neuen Rechten und des intellektuellen Rechtsextremismus in Deutschland diskutiert.

Hambi – Ein Symbol

bogeskov Lesedauer 13 Minuten

“Der Kampf ums Klima wird hier entschieden. Hier zeigt sich, was man will und wo es hingehen soll.”

Aktivist im Hambacher-Forst

So eben sah ich den Dokumentarfilm “HAMBI – Der Kampf um den Hambacher Wald”. Jetzt in diesem Moment verspüre ich aus vielen Gründen einen Kloß im Hals. Was sah ich? Junge und deutlich ältere Männer und Frauen, die sich dort engagierten. Leute, die ich früher als lebensfremd und naiv bezeichnete. Unter anderen befand sich unter ihnen ein Künstlerpaar. Ihre Botschaft: Hier entstehen Bilder! Ich verstehe sie. Auch ich denke oft in Bildern. Und manch eins habe ich selbst auf Leinwand gebracht. Bilder wirken im Nachgang nochmals vollkommen anders, als alles innerhalb des Geschehens herüberkam. Ich denke dabei an ikonische Fotos, wie sie beispielsweise im Vietnamkrieg entstanden. Oder an Maler wie Otto Dix, der mit „Stützen der Gesellschaft“ die Stimmung am Vorabend der Machtübernahme der Barbarei einfing. Ein Bild, welches durchaus auch zu unserer Zeit passt. Die Militaristen, Geschäftemacher, rückwärtsgewandte Männer mit Schmiss, Kriegsgewinnler, Nationalisten, Industriebarone, Geldadel, sehe ich auch heute noch überall.
In der Geschichte viele ausdrucksstarke Bilder. Eingefrorene Geschichte, die einen Augenblick sichtbar macht. Auf diesem Bild ist ein Wald zu sehen. In ihm junge Frauen und Männer, deren wild zusammengewürfelte Kleidung nicht dem Zeitgeist entsprechen. Sie tragen teilweise Dreadlocks. Die Hände und nackten Füße sind vom Klettern in den Bäumen verschmutzt.

Eine Frau in der Mitte der 50er fertigt auf einem Feld eine Leinwand an, die sie wohl zwischen die Bäume hängen will. Graue Strähnen ziehen sich durch ihr langes schweres schwarzes Haar. Alles an ihr wirkt offen, menschlich, warm, weich und fragend. Ein Mann, gekleidet mit Klamotten, die über und über mit Farbflecken übersät sind, unterstützt sie dabei. Die 25 bis 30- jährige junge Aktivisten/innen, die äußerst intelligent wirken, gehen beeindruckend sicher mit dem Kletterequipment um. Sie unterscheiden sich kaum von den Kletterern, denen ich mal beim Wandern in den Pyrenäen begegnete. Sie reden darüber, was der Mensch anrichtet. Der Wald ist für sie ein Mahnmal. Der letzte Rest von einst 5500 ha (55,00 km2), dies entspricht etwa der Größe des Berliner Bezirks Tempelhof-Schöneberg. Zwischendurch ein Szenen-Wechsel zu den gigantischen Baggern, die die Erde mit brachialer mechanischer Kraft aufreißen, um an die Braunkohle zu gelangen. Dann geht es wieder um die Aktivisten/innen. Sie sprechen von ihren Träumen, der Gemeinschaft, das verbindende Gefühl irgendetwas gegen das zu tun, was um sie herum geschieht.

Mein Blick wandert auf meinen zweiten Bildschirm. Offen ist eine Seite mit Nachrichten. Dazwischen primitive Filmchen und Werbung mit jungen Frauen, die sich in Leggings zwängten, die in vulgärer Art die primären Geschlechtsteile präsentieren. Die Lippen sind aufgespritzt und die Gesichter sehen aus, als wenn sie einen Suizidversuch mit einer Gotcha-Pistole hinter sich haben. Typen posieren mit ihren Körpern, die sie stundenlang in Studios aufpumpten und dazu noch Steroide schluckten. Die Gesichter wirken dümmlich. In anderen Anzeigen wollen mir schmierige Vögel Tipps für das schnelle Geld geben. Zwischen all dem die Nachrichten, wenn es denn tatsächlich welche sind, zu entdecken ist nicht einfach. Cherson ist wieder von den ukrainischen Truppen zurückerobert worden. Die Klimaaktivisten von der Letzten Generation enterten den Berliner Flughafen. Mein Algorithmus ist seit Monaten der Meinung, ich bräuchte ein Hörgerät.

Im Film rückt die Staatsmacht an. Das typische Erscheinungsbild: Einsatzanzug, Einsatzstiefel, Schutzhelm, Visier halb offen, manche mit Halstuch, Handschuhe, Dienstwaffe, Handfesseln, Oberkörpervollschutz. Ein Kontrast, der einen förmlich anspringt. Das exakte Gegenteil von individuellem Ausdruck mittels Kleidung. Das eigene Denken hinter dem gestellt, was die Uniform vorgibt. Da gibt es keine Moral, Ethik, Gefühl, Meinung, sondern Weisungen, den kalten Gesetzestext, Dienstanweisungen, Gehorsam, Disziplin, Melde – und Befehlsketten. Die sogenannte Remonstration bezieht sich ausschließlich auf den materiellen Inhalt. Darüber, ob diese Gesetze dafür geeignet sind, jetzt in diesem Moment dem zu genügen, was richtig ist und der Intention der Vordenker /innen des Grundgesetzes gerecht zu werden, entscheiden andere.
An einer Absperrung zitiert ein junger Mann aus einem Lied der Antilopen-Gang. “1933 wärt ihr alle Nazis gewesen!” Ein Polizist fühlt sich beleidigt und will die Personalien feststellen. Ich drücke die Pausentaste. Diktaturen benutzen die Polizei zum Durchdrücken ihrer Entscheidungen. Die bundesdeutsche Polizei sieht sich als Vollstrecker von Entscheidungen, die in einem demokratischen Prozess zustande kamen. Demnach leistet sie Dienst am Volk. Wussten die Polizisten 1933 wirklich, für wen sie da auf der Straße standen? Dachten sie nicht, der Führer dient mit allem, was er zu bieten hatte, dem Wohl des Deutschen Volks? Was wussten sie von dem, was wir heute wissen? Was sich wenige vor Augen halten, ist das Spannungsfeld zwischen Kriminalpolizei und Schutzpolizei, vor allem, wenn es sich um geschlossene Einheiten handelt. Ein/e Kriminalkommissar/in bewegt sich innerhalb von Spielräumen. Wo man genauer hinsieht und an welchen Stellen von spontaner Blindheit oder intellektueller Überforderung überkommen wird, lässt sich schwer prüfen.

Hinter der Rodung stehen finanzielle Interessen und die Idee, dass es wichtig ist, Energie zu erzeugen. Nur so kann alles weiter laufen. Dieses Ziel rechtfertigt das Aufreißen der Erde und die Vertreibung Einzelner zum Wohl der gesamten Nation. Angeblich zahlten sie an die Anwohner gutes Geld. Zu viel wird es nicht gewesen sein, sonst wäre es kein gutes Geschäft. Und mit Sicherheit verdiente auch die/der eine oder andere Politiker/in eine erkleckliche Summe. Die Vernunft führte längst schon zur Einsicht, dass Braunkohle in einer Zeit, in der man erkennt, wie nah die Katastrophe ist, keine gute Idee ist. Aber was soll man machen? Vertrag ist Vertrag! Vertragsrecht ist Vertragsrecht! Aktionäre aus aller Welt wollen ihre Rendite sehen. Geld oder Leben? In der Regel heißt die Antwort Geld. Ist das der Wille des Volks? Ich fürchte: “Ja!”.
Vieles sind Verwaltungsakte. Mitarbeiter einer Behörde treffen Entscheidungen, die geeignet, verhältnismäßig sind und das Ergebnis eines Ermessens sind. Da entscheidet nicht das Volk, sondern am Ende ein Abteilungsleiter, der die passenden Eigenarten für den Aufstieg in einer Behörde mitbringt. Widerspruchsgeist, politische Opposition gegenüber dem immer schon Dagewesenen, den Konservativen, die einen Teufel tun werden, sich das eigene Wasser abzugraben, gehören dazu.
Wieder schaue ich auf das Bild und denke mir: “Ein wenig kleinlich, Herr Obermeister! Oder willst Du dem Typen vor Dir zeigen, wer am längeren Hebel sitzt?” Ich kenne die Diskussionen gut. “Trölle, ich stehe da als Vertreter des Staats und muss mich nicht beleidigen lassen.” Ja, Du stehst da aber auch als Mensch und denkender Bürger, dessen Empathie nicht am Visier endet. Außerdem könntest Du Dir bewusst sein, wie sehr gerade zwei völlig unterschiedliche Lebenswelten aufeinandertreffen. Du hast Dich für Auto, Einfamilienhaus, Familie, Anpassung ans gesellschaftliche Geschehen, Weber-Grill, Rasenmäher, ordentliche Wohnverhältnisse entschieden. Der da vor Dir geht einen anderen Weg. Und der muss nicht falsch sein. Ganz im Gegenteil! Immer wieder werden im Film Szenen mit der gleichen Rechtfertigung gezeigt. “Ich stehe hier für Recht und Gesetz!” Als ich jünger war, kannte ich eine äußerst begrenzte Zahl an Lebensentwürfen. Noch geringer war die Anzahl derer, die mir als erstrebenswert vermittelt wurden.
Aktuell wurde in der Politik das Bürgergeld diskutiert. Die Schwarzjacken, wie ich die Vertreter und Vertreterinnen der Parteien CDU/CSU, FDP nenne, offenbarten im Zuge der Auseinandersetzung ihr Bild des guten Deutschen und en passant gleich noch, was sie verachten. Die Leute haben gefälligst zu arbeiten, auch wenn die Entlohnung mies ist. Das Jobcenter sagt Dir, wo Du Dich einzufinden hast. Ihnen ist egal, ob jemand am Freitag noch ein funktionierendes Rad im Getriebe des Systems war und Montag vor dem Nichts steht. Sie wollen nichts von den Tragödien wissen, in denen Leuten alles über den Kopf wächst. Sie sich einer Flut von amtlichen Schreiben ausgesetzt sehen und eines Tages schlicht ein defektes Rad sind. Wer nicht funktioniert, ist ein defektes Maschinenbauteil. Entweder auf den Schrott damit oder halbwegs zusammengeflickt zum gerade noch so verwendbaren minderwertigen Ersatzteil degradiert. Dies in einer Zeit, wo der Kollege Computer oder Roboter den Job übernimmt oder Konzerne nach Belieben und den Regeln des viel gepriesenen Markts folgend, die Produktion in andere Länder verlegen. Dorthin, wo für die Schwarzjacken bereits paradiesische Zustände herrschen. Breit grinsend präsentieren sich gelackte Schnösel, die an Universitäten lernten, wie man sich alledem entzieht. Auch für sie stehen die Frauen und Männer im Kampfanzug in Reih und Glied. Wenn sie sich nicht allzu heftig mit Widerspruch aus dem Fenster lehnen oder goldene Löffel klauen, werden sie diese andere Seite des Lebens nie kennenlernen.

Meine Gedanken schweifen ab. Recht und Gesetz! Es ist eine Geschichte, wenn jemand mit der Waffe in der Hand Geiseln nimmt und versucht Geld zu erpressen. Oder in ein Haus einbricht, womit er unter Umständen eine ganze Familie traumatisiert. Ein andere wird erzählt, wenn jemand auf einen Baum steigt, um gegen das Haben, Profit, Gier, Dekadenz, Verlust der Werte und ethischer Grundlagen, zu protestieren. Gesetze sind auch die Steuerinstrumente der Macht. Manche werden begünstigt, andere werden zu Verlierern. Gut für alle, die Jura studierten und wissen, wie sie Gesetze in bare Münze umwandeln können. Ich bin mir schon lange nicht mehr sicher, ob es bei all diesen Einsätzen um Recht und Gesetz geht, oder vielmehr die Machtverhältnisse geklärt werden sollen. Ich denke an Brokdorf, Wackersdorf, Bonn, Mutlangen, Startbahn-West, zurück. In mir kommen Erinnerungen an den Bruch in der deutschen Politik hoch, als Kohl mit dem Verrat der FDP an der SPD die Macht übernahm, nur um sie bekommen. Wie in diesem Zusammenhang ein Herbert Wehner eine düstere Prognose aussprach, in der er von einer sich verselbständigenden politischen Macht redete, die sich vom Bürger entfremden wird. Wenige Jahre später, begann sich die Gesellschaft aufzuspalten. Gestandene Frauen und Männer, Bürger, Richter, Schriftsteller, Nobelpreisträger, versuchten Politikern/innen, die vom schnöden Mammon angetrieben wurden, die Stirn zu bieten. Doch das Banale, die dumpfe Gier, hatte längst gewonnen.

Von alledem, wissen beide wenig. Nicht der Demonstrant mit seinem provokanten Zitat und auch nicht der Polizist. Letzterer weiß nichts von den Gedanken, die sich schon lange vor ihm die Einsatzbeamten (damals nur Männer) in Wackersdorf und Brokdorf machten, als sie vor ganz normalen Leuten aus der Region standen. Vielleicht wird er sich eines Tages auch welche machen. Möglicherweise riegelt er aber auch ab, wie es so viele taten, die ich kenne. “Alles Zecken, linke Spinner, Chaoten, geistig Verwirrte!” Und schon blitzt das nächste Bild in meinem Kopf auf. “Hair!” Die “langhaarigen Hippies”, die versuchen dem angehenden Soldaten mit seinem geschorenen Kopf den Vietnam-Krieg auszureden. Aber sie beide wissen noch etwas nicht. Geht man einige Schritte zurück, gewinnt Abstand, wird eine Gemeinsamkeit erkennbar. Aktivisten/innen und den Polizisten/innen ist die Gesellschaft nicht egal. Jede/r ist bestrebt, sie auf seine/ihre Art zu retten. Die einen gehen davon aus, dass alles hinfällig wird, wenn es keine Lebensgrundlagen mehr gibt. Die Beamten/innen sehen alltäglich den Verfall. Egozentriker, Werteverfall, Psychopathen, Durchgeknallte, abgestumpfte Frauen und Männer, viele voller Hass, Wut, Frust, stets kurz vor dem Eskalieren.
Ich erinnere mich an Maurice, einen französischen Traveller, den ich in Malaysia traf. Er hatte eine ganz eigene Theorie. Seiner Meinung nach mengten dunkle Mächte sedierende Stoffe ins Trinkwasser. Er sah sich darin bestätigt, wenn die Touristen nach einigen Wochen wieder lächeln konnten, freundlicher blickten und sich nicht mehr wie Roboter die Straßen nach etwas käuflichen absuchten. Ich ließ ihn in seinem Glauben. Aber mit seiner Beobachtung lag er richtig. Die Leute wurden nach einigen Tagen tatsächlich menschlicher. Beide Fraktionen rennen mit ihrem Engagement gegen Mauern und das Geschehen treibt sie aufeinander zu.

Der Wald ist nicht mehr zu retten. Doch ging es jemals wirklich darum? Ging es nicht, wie einer der Aktivisten feststellte, um die Symbolik? Wo wollen wir hin?

Deutschland wird das Klima nicht retten! – heißt es in vielen Kreisen. Das ist korrekt, aber meiner Auffassung nach der falsche Ansatz. Das Klima kann weder geschützt noch gerettet werden. Einzig und alleine, können Menschen, die es betrifft, mit der Veränderung des Klimas durch Einbringen von verändernden Substanzen aufhören. Selbst wenn es nicht ums Klima ginge, blieben immer noch die Verpestung der Atmosphäre und die Produktion von Stoffen, die als Müll, die Lebenssysteme zerstören, die brutale Vergewaltigung der Flora und Fauna zugunsten des Homo sapiens. De facto benimmt sich der Mensch wie die Orks in Mordor, die aus der Tiefe das Unheil ausgraben. Demnach geht es um eine Grundhaltung. Setze ich mich als Mensch ins Zentrum des Geschehens, sodass alles mir Untertan ist und ich damit machen kann, was ich will oder sehe ich mich als einen Teil des Gesamten?
Im zweiten Fall hat jegliches Handeln eine Auswirkung auf alles. Dies muss ich mir als einzelner Mensch, als Deutscher und Bewohner des Planeten Erde beantworten. Entscheide ich mich für die Sichtweise, dass ich Teil des Gesamten bin und deshalb die genannten Handlungen nicht nur für andere/s, sondern auch für mich selbst Schaden anrichten, muss ich es einstellen. Sollte es sich bei mir nicht um einen Anhänger einer der Buchreligionen sein, die sich auf dem Stand von vor 2000 Jahren befinden, wird mir die Logik keine Wahl lassen. Dann erübrigt sich das Verweisen auf andere und ihre Missetaten.

Der Hambi wurde geräumt. Die dahinter steckende Entscheidung liegt auf dem Tisch. Der Mensch steht im Mittelpunkt von allem und darf sich das Recht herausnehmen, zu seinen Gunsten alles platt zu machen. Da ich der Logik der Wechselwirkung zustimme, folgen darauf komplexe Auswirkungen. Auf all die Menschen, die dort eine Rolle spielten, auf das Ökosystem, die weitere gesellschaftliche Grundhaltung und noch einiges mehr. All das Gerede über eventuelle mögliche technische Lösungen, Anpassungsmaßnahmen, einen Markt, der alle Probleme regeln wird, sind Symbole für die menschliche Hybris.
Wir, die Krönung der Schöpfung, die Lieblinge eines imaginären Gottes, mit unserer zeitlich eher lächerlichen Existenz und überschaubaren Wissen bezüglich der komplexen Zusammenhänge, werden dazu in der Lage sein, einen menschlichen Masterplan zu entwickeln. Bezeichnend ist dabei, dass Gemeinschaften, die an Naturgötter glauben, diese Haltung nicht einmal ansatzweise zeigen. Innerhalb weniger hundert Jahre veränderten wir ein seit Millionen Jahren andauernden Prozess. Ein Leben ist in diesem Zusammenhang nichts.
Da wir aber eine Spezies mit der Fähigkeit der Weitergabe von Sichtweisen, Wissen, Lebenshaltungen, sind, können wir ein paar tausend Jahre überbrücken. Nach dem bisherigen Wissensstand, können in dem Umfeld, welches wir gestalteten, am Ende für lange Zeit nur Bakterien überleben, wenn nicht gar das komplette Lebenssystem ausradiert wird. Lange vorher, werden immer mehr Regionen des Planeten unbewohnbar und die dort Lebenden müssen flüchten. Teilweise findet dies bereits statt. Urbane Regionen in Küstennähe müssen verlegt werden. Auch hierzu gibt es in einigen Mega-Metropolen bereits Pläne. Das komplette Handelssystem einschließlich vernetzter Lieferketten für Nahrungsmittel brechen nach und nach zusammen. Wie sich die komplexen Ökosysteme nachteilig, auch für den Homo sapiens entwickeln, weiß niemand genau. Eine Zeitlang werden sich reichere Staaten mittels technischer Hilfsmittel der Folgen erwehren können, doch die nicht abwendbaren Konflikte, reißen am Ende auch sie ins Verderben. Vielleicht wird man auf eine Abriegelung setzen. Doch fest steht dabei, dass hierdurch dystopische Bilder entstehen, die der Bevölkerung verkauft werden müssen.

Ich werde nur noch die Anfänge erleben. Insofern spielt eine weitere Haltung eine Rolle. Darf sich eine Spezies, die sich in der Lage befindet, dessen bewusst zu werden, dies herausnehmen? Augenscheinlich scheinen Teile der Population diese Auffassung zu vertreten. Wer weiß, vielleicht ist diese Hybris eine logische Folge von der Entwicklung einer Intelligenz, wie wir sie entwickelten. Einige Wissenschaftler gehen so weit, dass es genau aus diesem Grunde niemals zu einem Kontakt zu anderen intelligenten Wesen nach unserem Schema kommen wird, weil die sich ebenfalls vorher auslöschen.
Dabei ist ein generelles Problem, welche Gedanken und Haltungen sich durchsetzen können. Dominant erscheinen Gier, Egozentrik, Hybris, primitives Triebverhalten zu sein, während sich das Gegenteil immer in der Minderheit befindet. Da erscheint mir der Buddhismus, der von einem zusammenhängenden Universum ausgeht, in dem die Inkarnationen der Lebensenergie keine Grenzen kennt, als die letzte wohltuende Krücke.


Ich schaue nochmals auf das letzte Standbild des Films. Zu meinem sehr persönlichen Leidwesen kommen in meinem Kopf die eingesetzten Polizeikräfte nicht gut weg. Aufs Ganze betrachtet, sind die Hambi-Aktivisten auf der richtigen Seite. Für einen kurzen Augenblick mag man den Polizisten/innen zustimmen. Noch kommt aus der Steckdose Strom, das Auto fährt, die Buchte ist warm, aus der Wand kommt sauberes Wasser, auf dem Grill liegt ein Steak, doch all das wird enden. Und sie haben diesen temporären Zustand ermöglicht. Mit ihrem Einsatz haben sie dennoch wieder einmal dafür gesorgt, dass sich die Hybris, Unvernunft, mangelnder Verstand, Gier, durchsetzte. Da ich das selbst oft genug tat, werfe ich mit Sicherheit nicht den biblischen ersten Stein. Wer weiß, wie die jungen Beamten/innen später einmal ihre Rolle sehen werden.
Zu allem kommt der psychologische Effekt der Kognitiven Dissonanz hinzu. Das Großhirn will sich gut fühlen. Zu dumm, wenn die Fähigkeiten Verstand und Vernunft einen Strich durch die Rechnung machen. Beide wissen ganz genau, dass die momentane Handlung im Widerspruch zu dem ist, was richtig ist. Also werden alle erdenklichen Strategien gefunden, die diese Dissonanz zwischen eigenem Anspruch und Realität wieder ins Gleichgewicht bringt. Nein, ich will keinen Tieren Schmerz zufügen oder sie töten. Aber die ich esse, sind erstens bereits tot und außerdem wurden sie eigens zum Verzehr gezüchtet. Am besten wird danach gleich noch eine Dose für die Katze oder den Hund geöffnet, um sich danach bei einer Dokumentation über chinesische Märkte mit niedlichen Hunden zu gruseln. Immer gut funktioniert das Verweisen auf andere und ihre Missetaten. “Sicher ist hier nicht alles OK, aber was ist denn mit den mit China und Indien?” Natürlich kennt jede/r PR-Berater/in diesen Effekt. Sei es in der Wirtschaft, Politik, Werbung oder im Speziellen in der Klimapolitik, überall werden Lösungen zur Bewältigung der Dissonanz angeboten. Mit dem 1,5 Grad-Ziel wurde ein Anker gesetzt. Würde dieses rein theoretisch eingehalten werden, wäre doch alles in Butter. Oder? Die 1,5 Grad wurden längst als zu ambitioniert deklariert und auf 2 Grad erhöht. Dabei wäre es ratsamer, völlig unabhängig von der Gradzahl alle Kräfte und Möglichkeiten aufzubieten. Wo wir dann landen, wird sich zeigen. Doch nunmehr 2 Grad bieten den komfortablen Zustand an, den Lifestyle der industrialisierten Länder halbwegs aufrechterhalten zu können. Die Inseln und ärmeren Küstenstaaten auf der südlichen Hemisphäre werden dabei eiskalt geopfert. Aber auch hierfür gibt es eine Besänftigung der Dissonanz. Wir zahlen den einfach Geld. Und Geschenke, Spenden, machen sich für das Gewissen immer gut.
Auch beim “Hambi” funktioniert es. Die scheußlichen Narben werden für viel Geld renaturiert. Überall entstehen tolle Seen, an denen sich dankbare Tiere ansiedeln und selten gewordene Pflanzen wachsen. Verschwiegen wird, dass die Zersiedelung und das Auseinanderreißen von den Arten, wenn sie nicht gerade flugfähig sind, nicht überbrückt werden können. Selbst die Vögel haben keine echte Chance, weil ihnen wiederum die anderen Arten fehlen. Natur ist halt kein Haus, welches sich ein Architekt nach dem jeweils gerade herrschenden Zeitgeist ausdenkt. Der Hambacher Forst hieß einst Bürgewald und hat ewige Zeiten hinter sich. Bis in die 70er hinein stand er unter Verwaltung und Hege der anliegenden Gemeinden. Bis dann 1978 RWE auf der Bildfläche erschien, den Wald gestützt von einer SPD Landesregierung kaufte und mit den Rodungen begann. Zur Erinnerung: Der Bericht des Club of Rome – Die Grenzen des Wachstums, erschien 1972. Erwähnenswert ist dabei, dass ein alter Wald, vor allem mit Buchen und Eichen, erheblich mehr CO₂ aus der Atmosphäre holt, als z.B. ein junger Fichtenwald.[1]https://www.wald.de/waldwissen/wie-viel-kohlendioxid-co2-speichert-der-wald-bzw-ein-baum/.
Nach all den Anstrengungen, sich das eigentlich Falsche irgendwie schönzureden, kommen einige “Rotzlöffel” plötzlich auf den Trichter, dass da einiges gar nicht zusammenpassen will. Unerhört! Was bilden die sich ein? Es gab gar keine anderen Möglichkeiten. Energiekrise, Kalter Krieg, Arbeitsplätze, Energieversorgung, was wissen die schon davon? Denen würde es nicht ansatzweise so gut gehen, wenn wir dies damals nicht alles in die Wege geleitet hätten. Nun, ich bin 56 Jahre und kann mich sehr gut daran erinnern, dass auch schon früher die Frage auf dem Tisch lag: “Wie weit darf der Mensch gehen und die ökologischen Strukturen zerstören, nur damit es ihm als einzelne Spezies gut geht?” Und auch schon zu diesen Zeiten wurden Kritiker als Ökos, Spinner, Freaks, Müslifresser diffamiert, um durch Herabsetzen der Kritiker die eigene Dissonanz zu überwinden. Außerdem waren die aus dieser Ökologie-Bewegung heraus entstandenen GRÜNEN gespalten. Da gab es von Anfang die Hardliner, die sogenannten Fundis und die Konservativen mit schlechtem Gewissen, die Realos. Weshalb ich die gern als grün angemalte CDUler bezeichne. Diejenigen, welche wirklich und wahrhaftig überzeugt waren, wandten sich ab und wählten den Weg des gesellschaftlichen Ausstiegs.
Heute, in einer Zeit, wo die Folgen der Zerstörungen immer sichtbarer werden, wächst das Missverhältnis zwischen dem bürgerlichen Anspruch, dem tatsächlichen Verhalten und Folgen, sowie die Abwehr der wirklich notwendigen Maßnahmen, die erhebliche Einbußen bedeuten. Die Herabwürdigung der Aktivisten/innen, ob sie sich in der Rettung von Flüchtlingen engagieren, auf Straßen und Rollfeldern festkleben, Bäume besetzen, ist unter der Berücksichtigung des beschriebenen Effekts leicht nachvollziehbar. Vor allem, weil damit in Deutschland auf fast jeder politischen Ebene gearbeitet wird. Ich weiß nicht, ob es wirklich so ist, aber ich denke, dies sind immer noch Nachwirkungen des III. Reichs. Es schmerzte, lange als die Barbaren Europas gesehen zu werden. Ab ’45 hatte man doch zumindest in der BRDeutschland alles richtig gemacht. Entwicklungsgelder, anderen Staaten Geld für die Unterbringung von Flüchtlingen gezahlt, einen Rechtsstaat aufgebaut, sich mit den Guten gegen die Schurken verbündet, Filteranlagen, sichere Atomkraftwerke, erfolgreich den sauren Regen “bekämpft”, daran mitgewirkt, dass das Ozonloch sich nicht ausbreitet, usw., usw. Nette Erzählungen, die jeder Deutsche gern glaubt. Aber ich werde sie hier nicht auseinandernehmen. Fest steht: Jede/r, die/der es bisher tat, durfte und darf sich von der gesamten bürgerlichen Meute inklusive der gesamten dazugehörigen Presse einiges anhören, was nicht selten unappetitlich wird. Wie erwähnt, ist das Herabwürdigen des Kritikers ein probates Lösungsmittel. Spinnern, Links versifften, Freaks, Öko-Terroristen, Fanatikern, langhaarigen Gammlern, weltfremden Intellektuellen muss man nicht zuhören.
Aktuelle Aktivisten/innen haben einen erheblich schwereren Stand, als beispielsweise noch in den 80ern. Propaganda oder wie man heute sagt Public Relation, hinterlässt ihre Spuren. Selbst simpelste Rhetorik verfängt in den Köpfen. Noch vor 10 Jahren machte es mich wütend, wenn ich selbst im engeren Bekanntenkreis feststellen musste, wie einige nicht mehr standhielten und begannen die Propaganda nachzuplappern. Heutzutage wende ich mich nur noch still ab. Für mich gilt bei einer Gesellschaft, was auch beim Einzelnen zieht. Wir alle machen Fehler. Größe bedeutet, sie einzusehen, sie zuzugeben und sich am Prozess der Behebung zu beteiligen. Es ist erlernbar, einzugestehen, wie falsch man lag und das miese Gefühl auszuhalten. Doch spätestens, wenn ich in den Bus einsteige oder diverse Kommentare, auch von mir bekannten Leuten lese, weiß ich, dass das nicht weit verbreitet ist. Bei einer großen Anzahl ist das Denkvermögen längst verkümmert. Sie fragen sich nur noch: “Kann man es kaufen? Kann ich es begatten? Kann ich damit prahlen oder bin ich damit “in”? Kann ich damit Spaß haben? Weder noch? Langweilig, uninteressant!”

Wie immer gilt für mich der Grundsatz: Ich kann Helligkeit nur jemanden erklären, wenn er weiß, was Dunkelheit ist. Alle Aktivisten/innen zeigen jedem, wie Engagement und Stehen zur eigenen Überzeugung aussieht. Auf die Art machen sie möglich zu erkennen, wie Apathie, dumpfes Mitmachen, die Strategien zur Überwindung der inneren Spannung aussehen. Dabei ist es egal, ob sie auf Bäume klettern, sich ankleben oder mit Farbe herum sprühen. Vielleicht machen sie nicht das Richtige, aber immerhin machen sie etwas. Völlig verblödet ist die Rhetorik, der nach ihr Handeln schädlich für eine Einsicht in die Notwendigkeit einer konsequenten Reaktion ist. Wenn Menschen mit einem Großhirn in Anbetracht des bereits Sichtbaren nicht von alleine auf die Idee kommen, sollte man auf einen baldigen Untergang dieser Gesellschaften hoffen, damit wenigstens die überleben, welche für all das nichts können. Man könnte beinahe auf die Idee kommen, dass die Völker, welche nichts mit der “zivilisierten” Welt zu tun haben wollen, von irgendwoher gewarnt wurden.




Die alte Zeit ist tot, es lebe das neue Zeitalter

code coding computer cyberspace Lesedauer 17 Minuten

Woher wissen wir denn schon, dass zwei und zwei vier ist? Oder dass die Gravitationskraft funktioniert? Oder dass die Vergangenheit unveränderbar ist? Wenn sowohl die Vergangenheit, als auch die äußere Realität nur in der Vorstellung existieren und die Vorstellung veränderbar ist – was dann?

George Orwell

Amerikanische Soziologen datieren die dritte große Revolution in der menschlichen Entwicklung, die Digitale Revolution, auf die Zeit um das Jahr 1989 herum. Egal, ob man wirklich einen konkreten Zeitpunkt ausmachen kann, veränderte sich unstrittig ab dem Ende der 80er weltweit das Leben der Gesellschaften in den industrialisierten Ländern. Bei den beiden anderen Revolutionen handelt es sich um den Sprung vom Jäger und Sammler zum Siedler und die Industrialisierung. Ich denke, selbst bei der ersten wird es Konflikte zwischen denen aus der Zeit davor und jenen der neuen Epoche gegeben haben.
Manche verweisen dabei auf die biblische Geschichte, in der Kain seinen Bruder Abel erschlug. Kain der Siedler erschlägt den Hirten, welcher mit seinem Vieh umherzieht. Gott lässt Kain leben, aber er muss eine Weile herumziehen, bis er ohne Gottgefälligkeit wieder siedelt, was laut Bibel in die nächste Katastrophe führt. Ja, ich pflichte den Autoren bei, die da eine Beschreibung des Umbruchs sehen. Es ist leicht vorstellbar, dass Bauern nicht glücklich über die Viehherden waren, die in ihre Felder einfielen. Aber die Menschen werden auch schnell bemerkt haben, dass das Zusammenleben in Siedlungen neue Anforderungen ergab.

Die Industrialisierung verhieß anfangs einen Segen für die Menschheit. Arbeiten, gefährlich, anstrengend, verschleißend, würden künftig von Maschinen übernommen werden können. Heute wissen wir, dass sich dies aus mehreren Gründen anders entwickelte. Und auch damals gab es Leute, die noch die Zeit vor der Industrialisierung kannten und nun die Anfänge erlebten. Manche schlossen sich der Begeisterung an, während andere skeptisch auf die Zukunft schauten. Letzteren war insbesondere die Technik-Gläubigkeit, die mit einer Reduzierung auf Naturwissenschaften einherging, unheimlich. Heute erleben wir eine Entwicklung, die zwar auf anderen Grundlagen beruht, dennoch Parallelen aufweist.
Die in den 60ern Geborenen sind die letzte Generation, die noch ohne Digitalisierung zu Erwachsenen wurden und seit 1989 im vollen Umfang daran Anteil nehmen. Zusätzlich existiert mittlerweile eine Generation, die um die 30 ist und bewusst nichts anderes kennenlernte.
Wie auch bei den Umbrüchen zuvor, gibt es Zeitgenossen*innen der 60er-Generation, die begeistert alle Möglichkeiten begrüßen und eben jene, die mit einer gewissen Skepsis draufschauen. Doch die Digitale Revolution ist nicht der einzige Umbruch. Der Jahrtausendwechsel ist gerade einmal 20 Jahre her und das 21. Jahrhundert ist noch jung. Das 20. Jahrhundert brachte neue Staatsformen, wie den Faschismus, mit sich, erlebte zwei Weltkriege, spaltete die Welt in arme und reiche Regionen, brachte neue Technologien mit sich und entfremdete große Teile der Menschheit vom natürlichen Lebenssystem. Durch die Digitalisierung ist sogar zur bisherigen Welt eine weitere, die virtuelle Welt, hinzugekommen. Viele leben mittlerweile in beiden und selbst Kriege werden in der virtuellen und in der realen parallel zueinander geführt.

Selbst wenn die Skeptiker über große Macht verfügten, würden sie an den Fakten nichts mehr ändern können. Wenn sie noch über eine Möglichkeit verfügen, dann ist es die Mitgestaltung. Einige fordern beispielsweise die Entwicklung ethischer Richtlinien. Bisher galt stets, dass der Mensch ohne Grenzen forscht und alles umsetzt, was ihm möglich erscheint. Im großen Stil ist uns das letztmalig mit der Entwicklung der Atombombe auf die Füße gefallen. Selbst Sozialisten und eingefleischte Kommunisten sehen die Gefahren, ordnen sie aber den putativen Möglichkeiten unter, die eine Technisierung für eine gerechtere Verteilung anbietet. So oder so nehmen wir aus den vorhergehenden Epochen das Wissen um die Zweiseitigkeit jeder neuen Technik mit. Sie kann dem Guten dienen oder für das gegenseitige Abschlachten benutzt werden. Ein altes, meiner Meinung nach wackeliges Argument: Nicht die Waffe tötet, sondern der sie benutzende Mensch. An der Stelle überlege ich stets, welches Wild man mit einem Maschinengewehr erledigen will.
Mittlerweile stehen genetische Eingriffe für alle möglichen Zwecke im Raum, die Verschmelzung zwischen Maschine und Mensch ist in greifbarer Nähe, kontrollierte Eingriffe in komplexe Systeme, wie z. B. auch das natürliche Lebenssystem, scheinen in absehbarer Zeit möglich zu sein. Womit alte Ermahnungen wieder aktuell werden.
Ich denke da beispielsweise an den Zauberlehrling der Geister herbeiruft, die er nicht mehr unter Kontrolle bekommt. Einige nehmen eine fatalistische Haltung ein. Ihrer Meinung nach ist der Mensch aufgrund seiner naturgegebenen Voraussetzungen dazu verdammt, sich selbst den Untergang zu gestalten. So richtig kann ich mich dem nicht anschließen. Allein, wenn es Menschen gibt, die dazu in der Lage sind, das unkontrollierte Bestreben nach Wachstum, die Erforschung von allem ohne Berücksichtigung eines möglichen Missbrauchs, die ehemals wichtige Gier und die dem Menschen innewohnende Fähigkeit zur Aggression, als gefährliche Faktoren zu erkennen, beweist dies etwas. Wir können Erkenntnis erlangen und wenn wir dies können, ist theoretisch auch eine Veränderung bzw. Gegenreaktion machbar. Anders sähe es aus, wenn niemand die Gefahren sehen würde. Ein unverständiges Wesen ist nicht in der Lage ein kommendes katastrophales Ereignis zu erkennen und rechtzeitig etwas zu unternehmen. Alle anderen durchaus!

Es geht also darum, was sich am Ende durchsetzt. Verstand und Vernunft oder das Triebhafte. Überlegungen hierzu gehen zurück bis in die griechische Antike. Bereits Platon und Nachfolger dachten über ideale Gefüge für das Zusammenleben von Menschen nach. Auch sie dachten über diese Dualität des menschlichen Daseins nach und wie man am ehesten gewährleisten könne, dass Vernunft und Verstand die Führung übernehmen. Fremd war ihnen, wie sich die von ihnen ermittelten menschlichen Voraussetzungen, die sich bis heute nicht veränderten, in Massengesellschaften auswirken. Und selbst in einer virtuellen Realität bleibt die Psyche eines Menschen immer noch eine menschliche. Aktuell erleben wir erneut, wie das Triebhafte die Überhand gewinnt. Sei es nun der Ukraine-Krieg, eine dekadente deutsche Wohlstandsgesellschaft, die eben um exakt diesen Zustand bangt, oder eine weltweite pubertierende Haltung gegenüber der Entwicklung der ökologischen Gegebenheiten. Große Teile stampfen bockig mit dem Fuß auf und versuchen mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, in dem sie versuchen einen Lifestyle durchzusetzen, der schlicht nicht machbar ist. Es ist vermutlich die größte Frustration der Moderne, dass Naturgesetze der Hybris des Menschen trotzen. Möglicherweise noch verletzender als die Sterblichkeit. Selbstredend ist ein Blackout eine erhebliche Gefahr für alles, was uns lieb und teuer geworden ist. Uns! Löse ich meinen Blick von der Nation und schaue ich mich auf der Welt um, muss ich erkennen, dass es uns maximal auf den Zustand vieler anderer Regionen zurückwerfen würde. Bei allen Betrachtungen ist nunmehr ein Aspekt hinzugekommen, der erstmalig in der Geschichte auftritt. Wenn sich Griechen mit Theben, Phöniziern, Persern oder Makedonen bekriegten, war das unschön, doch es hatte keinerlei Auswirkungen auf die Völker des amerikanischen Kontinents. Bis zu den Weltkriegen waren die Auswirkungen für das ökologische Lebenssystem überschaubar. Gleiches galt bis zur Industrialisierung für die Fehlentscheidungen einzelner Völker. Wenn die über ihre Verhältnisse lebten und regional zu viel Raubbau betrieben, merkten davon Menschen in anderen Regionen der Erde nichts. Dies hat sich bekanntlich grundlegend verändert. Wenn manche Staaten unvernünftig handeln, haben gleich alle etwas davon.

Eins ist auf jeden Fall absehbar. In den demokratisch organisierten industriellen Staaten ist mehrheitlich eine politische Führung installiert, die das Triebhafte bedient, selbst favorisiert und fördert. Vermutlich eine Folge der Demokratie, die als Manko die Anfälligkeit für Demagogen innehat. Für mich ist sie ein anzustrebendes Ideal, aber leider nur erfolgreich, wenn der verständige und vernünftige Anteil der Gesellschaft, die von Trieben gesteuerten Wahlberechtigten dominiert. Ob dies aktuell der Fall ist, lasse ich mal dahin gestellt. Jedenfalls besteht im anderen Fall stets die Gefahr, dass sie am Ende in einer Diktatur oder gar Tyrannei mündet. Meist geht es dann schneller, wenn die Freiheit von einem Krieg bedroht wird. Autoritäre Regierungsformen sind im Kriegsfall erfahrungsgemäß, temporär effizienter. Ähnliches gilt in Krisen. Aus der Polizei kenne ich die Situation, dass in diversen Bereichen der kooperative Führungsstil vorteilhafter als der bestimmende ist, sich aber als unzureichend erweist, wenn man beispielsweise in einer in Riots eskalierenden Demonstration angegriffen wird. In Friedenszeiten bieten Diktaturen oder Tyrannen keine Garantie, dass sie bezüglich der ökologischen Schädigungen weniger schädlich sind. Eher ist das Gegenteil der Fall.

Der erwähnte Umbruch wird von Krisen flankiert. Die europäischen Demokratien werden bedroht einer “neuen” Regierungsform, die sich als Putinismus etabliert und die gesamte irdische Population sieht sich ausgeführt den Folgen des Lifestyles der Industriestaaten ausgesetzt. Parallel entstehen durch die Digitalisierung völlig neue Voraussetzungen mit denen Staaten, Gesellschaften, Individuen, gesteuert werden können. Würden sie ausschließlich von Verständigen und Vernünftigen angewendet, gäbe es dagegen nichts einzuwenden. In dem Falle wären sie beinahe ein Segen. Wie immer, sind Ideal und Realität nicht deckungsgleich. Was meiner Meinung nach die Ideale nicht zwecklos werden lässt. Sie zeigen, wo es hingehen sollte und wie die Weichen zu stellen sind. Da wird häufig das Konfuzius zugeschriebene Zitat: “Der Weg ist das Ziel!”, falsch interpretiert. Gemeint ist das Einschlagen eines Lebenswegs, welcher geeignet ist, einem unerreichbaren Ideal, näherzukommen. Es gibt zwei alte Sichtweisen auf ein Staatsgefüge. Bei der einen ist der Staat einem einzigen Körper gleichzusetzen, in dem jedes Individuum als ein einzelnes Organ mit seiner Funktion für den Körper zu sehen ist. In der anderen sorgt der Staat für Bedingungen, der die einzelnen Elemente die größtmögliche Entfaltungsfreiheit ermöglicht.

In Deutschland sind Konservative bemüht, die Herrschaft über die virtuelle Welt, das Internet, zu gewinnen. Die dort bisweilen herrschende Anarchie ist ihnen unheimlich. Leute in der Wirtschaft gehen einen anderen Weg. Sie machen sich die dort entstehenden Prozesse zunutze. Außerdem wissen sie die durch die Digitalisierung passierende “Entpersonalisierung” der Menschen zu nutzen. Jeder Mensch wird in einen binären Code übersetzt, der dann entsprechend benutzt werden kann. Andererseits sind Konservative in Koalition mit Wirtschaftsliberalen jederzeit bereit, Intellektuelle, die versuchen mittels Diktat der Unvernunft und den Trieben Herr zu werden, einer unzulässigen Beschneidung der Freiheit zu bezichtigen. Ich betone, Wirtschaftsliberale, sind keine Liberalen oder Libertäre, auch wenn sie sich gern als solche sehen. Jeder kann dies nachlesen und sich die historische Entwicklung von politischen Philosophien und Wirtschaftstheorien ansehen. Allein, dass es zwei unterschiedliche Bezeichnungen gibt, weist auf die Differenz hin.
Trotz aller Täuschungsversuche sehen in Deutschland die gängigen politischen Strömungen den Staat immer noch als einen Organismus, für den alle mehr oder weniger ihren Beitrag zu leisten haben. Ein Unterlassen wird lediglich hingenommen, wenn eine nachgewiesene Unfähigkeit, z. B. Krankheit, nachgewiesen wird. Beim vermeintlichen Gegenüber der Konservativen, den als links bezeichneten Strömungen sieht es nicht anders aus. Wirklich interessant wird es erst bei den zu Extremisten und Radikalen abgestempelten. Da gibt es dann die unverblümt von einem Organismus ausgehenden Rechten, welcher von einem Gehirn gesteuert wird. Ihnen entgegen gestellt, sind dann beispielsweise die Anarchisten, welche nach dem Wegfall der konstruierten Hierarchie, von einer nach Unruhen eintretenden stabilen, sich selbst regelnden Struktur ausgehen.
Kein halbwegs akzeptierter deutscher “Linker” oder “Konservativer” geht die Grundfesten wie Eigentum, Hierarchie, Untersagung allzu heftiger Attacken auf die eigene Machtposition, Steuerung der Gesellschaft und die eigene Identifikation über Statussymbole, an. Wer so etwas unternimmt, befindet sich außerhalb des hingenommenen Spektrums.

Dass etwas vor sich geht, es zu Änderungen kommt, kann man fast körperlich spüren. Ungewiss ist, wohin es gehen wird. Gruppen, die vormals wenig Chancen hatten, sich am Diskurs zu beteiligen oder ihm sogar eine Richtung zu geben, werden durch die Digitalisierung völlig neue Möglichkeiten eröffnet. Mit einmal werden Strömungen sichtbar, die ehemals ein Schattendasein frönten. Die sogenannte Mitte reagiert konsterniert. Mittig zu sein, entwickelte sich lange zu einem in der Breite gewollten Zustand. Kompromisse, Abstriche von eigenen Wünschen, die Geborgenheit der Allgemeinheit, die Sicherheit durch Anpassung, die kollektive Übereinkunft auf der Seite der Guten zu stehen, das gemeinsame Streben nach immer mehr Besitz und die Gleichsetzung mit Glück und Erfolg, waren zuvor der gemeinsame Konsens. Davon Abweichendes wurde entweder ignoriert, als Spinnerei abgetan oder jugendlicher Lebensart zugeordnet, die sich im Alter legt.
Radikale Ideen, Forderungen, Denkmuster, waren jenseitige verpönte Verhaltensweisen, vor denen die Gesellschaft zu beschützen ist. Im Prinzip wäre dies wünschenswert, wenn denn die Mitte tatsächlich dem entspräche, was sich innerhalb der dokumentierten Menschheitsgeschichte als Weisheit herausgearbeitet hat. Dem ist aber meiner Meinung nach nicht der Fall. Eine Mitte, die sich mit dem Outfit von Politikern*innen, mehr beschäftigt, als sich sichtbaren existenziellen Problemen zu widmen, zeigt ein vollkommen entgegengesetzten Zustand. Gleichermaßen handelt es sich bei Debatten um Geschwindigkeitsbegrenzungen, einem Festhalten an der Wachstumstheorie ins Unendliche, Masken, Impfungen, Reaktionen auf Aggressoren, die Suche nach Glück über das Materielle, nicht wirklich um Zeichen für Weisheit.
Vielmehr regt es dazu an, mal darüber nachzudenken, ob all dies nicht aus der Perspektive einer ausgereiften Persönlichkeit, eher extreme Verhaltensweisen sind, die mit denen von Süchtigen zu vergleichen sind. Bemerkenswert ist dabei, wie heftig die Reaktionen ausfallen, wenn etwas versagt wird, was objektiv nichts mit Vernunft und Verstand zu tun hat. Interessant ist ebenfalls, dass Persönlichkeiten, die zur Prahlerei und Narzissmus neigen oder gern Triebverhalten an den Tag legen, wie zum Beispiel mit einem Porsche durch die Gegend zu stolzieren oder sich in monarchisch anmutenden Posen darstellen lassen, an die Spitze der Hierarchie gelangen. Sie geben Hinweise auf die Struktur des Staats. Welcher Gestalt sind die Regeln, nach der sie aufgebaut wurde oder sich selbst nach und nach generierte, sodass diese Charaktere an höchster Stelle landen? Grundsätzlich wird von einem Menschen innerhalb der Struktur Produktivität, Konsum und das Streben nach Eigentum erwartet. Je mehr vom Genannten erkennbar ist, um so höher ist das Ansehen. Da ist es nachvollziehbar, dass sich diejenigen nach oben durchboxen, die dies ohne Rücksicht auf Verluste praktizieren, Gleichgesinnte unterstützen und Regeln aufstellen, die diese Haltungen beflügeln. Das Ergebnis wird dann finanzieller Wohlstand genannt. Wobei die Konkretisierung oftmals weggelassen wird. Tatsächlich fragen im 21. Jahrhundert immer mehr Menschen, vor allem Jüngere, ob dies denn echter Wohlstand ist. Spätestens, wenn sie sich in der Mühle von zu bedienenden lang angelegten Krediten befinden, der Konsum von herzeigbaren Statussymbolen immer mehr vorhergehende Energie abfordert, kommen diesbezüglich Fragen auf.

Wie auch immer, die Andersdenkenden verfügen heute über ungleich mehr Optionen, als jemals vorher möglich war. Woraus sich zwingend ein Konflikt ergibt. Über die Social Media werden immer häufiger Aspekte sichtbar, die früher unter den Tisch gekehrt und maximal sichtbar wurden, wenn Leute auf die Straße gingen. Hinzu kommen die Debatten und Empörungen, die gezielt aus dem Hintergrund lanciert werden. Ich bin gespannt, wie sich das in den kommenden Monaten entwickeln wird. Unübersehbar mischen sich russische Propaganda-Spezialisten ins Geschehen ein. Ausgerechnet die Konservativen gedenken offensichtlich, sich als freudiger Dritter einzuklinken. Ein extrem gefährliches Unterfangen. Der Preis für die Vernichtung des politischen Gegners, in dem man sich der russischen Propaganda bedient, könnte hoch ausfallen. Die übersehen dabei, dass der eingeleitete Prozess u.U. nicht den gewünschten Stopp erfährt, sondern von den Rechten weiter befeuert wird. Die sogenannte deutsche Mitte sieht ihre existenzielle Grundlage gefährdet: den genannten finanziellen Wohlstand!
Den Intellektuellen fällt es schwer, von der Betrachtung des Ideals auf die Realität umzuschalten. Ein ziemlich altes Problem, welches bereits die alten Römer kannten. Die unterschieden sehr scharf zwischen der Gestaltung einer in Frieden lebenden Gesellschaft und einer im Kriegszustand. Eigens für diesen wurden temporär für maximal ein Jahr Führungskräfte mit Kompetenzen und Verantwortlichkeiten über die Mitbestimmung des Volks hinaus eingesetzt. Was nicht bedeutet, dass es zur Abwehr eines Aggressors keiner Intelligenz bedarf. Selbst Buddhisten bedienen sich im Ausweglosen der Kampfkünste.

Bei alledem darf theoretisch nicht aus den Augen geraten, dass die höherrangige Bedrohung die Zerstörung der Lebensgrundlagen ist. Das ist das zentrale Problem der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts.

Tatsächlich muss man einen anderen Eindruck gewinnen. Mich erinnert es an einen riskanten Überholvorgang auf der Landstraße. Der Fahrer will ein langsameres Fahrzeug überholen. Damit ist die erste Entscheidung getroffen, die nicht unbedingt notwendig wäre. Er könnte genauso gut, dahinter bleiben. Nun setzt er an und tritt dafür aufs Gaspedal. Auf halber Strecke bemerkt er ein entgegen kommendes Fahrzeug. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt bleibt die Chance zu bremsen und wieder einzuscheren. Danach gibt es nur noch konsequent zu beschleunigen und darauf zu hoffen, dass alles gut geht. Wer an dieser Stelle zögert, wird in einen schweren Unfall verwickelt.
Wir könnten auf die Bremse treten und es mit Gelassenheit, Genügsamkeit und deutlich weniger Lebenskomfort angehen. Oder wir setzen auf Technik, Wachstum, Innovationen, mit der Option, dass das böse ins Auge geht. Im ausgebrochenen Verteilungskampf wird ersten Eindrücken nach, alles über Bord geworfen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Überwindung des jeweiligen Gegners. Ein Prozess, der bereits aus dem 20. Jahrhundert bekannt ist. In dieser Art und Weise zwang der Westen im Kalten Krieg die UdSSR in die Knie. Klima, das Einstellen von für das ökologische System zerstörerischen Produktionen, die Entwicklung alternativer Energien, der Verzicht auf Unsummen für Waffen, wurde sekundär. Dies passiert wieder. Nunmehr besteht aber die berechtigte Annahme, dass es keinen dritten Anlauf geben wird und sich das laufende Jahrtausend auf wenige Jahrzehnte beschränken könnte.

All diejenigen, welche von Öko-Diktatur oder Öko-Terroristen sprechen, begreifen nicht den tieferen Aberwitz ihrer Begriffe. Das natürliche System ist seiner Art nach eine absolute Diktatur. Verhandlungen, Abstimmungen, Kompromisse sind in ihm nicht vorgesehen. Letztlich ist jedes kommende Extrem-Wetter-Ereignis eine Form von terroristischem Anschlag. Es wird von den großen Demütigungen der Menschheit gesprochen. Eine war die Erkenntnis, dass sich nicht die Erde im Mittelpunkt des Universums befindet. Nunmehr wird der Homo sapiens begreifen müssen, dass es ein Fehler war, sich selbst als das Zentrum des Geschehens auszumachen. Und wenn die Digitalisierung mit all ihren Möglichkeiten den Menschen vor sich her treibt, statt dessen er sich eine Orientierung, Kompass und Kontrollinstanz vorbehält, wird sie alles beschleunigen. Wenn alles Lebende und Gegenständliche parallel auch in Form eines binären Codes existiert, besteht die Gefahr, das Fassbare, das Erlebbare, zu verlieren. Bereits heute ist für viele Menschen das meiste abstrakt. Einige Jugendliche haben keinerlei Vorstellungen davon, woher Fleisch kommt und wie dafür real getötet werden musste. Kaum jemand hat tiefere Einsichten darin, was in den Geräten der digitalen Welt vor sich geht. In den industrialisierten Staaten tippen die Leute auf Bildschirmen herum und es passiert etwas. Wie, warum, weshalb, interessiert keinen. Vor allem gehen große Teile der Aufmerksamkeit für das reale Geschehen verlustig. Hauptsächlich streift alles irgendwie vorbei und sehr wenige schenken dem Augenblick in der Realität ein wenig oder die volle Achtsamkeit. Daran ändern auch die Therapeuten, Psychiater, Psychologen und Lebensberater nichts. Die künftige Entwicklung könnte dies schmerzlich verändern. Allgemein wird seitens der Demagogen vor Blackouts und Chaos gewarnt.
Doch warum kommt es zum Chaos? Ich denke mal, weil sich die Mehrheit in der plötzlichen harten Realität nicht zurechtfindet. Mit einem Mal werden ehemals noch zu rettende Situationen möglicherweise gefährlich oder sogar tödlich. Unaufmerksamkeiten, unüberlegte Aktionen, natürliche Umstände, werden wieder zu realen bedrohlichen Geschehen. Wenn ich einem Laoten im gebirgigen, armen, Norden, den ohnehin selten vorhandenen Strom klaue, lacht der darüber. Auch dies ist die Digitale Revolution: Alles ist derart abhängig von Elektrizität, dass ich mit der Zerstörung der erzeugenden Anlagen nicht nur alles lahmlegen kann, sondern auch das Leben tausender Menschen auslösche. Vor etwas mehr als hundert Jahren war das kein Thema. Demnach, was ich so gehört habe, sind viele Netzwerke mit Schadprogrammen verseucht, dies sich erst in besonderen Fällen bemerkbar machen. Das wird immer mehr werden. Auf einer philosophischen Metaebene stellt sich die Frage, ob es zweckmäßig ist, ohne weiteres einer derartigen Entwicklung zuzusehen. Mir ist dabei durchaus die bösartige Tragweite bekannt. Manch einer, der nur noch lebt, weil es elektrische Apparate gibt, muss wie in jedem anderen weniger medizinisch ausgestatteten Land, sterben. Wasser könnte plötzlich nicht mehr aus der Wand kommen, sondern müsste mühselig von einer Pumpe geholt werden. Lebensmittel lassen sich nicht mehr lagern, wie gewohnt. Aber all dies ist machbar. Immerhin haben wir diese Standards noch gar nicht so’lange.

Auf einer anderen Ebene findet schon länger eine vergleichbare Entwicklung statt. Die Industrieländer haben eine Gesellschaft, die Infrastruktur und Stadtplanungen zentral auf den Individualverkehr mit Fahrzeugen ausgerichtet. Die Entwicklung des Klimas fordert eine Veränderung. Nun gilt: “Können vor Lachen!” Wie soll man auf die Schnelle einen Jahrzehnte andauernden Prozess verändern und die Folgen rückgängig machen? Hinzu kommt, dass im Zuge dessen das Fahrzeug für den Verkauf mit jeder Menge Emotionen verknüpft wurde. Zeig mir Dein Auto und ich sage Dir, wie Du denkst, fühlst, welchen sozialen Status Du hast und zu welcher Untergruppe der Gesellschaft Du gehörst. Man muss sich dabei vor Augen halten, dass die temporäre Blockade eines Verkehrsweges, als terroristischer Akt gewertet wird und die Beschädigung eines Fahrzeugs, einer Körperverletzung gleich kommt. In der digitalen Welt sind es die Art und Marke eines Smartphones, das favorisierte Betriebssystem und die dahinter stehenden Haltungen. So wie das Fahrzeug nicht mehr allein ein Gebrauchsgegenstand für den Transport nach A und B ist, sind Laptops, PC’s, längst nicht mehr Geräte, die Aufgaben erleichtern. Umstände, die noch eine weitere, hier meine letzte Betrachtung, anregt.

Fahrzeuge, Rechner, Smartphones, die gesamte digitale Welt, sind nichts Lebendiges. Sie gehören zur toten, leblosen, Materie. Doch ihnen wird oft mehr Bedeutung beigemessen, als den lebendigen Wesen. Im engeren Sinne ist die Nekrophilie als sexuelle Vorliebe für Tote definiert. In seinem Werk “Anatomie der menschlichen Destruktivität” erweitert Erich Fromm die Sicht darauf. Bereits in den 70ern ersah er es als problematisch, dass sich die Menschen in den Industrieländern immer mehr dem Leblosen zuwenden und zog einen Vergleich zur sexuellen Vorliebe heran. Alles Lebende, wird geboren und eines Tages sterben. Ich werde niemals eine vollständige Kontrolle über ein lebendes Wesen erlangen. Außerdem ist vieles ein Mysterium, welches sich bisher unserem Wissen entzieht. Ich kann einen Toten sezieren und trotzdem nur Bruchteile seines Lebens ermitteln. Der Abstand zwischen der Achtsamkeit für das Leben und dem banalen Gegenstand oder der zusammengesetzten Maschine wird immer geringer. Besonders stolpere ich in letzter Zeit über den Begriff “Autohasser”, der das Gegenteil eines “Autoliebhabers” ist. Beides sind starke Emotionen, die sich ursprünglich auf das menschliche Zusammenleben beziehen. Nunmehr werden sie auf tote Materie angewendet. Ich empfinde dies als richtungsweisend. Früher sagte man, wenn Leute ihrem Auto einen Namen gaben, dass sie es dann vermutlich auch besser pflegen würden, weil sie es “vermenschlichten”, somit eine besondere Wertschätzung zeigten.
Doch die Relation war die Annahme, dass das Menschliche eben das Höchste war. Ebenso finde ich es befremdlich, wenn Protestanten, die eine Fahrbahn blockieren, wie bereits angedeutet, als Terroristen bezeichnet werden. Terror war einstmals das kalkulierte, zweckorientierte Erzeugen von Panik und Unruhe, in dem Menschen getötet, zerfetzt und verstümmelt wurden. Die üben nicht einmal im ursprünglichen Sinne Gewalt an Sachen aus. Machen wir uns nichts vor, der Begriff Gewalt wurde bei Blockaden in den 80ern nur eingeführt, um einer unangenehmen Protestform gegen die Macht Herr zu werden. Gleichsam ist es bedenklich, wenn Überzeugte, deren Argumente nicht von der Hand zu weisen sind, und zumindest aus vernünftigen Überlegungen resultieren, zu Extremisten abgestempelt werden. Wobei es natürlich immer eine Frage der Relation und eigener Perspektive bleibt. Das Kalkül einiger ist klar erkennbar: Mit Extremisten muss man sich nicht auseinandersetzen, sondern bekämpfen.
Doch was passiert, wenn die erkennen, dass die gewählten Mittel ins Leere laufen? 21. Jahrhundert, Digitale Revolution! Die virtuelle Welt bietet wie die reale einen Untergrund an. Mehr, einfach und sicherer, als in der anderen. Ich wäre nicht überrascht, wenn in naher Zukunft junge Hacker zu ihren Möglichkeiten greifen. Was Nachrichtendienste und Sicherheitskräfte mit Fahrzeugen anstellen können, schaffen die auch. Längst gibt es Fiktionen, in denen Hacker einfach mal alle Kreuzungen auf Grün schalten. Oder was ist mit Geräten, die die digitalen Funktionen moderner Fahrzeuge sabotieren? Nicht alle haben keine Ahnung davon, was nach dem Tippen auf einem Bildschirm passiert. Die Vertreter der alten Welt, die nicht einmal ansatzweise begreifen, was sich auf diesem Sektor abspielt, werden dann richtige Schwierigkeiten bekommen. Das Wort Sabotage rührt von den Holzschuhen, den Sabots, der früheren Arbeiter her. Bei Arbeitskämpfen warfen sie diese in die Maschinen, die dann blockierten. Die industrielle Revolution ist Geschichte, heute werden Schadprogramme, Computer-Viren, Trojaner, programmiert. Mal sehen, wie sich dies in nächster Zeit gestaltet. In der Welt der Computer, gibt es alles, was es auch bei Fahrzeugen gibt. Ahnungslose Benutzer, Freaks, die ihre Rechner tunen, Crashkids, die aus lauter Spaß Schadprogramme in den Umlauf bringen, Verbrecher, die mit den Techniken Taten begehen, Programmierer, Aktivisten, versierte Terroristen, usw.
Dabei habe ich noch nicht einmal die Technikfreaks erwähnt, welche mit ein paar Bauteilen und einem Lötkolben, komplette Funknetze lahmlegen oder im Vorbeigehen die Steuerung eines Fahrzeugs übernehmen. Es war früher Teil meines Jobs, mir darüber Gedanken zu machen, welche Bedrohungsszenarien sich Straftäter ausdenken könnten und hierzu Gegenstrategien zu entwickeln. Ich kann mir vieles vorstellen, von dem ich nicht hoffe, dass es jemals passiert. In einigen technischen Bereichen besteht bei mir mittlerweile ein fünf Jahre großes Loch. Doch ich kann mir ausmalen, wie die Entwicklung weiter gegangen ist. Ich weiß noch, wie verschiedene im Sicherheitsbereich angewendete Techniken zur Geheimsache erklärt wurden. Dumm nur, dass die sich an der TU Berlin krumm lachten. Was denkt ihr wohl, wer den Kram entwickelt hat und was wir in den Vorlesungen machen? Digitalisierung bedeutet eben auch, dass alles jedem zugänglich ist. Man muss nur wissen, wo man und wie man sucht. Edward Snowden schrieb, dass er moderne industrialisierte Gesellschaften Computernetzwerken gleichsetzt und die Struktur identischen Regeln unterliegt. Gesellschaftliche-Hacker müssen nur die Schwachstellen ausmachen, sich einen Einstieg verschaffen, etwas hinterlassen, was nicht sofort wirksam wird und schon nimmt alles seinen Lauf. Besonders bereiten mir an der Stelle all die Leute Sorgen, die für Hochrisikotechniken, wie alles, was sich um die Energieversorgung rankt, unbekümmert Unbedenklichkeitszertifikate ausstellen. Wenn dies alles an dem ist, stelle ich mir die Frage, wie es vor 11 Jahren! gelang, 30.000 iranische Rechner, von denen einige in AKW’s standen, mit einem Trojaner zu infizieren. Zumal es nicht einmal notwendig ist, das AKW selbst zu attackieren, sondern an der Peripherie Szenarien ausgelöst werden können, die in die Katastrophe führen. Ich mag aufgrund meiner Biografie geschädigt sein. Aber ich habe gelernt: Wenn es um Menschenleben oder existenzielle Dinge geht, verlass Dich niemals auf Elektronik. In der Medizin mag das ganz gut funktionieren. Ansonsten gibt es einfach zu viele mögliche Fehlerquellen. Und wenn es hart auf hart kommt, ist auch immer Verrat oder ein Maulwurf einzukalkulieren. Und nicht immer sind es simple Fingerübungen, wie sie im Zusammenhang mit Belarus geschahen. Ich mag manchmal im Denken ein Fossil aus dem 20. Jahrhundert sein, aber dieses Handwerk ändert sich nur in Nuancen und bekommt neue bessere Werkzeuge. Früher musste eben noch mit der Hand gebohrt werden, heute gibt es Bohrmaschinen, aber am Ende ist ein Loch in der Wand. Und auch hierzu kann ich sagen, dass meiner Kenntnis nach, die meisten, selbst wenn sie in Hochsicherheitsbereichen arbeiten, sehr unbedarft im Umgang mit der digitalen Technik sind. Die alten Hasen schlagen der neuen Zeit ein Schnippchen, in dem sie auf analog setzen. Bei allen anderen gilt die Grundregel:

Was machbar ist und mit der vorhandenen Technik durchzuführen ist, wird erstmalig bei einem herausragenden Fall eingesetzt und damit implementiert. Nach einiger Zeit wird sie mit dem Argument der ökonomischen Effizienz auch in niederschwelligen Bereichen angewendet. Ähnliches gilt für die öffentlichen Aussagen von hochrangigen Behördenvertretern. Wurde etwas ausgesprochen, ist es in der Welt und wird realisiert. Nicht unmittelbar, aber bald.

Auch vor dem Staatsapparat macht die Digitalisierung nicht Halt. Die Kommunikation ist dabei nebensächlich. Viel interessanter sind die Auswirkungen auf Institutionen, die allein schon wegen ihrer Funktionen, den Menschen zum verwalteten Objekt degradieren. Mit der Digitalisierung werde ich zu:

01000001 01101110 01100100 01110010 01100101 01100001 01110011 00100000 01010100 01110010 11000011 10110110 01101100 01110011 01100011 01101000

Immer wenn es in die Entpersonalisierung geht, vor allem bei der Polizei und dem Gefangenenwesen, wird es höchst kritisch. Ein Sachverhalt wird von einem Sachbearbeiter digital erfasst und mit dem obigen Datensatz vereint. Wie nett, wenn er zeitgerecht gelöscht wird. Wie fatal, wenn sich die Zeiten ändern und wie in den USA gigantische Speichermedien füllen. Außerdem weiß ich aus eigener Erfahrung, wie viel in alter Zeit wegen eines Missverhältnisses zwischen Arbeitsaufwand und Ereignis fallen gelassen wurde. Faulheit, die dazu führte, dass oftmals die Kirche im Dorf gelassen wurde. Nun, auch dies wird sich ändern. Zumindest die Erfassung und Speisung von speziellen Datenbanken wird zunehmen.

Oh, das wäre noch ein weiterer Punkt, der innerhalb der neuen Zeit von großer Bedeutung sein wird. Vor allem, wenn kein ethischer Kompass vorhanden ist. Sehr wenige, werden sich der Überwachung entziehen können, während die Massen lückenlos kontrolliert werden. Staaten wie China und Singapore machen es vor. Der Begriff Utopie bezieht sich darauf, dass etwas längst machbar ist oder demnächst ein Durchbruch stattfindet, aber jemand aus unterschiedlichen Motiven auf der Bremse steht. Noch wird vordergründig von der persönlichen Freiheit gesprochen und die Fahne des Datenschutzes hochgehalten. In der Wirtschaft ist dies längst erledigt. Es ist eine Frage der Zeit, dass der Weg für die umfassende staatliche Überwachung geebnet ist. Demagogen erzeugen die notwendige Angst, um im nächsten Zug eine Abhilfe zu versprechen. Ein simples Beispiel sind die bereits jetzt installierten Kameras auf öffentlichen Plätzen. Von der Konstruktion her, können die deutlich mehr, als derzeit freigeschaltet ist. Stellt sich die Frage, warum nicht eine abgespeckte Version verbaut wird. Da kommt einiges auf uns zu. Auch hier sehe ich nicht die Vernunft, sondern Konservative, Neue Rechte und Technokraten bei den Sicherheitsbehörden, die fortwährend mit emotionalen Appellen arbeiten. Selbst die Wirtschaftsliberalen werden einknicken, wenn sie hinter alledem das Geschäft wittern. Der Markt regelt das. Die Demagogen wiegeln auf, erzeugen das Bedürfnis, die passenden Anbieter bieten den passenden Deal an und alles nimmt den gewohnten Verlauf. Hauptsache, die Hochfinanz ist nicht betroffen. Seltsamerweise wird es dann Luxuslimousinen geben, die lediglich vage geortet werden können, während alles darunter auf einen Meter genau lokalisiert wird. Oder Konzerne mit abgeschotteten eigenen weltweiten Netzwerken, an die niemand ohne Maulwurf herankommt. Kalr-Egon, Mandy und Silvio, können in der Liga nicht mitspielen und müssen sich nackig machen lassen. Es sei denn … Vernunft und Verstand, setzen aus unerfindlichen Gründen ein. Immerhin, die Hoffnung ist ein irrationales Konzept. Was ihr leider widerspricht, ist der Umstand einer ziemlich hohen Trefferquote. Immerhin sahen George Orwell / Aldous Huxley in Teilen und skizzenhaft unsere Gegenwart voraus. Aber wie langweilig wirkt die Konditionierung von Kleinkindern bei Huxley an, wenn es heutzutage bereits Virtuell Reality – Brillen gibt, bei denen die Kinder später nicht mehr zwischen selbst erlebten Geschichten und mit Illusionen erzeugten Erinnerungen unterscheiden können. Oder wie plump muten riesige Bildschirme an, auf denen der Große Bruder zu sehen ist, wenn perfekt zugeschnittene Propaganda über Social Media, Filme, PC’s unbemerkt an das Zielobjekt herangetragen werden kann? Irgendwo las ich mal die Aussage: Man möge meinen, dass das Buch “1984” als Warnung zu verstehen ist. Doch das politische Establishment hat es zum Drehbuch und Blaupause gemacht.

Jenseits der Hoffnung bin ich mir persönlich sicher, dass die aktuelle Struktur und Staatsform in der Zukunft nicht mehr funktioniert bzw. in eine katastrophale Phase, mit ungewissem Ausgang, gerät. Irgendwie bräuchten wir einen Typen, wie Isaac Asimov, der die Robotergesetze formulierte. Nur halt einen, der sich über die Digitalisierung Gedanken macht.

Polizei a.D. vs. System? Ein Widerpruch?

Lesedauer 8 MinutenVon einer wahrlich gut über meine Person informierte Frau bekam ich letztens die Worte zu hören: «Du kannst doch nicht, nach dem Du über 30 Jahre als Vertreter des Systems gearbeitet hast – dieses mit einem Mal anzweifeln.»

Diese Aussage ist meiner Auffassung nach symptomatisch in der öffentlichen Diskussion über die Polizei und ihre gesellschaftliche Rolle. Ich glaube, einige unterliegen da einem Irrglauben bzw. einem Missverständnis. Gar nicht wenige ergreifen den Beruf Polizist, weil sie eine gewisse Grundüberzeugung mit Geld verdienen kombinieren. Zumindest kenne ich sehr viele, die das Grundgesetz in seiner Ausgestaltung für eine gute, wenn nicht sogar die erstrebenswerteste Verfassung, für einen modernen Staat halten. Vieles wurde mir persönlich erst in der Ausbildung ab 1987 bewusst. Auch heute noch, stehe ich dazu, dass das was da steht, eine wirklich gute Sache ist.

Doch das Grundgesetz ist ein Rahmen. Die Gesellschaft, die Politiker, die Wirtschaft innerhalb dieses Rahmens ist eine ganz andere Nummer. Seit dem Inkrafttreten wurde an den Artikeln immer wieder herumgebastelt. Meistens war dies von erheblichen Protesten in der Bevölkerung begleitet. Gekümmert hat es am Ende niemanden und die Veränderungen standen. Meistens wurde mit der Veränderungen der Zeiten argumentiert und oftmals war es die Angst, welche benutzt wurde. Mich hat das schon immer fasziniert. Ich finde es anmaßend, Leuten die damals unter dem Eindruck des Nationalsozialismus, Krieg, Terror, etwas entwarfen, zu unterstellen, dass sie von einem Terror der heutigen Zeit nichts wissen konnten.

Ich glaube, es reicht für den Entwurf allgemein gehaltener Maxime vollkommen aus, um die Kontroll – und Überwachungssucht des Staats zu wissen. Man muss nichts über die technischen Möglichkeiten der Zukunft wissen. Die Annahme lautet: «Wenn etwas auf den Markt kommt, werden es bestimmte Persönlichkeiten auch nutzen wollen!» Ich stütze diese Behauptung unter anderen darauf, dass sich die europäischen Staaten immer mehr den Dystopien aus den Zwanziger und Dreissiger Jahren des 20. Jahrhunderts annähern. Diese Entwicklung hat wiederum nichts mehr mit den Ideen der Schöpfer des Grundgesetzes zu tun.

Unmittelbar regelt das Grundgesetz nicht das Wirtschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland. Es stellt lediglich Anforderungen an ein Wirtschaftssystem. Gelenkte und geplante Wirtschaftsstrukturen schließt es genauso aus, wie die allgemein als Raubtierkapitalismus bezeichnete vollkommene unkontrollierte freie Entfaltung. Das passt einigen, insbesondere den Global – Playern nicht in den Kram, weil sie dieses als Hemmschuh für Wachstum und Konkurrenzfähigkeit des Standorts Deutschland betrachten.

Meinem Empfinden nach, bekommen die Vertreter dieser Auffassung immer mehr Oberwasser. Dies hat gesellschaftlich tiefgreifende Folgen und betrifft auch jemanden, der einer in der Verfassung implementierten Säule, nämlich der Exekutive dient.
Im Grundgesetz steht auch nichts über die gesellschaftliche Entwicklung in eine verwaltete Gesellschaft. Wenn überhaupt ließe sich ein Verbot aus dem Passus, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, ableiten. Wer Menschen ihrer Individualität beraubt, sie in politischen Reden stets in Kategorien einsortiert, unter Begriffen zusammenfasst, Gesetze und Verwaltungsvorschriften erlässt, die dies tagtäglich forcieren, entzieht Menschen die Würde.

Es ist dem «einfachen» Bürger nicht vorzuwerfen, wenn er nach ständiger verbaler Beeinflussung durch eine politische «Elite», dies in sein Verhalten übernimmt. Doch die Elite verliert die Berechtigung diese Bezeichnung in Anspruch zu nehmen. Was ein großer Teil jenseits der von Ghostwritern und Beratern vorgebenen Texte für Bundestagsreden von sich gibt, ist absolut unterirdischer Populismus. Teilweise, nämlich dann wenn für einen Deutschen nicht zu Diskutierendes mit Euphemismen verschleiert wird, geht es ganz weit über den Rand des Grundgesetzes hinaus. Umzäunte und bewachte Auffangzentren außerhalb des Staatsgebiets sind im deutschen Sprachgebrauch immer noch Lager. Wenn überhaupt, könnte man auf deutschen Gebiet von einem Durchgangslager analog zu Friedland sprechen.

Es ist erbärmlich, wie sich das Establishment, allen voran die CDU/CSU gegenüber der AfD positioniert, wenn sie von denen behauptet, dass sie Unsägliches wieder hoffähig machen wollen. Aber beispielsweise, vertreten von der Jungen Union, von “Gleichschaltung” spricht. Dobrindt spaziert ebenfalls ein wenig durch die Geschichte und fordert die “Konservative Revolution”, aus der bekanntlich ein aus Österreich zugewanderter Politiker namens Adolf Hitler die NSDAP bastelte. Auch solche Dinge stoßen einem überzeugten Kriminalbeamten auf. Ich weiß nicht, wie oft ich bei Berichten überlegte, welche Worte ich verwende, um nicht einen vollkommen falschen Eindruck zu erwecken. Ich habe mir einige Gedaanken darüber gemacht, wie das mit der Gleichschaltung der Gesellschaft, unter anderen bei der Polizei, passieren konnte. Aber Herr Seehofer kämpft ja auch bis zur letzten Patrone.

Die Gesellschaft, die der Polizist dient, hat diese Menschen an die Spitze des Staats gesetzt! Freundlich ausgedrückt “ultrakonservative” die jeden Tag bewusst und vorsätzlich mit den niedrigen Instinkten der Masse spielen. Als ich bei der Polizei anfing, hatten sich gerade Leute wie Franz – Josef Strauss aus dem großen Geschehen verzogen. Innensenatoren, die sich nicht unter Kontrolle hatten, bekamen mächtig Gegenwind. Die Republik befand sich politisch im Aufwind und wurde langsam, trotz der Lethargie der Bonner Provinz und einem mehr als biederen Dauerkanzler, zu einem wirklich aufgeklärten modernen Staat. Die rhetorischen Propaganda – Kriege zwischen dem “Schwarzen Kanal” – Schnitzler und ZDF Magazin – Löwenthal, dienten fast nur noch der Erheiterung. Heute kommen mir die beiden vor dem Hintergrund des aktuellen Geschehen wie blutige Amateure vor.

Mir ist in Gesprächen aufgefallen, dass gerade die Generation der heute 70 – 80 jährigen Bundesbürger, also die der Anfangszeit nach dem II. Weltkrieg, dies durchaus kritisch beäugt, während die Generation der 40 – 60 jährigen, eher unbesorgt damit umgeht. Ich empfinde beim Zuhören auch oftmals eine Abgestumpftheit der Sprecher. Sie leben innerhalb des Rahmens «Grundgesetz», aber sie leben nicht aktiv die Idee.

Den “Grünen” wird neuerdings vorgeworfen, dass sie eine Verbotspartei wären. Beginnen wird doch erst einmal damit, mit welcher Impertinenz, Respektlosigkeit und Arroganz “Hierarchiespazierer” wie Spahn, Lindner, Söder, Dobrindt u.a. auf normale Menschen eindreschen, die im Gegensatz zu ihnen eine echte Lebensleistung vollbracht haben und nun vor den Trümmern ihres Lebensentwurfs stehen. Es soll noch Menschen geben, die arbeiten und nicht ihr Leben nach der Karrieregeilheit ausrichteten.

Jedes Recht und jede Freiheit muss der auf Gier und Drang nach unbegrenztem Wachstum geprägten Wirtschaft abgerungen werden. Der Kapitalismus hofiert nun einmal diese im menschlichen Verhalten implementierten Phänomene. Bisher ging alles gut, doch langsam melden sich Zeichen am Horizont, dass das ganze aus dem Ruder gerät.

Die sozialen Spannungen werden größer. Die geringer Bedachten oder Verlierer werden an die Ränder der Städte gedrängt und verkommen dort zu verwalteter biologischer Masse. Es entstehen scharf abgegrenzte Eliten. Sicherheit – und Schutzbedürfnisse werden zur Frage des gezahlten Geldes. Wer es sich leisten kann, zieht in Häuserkomplexe mit eigenen Sicherheitsdiensten. Wohlhabende Bürger bezahlen private Security – Streifen, die gekleidet in Fantasieuniformen Quartiere beschützen sollen.

Statussymbole nehmen eine immer wichtigere Rolle ein. Hingegen sinken Persönlichkeit und Lebensleistung im Ansehen bzw. verlieren ihre gesellschaftliche Rolle. Parallel wird das Bedürfnis nach diesen Symbolen seitens der Werbung (Wirtschaft) befeuert. Alles Prozesse, die auch im Ostblock nach der Öffnung in den Neunzigern zu beobachten waren und auch heute noch dort deutlich gesehen werden können.

Parallel werden in der Gesellschaft der «Habenden» dekadente Diskussionen geführt, die mit der Lebensrealität der Menschen den Hochhäusern am Stadtrand, den Zonenrandgebieten oder strategischen innerstädtischen Spekulationsgebieten, nicht im entferntesten etwas zu tun haben. Auch dieser Spalt wird immer größer. Ich unterstelle einer großen Zahl prominenter “LINKER”, dass sie sprachlich und programmatisch zur ehemals als “Arbeiterklasse” bezeichneten Schicht, jeden Kontakt verloren haben.

Ich habe das beruflich in den vergangenen dreissig Jahren alles verfolgen können. Bereits in den Neunzigern dämmerte mir bei einem Aufenthalt in der damals noch bestehenden Tschechoslowakei, während meiner Zeit in Kommissariaten welche sich auf Organisierte Kriminalität durch Bürger aus Restjugoslawien und G.U.S. spezialisiert hatten, dass ich in eine Zukunft blickte. Als ich um 2000 von einer privaten Sicherheitsfirma in der Berliner Potsdamer Straße aufgefordert wurde, mit meinem Zivilwagen wegzufahren oder in Marzahn beim Betreten eines Hauses einen uniformierten Portier passieren musste, rundete sich mein Bild langsam ab.

Die nachfolgenden operativen Einsätze in den Siedlungen von Spandau, Neukölln, Marzahn, Hellersdorf bestätigten mich in allem, was ich oben formuliert habe. Noch übler sieht es in den «ärmeren» neuen Bundesländern aus. Was wir dort als Berliner verdeckt operierende Einsatzkräfte zu sehen bekamen, hat sich mir tief eingeprägt. Zeitweilig wähnte ich mich in der Dritten Welt. Wer dort auch noch Heime für Zuflucht Suchende aufstellt handelt meiner Meinung nach mit Vorsatz und will für seine Zwecke die Eskalation der Situation. Da steckt Kalkül dahinter.

Wer von einem Konsens der Gewaltlosigkeit, einer deutschen Leitkultur spricht, redet nicht über die Siedlungen, in Rostock, Frankfurt/Oder, Cottbus, Berlin, Magdeburg und anderen Gebieten. Wir steuern, wenn wir nicht längst schon angekommen sind, auf einen Zustand zu, in dem sich die glitzernden wirtschaftlichen Erfolgsmeldungen nur auf eine sich gern präsentierende Minderheit, beziehen, die das echte Bild verschleiern. Ich wehre mich dagegen, die Menschen, die dort abgehängt von allem sich sozial selbst überlassen sind, aufgrund ihres Verhaltens zu verurteilen. Wer dort nicht heranwächst, muss erst einmal das Gegenteil beweisen.

Der natürliche Lebensraum eines Kriminalbeamten ist genau an diesen schwierigen Plätzen. Exekutive bedeutet auch, für die Entscheidungen und Bestrebungen einer gewählten Regierung einzutreten und die Folgen zu sehen. Ich bin kein Verfassungsrichter, insofern steht es mir nicht zu, das Gebaren als verfassungswidrig zu bezeichnen. Aber ich erlaube mir ein persönliches Empfinden. Und das meldet mir, dass das mit Regieren im Sinne des Wohls für die Bevölkerung und der Menschlichkeit nichts mehr zu tun hat.

Alles ist darauf ausgerichtet: «Geht es der Wirtschaft gut, geht es auch dem Volk gut!» Ich mach mal eine andere Rechnung auf. Der Wirtschaft im Falle eines Konzerns oder Global – Players, um bei diesem namen – und gesichtslosen Begriff zu bleiben, geht es am besten, wenn wenig Gehälter gezahlt werden müssen, die Sozialabgaben gering sind, die Rente klein ist und maximale Gewinne erzeugt werden können. Der Wirtschaft, bezogen auf den inneren Markt und Wohlstand des Bürgers, geht es gut, wenn die Kaufkraft des Inländers hoch ist. Portugal hat das gerade erfolgreich vorgemacht. Wie es anders aussieht habe ich in der Mongolei gesehen. Schaut man sich die Innenstadt von Ulanbataar an, wähnt man sich in einen aufstrebenden Staat. Jeder Meter, der einem aus der Innenstadt entfernt, zeigt einem den Irrtum auf. Doch soweit muss man gar nicht reisen, wenn man in Berlin wohnt. Da gibt es diesen Effekt auch. Passend hierzu gehorcht die Berliner Polizeiführung den Vorgaben der «Habenden». Den neuen Konzepten nach, wird die Polizeipräsenz in der Innenstadt erhöht und damit am Rande ausgedünnt.

Die aktuelle Situation Hartz IV ist für mich ein Beruhigungsmittel. Die Leute bekommen genau die Zuwendungen, die sie halbwegs überleben lasssen und sie mit dem Druck versehen, bei Zuwiderhandlungen das auch zu verlieren. Anderenfalls bestände das Risiko, dass sie zur Revolte übergehen. Wie das ausgeht und aussieht erleben wir gerade in Frankreich. Die sind Deutschland nämlich auf dem Land, in den Banlieue und den Randgebieten um wenige Jahre voraus. Amüsanterweise (Zynismusmodus!) schreibt die Zentrale für politische Bildung dazu:

Seit drei Jahrzehnten stellen die benachteiligten Randgebiete der französischen Großstädte eine zentrale Herausforderung der französischen Innenpolitik dar. In den Banlieues prägen Arbeitslosigkeit, städtische Verwahrlosung und Gewalt den Alltag. Urbane Ausschreitungen erreichten 2005 ein erschreckendes Ausmaß. Experten warnen vor einer starken sozialen Segregation, wie sie in vielen US-Städten zu finden ist.

Ich habe mir das mal vor einigen Jahren in Paris angesehen. Als jemand, der in einer Berliner Hochhaussiedlung aufwuchs und dort ab und zu zum Zwecke der eigenen Erdung mal vorbei schaut, kam mir vieles merkwürdig bekannt vor. Im Gegenzuge bestätigte mir ein Sozialarbeiter aus Paris, der sich mal Berlin mit seinen Augen ansah, mein Gefühl. Aus Gesprächen mit Lokalpolitikern weiß ich auch, dass die das durchaus genauso sehen wie ich.

Gleiches spielt sich bei der Bekämpfung der Drogenszene ab. Man stelle sich vor, der «Görlitzer Park», wäre irgendwo am Rande von Marzahn oder Heerstraße – Nord. Kein Mensch würde sich dafür interessieren. In Berlin spielt sich immer das gleiche Spiel ab. Quartiere werden herunter gewirtschaftet. Dann kommen sie Studenten und Künstler auf der Suche nach günstigen Wohnraum. Die Gegend wird «hipp» und attraktiv für «Habende» mit alternativen aufgeklärten Lebensverständnis. Bevorzugt ziehen dann Anhänger der «Grünen», Kreative, Designer und Architekten in die Häuser. Die Mieten steigen und das Niveau hebt sich. Übrig bleiben die Fragmente vor der Tür. Obdachlose, Abhängige, das örtliche Trinkermilieu und Prostitution.
Dafür gibt es dann die Polizei, die jene Szene gefälligst woanders hin verdrängen soll. Meistens ins nächste Gebiet welches heruntergebracht werden soll.

Hierzu ein kleiner Exkurs in die Berliner Geschichte. Der Berliner Humboldthain wurde einst als eine Art Botanischer – und Zoologischer Garten für das Bürgertum errichtet. In direkter Nachbarschaft zum sogenannten Roten Wedding. Einem der Ausgangspunkte der Novemberrevolution 1918. Damals schon missfielen den Bürgern von Berlin die zahlreichen herumlungernden Obdachlosen und Schlafburschen. Deshalb forderten sie von der Polizei die Verdrängung. Irgendwie hat sich wenig geändert. Doch eins: Die kannten das Beruhigungsmittel Hartz IV noch nicht.

Das geschieht so lange, bis die Berliner Illusion in der Mitte frei von Störenfriede ist. Am Ende des Prozesses bleiben nur noch die Stadtränder. Hallo Paris, Hallo London, wir wären dann auch soweit.

Nein, ich habe immer versucht, für eine Gesellschaft einzutreten, die zum Rahmen Grundgesetz passt. Was jetzt passiert, hat damit nichts mehr zu tun. Entstanden ist ein System, welches nicht zum Rahmen passt. Und dagegen kann ich ohne jegliche Skrupel antreten – eben gerade, weil ich eine ganze Menge gesehen habe. Die Geschehnisse und das Gesehene im Polizeidienst treiben einen häufig vor sich her. Es ist absolut menschlich, dass man bei gleicher Informationslage zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt. Meins ist, dass Menschen nicht als das geboren werden, was sie irgendwann sind.

Viele Faktoren wirken auf die Persönlichkeit ein. Nach meiner Logik ist die Anzahl kranker, gewaltätiger, brutaler, egoistischer, asozialer Menschen eine Kennzahl für den Zustand der Gesellschaft. Dabei geht es weniger um Fallzahlen in Kriminalstatistiken, sondern wie man die Täter oder Einsatzsituationen persönlich erlebt. Eine Gesellschaft produziert ihre Problemfälle immer alleine. Der bürgerliche ausgestreckte Zeigefinger, bedeutet immer, drei Finger zeigen auf das Bürgertum und einer, der Daumen, auf die Machthaber, die sie gewählt haben. Immer nur auf den Täter zu schauen, sich auf Stereotype zu fixieren ist nachvollziehbar, ist meiner Meinung nach einen Schritt zu kurz gedacht.

Artikel 13/17

Lesedauer 5 MinutenArtikel 13 oder neuerdings 17 ist für mich ein klassischer Fall der Vertrauensfrage. Meine Kenntnisse zur Thematik sind rudimentär. Man kann nicht alles wissen. Doch im Laufe der letzten Jahre bin ich immer wieder auf Internetseiten gestossen, denen ich aufgrund ihrer Berichterstattung und tiefgehenden Analysen schlicht glaube. Dazu gehört für mich, wenn es um Internetfragen geht, immer der Heise Verlag.Und die dort veröffentlichten Beiträge ließen bei mir einigen inneren Widerstand aufkommen.

Wenn Initiativen wie der Artikel 13/17 gestartet werden, meldet sich bei mir sofort die Frage, vor allem wenn die CDU involviert ist, wer verdient daran und wer ist die treibende Kraft im Hintergrund. Mein Vertrauen, dass bei der CDU irgendetwas passiert, was nicht der Wirtschaft und dort auch nur denen dient, die ohnehin schon satt sind, tendiert gegen Null.

OK, die großen Plattformen haben zwei Seiten. Auf der einen sind sie Teil des Systems und verdienen sich eine goldene Nase, auf der anderen Seite sind sie auch Teil des demokratischen Prozesses geworden. Viel Licht und auch viel Schatten. In erster Linie stieß mir auf, dass es sich doch letztlich um eine Spiegelfechterei handelt. Wer halbwegs versiert ist, umgeht alles und verschleiert seinen Standort oder nimmt Zugriff auf andere Server. Ergo wieder einmal eine Lösung, die ausschließlich die Masse der unbedarften Nutzer trifft. Da hat also jemand ein Interesse daran, nicht die Hoheit über die Massen zu verlieren. Wer könnte das sein? Die großen Verlagsgruppen springen einem da fast schon ins Gesicht.

Passend hierzu mischte sich der Axel Springer Verlag vertreten durch das Schlachtschiff BILD ins Geschehen ein. Seit mehr als dreissig Jahren verfahren die immer nach einem Muster. Protestler müssen von einer dunklen Seite – meistens den Kommunisten aus Russland – dieses Mal allerdings von Google gekauft worden sein. Der normale anständige Bürger protestiert nicht gegen eine Entscheidung der schwarzen bürgerlichen Volkspartei CDU. In der Rhetorik des Axel Springer Verlags waren auch die 68ziger, die Friedensbewegung, der Protest gegen die Atomkraft und Umweltschützer sämtlich eingekauft. Da war ich schon mit einem Bein auf der Straße.

Dann viel mir wieder ein, wie ich kürzlich auf dem Flughafen in Peking saß und versuchte Twitter, Facebook und Youtube aufzurufen. Zugegebenermaßen ein etwas naives Unterfangen. An diesem Tag fing ich mir eine Allergie gegen “Herumfummeln” von staatlicher Seite am Internet ein.

Da wäre dann noch die Seite der Urheber und Künstler. An dieser Stelle werde ich mal richtig böse und ketzerisch. Kunst ist zu großen Teilen eine Industrie geworden. Früher reichte es aus, wenn der Künstler starb, damit wenigstens sein Werk und Name bekannt wurde. Heute läuft es auf eine Prostitution hinaus. “Wem muss ich hier einen Blasen, damit meine Werke “vermarktet” werden?” Ich habe mal die Geschichte einer wirklich begabten jungen Frau mitverfolgt, die an einem Wettbewerb beim Giganten SONY teilnahm. Am Ende lief die Sache auf einen Vertrag hinaus, demnach sie für eine gewisse Zeit, nämlich in der sie vom Alter her erfolgreich hätte sein können, nirgendwo anders vorsingen konnte. Das Talent wurde de facto gegen kleines Geld vom Markt genommen, um andere, die bereits vermarktet wurden, zu schützen. Das Kunst – und Musikgeschäft ist schmutzig und dreckig, wie alle anderen auch. Die immer als Kleinkunst geschmähte, meistens von hervorragenden und beachtenswerten Künstlern gestaltete Gegenwartskultur, haben es schwer an der Kommerzmauer vorbeizukommen. Nicht wenige, die sich da auf die Seite der Initiatoren schlagen, haben längst ihre Seele verkauft. Abgesehen von denen, die sich vor den Karren spannen lassen.

Schaue ich mir die Printmedien und ihre Onlineportale an, kommt mir beim Lesen diverser Artikel, besonders wenn sie zu den Großen gehören, ebenfalls der Verdacht, dass auf “Zuruf” des Chefredakteurs im Sinne der Linie des Hauses etwas zusammengeschrieben wird. Mit Journalismus hat das nichts zu tun. Als ich das Buch über die Panama – Papers las, erschreckte mich, zu welchen nachrichtendienstlichen Mitteln investigative Journalisten, die ihr Handwerk noch ernst nehmen, heutzutage greifen müssen, damit ihre Story nicht vorher unter staatliche Sanktionen gerät.

Mir fiel auch wieder ein, welche Maßnahmen anläßlich einer Sendung des Satire – Magazins “die Anstalt” folgten, nachdem dort die Ballung der Medien in wenigen Händen angeprangert wurde. Nahezu prophetisch nahmen sie Fusion von DuMont und Madsack vorweg. Dies sind alles nur Teilaspekte für die gesamte Story, die sich im Hintergrund abspielt. Aus meiner Sicht wird es nahezu unmöglich, sich als Leser und Bürger noch halbwegs autonom eine Übersicht über politische Geschehnisse zu bilden. Nicht jeder hat die Zeit auf die Suche nach unabhängigen Medien zu gehen, sich mehrsprachig Artikel durchzulesen und zu analysieren. Aber es gibt z.B. Youtuber, die das tun. Verwenden sie dafür Artikel oder Medien in Sequenzen, die den “Großen” abgenommen wurden,um sie passend zu kommentieren oder bezüglich des Wahrheitsgehalts auseinander zu nehmen, könnte es künftig schwierig werden.

Vollmundig versuchten in den letzten Tagen die üblichen Verdächtigen, wie beispielsweise Herr Söder, Sedativa zu verteilen. Die kleinen Plattformen würde das nicht betreffen, und man würde in Deutschland eigene Regeln finden. Europa, Internet und nationale Regelungen – finde den Fehler. Ich glaube für CSU Politiker ist es bereits eine intellektuelle Leistung, wenn sie jenseits des eigenen egozentrischen Weltbildes die Landesgrenzen von Bayern in ihr Denken einbeziehen. Wenn es um Europa und globale Angelegenheiten geht, wird ihnen schlecht und sie brauchen eine Auszeit.

Kleine Plattformen bedeutet, dass sie sich kaum gegen die Rechtsanwälte der “Großen” wehren können. Immer wieder müssen wir erleben, wie mit von krimineller Energie gesteuerte sogenannte Abmahnrechtsanwälte ihr Unwesen treiben. Bösartig könnte man die Feststellung treffen, dass die übermäßig im deutschen Parlament repräsentierte Zunft der Juristen mal mit diesen zusammen im Hörsaal saßen. Aber ich bleibe bei den Juristen auf meiner Linie der individuellen Betrachtung. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass mir einige durchaus zustimmen, dass da mit einigen beim Studium im Kopf ein wenig etwas durcheinander geht.

Trotzdem bleibe ich bei meiner Grundauffassung, dass Berufe, die Juristen, im Marketing geschulte Leute, Wirtschaftsfachleute und Journalisten erfordern, sich wie Polizisten, ab und wann mal die Frage nach dem eigenen ethischen Anspruch stellen müssen und im Zweifel gehen sollten. Ich habe im Leben einige kennengelernt, die mir aus diesen Sparten sagten: “Für diese Verbrecher gebe ich mich nicht mehr her.” So läuft das Spiel nun einmal – ist auf Dauer keine gute Antwort im Leben.

Nach reiflicher Überlegung, ohne die seitens der CDU/CSU in Aussicht gestellten 450 EUR Demonstrationsgeld zu bekommen, entschloss ich mich auf der Demo mitzulaufen. Alleine die erlebte Ignoranz seitens der “Politischen Klasse”, die sich nicht mehr aus ihren Lobbyisten Kaffees und Bars heraustrauen, um mal das Gespräch mit den Demonstranten zu suchen, sie statt dessen mit Tweets und Aussagen in Interviews zu diffamieren, ist Grund genug auf die Straße zu gehen. Das ist absolute Formatlosigkeit!

Es stimmt, was in letzter Zeit auf Twitter mehrfach zur Sprache kam. Einige wenige “besorgte Wutbürger” laufen blökend und skandierend durch die Straßen und die Reaktion des Establishments lautet: “Die Politik muss die Sorgen und Ängste der besorgten Bürger bei PEGIDA, (zur Erinnerung: Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes), ernst nehmen.” Tausende Schüler und hunderttausende, zumeist unter Vierzigjährige gehen mit intelligent und kreativ gemachten Schildern, die ihren Intellekt spiegeln, auf die Straße und die Herrschaften verstecken sich oder schicken die konservativen Propagandastrategen ins Rennen. Auf der anderen Seite werden Leute, die den Begriff Patriot nicht korrekt definieren können, einen poetischen Begriff aus dem Mittelalter verwenden und eine Religion offensichtlich für eine Infektionskrankheit halten, hofiert.

Ich sah auf der Demonstration einige, denen es nicht mehr nur um Artikel 13/17 ging. Es ging ihnen um eine abgekoppelte politische Klasse, die sich in Arroganz suhlt und sich hinter den weißen Mauern im Regierungsviertel versteckt. Ich hoffe nur, die als deinterressierte und dekadente Generation Z wird wach und wehrt sich.