11 September 2022

Die alte Zeit ist tot, es lebe das neue Zeitalter

code coding computer cyberspace Lesedauer 17 Minuten

Woher wissen wir denn schon, dass zwei und zwei vier ist? Oder dass die Gravitationskraft funktioniert? Oder dass die Vergangenheit unveränderbar ist? Wenn sowohl die Vergangenheit, als auch die äußere Realität nur in der Vorstellung existieren und die Vorstellung veränderbar ist – was dann?

George Orwell

Amerikanische Soziologen datieren die dritte große Revolution in der menschlichen Entwicklung, die Digitale Revolution, auf die Zeit um das Jahr 1989 herum. Egal, ob man wirklich einen konkreten Zeitpunkt ausmachen kann, veränderte sich unstrittig ab dem Ende der 80er weltweit das Leben der Gesellschaften in den industrialisierten Ländern. Bei den beiden anderen Revolutionen handelt es sich um den Sprung vom Jäger und Sammler zum Siedler und die Industrialisierung. Ich denke, selbst bei der ersten wird es Konflikte zwischen denen aus der Zeit davor und jenen der neuen Epoche gegeben haben.
Manche verweisen dabei auf die biblische Geschichte, in der Kain seinen Bruder Abel erschlug. Kain der Siedler erschlägt den Hirten, welcher mit seinem Vieh umherzieht. Gott lässt Kain leben, aber er muss eine Weile herumziehen, bis er ohne Gottgefälligkeit wieder siedelt, was laut Bibel in die nächste Katastrophe führt. Ja, ich pflichte den Autoren bei, die da eine Beschreibung des Umbruchs sehen. Es ist leicht vorstellbar, dass Bauern nicht glücklich über die Viehherden waren, die in ihre Felder einfielen. Aber die Menschen werden auch schnell bemerkt haben, dass das Zusammenleben in Siedlungen neue Anforderungen ergab.

Die Industrialisierung verhieß anfangs einen Segen für die Menschheit. Arbeiten, gefährlich, anstrengend, verschleißend, würden künftig von Maschinen übernommen werden können. Heute wissen wir, dass sich dies aus mehreren Gründen anders entwickelte. Und auch damals gab es Leute, die noch die Zeit vor der Industrialisierung kannten und nun die Anfänge erlebten. Manche schlossen sich der Begeisterung an, während andere skeptisch auf die Zukunft schauten. Letzteren war insbesondere die Technik-Gläubigkeit, die mit einer Reduzierung auf Naturwissenschaften einherging, unheimlich. Heute erleben wir eine Entwicklung, die zwar auf anderen Grundlagen beruht, dennoch Parallelen aufweist.
Die in den 60ern Geborenen sind die letzte Generation, die noch ohne Digitalisierung zu Erwachsenen wurden und seit 1989 im vollen Umfang daran Anteil nehmen. Zusätzlich existiert mittlerweile eine Generation, die um die 30 ist und bewusst nichts anderes kennenlernte.
Wie auch bei den Umbrüchen zuvor, gibt es Zeitgenossen*innen der 60er-Generation, die begeistert alle Möglichkeiten begrüßen und eben jene, die mit einer gewissen Skepsis draufschauen. Doch die Digitale Revolution ist nicht der einzige Umbruch. Der Jahrtausendwechsel ist gerade einmal 20 Jahre her und das 21. Jahrhundert ist noch jung. Das 20. Jahrhundert brachte neue Staatsformen, wie den Faschismus, mit sich, erlebte zwei Weltkriege, spaltete die Welt in arme und reiche Regionen, brachte neue Technologien mit sich und entfremdete große Teile der Menschheit vom natürlichen Lebenssystem. Durch die Digitalisierung ist sogar zur bisherigen Welt eine weitere, die virtuelle Welt, hinzugekommen. Viele leben mittlerweile in beiden und selbst Kriege werden in der virtuellen und in der realen parallel zueinander geführt.

Selbst wenn die Skeptiker über große Macht verfügten, würden sie an den Fakten nichts mehr ändern können. Wenn sie noch über eine Möglichkeit verfügen, dann ist es die Mitgestaltung. Einige fordern beispielsweise die Entwicklung ethischer Richtlinien. Bisher galt stets, dass der Mensch ohne Grenzen forscht und alles umsetzt, was ihm möglich erscheint. Im großen Stil ist uns das letztmalig mit der Entwicklung der Atombombe auf die Füße gefallen. Selbst Sozialisten und eingefleischte Kommunisten sehen die Gefahren, ordnen sie aber den putativen Möglichkeiten unter, die eine Technisierung für eine gerechtere Verteilung anbietet. So oder so nehmen wir aus den vorhergehenden Epochen das Wissen um die Zweiseitigkeit jeder neuen Technik mit. Sie kann dem Guten dienen oder für das gegenseitige Abschlachten benutzt werden. Ein altes, meiner Meinung nach wackeliges Argument: Nicht die Waffe tötet, sondern der sie benutzende Mensch. An der Stelle überlege ich stets, welches Wild man mit einem Maschinengewehr erledigen will.
Mittlerweile stehen genetische Eingriffe für alle möglichen Zwecke im Raum, die Verschmelzung zwischen Maschine und Mensch ist in greifbarer Nähe, kontrollierte Eingriffe in komplexe Systeme, wie z. B. auch das natürliche Lebenssystem, scheinen in absehbarer Zeit möglich zu sein. Womit alte Ermahnungen wieder aktuell werden.
Ich denke da beispielsweise an den Zauberlehrling der Geister herbeiruft, die er nicht mehr unter Kontrolle bekommt. Einige nehmen eine fatalistische Haltung ein. Ihrer Meinung nach ist der Mensch aufgrund seiner naturgegebenen Voraussetzungen dazu verdammt, sich selbst den Untergang zu gestalten. So richtig kann ich mich dem nicht anschließen. Allein, wenn es Menschen gibt, die dazu in der Lage sind, das unkontrollierte Bestreben nach Wachstum, die Erforschung von allem ohne Berücksichtigung eines möglichen Missbrauchs, die ehemals wichtige Gier und die dem Menschen innewohnende Fähigkeit zur Aggression, als gefährliche Faktoren zu erkennen, beweist dies etwas. Wir können Erkenntnis erlangen und wenn wir dies können, ist theoretisch auch eine Veränderung bzw. Gegenreaktion machbar. Anders sähe es aus, wenn niemand die Gefahren sehen würde. Ein unverständiges Wesen ist nicht in der Lage ein kommendes katastrophales Ereignis zu erkennen und rechtzeitig etwas zu unternehmen. Alle anderen durchaus!

Es geht also darum, was sich am Ende durchsetzt. Verstand und Vernunft oder das Triebhafte. Überlegungen hierzu gehen zurück bis in die griechische Antike. Bereits Platon und Nachfolger dachten über ideale Gefüge für das Zusammenleben von Menschen nach. Auch sie dachten über diese Dualität des menschlichen Daseins nach und wie man am ehesten gewährleisten könne, dass Vernunft und Verstand die Führung übernehmen. Fremd war ihnen, wie sich die von ihnen ermittelten menschlichen Voraussetzungen, die sich bis heute nicht veränderten, in Massengesellschaften auswirken. Und selbst in einer virtuellen Realität bleibt die Psyche eines Menschen immer noch eine menschliche. Aktuell erleben wir erneut, wie das Triebhafte die Überhand gewinnt. Sei es nun der Ukraine-Krieg, eine dekadente deutsche Wohlstandsgesellschaft, die eben um exakt diesen Zustand bangt, oder eine weltweite pubertierende Haltung gegenüber der Entwicklung der ökologischen Gegebenheiten. Große Teile stampfen bockig mit dem Fuß auf und versuchen mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, in dem sie versuchen einen Lifestyle durchzusetzen, der schlicht nicht machbar ist. Es ist vermutlich die größte Frustration der Moderne, dass Naturgesetze der Hybris des Menschen trotzen. Möglicherweise noch verletzender als die Sterblichkeit. Selbstredend ist ein Blackout eine erhebliche Gefahr für alles, was uns lieb und teuer geworden ist. Uns! Löse ich meinen Blick von der Nation und schaue ich mich auf der Welt um, muss ich erkennen, dass es uns maximal auf den Zustand vieler anderer Regionen zurückwerfen würde. Bei allen Betrachtungen ist nunmehr ein Aspekt hinzugekommen, der erstmalig in der Geschichte auftritt. Wenn sich Griechen mit Theben, Phöniziern, Persern oder Makedonen bekriegten, war das unschön, doch es hatte keinerlei Auswirkungen auf die Völker des amerikanischen Kontinents. Bis zu den Weltkriegen waren die Auswirkungen für das ökologische Lebenssystem überschaubar. Gleiches galt bis zur Industrialisierung für die Fehlentscheidungen einzelner Völker. Wenn die über ihre Verhältnisse lebten und regional zu viel Raubbau betrieben, merkten davon Menschen in anderen Regionen der Erde nichts. Dies hat sich bekanntlich grundlegend verändert. Wenn manche Staaten unvernünftig handeln, haben gleich alle etwas davon.

Eins ist auf jeden Fall absehbar. In den demokratisch organisierten industriellen Staaten ist mehrheitlich eine politische Führung installiert, die das Triebhafte bedient, selbst favorisiert und fördert. Vermutlich eine Folge der Demokratie, die als Manko die Anfälligkeit für Demagogen innehat. Für mich ist sie ein anzustrebendes Ideal, aber leider nur erfolgreich, wenn der verständige und vernünftige Anteil der Gesellschaft, die von Trieben gesteuerten Wahlberechtigten dominiert. Ob dies aktuell der Fall ist, lasse ich mal dahin gestellt. Jedenfalls besteht im anderen Fall stets die Gefahr, dass sie am Ende in einer Diktatur oder gar Tyrannei mündet. Meist geht es dann schneller, wenn die Freiheit von einem Krieg bedroht wird. Autoritäre Regierungsformen sind im Kriegsfall erfahrungsgemäß, temporär effizienter. Ähnliches gilt in Krisen. Aus der Polizei kenne ich die Situation, dass in diversen Bereichen der kooperative Führungsstil vorteilhafter als der bestimmende ist, sich aber als unzureichend erweist, wenn man beispielsweise in einer in Riots eskalierenden Demonstration angegriffen wird. In Friedenszeiten bieten Diktaturen oder Tyrannen keine Garantie, dass sie bezüglich der ökologischen Schädigungen weniger schädlich sind. Eher ist das Gegenteil der Fall.

Der erwähnte Umbruch wird von Krisen flankiert. Die europäischen Demokratien werden bedroht einer “neuen” Regierungsform, die sich als Putinismus etabliert und die gesamte irdische Population sieht sich ausgeführt den Folgen des Lifestyles der Industriestaaten ausgesetzt. Parallel entstehen durch die Digitalisierung völlig neue Voraussetzungen mit denen Staaten, Gesellschaften, Individuen, gesteuert werden können. Würden sie ausschließlich von Verständigen und Vernünftigen angewendet, gäbe es dagegen nichts einzuwenden. In dem Falle wären sie beinahe ein Segen. Wie immer, sind Ideal und Realität nicht deckungsgleich. Was meiner Meinung nach die Ideale nicht zwecklos werden lässt. Sie zeigen, wo es hingehen sollte und wie die Weichen zu stellen sind. Da wird häufig das Konfuzius zugeschriebene Zitat: “Der Weg ist das Ziel!”, falsch interpretiert. Gemeint ist das Einschlagen eines Lebenswegs, welcher geeignet ist, einem unerreichbaren Ideal, näherzukommen. Es gibt zwei alte Sichtweisen auf ein Staatsgefüge. Bei der einen ist der Staat einem einzigen Körper gleichzusetzen, in dem jedes Individuum als ein einzelnes Organ mit seiner Funktion für den Körper zu sehen ist. In der anderen sorgt der Staat für Bedingungen, der die einzelnen Elemente die größtmögliche Entfaltungsfreiheit ermöglicht.

In Deutschland sind Konservative bemüht, die Herrschaft über die virtuelle Welt, das Internet, zu gewinnen. Die dort bisweilen herrschende Anarchie ist ihnen unheimlich. Leute in der Wirtschaft gehen einen anderen Weg. Sie machen sich die dort entstehenden Prozesse zunutze. Außerdem wissen sie die durch die Digitalisierung passierende “Entpersonalisierung” der Menschen zu nutzen. Jeder Mensch wird in einen binären Code übersetzt, der dann entsprechend benutzt werden kann. Andererseits sind Konservative in Koalition mit Wirtschaftsliberalen jederzeit bereit, Intellektuelle, die versuchen mittels Diktat der Unvernunft und den Trieben Herr zu werden, einer unzulässigen Beschneidung der Freiheit zu bezichtigen. Ich betone, Wirtschaftsliberale, sind keine Liberalen oder Libertäre, auch wenn sie sich gern als solche sehen. Jeder kann dies nachlesen und sich die historische Entwicklung von politischen Philosophien und Wirtschaftstheorien ansehen. Allein, dass es zwei unterschiedliche Bezeichnungen gibt, weist auf die Differenz hin.
Trotz aller Täuschungsversuche sehen in Deutschland die gängigen politischen Strömungen den Staat immer noch als einen Organismus, für den alle mehr oder weniger ihren Beitrag zu leisten haben. Ein Unterlassen wird lediglich hingenommen, wenn eine nachgewiesene Unfähigkeit, z. B. Krankheit, nachgewiesen wird. Beim vermeintlichen Gegenüber der Konservativen, den als links bezeichneten Strömungen sieht es nicht anders aus. Wirklich interessant wird es erst bei den zu Extremisten und Radikalen abgestempelten. Da gibt es dann die unverblümt von einem Organismus ausgehenden Rechten, welcher von einem Gehirn gesteuert wird. Ihnen entgegen gestellt, sind dann beispielsweise die Anarchisten, welche nach dem Wegfall der konstruierten Hierarchie, von einer nach Unruhen eintretenden stabilen, sich selbst regelnden Struktur ausgehen.
Kein halbwegs akzeptierter deutscher “Linker” oder “Konservativer” geht die Grundfesten wie Eigentum, Hierarchie, Untersagung allzu heftiger Attacken auf die eigene Machtposition, Steuerung der Gesellschaft und die eigene Identifikation über Statussymbole, an. Wer so etwas unternimmt, befindet sich außerhalb des hingenommenen Spektrums.

Dass etwas vor sich geht, es zu Änderungen kommt, kann man fast körperlich spüren. Ungewiss ist, wohin es gehen wird. Gruppen, die vormals wenig Chancen hatten, sich am Diskurs zu beteiligen oder ihm sogar eine Richtung zu geben, werden durch die Digitalisierung völlig neue Möglichkeiten eröffnet. Mit einmal werden Strömungen sichtbar, die ehemals ein Schattendasein frönten. Die sogenannte Mitte reagiert konsterniert. Mittig zu sein, entwickelte sich lange zu einem in der Breite gewollten Zustand. Kompromisse, Abstriche von eigenen Wünschen, die Geborgenheit der Allgemeinheit, die Sicherheit durch Anpassung, die kollektive Übereinkunft auf der Seite der Guten zu stehen, das gemeinsame Streben nach immer mehr Besitz und die Gleichsetzung mit Glück und Erfolg, waren zuvor der gemeinsame Konsens. Davon Abweichendes wurde entweder ignoriert, als Spinnerei abgetan oder jugendlicher Lebensart zugeordnet, die sich im Alter legt.
Radikale Ideen, Forderungen, Denkmuster, waren jenseitige verpönte Verhaltensweisen, vor denen die Gesellschaft zu beschützen ist. Im Prinzip wäre dies wünschenswert, wenn denn die Mitte tatsächlich dem entspräche, was sich innerhalb der dokumentierten Menschheitsgeschichte als Weisheit herausgearbeitet hat. Dem ist aber meiner Meinung nach nicht der Fall. Eine Mitte, die sich mit dem Outfit von Politikern*innen, mehr beschäftigt, als sich sichtbaren existenziellen Problemen zu widmen, zeigt ein vollkommen entgegengesetzten Zustand. Gleichermaßen handelt es sich bei Debatten um Geschwindigkeitsbegrenzungen, einem Festhalten an der Wachstumstheorie ins Unendliche, Masken, Impfungen, Reaktionen auf Aggressoren, die Suche nach Glück über das Materielle, nicht wirklich um Zeichen für Weisheit.
Vielmehr regt es dazu an, mal darüber nachzudenken, ob all dies nicht aus der Perspektive einer ausgereiften Persönlichkeit, eher extreme Verhaltensweisen sind, die mit denen von Süchtigen zu vergleichen sind. Bemerkenswert ist dabei, wie heftig die Reaktionen ausfallen, wenn etwas versagt wird, was objektiv nichts mit Vernunft und Verstand zu tun hat. Interessant ist ebenfalls, dass Persönlichkeiten, die zur Prahlerei und Narzissmus neigen oder gern Triebverhalten an den Tag legen, wie zum Beispiel mit einem Porsche durch die Gegend zu stolzieren oder sich in monarchisch anmutenden Posen darstellen lassen, an die Spitze der Hierarchie gelangen. Sie geben Hinweise auf die Struktur des Staats. Welcher Gestalt sind die Regeln, nach der sie aufgebaut wurde oder sich selbst nach und nach generierte, sodass diese Charaktere an höchster Stelle landen? Grundsätzlich wird von einem Menschen innerhalb der Struktur Produktivität, Konsum und das Streben nach Eigentum erwartet. Je mehr vom Genannten erkennbar ist, um so höher ist das Ansehen. Da ist es nachvollziehbar, dass sich diejenigen nach oben durchboxen, die dies ohne Rücksicht auf Verluste praktizieren, Gleichgesinnte unterstützen und Regeln aufstellen, die diese Haltungen beflügeln. Das Ergebnis wird dann finanzieller Wohlstand genannt. Wobei die Konkretisierung oftmals weggelassen wird. Tatsächlich fragen im 21. Jahrhundert immer mehr Menschen, vor allem Jüngere, ob dies denn echter Wohlstand ist. Spätestens, wenn sie sich in der Mühle von zu bedienenden lang angelegten Krediten befinden, der Konsum von herzeigbaren Statussymbolen immer mehr vorhergehende Energie abfordert, kommen diesbezüglich Fragen auf.

Wie auch immer, die Andersdenkenden verfügen heute über ungleich mehr Optionen, als jemals vorher möglich war. Woraus sich zwingend ein Konflikt ergibt. Über die Social Media werden immer häufiger Aspekte sichtbar, die früher unter den Tisch gekehrt und maximal sichtbar wurden, wenn Leute auf die Straße gingen. Hinzu kommen die Debatten und Empörungen, die gezielt aus dem Hintergrund lanciert werden. Ich bin gespannt, wie sich das in den kommenden Monaten entwickeln wird. Unübersehbar mischen sich russische Propaganda-Spezialisten ins Geschehen ein. Ausgerechnet die Konservativen gedenken offensichtlich, sich als freudiger Dritter einzuklinken. Ein extrem gefährliches Unterfangen. Der Preis für die Vernichtung des politischen Gegners, in dem man sich der russischen Propaganda bedient, könnte hoch ausfallen. Die übersehen dabei, dass der eingeleitete Prozess u.U. nicht den gewünschten Stopp erfährt, sondern von den Rechten weiter befeuert wird. Die sogenannte deutsche Mitte sieht ihre existenzielle Grundlage gefährdet: den genannten finanziellen Wohlstand!
Den Intellektuellen fällt es schwer, von der Betrachtung des Ideals auf die Realität umzuschalten. Ein ziemlich altes Problem, welches bereits die alten Römer kannten. Die unterschieden sehr scharf zwischen der Gestaltung einer in Frieden lebenden Gesellschaft und einer im Kriegszustand. Eigens für diesen wurden temporär für maximal ein Jahr Führungskräfte mit Kompetenzen und Verantwortlichkeiten über die Mitbestimmung des Volks hinaus eingesetzt. Was nicht bedeutet, dass es zur Abwehr eines Aggressors keiner Intelligenz bedarf. Selbst Buddhisten bedienen sich im Ausweglosen der Kampfkünste.

Bei alledem darf theoretisch nicht aus den Augen geraten, dass die höherrangige Bedrohung die Zerstörung der Lebensgrundlagen ist. Das ist das zentrale Problem der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts.

Tatsächlich muss man einen anderen Eindruck gewinnen. Mich erinnert es an einen riskanten Überholvorgang auf der Landstraße. Der Fahrer will ein langsameres Fahrzeug überholen. Damit ist die erste Entscheidung getroffen, die nicht unbedingt notwendig wäre. Er könnte genauso gut, dahinter bleiben. Nun setzt er an und tritt dafür aufs Gaspedal. Auf halber Strecke bemerkt er ein entgegen kommendes Fahrzeug. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt bleibt die Chance zu bremsen und wieder einzuscheren. Danach gibt es nur noch konsequent zu beschleunigen und darauf zu hoffen, dass alles gut geht. Wer an dieser Stelle zögert, wird in einen schweren Unfall verwickelt.
Wir könnten auf die Bremse treten und es mit Gelassenheit, Genügsamkeit und deutlich weniger Lebenskomfort angehen. Oder wir setzen auf Technik, Wachstum, Innovationen, mit der Option, dass das böse ins Auge geht. Im ausgebrochenen Verteilungskampf wird ersten Eindrücken nach, alles über Bord geworfen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Überwindung des jeweiligen Gegners. Ein Prozess, der bereits aus dem 20. Jahrhundert bekannt ist. In dieser Art und Weise zwang der Westen im Kalten Krieg die UdSSR in die Knie. Klima, das Einstellen von für das ökologische System zerstörerischen Produktionen, die Entwicklung alternativer Energien, der Verzicht auf Unsummen für Waffen, wurde sekundär. Dies passiert wieder. Nunmehr besteht aber die berechtigte Annahme, dass es keinen dritten Anlauf geben wird und sich das laufende Jahrtausend auf wenige Jahrzehnte beschränken könnte.

All diejenigen, welche von Öko-Diktatur oder Öko-Terroristen sprechen, begreifen nicht den tieferen Aberwitz ihrer Begriffe. Das natürliche System ist seiner Art nach eine absolute Diktatur. Verhandlungen, Abstimmungen, Kompromisse sind in ihm nicht vorgesehen. Letztlich ist jedes kommende Extrem-Wetter-Ereignis eine Form von terroristischem Anschlag. Es wird von den großen Demütigungen der Menschheit gesprochen. Eine war die Erkenntnis, dass sich nicht die Erde im Mittelpunkt des Universums befindet. Nunmehr wird der Homo sapiens begreifen müssen, dass es ein Fehler war, sich selbst als das Zentrum des Geschehens auszumachen. Und wenn die Digitalisierung mit all ihren Möglichkeiten den Menschen vor sich her treibt, statt dessen er sich eine Orientierung, Kompass und Kontrollinstanz vorbehält, wird sie alles beschleunigen. Wenn alles Lebende und Gegenständliche parallel auch in Form eines binären Codes existiert, besteht die Gefahr, das Fassbare, das Erlebbare, zu verlieren. Bereits heute ist für viele Menschen das meiste abstrakt. Einige Jugendliche haben keinerlei Vorstellungen davon, woher Fleisch kommt und wie dafür real getötet werden musste. Kaum jemand hat tiefere Einsichten darin, was in den Geräten der digitalen Welt vor sich geht. In den industrialisierten Staaten tippen die Leute auf Bildschirmen herum und es passiert etwas. Wie, warum, weshalb, interessiert keinen. Vor allem gehen große Teile der Aufmerksamkeit für das reale Geschehen verlustig. Hauptsächlich streift alles irgendwie vorbei und sehr wenige schenken dem Augenblick in der Realität ein wenig oder die volle Achtsamkeit. Daran ändern auch die Therapeuten, Psychiater, Psychologen und Lebensberater nichts. Die künftige Entwicklung könnte dies schmerzlich verändern. Allgemein wird seitens der Demagogen vor Blackouts und Chaos gewarnt.
Doch warum kommt es zum Chaos? Ich denke mal, weil sich die Mehrheit in der plötzlichen harten Realität nicht zurechtfindet. Mit einem Mal werden ehemals noch zu rettende Situationen möglicherweise gefährlich oder sogar tödlich. Unaufmerksamkeiten, unüberlegte Aktionen, natürliche Umstände, werden wieder zu realen bedrohlichen Geschehen. Wenn ich einem Laoten im gebirgigen, armen, Norden, den ohnehin selten vorhandenen Strom klaue, lacht der darüber. Auch dies ist die Digitale Revolution: Alles ist derart abhängig von Elektrizität, dass ich mit der Zerstörung der erzeugenden Anlagen nicht nur alles lahmlegen kann, sondern auch das Leben tausender Menschen auslösche. Vor etwas mehr als hundert Jahren war das kein Thema. Demnach, was ich so gehört habe, sind viele Netzwerke mit Schadprogrammen verseucht, dies sich erst in besonderen Fällen bemerkbar machen. Das wird immer mehr werden. Auf einer philosophischen Metaebene stellt sich die Frage, ob es zweckmäßig ist, ohne weiteres einer derartigen Entwicklung zuzusehen. Mir ist dabei durchaus die bösartige Tragweite bekannt. Manch einer, der nur noch lebt, weil es elektrische Apparate gibt, muss wie in jedem anderen weniger medizinisch ausgestatteten Land, sterben. Wasser könnte plötzlich nicht mehr aus der Wand kommen, sondern müsste mühselig von einer Pumpe geholt werden. Lebensmittel lassen sich nicht mehr lagern, wie gewohnt. Aber all dies ist machbar. Immerhin haben wir diese Standards noch gar nicht so’lange.

Auf einer anderen Ebene findet schon länger eine vergleichbare Entwicklung statt. Die Industrieländer haben eine Gesellschaft, die Infrastruktur und Stadtplanungen zentral auf den Individualverkehr mit Fahrzeugen ausgerichtet. Die Entwicklung des Klimas fordert eine Veränderung. Nun gilt: “Können vor Lachen!” Wie soll man auf die Schnelle einen Jahrzehnte andauernden Prozess verändern und die Folgen rückgängig machen? Hinzu kommt, dass im Zuge dessen das Fahrzeug für den Verkauf mit jeder Menge Emotionen verknüpft wurde. Zeig mir Dein Auto und ich sage Dir, wie Du denkst, fühlst, welchen sozialen Status Du hast und zu welcher Untergruppe der Gesellschaft Du gehörst. Man muss sich dabei vor Augen halten, dass die temporäre Blockade eines Verkehrsweges, als terroristischer Akt gewertet wird und die Beschädigung eines Fahrzeugs, einer Körperverletzung gleich kommt. In der digitalen Welt sind es die Art und Marke eines Smartphones, das favorisierte Betriebssystem und die dahinter stehenden Haltungen. So wie das Fahrzeug nicht mehr allein ein Gebrauchsgegenstand für den Transport nach A und B ist, sind Laptops, PC’s, längst nicht mehr Geräte, die Aufgaben erleichtern. Umstände, die noch eine weitere, hier meine letzte Betrachtung, anregt.

Fahrzeuge, Rechner, Smartphones, die gesamte digitale Welt, sind nichts Lebendiges. Sie gehören zur toten, leblosen, Materie. Doch ihnen wird oft mehr Bedeutung beigemessen, als den lebendigen Wesen. Im engeren Sinne ist die Nekrophilie als sexuelle Vorliebe für Tote definiert. In seinem Werk “Anatomie der menschlichen Destruktivität” erweitert Erich Fromm die Sicht darauf. Bereits in den 70ern ersah er es als problematisch, dass sich die Menschen in den Industrieländern immer mehr dem Leblosen zuwenden und zog einen Vergleich zur sexuellen Vorliebe heran. Alles Lebende, wird geboren und eines Tages sterben. Ich werde niemals eine vollständige Kontrolle über ein lebendes Wesen erlangen. Außerdem ist vieles ein Mysterium, welches sich bisher unserem Wissen entzieht. Ich kann einen Toten sezieren und trotzdem nur Bruchteile seines Lebens ermitteln. Der Abstand zwischen der Achtsamkeit für das Leben und dem banalen Gegenstand oder der zusammengesetzten Maschine wird immer geringer. Besonders stolpere ich in letzter Zeit über den Begriff “Autohasser”, der das Gegenteil eines “Autoliebhabers” ist. Beides sind starke Emotionen, die sich ursprünglich auf das menschliche Zusammenleben beziehen. Nunmehr werden sie auf tote Materie angewendet. Ich empfinde dies als richtungsweisend. Früher sagte man, wenn Leute ihrem Auto einen Namen gaben, dass sie es dann vermutlich auch besser pflegen würden, weil sie es “vermenschlichten”, somit eine besondere Wertschätzung zeigten.
Doch die Relation war die Annahme, dass das Menschliche eben das Höchste war. Ebenso finde ich es befremdlich, wenn Protestanten, die eine Fahrbahn blockieren, wie bereits angedeutet, als Terroristen bezeichnet werden. Terror war einstmals das kalkulierte, zweckorientierte Erzeugen von Panik und Unruhe, in dem Menschen getötet, zerfetzt und verstümmelt wurden. Die üben nicht einmal im ursprünglichen Sinne Gewalt an Sachen aus. Machen wir uns nichts vor, der Begriff Gewalt wurde bei Blockaden in den 80ern nur eingeführt, um einer unangenehmen Protestform gegen die Macht Herr zu werden. Gleichsam ist es bedenklich, wenn Überzeugte, deren Argumente nicht von der Hand zu weisen sind, und zumindest aus vernünftigen Überlegungen resultieren, zu Extremisten abgestempelt werden. Wobei es natürlich immer eine Frage der Relation und eigener Perspektive bleibt. Das Kalkül einiger ist klar erkennbar: Mit Extremisten muss man sich nicht auseinandersetzen, sondern bekämpfen.
Doch was passiert, wenn die erkennen, dass die gewählten Mittel ins Leere laufen? 21. Jahrhundert, Digitale Revolution! Die virtuelle Welt bietet wie die reale einen Untergrund an. Mehr, einfach und sicherer, als in der anderen. Ich wäre nicht überrascht, wenn in naher Zukunft junge Hacker zu ihren Möglichkeiten greifen. Was Nachrichtendienste und Sicherheitskräfte mit Fahrzeugen anstellen können, schaffen die auch. Längst gibt es Fiktionen, in denen Hacker einfach mal alle Kreuzungen auf Grün schalten. Oder was ist mit Geräten, die die digitalen Funktionen moderner Fahrzeuge sabotieren? Nicht alle haben keine Ahnung davon, was nach dem Tippen auf einem Bildschirm passiert. Die Vertreter der alten Welt, die nicht einmal ansatzweise begreifen, was sich auf diesem Sektor abspielt, werden dann richtige Schwierigkeiten bekommen. Das Wort Sabotage rührt von den Holzschuhen, den Sabots, der früheren Arbeiter her. Bei Arbeitskämpfen warfen sie diese in die Maschinen, die dann blockierten. Die industrielle Revolution ist Geschichte, heute werden Schadprogramme, Computer-Viren, Trojaner, programmiert. Mal sehen, wie sich dies in nächster Zeit gestaltet. In der Welt der Computer, gibt es alles, was es auch bei Fahrzeugen gibt. Ahnungslose Benutzer, Freaks, die ihre Rechner tunen, Crashkids, die aus lauter Spaß Schadprogramme in den Umlauf bringen, Verbrecher, die mit den Techniken Taten begehen, Programmierer, Aktivisten, versierte Terroristen, usw.
Dabei habe ich noch nicht einmal die Technikfreaks erwähnt, welche mit ein paar Bauteilen und einem Lötkolben, komplette Funknetze lahmlegen oder im Vorbeigehen die Steuerung eines Fahrzeugs übernehmen. Es war früher Teil meines Jobs, mir darüber Gedanken zu machen, welche Bedrohungsszenarien sich Straftäter ausdenken könnten und hierzu Gegenstrategien zu entwickeln. Ich kann mir vieles vorstellen, von dem ich nicht hoffe, dass es jemals passiert. In einigen technischen Bereichen besteht bei mir mittlerweile ein fünf Jahre großes Loch. Doch ich kann mir ausmalen, wie die Entwicklung weiter gegangen ist. Ich weiß noch, wie verschiedene im Sicherheitsbereich angewendete Techniken zur Geheimsache erklärt wurden. Dumm nur, dass die sich an der TU Berlin krumm lachten. Was denkt ihr wohl, wer den Kram entwickelt hat und was wir in den Vorlesungen machen? Digitalisierung bedeutet eben auch, dass alles jedem zugänglich ist. Man muss nur wissen, wo man und wie man sucht. Edward Snowden schrieb, dass er moderne industrialisierte Gesellschaften Computernetzwerken gleichsetzt und die Struktur identischen Regeln unterliegt. Gesellschaftliche-Hacker müssen nur die Schwachstellen ausmachen, sich einen Einstieg verschaffen, etwas hinterlassen, was nicht sofort wirksam wird und schon nimmt alles seinen Lauf. Besonders bereiten mir an der Stelle all die Leute Sorgen, die für Hochrisikotechniken, wie alles, was sich um die Energieversorgung rankt, unbekümmert Unbedenklichkeitszertifikate ausstellen. Wenn dies alles an dem ist, stelle ich mir die Frage, wie es vor 11 Jahren! gelang, 30.000 iranische Rechner, von denen einige in AKW’s standen, mit einem Trojaner zu infizieren. Zumal es nicht einmal notwendig ist, das AKW selbst zu attackieren, sondern an der Peripherie Szenarien ausgelöst werden können, die in die Katastrophe führen. Ich mag aufgrund meiner Biografie geschädigt sein. Aber ich habe gelernt: Wenn es um Menschenleben oder existenzielle Dinge geht, verlass Dich niemals auf Elektronik. In der Medizin mag das ganz gut funktionieren. Ansonsten gibt es einfach zu viele mögliche Fehlerquellen. Und wenn es hart auf hart kommt, ist auch immer Verrat oder ein Maulwurf einzukalkulieren. Und nicht immer sind es simple Fingerübungen, wie sie im Zusammenhang mit Belarus geschahen. Ich mag manchmal im Denken ein Fossil aus dem 20. Jahrhundert sein, aber dieses Handwerk ändert sich nur in Nuancen und bekommt neue bessere Werkzeuge. Früher musste eben noch mit der Hand gebohrt werden, heute gibt es Bohrmaschinen, aber am Ende ist ein Loch in der Wand. Und auch hierzu kann ich sagen, dass meiner Kenntnis nach, die meisten, selbst wenn sie in Hochsicherheitsbereichen arbeiten, sehr unbedarft im Umgang mit der digitalen Technik sind. Die alten Hasen schlagen der neuen Zeit ein Schnippchen, in dem sie auf analog setzen. Bei allen anderen gilt die Grundregel:

Was machbar ist und mit der vorhandenen Technik durchzuführen ist, wird erstmalig bei einem herausragenden Fall eingesetzt und damit implementiert. Nach einiger Zeit wird sie mit dem Argument der ökonomischen Effizienz auch in niederschwelligen Bereichen angewendet. Ähnliches gilt für die öffentlichen Aussagen von hochrangigen Behördenvertretern. Wurde etwas ausgesprochen, ist es in der Welt und wird realisiert. Nicht unmittelbar, aber bald.

Auch vor dem Staatsapparat macht die Digitalisierung nicht Halt. Die Kommunikation ist dabei nebensächlich. Viel interessanter sind die Auswirkungen auf Institutionen, die allein schon wegen ihrer Funktionen, den Menschen zum verwalteten Objekt degradieren. Mit der Digitalisierung werde ich zu:

01000001 01101110 01100100 01110010 01100101 01100001 01110011 00100000 01010100 01110010 11000011 10110110 01101100 01110011 01100011 01101000

Immer wenn es in die Entpersonalisierung geht, vor allem bei der Polizei und dem Gefangenenwesen, wird es höchst kritisch. Ein Sachverhalt wird von einem Sachbearbeiter digital erfasst und mit dem obigen Datensatz vereint. Wie nett, wenn er zeitgerecht gelöscht wird. Wie fatal, wenn sich die Zeiten ändern und wie in den USA gigantische Speichermedien füllen. Außerdem weiß ich aus eigener Erfahrung, wie viel in alter Zeit wegen eines Missverhältnisses zwischen Arbeitsaufwand und Ereignis fallen gelassen wurde. Faulheit, die dazu führte, dass oftmals die Kirche im Dorf gelassen wurde. Nun, auch dies wird sich ändern. Zumindest die Erfassung und Speisung von speziellen Datenbanken wird zunehmen.

Oh, das wäre noch ein weiterer Punkt, der innerhalb der neuen Zeit von großer Bedeutung sein wird. Vor allem, wenn kein ethischer Kompass vorhanden ist. Sehr wenige, werden sich der Überwachung entziehen können, während die Massen lückenlos kontrolliert werden. Staaten wie China und Singapore machen es vor. Der Begriff Utopie bezieht sich darauf, dass etwas längst machbar ist oder demnächst ein Durchbruch stattfindet, aber jemand aus unterschiedlichen Motiven auf der Bremse steht. Noch wird vordergründig von der persönlichen Freiheit gesprochen und die Fahne des Datenschutzes hochgehalten. In der Wirtschaft ist dies längst erledigt. Es ist eine Frage der Zeit, dass der Weg für die umfassende staatliche Überwachung geebnet ist. Demagogen erzeugen die notwendige Angst, um im nächsten Zug eine Abhilfe zu versprechen. Ein simples Beispiel sind die bereits jetzt installierten Kameras auf öffentlichen Plätzen. Von der Konstruktion her, können die deutlich mehr, als derzeit freigeschaltet ist. Stellt sich die Frage, warum nicht eine abgespeckte Version verbaut wird. Da kommt einiges auf uns zu. Auch hier sehe ich nicht die Vernunft, sondern Konservative, Neue Rechte und Technokraten bei den Sicherheitsbehörden, die fortwährend mit emotionalen Appellen arbeiten. Selbst die Wirtschaftsliberalen werden einknicken, wenn sie hinter alledem das Geschäft wittern. Der Markt regelt das. Die Demagogen wiegeln auf, erzeugen das Bedürfnis, die passenden Anbieter bieten den passenden Deal an und alles nimmt den gewohnten Verlauf. Hauptsache, die Hochfinanz ist nicht betroffen. Seltsamerweise wird es dann Luxuslimousinen geben, die lediglich vage geortet werden können, während alles darunter auf einen Meter genau lokalisiert wird. Oder Konzerne mit abgeschotteten eigenen weltweiten Netzwerken, an die niemand ohne Maulwurf herankommt. Kalr-Egon, Mandy und Silvio, können in der Liga nicht mitspielen und müssen sich nackig machen lassen. Es sei denn … Vernunft und Verstand, setzen aus unerfindlichen Gründen ein. Immerhin, die Hoffnung ist ein irrationales Konzept. Was ihr leider widerspricht, ist der Umstand einer ziemlich hohen Trefferquote. Immerhin sahen George Orwell / Aldous Huxley in Teilen und skizzenhaft unsere Gegenwart voraus. Aber wie langweilig wirkt die Konditionierung von Kleinkindern bei Huxley an, wenn es heutzutage bereits Virtuell Reality – Brillen gibt, bei denen die Kinder später nicht mehr zwischen selbst erlebten Geschichten und mit Illusionen erzeugten Erinnerungen unterscheiden können. Oder wie plump muten riesige Bildschirme an, auf denen der Große Bruder zu sehen ist, wenn perfekt zugeschnittene Propaganda über Social Media, Filme, PC’s unbemerkt an das Zielobjekt herangetragen werden kann? Irgendwo las ich mal die Aussage: Man möge meinen, dass das Buch “1984” als Warnung zu verstehen ist. Doch das politische Establishment hat es zum Drehbuch und Blaupause gemacht.

Jenseits der Hoffnung bin ich mir persönlich sicher, dass die aktuelle Struktur und Staatsform in der Zukunft nicht mehr funktioniert bzw. in eine katastrophale Phase, mit ungewissem Ausgang, gerät. Irgendwie bräuchten wir einen Typen, wie Isaac Asimov, der die Robotergesetze formulierte. Nur halt einen, der sich über die Digitalisierung Gedanken macht.

3 April 2022

“Wofür lebst Du?”

Lesedauer 3 Minuten

Bukowski, ich möchte, dass Du mir einen Anti-Hippie-Artikel schreibst.”

“Na, ich weiss nicht.”

“Ich meine, diese Kids übernehmen doch keinerlei Verantwortung, sie pfeifen darauf, sie tun nichts, sie wollen nichts tun-sie stützen die Gesellschaft nicht!”

Der große Herausgeber Webb hörte sich an, wie mein zu Grabe getragener Vater. Hallo? In unserer Welt lernten die Kids als Erstes, dass etliche Länder genug Wasserstoffbomben auf Lager haben, um uns alle dreißigmal ins Jenseits zu befördern – mit Ausnahme der Reichen in ihren Bunkern und der Jungs, die ihre Raumschiffe klar machen, die neuen Archen Noahs. …

Nur ein einziger Mensch ist jeweils für die Vernichtungsknöpfe zuständig. Und käme nach Adam Riese nicht irgendwann bestimmt so ein Idiot daher und haute drauf – vielleicht schon morgen?

Charles Bukowsky, Bekenntnis eines Dirty Old Man

Wenn dieser Textausschnitt mal nicht Eins zu Eins auf die aktuelle Zeit passt. Gut, Fridays for Future oder Extinction Rebels sind jetzt nicht wirklich Hippies im alten Sinne, aber es geht in die Richtung. Wer halbwegs Realist ist und sich nicht in Wunschvorstellungen ergeht oder in Phrasen wie “Es ging schon immer irgendwie weiter!” flüchtet, gerät als Boomer in Erklärungsnot. Es ist die alte Story vom abstürzenden Fensterputzer, der auf Höhe jeder Etage sagt: “Bis hierhin ging es gut!”

“Es ist fünf Minuten vor Zwölf!” Eine Phrase! Ein Textbaustein in jeder politischen Rede. Leeres Gewäsch! Oder wie ein einstudierter Satz eines Onkologen: “Das wird schon wieder!” Das geht seit Jahrzehnten so. Man mag meinen, dass es an der Zeit ist auf die Uhr zu klopfen. Vielleicht zeigt sie gar nicht die richtige Zeit an? Unter Umständen ist es längst zehn Minuten später?

Angeblich besteht noch die Möglichkeit allem eine gute Wendung zu geben. Nur wohin? Weitere hundert Jahre Homo sapiens, der sich als das aufspielt, was das Großhirn als Gott definiert hat? Ein technisch gestütztes Leben auf einem Wüstenplaneten? Oder Kumpels und Konkubinen von lebenden oder kommenden Mega-Reichen, in Biosphären? So oder so erscheint es wahrscheinlich, dass das aus den letzten tausenden Jahren bekannte Leben endet. Es gibt nicht einmal im Ansatz minimalste Anzeichen für einen Lernprozess.

Überall werden neue Kriege geführt, die nicht nur den spärlich behaarten Affen betreffen. Flora, Fauna, grundlegende Lebensaspekte, radioaktive Strahlung, verseuchter Boden, verpestete Luft und Wasser, alles wird gnadenlos mitgerissen. Im Schatten der Kriege wird mit Fracking das Wasser, neben der Atemluft, die unabdingbare Notwendigkeit für Leben, vergiftet. Die Lungen des Planeten werden jeden Tag Hektar für Hektar abgeholzt.

Und wir wollen jungen Leuten etwas von Verantwortung, Gesellschaft, Demokratie, Leistung, erzählen? Was für ein armseliges Unterfangen. Machen wir es nicht so global. Ich bleib in Deutschland. Marianne Faithfoul besingt im Lied “Broken English” die Begegnung einer Journalistin mit Ulrike Meinhof. “Wofür kämpfst Du? Wofür stirbst Du? Es ist nicht meine Realität!”

Mit der Besetzung eines Baums rettet man nicht die Welt und gewinnt auch keinen Blumentopf gegen einen übermächtigen Konzern oder gegen Politiker im Anzug und Prostataproblemen. Aber man setzt ein Zeichen und kann morgens in den Spiegel sehen. Irgendwann erscheint die Staatsgewalt. Die ist nicht etwas Abstraktes, sondern trägt einen schwarzen Overall, hat nach der Schule bei der Polizei angefangen, hart den Körper trainiert, ein brutales Belastungsjahr überstanden und hat ein Ego, mit dem eine Sporthalle gefüllt werden kann.

Im Wipfel des Baums treffen nicht Alt und Jung aufeinander, sondern Vertreter einer Generation. “Wofür lebst Du?” Im Grunde sind beide nicht so unterschiedlich, wie es scheint. Sie brennen für etwas. Ohne dem geht niemand zum SEK und besetzt auch nicht bei Wind und Wetter einen Baum. Sie sind keine Anzugträger, Karrieretypen in einer Gewerkschaft, satte Bürger auf der Couch. Und weil sie beide brennen, geht’s hart zur Sache.

Es endet vor Gericht. Eine Frau oder Mann mit Robe beurteilt alles ganz im Sinne der satten Wohlstandsgesellschaft, die sich an den leeren Phrasen entlang hangeln. “Es ist erst fünf Minuten vor Zwölf!” “Schreib mir was gegen die Hippies!” Strafe muss sein. Andere sollen davon abgeschreckt werden derart rüde die Richtigkeit des Geschwätzes anzuzweifeln und die Bürger haben Anspruch auf Sühne der verwerflichen Tat. “Sie müssen lernen, ihren Politikern zu vertrauen oder wenigstens dem Wähler!”

Ein “alter” Mann, der die Zeit nach Zwölf, so wie ich, nicht mehr erleben wird, hat geurteilt. Ella, eine junge Frau, die ihren vollen Namen nicht preisgibt, wird Anmaßung, Arroganz, totalitäres Verhalten, vorgeworfen. Von jenen, die immer so weiter machen wollen? Denen, die einen jungen Mann missbrauchen, der eigentlich die Schwachen gegen bewaffnete fiese Typen beschützen will? Der dafür jahrelang trainiert hat?

Über ein Jahr Freiheitsstrafe, also entsprechend einem Verbrechen, hat sie kassiert. Die, welche alles ins Verderben reissen, werden nie eine Zelle von innen sehen. Eine dieser Geschichten, die schon in 10 Jahren in einem ganz anderen Licht zu sehen sein werden. Davon bin ich fest überzeugt. Alles was in dieser Richtung passiert, riecht auf tausend Meter nach der Arroganz und Hybris einer gegenwärtigen Gesellschaft, die später einen zweifelhaften Ruf bekommen wird.

25 Januar 2020

Randgruppe – ein harmloses Wort?

Lesedauer 6 Minuten

Kürzlich fragte mich ein Leser meines BLOG in einer Mail, ob ich mir mal Gedanken über den in letzter Zeit häufig zu lesenden Begriff «Randgruppe» gemacht hätte, und ob dies nicht etwas für meinen BLOG wäre. Ich muss zugeben, dass ich mir bisher keine Gedanken darüber gemacht hatte.

Warum eigentlich nicht?

Zunächst einmal setzt sich das Wort wie so häufig aus zwei Bestandteilen zusammen. Eine unbestimmte Zahl an Individuen wird unter Anwendung von einem oder mehreren Kriterien zu einer Gruppe zusammengefasst. Im Prinzip wird die Datenbank «Gesellschaft» mittels eines Suchkriteriums abgefragt und alle Treffer zu einer Gruppe zusammengefügt. Damit gibt das Kriterium einen Hinweis auf denjenigen, welcher die Abfrage startete. Und weil menschliches Handeln immer ein Motiv erfordert, gibt es auch eine Information, wohin die Reise gehen soll. Doch was stellt den Rand dieser Gruppe dar? Offensichtlich ist keine andere Gruppe gemeint, sondern Individuen, die noch gerade mal so den Suchkriterien genügen.

Die Kombination wirkt meistens ein wenig herabwürdigend. Menschen wollen grundsätzlich einer Gemeinschaft zugehörig sein. Gemeinschaft wird in der Regel etwas unscharf mit Gruppe gleichgesetzt. Wer will schon in einer Gruppe an den Rand gedrängt werden?

Sich dort zu befinden, bedeutet beinahe schon, nicht mehr dabei zu sein oder die Notwendigkeit, sich in die Mitte zurückzukämpfen. Eine angenommene Randgruppe der Gesellschaft ist gedanklich mit einer Irrelevanz konnotiert. Die Priorität des politischen Handelns liegt im Zentrum der Gruppe, dort wo alle Kriterien zu 100 % stimmig sind. In der Regel wird sich derjenige, welcher von einer Randgruppe spricht, im Zentrum wähnen.

Besonders störte S. (mein Mitleser), dass beispielsweise Obdachlose, sozial geächtete Drogenabhängige, in der Presse und in politischen Aussagen zur Randgruppe deklariert werden. Nehme ich das Abfragekriterium: «Zeige mir alle auf dem politischen Gebiet Deutschland lebenden Personen!», sind sie Mitglied der Gruppe. Im nächsten Schritt könnte ich analysieren, wer in dieser Gruppe sozial verträglich Drogen konsumiert (unauffällig lebende Alkoholiker, Tablettenabhängige, beruflich erfolgreiche Kokain Konsumenten, Psychopharmaka Missbrauch pp.). Außerdem müsste ich mir anschauen, wer sich in das System passend eingefügt hat und eine Bleibe hat. Hiernach kämen die Fragen nach den Personen, welche sich außer Stande sahen, sich in das bestehende System einzufügen und so ihr Obdach verloren. Die Gründe können vielfältig sein. Dann wären jene zu betrachten, die aufgrund der Drogensucht nicht mehr an einem Leben teilnehmen, welches im Zentrum als lebenswert betrachtet wird. Aber immerhin befinden sie sich immer noch in meiner künstlich erstellten Abfragegruppe.

Bewege ich mich in der gedanklichen Praxis einer Gruppenunterteilung, ist per Logik zwingend die Existenz anderer Gruppen anzunehmen. Gehe ich nicht vom Rand einer Gruppe aus, sondern eröffne neue Gruppen, die ich als Randgruppen definiere, ergibt sich ein anderes Bild.

Ich verfüge nun über eine Gesamtgruppe (Gesellschaft), eine Hauptgruppe (etablierte und erwünschte Lebensweise – Zielgruppe des Abfragenden) und diverse Randgruppen, welche lediglich Teilkriterien erfüllen (Obdachlose, Junkies, Autonome, Anarchisten).

Unbestreitbar leben wir in einer inhomogenen Gesellschaft, die aus zahlreichen Gruppen besteht, die je nach Analyse Überschneidungen aufweisen. Doch es wird halt nicht von gleichberechtigten Gruppen ausgegangen, sondern es erfolgt eine Bewertung, u.a. nach der Anzahl der Mitglieder. Je größer die Anzahl um so gesellschaftlich relevanter ist sie. Dies klingt beinahe nach einem demokratischen Prinzip. Die Mehrheit bestimmt, was geschehen soll.

Doch basiert die Bewertung tatsächlich auf der Anzahl der Individuen? Die FDP eröffnet beispielsweise eine Gruppe «Leistungsträger». Es scheinen Personen mit einem guten Bildungsstand gemeint zu sein, die in unterschiedlicher Art und Weise Geld umsetzen. Von einem Mehrwert für die Gesamtgruppe ist hierbei noch nicht die Rede. Objektiv betrachtet leistet eine Krankenschwester mehr für die diese übergeordnete Gruppe, als ein Investmentbanker. Und obwohl sich in dieser seitens der FDP eröffneten Gruppe wenige Personen befinden, wird eine besondere Bewertung bzw. Privilegierung eingefordert. Dies setzt die anderen Gruppen im Ranking herab.

Die Union erzeugt eine Gruppe, in der sich alle befinden, die sich an der althergebrachten deutschen Moral und den Werten des ausgehenden 19. Jahrhunderts orientieren. Weiterhin Personen, die das feste hierarchische Gefüge aus der Zeit der industriellen Revolution akzeptieren. Für sie soll in der Bundesrepublik Deutschland die Politik gestaltet werden. In ihr befinden sich auch Beschäftigungslose, Drogenabhängige, insofern sie die moralischen Vorgaben akzeptieren und sich selbst als gescheitert definieren (Schuld auf sich geladen haben). Alle anderen werden in untergeordnete Gruppen verschoben. (Sozialisten, Kommunisten, GRÜNE, linksversiffte, Intellektuelle pp.) Ein wesentlicher Bestandteil des Gruppendenkens besteht darin, dass das Individuum gegenüber der übergeordneten Gruppenmoral, die ein höherrangiges Gesamtinteresse inne hat, zurückzutreten hat. Alles was der Mehrheit dient, ist zulässig, während im Zweifel die Rechte des Einzelnen, also wenn dadurch ein Vorteil für die anderen entsteht, einzuschränken sind.

Es geht somit nicht um gleichberechtigte Gruppen. Sie befinden sich teilweise in Konkurrenz zueinander. Die größeren Gruppen ersehen sich egozentrisch als die maßgebliche Hauptgruppe und umso kleiner die Anzahl der Mitglieder und das vermeintliche Ranking anderer Gruppen ist, desto höher wird das Risiko, das Label «Randgruppe» zu erhalten. Hieraus ergibt sich auch der Umstand, dass diese Gruppen nicht an der politischen Gestaltung beteiligt werden. Die Finanzkraft einer kleinen Gruppe hebt alles auf. Personell eigentlich eine Randgruppe, wird sie durch die Kaufkraft zu einer politisch relevanten Gruppe.

Eine extreme Erscheinungsform des Gruppenprinzips ist das «Völkische Prinzip». Aus allen existierenden Gruppen wird mit physikalischer oder psychischer Gewalt eine große homogene Gruppe erstellt, in der «kameradschaftliche» Prinzipien herrschen. Über ihr existiert eine Führungsperson oder Clique, die die Ausrichtung vorgibt. Spätestens hier beginnen die Probleme, welches dieses Gruppenprinzip mit sich bringt.

Group – Thinking, Gruppenmoral, Gruppendruck, kommen zum Tragen. Hierzu gibt es diverse Untersuchungen. Werden die sich negativ auswirkenden Aspekte nicht berücksichtig, kommt es zur Katastrophe. Wenn das Individuum nicht mehr seinen Anteil am Gesamtgeschehen erkennen kann, endet die Verantwortungsübernahme und damit auch die Freiheit.

Wer von Randgruppen spricht, akzeptiert eine Gesellschaft, welche zum Zwecke einer besseren Administration in Gruppen aufgeteilt wird. Eine, in der ein Einzelner einen erheblichen Aufwand betreiben muss, um ein freies Leben zu führen. Wer seine Freiheit lebt, landet schnell in einer dieser geschmähten Randgruppen und damit im Abseits.

Nach 1945 wurde dies in Bezug auf die zurückliegenden Jahre des Nationalsozialismus und der Perioden, die dort hinführten, seitens der “Neuen Frankfurter Schule” intensiv betrachtet. Hinzugefügt wurde das in Deutschland, wenigstens bis in die 2000er Jahre andauernde ausgeprägte patriarchalische Hierarchiesystem. Dabei ist es unwichtig, ob sich eine Frau an der Spitze befindet, wenn sie starre Über- /Unterordnungsverhältnisse, die mit Machtmitteln verteidigt werden, favorisiert. Individualität, stetig wechselnde Gruppen, dynamische Zugehörigkeiten und situative Hierarchien, vertragen sich nicht mit autoritären Systemen. Doch genau zum Gegenteil neigen die Deutschen (Nicht nur die, aber ich bin nun mal Deutscher und kehre vor der eigenen Tür).

Auch die aktuelle Ausgestaltung des Kapitalismus ist im Grunde genommen ausschließlich mit dieser Praxis des Bildens von festen Gruppen (Zielgruppen, Leistungsträger, bezeichnete Konsumentengruppen, Manipulationsansätze/PR/Werbung,pp.) denkbar. Z.B. werden ehemals gesellschaftlich identitätsstiftende Faktoren, wie Bildung, Lebensleistung, Vorreiterrollen, spirituelle Tiefe, durch ästhetische (im philosophischen Sinne) Bedürfniserfüllung, käufliche Statussymbole, welche seitens der Gruppe akzeptiert werden, ersetzt. Man nehme beispielsweise einen qualitativ hochwertigen Sportschuh ohne eine in der Gruppe “Prekariat” akzeptierte Markenbezeichnung und versuche ihn dort zu verkaufen – keine Chance!

Zuvor wurde einiges an Aufwand betrieben, um die Herrschaft über das Gruppenbedürfnis zu bekommen, welches den Absatz eines minderwertigen Produkts ermöglicht. Was in der Wirtschaft funktioniert, klappt auch politisch. Seitens der Populisten wird gezielt auf das Gruppendenken eingewirkt, der wiederum in einem Druck auf das Individuum mündet. Die Überzeugung des einzelnen Wählers, die harte Argumente erfordert, ist nicht mehr notwendig. Am Ende verwischen sich die Grenzen zwischen wirtschaftlichen und sozialpolitischen Interessen und die Demokratie wird zur Illusion.

Journalisten und Politiker, die in diesen Kategorien denken, geben ihre eigene Gruppenherkunft zu erkennen. Die sich dort in den Randgruppen befinden, haben nicht passenden Stallgeruch. Sie gehören nicht dazu und werden deshalb von außerhalb her betrachtet.

Und hier schlage ich den Bogen zu den Obdachlosen und sozial ausgestoßenen Drogenabhängigen. Ich betone es immer wieder. Jeder ist ein Teil des Ganzen und damit ist es auch anteilig in jedem Individuum vorhanden. Der Weg in eine dieser angenommenen Randgruppen, ist bisweilen ein sehr kurzer. Eine Scheidung, unglückliche Begleitumstände, eine Fehlinvestition, ein Schicksalsschlag und der Abstieg beginnt. Mit Sicherheit ist eine Gruppierung im administrativen Handeln an vielen Stellen notwendig. Das bedeutet noch lange nicht, dass ich dies ins alltägliche Leben eingliedern muss. Menschen haben eine individuelle Kennzeichnung, die sich in einem Namen, Geburtsdatum und vor allem individueller Existenz spiegelt.

Ich selbst gehe immer mehr dazu über, Gruppenbezeichnungen zu umgehen. Zugegeben, es gelingt mir nicht jedes Mal. Doch die Wirkung ist interessant. Rechts, links, konservativ, Hartz IV, obdachlos, die Arbeiter, die Leistungsträger, die Kriminellen, all dies sind Label. Dabei macht es einen Unterschied, ob sich jemand freiwillig und öffentlich selbst einer Gruppe zuordnet (Partei – o. Vereinsmitgliedschaft, Religionszugehörigkeit, Orientierung in eine bestimmte Richtung der Pressearbeit, investigativ, populär, Boulevard, bezahltes PR Abhängigkeitsverhältnis (WELT, BILD, FOKUS, NZ), oder von fremder Seite her, ein Label aufgedrückt bekommt. Flüchtlinge, Asylanten, Ausländer, Hartz IV, Drogenabhängige, können sich schwer dagegen wehren.

Manch einer, der ein völkisches Gesellschaftssystem und eine nach außen abgeschottete Ordnung favorisiert, versteckt sich geschickt hinter einem an sich unpassenden Label. Mir fallen in der Politik spontan einige Personen ein, die aufgrund ihrer narzisstischen oder gar psychopathischen Struktur, überhaupt nicht in die Schublade passen, in die sie sich gelegt haben.

Lieber S., aus meiner Sicht heraus, stößt Du Dich vollkommen zu Recht an dem Begriff Randgruppe. Aber auf der anderen Seite, finde ich es gut, wenn Leute das Wort verwenden. Jedes Wort, welches ich verwende, gibt eine Information über mich an die Außenwelt weiter. Hinzu kommt, dass es sehr verräterisch ist, wen ich in eine Randgruppe einsortiere. Gerade in einer Zeit, in der sich Politik und Journalismus im Lobbyismus, Geld, negativer Manipulation zugunsten eines außer Kontrolle geratenen Wirtschaftssystems, welches Demokratien kauft, verlieren, ist jede Information, über den Standort wichtig.

22 März 2019

Friday for Future

Lesedauer 3 MinutenEine illustre Mischung sammelte sich an jenem Freitag im Invalidenpark unweit vom Naturkundemuseum. Wer hat sich nur diesen seltsamen Platz für eine Demo ausgesucht? Er wirkt mehr wie zugeteilt, damit niemand gestört wird. «Hast Du eine Ahnung, ob die hier nur Antreten oder laufen die zum Kanzleramt?» Meine jüngere Tochter, selbst längst aus der Schule heraus, zuckte mit den Schultern. Also standen wir beide nebeneinander und harrten der Dinge. Am Beginn hatten sich vielleicht 200 Schüler und grob geschätzte 50 Unterstützer versammelt. Großeltern, Eltern oder einfach nur Sympathisanten. «Omas gegen Rechts!» Hielten zwei Frauen ein Pappschild nach oben, «Sag mal haben die das Schild an einem Teppichklopfer fest gemacht?», fragte mich meine Tochter. Ich musste grinsen. «Das nennt man problemlösendes Denken!» Ein paar alte Hippies in ihrer ganzen Farbenpracht hatten sich auch dazu gesellt. So schräg sie auch aussahen, echte Chucks, eine teure NIKON Kamera, Schmuck aus Thailand und Tibet, verrieten den Wohlstand. Einer hielt das Schild «GLOBAL 2000 las ich mit 15.»
«GLOBAL 2000? Ist das schon so lange her?»
«Ja, bin schon ein wenig älter. 1981 oder `82, weiß nicht mehr so genau. Du stammst doch auch noch der Zeit, oder?»
Ich nickte. «Ja, da war mal etwas.»
«Und? Meinst Du, wir müssen uns schämen, weil wir es verbockt haben?»
Kopfschüttelnd antwortete ich: «Nein, Gorleben, Mutlangen, Castor, Wendland, viele von unserer Generation haben eine Menge versucht. Wenn überhaupt haben wir nicht aufgepasst und die Typen mit den Digitaluhren, Aktenkoffer und Lederkrawatte durchkommen lassen. Das war allerdings ein Fehler. Karriere war halt nicht unser Ding.»

Meine Tochter stellte fest: «Die brauchen dringend einen Tontechniker!» Tatsächlich war der Ton mies und die Redner kaum zu verstehen. «Ich habe nichts gegen Motherfucker, aber niemand fickt Mutter Erde!», drang dann doch noch von einem Oberschüler durch die gequälte Box. Grundschüler, Oberschüler aller Altersklassen, mittlerweile an die 600 bildeten einen Pulk.
«Ich hätte ja auch einen Spruch.», sagte ich zur Tochter.
«Und?»
«Wir schwänzen nur die Schule, ihr die Schule des Lebens!»
«Klingt ganz gut.»
«AKK es ist nie zu spät zum Lernen!», reckte eine vielleicht dezent über Sechzigjährige nach oben.
Schulschwänzer? Ich sah nur Demonstranten. Überzeugt und engagiert. Die Aussage kann sich ohne hin nur eine oder einer einfallen lassen, der nichts mehr in seinem verbitterten verkalkten Gehirn hinbekommt. Wer schwänzen will, lässt die anderen demonstrieren und rennt nicht bei 10 Grad mit einem Pappschild in der Gegend herum. Eigentlich bezeichnend, dass Menschen, die offensichtlich lieber schwänzten, statt zu demonstrierten, jetzt mit über Fünfzig auf engagierter Politiker machen.

Am Rande sah ich einen jungen Mann der Flyer für eine App verteilte. Irgendetwas, was man auf sein Smartphone laden kann. Also selbstverständlich nur auf ein IPhone.
«Findest Du das OK, den Scheiß hier zu verteilen?»
«Ja, klar es geht doch um Umwelt
«Kapitalismus hast Du nicht begriffen oder?» Mit einem bösen Blick wandte ich mich ab. Einfach der falsche Ort eine derartige Diskussion zu führen. Die Schmeißfliegen des Kapitalismus. Alles wird zu einem Gut. Selbst der Protest und die Demonstranten werden zu Kunden.
«Kommt alle, nächsten Freitag kommt Greta. Wir machen das solange, bis jemand mit uns redet.» Sie werden nicht kommen. Jedenfalls nicht auf die Straße, da können sie nur verlieren. Das Format der sechziger Jahre, wo sie sich stundenlange Wortgefechte mit den Studenten lieferten, haben sie heute nicht mehr.
«Blöder Personenkult!», sagte ich zum Typen neben mir.
«Na ja, wenn es hilft?»
«Schon, aber das macht angreifbar. Es geht um die Sache! Diese Affen werden sich darauf als erstes stürzen. Das kennen sie, einem Leitaffen hinterherrennen, machen sie schon ihr ganzes Leben, bis der auf einer Banane ausrutscht und sie den Leitaffen ablösen können. Na, wir werden sehen.»

Nach zwei Stunden der Abbruch und Rückweg zum Bahnhof. An der Ampel stehend rollte die Blechlawine vorbei. In jedem Auto nur eine Fahrerin oder ein Fahrer. Die Abgase standen neben dem Stau. Ich drehte mir eine Zigarette. «Ist Dir was aufgefallen? Da hättest Du keinen um eine fertige Zigarette bitten können. Die da waren erfüllten alle das Klischee des Selbstdrehers.»
Meine Tochter lachte. «Stimmt!»
Ich schaute wieder auf den Verkehr. Das wird nichts werden, es mag einen Versuch wert sein, aber sie sind zu blöd. Neben uns lief eine Gruppe Pubertierender dumm im «Kanack» miteinander redend an der roten Ampel auf.
Meine Tochter schaute sie skeptisch an. «Manchmal frage ich mich, ob es wirklich eine gute Idee ist, für das Überleben zu kämpfen.»

Bisweilen liegen wir nicht weit auseinander. Alles in allem eine nette Demonstration mit deutlich Potenzial nach oben. Zu leise, zu brav, zu zurückhaltend unter Beobachtung des Staats. Eine Frage an meinen alten Arbeitgeber. Ein BeDo – Trupp bei einer harmlosen Schülerdemo? Die Direktion Einsatz mit Patches wie ein Pfingsochse und lauter Gebamsel am Einsatzanzug und Weste? Zwei Funkwagen und das stinknormale Ehrenkleid mit Mütze hätten es auch getan und einen besseren Eindruck hinterlassen. Da demonstriert die Zukunft und wir prägen sie mit.

22 Juli 2017

Die Neue Rechte – unterschätzte Anzugträger?

Lesedauer 10 MinutenDer nachfolgende BLOG – Beitrag ist ziemlich lang u. für niemanden zu empfehlen, der ihn eben mal im “Vorbeisurfen” lesen will. Aber die Gedanken und Recherchen lagen mir am Herzen, da sie mich schon lange aufregen. 


Schon geraume Zeit stelle ich mir zwei Fragen. Erstens, wie könnte eine konkrete Entwicklung in ein von «rechtskonservativ» geprägtes Deutschland aussehen u. wie werden sie es anstellen? Letztlich handelt es sich um einen Angriff/Krieg gegen die bestehende Gesellschaft und das Zusammenleben.

SUN ZI – Die Kunst des Krieges

In der Einschätzung eines Krieges, ob man ihn gewinnen kann, fordert der berühmte General in seinem im 6. Jhd. vor Chr. entstandenen Werk “Die Kunst des Krieges”, die Prüfung von fünf Grundlagen und den späteren Vergleich mit sieben Elementen.

Zu prüfen ist seiner Aufforderung nach die moralische Führung, das Wetter, das Terrain, die Führung und die Disziplin.

Schon lange haben Taktiker verstanden, dass die Aussagen des chinesischen Generals Sun Zi auch auf jegliche andere Art von Konflikt übertragbar sind. Unter Moral versteht er die Loyalität des Volks zu den Herrschenden, dieses kann unmittelbar übertragen werden.Wetter kann als die allgemeine “politische Wetterlage” und die einzukalkulierenden politischen Problematiken, wie zum Beispiel eine Wirtschaftskrise betrachtet werden. Terrain ist der Kompetenzbereich, in dem sich der Gegner bewegt.

Unter Führung versteht Sun Zi die dazu gehörenden Qualitäten: Weisheit, Ehrlichkeit, Menschlichkeit, Mut und Strenge. Bei Disziplin betrachtet er die Strukturen der notwendigen Organisationseinheiten, die in den Krieg ziehen.

Diese Aussagen lassen sich auch von der anderen Seite her betrachten. Sind wir gegen einen Angriff gut aufgestellt oder findet ein Angreifer vielmehr perfekte Voraussetzungen für einen Angriff vor?

Sun Zi fordert dazu auf, den Feind zu ködern, Unordnung vorzutäuschen und ihn dann zu überwältigen. Außerdem soll eine Ferne vorgetäuscht werden, wenn man bereits nah ist. Der Hochmut des Feindes soll genährt werden und eine Unterlegenheit ist vorzutäuschen. Immer wenn der Feind vereint ist, muss er aufgespalten werden. Besonders wichtig ist Sun Zi, dass jegliche erfolgreiche Kriegsführung auf Täuschung beruht.

Ich will niemanden mit gesellschaftlichen Analysen langweilen, zumal ich kein Sozialwissenschaftler bin. Aber ich verstehe ein wenig etwas von Taktik, Täuschung, dem Otto – Normal – Bürger. So wie ich die Sache sehe, stehen die Türen weit offen. Propaganda, Manipulationen und Populismus sind nichts anderes als Täuschungsmanöver.

Angeblich ist die Bundesrepublik neuerdings linksseitig blind und die armen Rechten sind vollkommen harmlos. Das ständige appellieren an die niederen Gefühle der Bevölkerung, wie Angst vor einem angeblich übermächtigen Terror, geschürte Angst vor Islamisierung und Ressentiments gegenüber allem Fremden oder der angebliche Verlust einer Kultur, spaltet die Gesellschaft. Der wachsende Extremismus ist hierfür ein guter Indikator.

Die politischen Führer der etablierten Volksparteien versagen bei der Aufgabe die Bevölkerung mit realistischen Einschätzungen zu beruhigen und benehmen sich statt dessen, wie Hütehunde, die die Herde in Panik versetzen, um sie ins passende Gatter mit der Aufschrift CDU/CSU, SPD, LINKE oder GRÜN zu treiben. Unersättlicher Kapitalismus, ausgehend von Konzernen und Banken, tragen den Rest bei. Perfekte Bedingungen?

Der “Experte” Andreas Popp

Beim Surfen im Internet stieß ich auf die Person Andreas Popp. Ich hatte von Ihm bisher nichts gehört und sah mir unbedarft einen seiner Vortragsvideos an. Schon nach den ersten Sätzen schaltete ich erst einmal den Ton aus und betrachtete ihn mir als Person. Er erfüllte mit seiner Kleidung, seiner Frisur und seiner Gestik meine gesamten Sehgewohnheiten bezüglich eines windigen Finanzvertreters, der mir in einem Hotel sein tolles Konzept zur Vermehrung meines nicht vorhandenen Vermögens verkaufen möchte. Aber eines tat er nicht! Er wirkte nicht, wie einer der klassischen Verschwörungstheoretiker.

Nun schaltete ich den Ton wieder ein. Seinen Ausführungen entnahm ich, dass er irgendein PLAN B System entwickelt hatte, welches mich erst einmal sekundär interessierte. Unter dem LINK hat dankenswerterweise jemand die “Grütze” entlarvt. Scherzhaft wies Herr Popp darauf hin, dass er mal eine Waldorfschule besuchte. Seiner Aussage nach hatte er sich aus der Wirtschaft herausgezogen und widmete sich nun der Wissenschaft.

Damit suggerierte er schon mal zwei Dinge. Ich bin kein Urkonservativer, sondern ich bin auf der Waldorfschule gewesen. Ich komme aus der Wirtschaft! Deshalb bin ich in diesen Fragen kompetent. UND ich habe mich herausgezogen – ergo bin ich kein Kapitalist mehr – sondern Wissenschaftler, der Ihnen vollkommen uneigennützig etwas verkaufen will.

Anschließend informierte er die Zuhörer, dass er alt-griechisch beherrschen würde und deshalb im Gegensatz zu allen anderen wissen würde, wie das alte Griechenland funktionierte. Zentrales Thema war dann, das die Griechen immer nur von freien Dörfern gesprochen hätten, unter den Begriffen Volk und Untertan etwas ganz anderes verstanden hätten, als allgemein vermutet wird. Mal ganz abgesehen davon, dass der Mann da sehr eloquent einen ziemlichen Stuss von sich gab, notierte ich mir im Hinterkopf: “Dezentralisierung”, kleine Gruppen, die dann aber doch von einer Instanz gesteuert werden. Es muss einen Grund haben, dass er dieses ableitet.

Sehr kurz ließ er die Maske fallen und erklärte die Mehrheit für retardiert, die nicht in der Lage wären über sich selbst zu bestimmen. Als Beweis führte er die Gauß-Verteilung an, der nach seiner Auffassung die Verteilung der Intelligenz nur auf wenige abfällt, während die Mehrheit schlicht dumm ist. Natürlich beruhigte er sofort alle Zuhörer, die mit der Anwesenheit bei der Veranstaltung bewiesen hätten, dass sie zu den wenigen Intelligenten gehören würden. (Nur böswillige denken sofort an Herrenmenschen und ich bin böswillig!”)

Weiterhin ging er das Mehrparteiensystem an und forderte unterschwellig dazu auf, die Wahlen zu boykottieren, berief sich dabei aber perfider Weise immer wieder auf das Grundgesetz. All dieses tat er gar nicht ungeschickt, eine fundierte Verkäuferausbildung kann ich ihm nicht absprechen. Mein Interesse war geweckt.

Mir war klar, dass über diesen Typen eine Menge im Netz zu finden sein müsste. Den Eintrag bei PSIRAM hatte er sich wirklich redlich verdient und der Text dort, trifft es ganz gut. auch die Ausführungen im Forum sind nicht uninteressant. Auch bei Massengeschmack – TV fand ich einen sehr guten Beitrag:

Aber PSIRAM und Massengeschmack – TV übersehen meiner Auffassung nach etwas. Ich glaube nicht daran, dass es Herrn POPP nur um die Erweiterung seines Vermögens geht. Dazu ist mir sein Engagement und seine Methode zu gut aufgestellt und umfangreich.

In einem Beitrag spricht Herr Popp mit dem zur deutschen rechtskonservativen Szene assoziierten Unternehmer Michael Friedrich Vogt über die angeblichen Zusammenhänge der EU und dem Dritten Reich. Auch hier lohnt es sich den Ton auszuschalten. Professionell gefilmt sitzen die beiden voreinander, als wenn sie das seriöseste Bildungsprogramm repräsentieren würden. Als Hintergrund wurde ein Aufsteller gewählt, auf dem sich nahezu alle Reizthemen der Szene wieder finden.

2017-07-20

In diesem Gespräch laufen die beiden zur Hochform auf. Ich beschränke mich hier auf eine zusammenfassende Hintergrundanalyse.

Das “Schwert” des Gegners wird ergriffen und umgedreht. Nicht sie sind die Gefahr für die Demokratie, sondern die anderen, die sich nicht richtig mit dem Dritten Reich auseinandersetzen, die Parteien und die Leute, die Emanzipation, andere Werte und kulturelle Öffnung fordern. Und beide befinden sich immer auf dem Boden des Grundgesetzes. De facto versuchen sie das Grundgesetz gegen sich selbst zu wenden.

Das Dritte Reich wird als die perfide dunkle Zeit der deutschen Geschichte beschrieben, mit anderen Worten, den Zuhörer wird eine komfortable Autobahn gebaut, sich dem Rest der Ausführungen zu öffnen. Was folgt ist ein böser Schachzug. Es gab ja auch noch eine Zeit vor dem Dritten Reich. Die beiden führen aus, dass diese Zeit von einem gesunden Geschichts- u. Kulturverständnis der Germanen geprägt war. Besonders gehen sie auf das Blutgericht von Verden ein, bei dem von Karl dem Großen eine unbekannte Anzahl von Sachsen hingerichtet wurde. Ein Geschichtsereignis, welches tatsächlich von den Nazis für Propaganda benutzt wurde, in dem sie die Rolle von Karl relativierten um die Osterweiterung begründen zu können. Immer noch befindet sich der Zuhörer auf der sicheren Autobahn.

Irgendwann schimmert aber die Verherrlichung des “Germanischen” durch. Den beiden geht es nicht um eine Analyse des Dritten Reiches. Ihre Grundaussage ist: Die rechten Strömungen in der Weimarer Republik, inclusive des “Germanenkults”, “Naturbewegung”, “Esoterik” und Familienbild waren schon in Ordnung, die rechte Sache suchte sich nur den falschen Anführer und wurde von diesem in den Abgrund geführt. Also noch einmal alles auf Null, zurück zu den Anfängen und ein Neustart, diesmal aber mit dem Wissen, wie man es nicht machen sollte. Also sprechen da definitiv keine Neo – Nazis miteinander, sondern zwei Männer die eher den Verdacht erregen mit der DAP und dem Thule – Bund zu sympathisieren.

Eine illustere Versammlung 

Einmal auf dieser Spur, fügen sich viele andere Beiträge von Herrn Popp zusammen. Ob es nun vermeintliche Experten sind, die von ihm zitiert werden, der Hang zu randwissenschaftlichen Expeditionen und vieles mehr.

Also weiter recherchieren! Schnell traf ich auf die Autorin, gelernte Hotelkauffrau/Journalist Eva Bischoff, besser unter ihrem Künstlernamen Eva Herman bekannt, welche sich mit Aufsätzen auf der Webseite des Herrn Popp www.wissensmanufaktur.net tummelt. Sehr aggressiv, reißerisch und populistisch äußert sie sich in diesen Aufsätzen zu Themen wie Flüchtlinge und Familie.

Aber die Zusammenarbeit der beiden geht weiter. Sie haben gemeinsam ein Buchprojekt unter dem Namen “TABUBRUCH. Lasst uns einfach mal über den Tod sprechen”, veröffentlicht. Wo? Natürlich im hinreichend in der Szene bekannten Buchverlags des ehemaligen Polizisten Jochen Kopp.

Beide scheinen auch privat eine Partnerschaft eingegangen zu sein. Zusammen bewohnen sie, wenn sie nicht gerade in Kanada sind, ein Haus im noblen Treppenviertel in Hamburg. Ist es da verwunderlich, dass Frau Herman in ihrem Prozess wegen Steuerhinterziehung auf ihren Offenbahrungseid verwies, demnach sie für sich und ihren Sohn lediglich 1055 EUR monatlich zur Verfügung hat? Schuld an der Misere soll ihr Ex – Mann sein, wie gut, wenn der neue Lebenspartner vermögend ist und auf Veranstaltungen zum Steuerboykott aufruft.

In laienhafter Art und Weise wird das Thema buddhistisch angegangen. War da nicht etwas? Das ehemalige NSDAP und Hitler – Verherrlicher Dietrich Bronder behauptete 1964 in seinem Buch, dass die Nazis eine Tibet Expedition unternahmen um mit den Lamas Kontakt aufzunehmen, wobei er intensiv auf den THULE – Bund hinweist. (Nebenbei war der Mann laut einiger Internetseiten auch 18 Jahre lang Bundessekretär vom “Bund Freireligiöser Gemeinden Deutschlands”) Beide Popp und Herman betonen immer wieder die Möglichkeit einer Inkarnation (Anmerkung: Ich kann nur hoffen in der richtigen Form!”)

Hiernach habe ich mir die restlichen mitwirkenden Personen auf der Popp – Seite angesehen. Eine spannende Mischung von potenten Verschwörungstheoretikern. Ich musste nicht lange suchen:

Zu Michael Vogt steht bei Wikipedia:

Er gehört dem „Medienbeirat“ des Zusammenschlusses „Wissensmanufaktur“ an, der sich als „unabhängiges Institut für Wirtschaftsforschung und Gesellschaftspolitik“ beschreibt und bekundet, auch solches zu publizieren, was nicht der „political correctness“ entspreche. Hier kooperierte Vogt unter anderem mit dem frühen Unterstützer der AfD und Berater des BZÖ, dem Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider,[18] der antifeministischen Sachbuchautorin und ehemaligen Fernsehsprecherin Eva Herman,[19] dem Meteorologen und Leugner des Treibhauseffekts Wolfgang Thüne, dem hochrangigen, auch in rechtsextremen Periodica publizierenden Wirtschaftsfunktionär Wilhelm Hankel, dem Generalmajor a.D. und Geschichtsrevisionisten Gerd Schultze-Rhonhof und dem sich auf Gottfried Feder berufenden „Wirtschaftsfachmann“ Andreas Popp.

Seite „Michael Vogt“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 18. Juli 2017, 17:48 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Michael_Vogt&oldid=167376455 (Abgerufen:20. Juli 2017, 23:31 UTC
)

Wer den Namen und den Organisationen auf die Spur geht, landet im Wirrwar des allgemein als “Neue Rechte” bezeichneten Netzwerks, welches sich unter anderen bei den Montagsdemonstrationen auf dem Potsdamer Platz in Berlin versammelte. Hierzu äußerte vor drei Jahren der von der ZEIT als Experte bezeichnete

“Das ist im Prinzip nichts Neues”, sagt der Rechtspopulismus-Experte Alexander Häusler. Er sieht in der Zinskritik und dem Antiamerikanismus der Protestler typische rechte Verschwörungstheorien. Für eine Neue Rechte oder gar eine Bedrohung hält er die Bewegung jedoch nicht – dafür sei sie zu heterogen. “Das ist keine in sich konsistente Bewegung.”

Quelle: Die ZEIT, 22. April 2014 Die ganz eigene Welt der Montagsdemonstrationen

Alles vollkommen harmlos?

Ich bin kein Sozialwissenschaftler, dennoch kann ich mich dieser Beurteilung überhaupt nicht anschließen. Für den Otto – Normal – Verbraucher sind in der allgemeinen Diskussion die “gefährlichen Rechten” Rechtsextremisten der NSU, Skinheads, Nationale Front, Neonazis und ähnliche Vertreter. Meiner Meinung nach sind das nur die “Blöden”, im übertragenen Sinne die ausführenden dumpfen Schläger, die einst von der SA gestellt wurden.

Schaue ich mir die Ideen und Zusammenschlüsse der hier genannten Personen, ihre finanziellen Möglichkeiten, Titel und Reputationen an, kann einem vor dem Hintergrund der anfangs genannten Ausführungen eines Sun Zi die Angst in die Knochen fahren.  Wie mehrfach geschrieben, machte ich bei den Beiträgen mehrfach den Ton aus. Dabei habe ich auch die Leute im Plenum geachtet. Darunter befanden sich mehrheitlich Menschen, die dem Habitus nach niemals auf die Idee kommen würden, in wessen Fänge sie da hinein geraten.

Die Bewegung ist nicht konsistent?

Das war die völkisch – antisemitische Bewegung anfangs auch nicht. Antisemitisch ist auch ein alter Hut, den niemand mehr aus dem gehobenen rechten Genre benötigt. Der wurde längst gegen Anti – Islam u. umfassende Weltverschwörungstheorien ausgetauscht. (Herr Popp erwähnt gern in Nebensätzen Chemtrails!)

Es ist wieder zulässig Superlative zu benutzen, politische Zusammenhänge mit naturwissenschaftlichen Begriffen zu belegen und das Völkische in den Vordergrund zu schieben. Rhetorische Reden dieser Leute muten an, als wenn sie posthum von Goebbels geschrieben worden wären. Dies ist alles sehr besorgniserregend.

In informierten Kreisen (diese Aussage masse ich mir mal an) hinreichend bekannt, dass die rechte Szene von versierten Juristen beraten wird. Hierzu werden Seminare in unterschiedlichen Institutionen abgehalten. Dort wird dem “Mob” vermittelt, wie er sich gegenüber der Polizei zu verhalten hat, welche Sprüche skandiert werden dürfen usw. (Es ist zum Beispiel verboten “Blut und Ehre” zu skandieren, während “Ruhm und Ehre der Waffen – SS, erlaubt ist.)

All diese Dinge weisen die von mir hier erwähnten Personen selbstverständlich weit von sich. Und wie ich darlegte: Vollkommen zu recht! Denn das war ja der “Dunkle perfide Teil der Deutschen Geschichte”, von dem sich alle distanzieren. Ihr Plan besteht ja darin, nochmals auf dem ehemals vorhandenen deutschen Kulturboden anzusiedeln. Germanen und Sachsen, die frei und ungezwungen Gott in der freien Natur huldigen. Deutschland aufgeteilt in viele kleine Freistaaten, dessen elitäre Führer einer intellektuellen Clique zuarbeiten, denn dieses hat Herr Popp preis gegeben: Nur wenige sind intelligent genug! Der immer wieder verwendete Begriff “Republik” erweckt auch kein Misstrauen, immerhin leben wir in der Bundesrepublik. Nur ist eine Republik zunächst einmal nur eine Regierungsform ohne Monarch.

So könnte also die Republik der “Neuen Rechten” aussehen. Eine elitäre vermeintlich Intellektuelle Oberschicht regiert über die breite dumme Masse in einer wie auch immer aussehenden Republik ohne Parteien. Da ist jede Menge Platz für Spekulationen. Auf jeden Fall würde ich mir als besorgter Wut – Bürger, bei der Teilnahme an einer in diese Richtung ausgerichteten Veranstaltung, gut überlegen, für was mich der Redner am Mikrofon hält. Unter Umständen denkt er an einen Dummbatz, der es nicht besser verdient hat. Nachdenken würde ich über das Menschenbild dieser Typen machen. Ich wünschte, der eine oder andere Zuhörer würde sich überlegen, warum die Weimarer Republik scheiterte und wo wir landeten. Es ist nicht nur die Verfassung von Weimar verantwortlich, sondern auch der Zeitgeist der damals in Teilen der Bevölkerung herrschte.

Als sich die Leute damals feststellten, dass es offensichtlich eine Interpretationsfrage ist, wer denn intelligent ist, was dem Volke nutzt und der Vernunft entspricht, war es zu spät und die Bücher brannten. Bei den Recherchen zu Herrn Popp und seinen Gesinnungsgenossen, stieß ich immer wieder darauf, dass sie sich auf die Philosophie des Humanisten und Aufklärers Immanuel Kant beriefen. Das klingt immer gut! Jemand, der sich als Humanist bezeichnet, kann nicht verkehrt sein. Doch Kant ist auch nicht die Antwort auf alle Fragen u. ich erahne, dass Leute wie Herr Popp ihn nur sehr rudimentär kennen.

Nietzsche bezweifelte in seiner Erkenntnistheorie und im Perspektivismus die Existenz einer absoluten Wahrheit, sowie das ewige Bestehen einer menschlichen Erkenntnis oder Moral. Selbst Kant war stets klar, dass die Sache mit der Aufklärung nicht so einfach ist. Ein Redner, der sich ausschließlich auf Kant beruft, erzeugt bei mir immer Skepsis.

Betrüger im kriminellen Milieu arbeiten mit Symbolen, die dem Opfer Kompetenz und Wohlstand suggerieren wollen. Im vorliegenden Fall wird mit scheinbaren umfassenden historischen Wissen, angeblicher alt – humanistischer Ausbildung und wirtschaftlicher Kompetenz gearbeitet.

Einer der zahlreichen begeisterten Kommentatoren der Poppschen Auftritte hielt der Kritik eines Skeptikers entgegen, dass es doch vollkommen uninteressant wäre, wie er sein Geld verdienen würde. Ist das so? Ich denke eher nicht. Zumindest nicht dann, wenn ein wirtschaftlich “interessant” agierender Millionär Leuten erklären will, wie Deutschland zu verändern ist. Herzhaft musste ich lachen, als ausgerechnet er zum Steuerboykott aufrie.

Verwunderlich ist auch nicht, dass nahezu alle genannten Personen im Dunstkreis der AfD auftauchen, die sich gern als lupenreine Demokraten verkaufen.