Halbzeit

Mein Jahrgang ist der erste nach der Baby – Boomer Generation. Wir sind die letzten, die noch Urgroßeltern kennen lernen konnten, die noch einen Deutschen Kaiser erlebt hatten. Wir hatten Großeltern, die noch aktiv den II. Weltkrieg miterlebten. Erzogen wurden wir von Eltern, die in Ihrer eigenen Kindheit die Entbehrungen einer Nachkriegsgeneration kennen lernten.
Als West-Berliner lernte ich die Mauer als festen Bestandteil kennen. Sie war einfach da und würde vermutlich auch nie verschwinden. Der Kalte Krieg war der Begleiter unserer Jugend, er prägte unser politisches Denken. Die APO war uns noch gegenwärtig, an dem Thema Politik ist man de facto nicht vorbei gekommen. Ich erinnere mich noch an Startbahn – West, Anti – Atomkraft, Stoppt – Strauß, Hausbesetzer Szene, Brockdorf, Freies Wendland, Lenné – Dreieck … Straßenkampf, Demonstrationen, Mauerfall und viele weitere Ereignisse. Meine Herkunft und Ausbildung würde man heute eher als links bezeichnen obwohl ich einen eher konservativen Beruf am Ende der 80ziger ergriffen habe.
Ich erinnere mich noch sehr gut an das Jahr 1980. In der Nacht vom 24. zum 25. April saßen wir in einer Spandauer Kneipe und nahmen mit Schrecken die Nachricht auf, dass die Amerikaner die Botschaft in Teheran stürmen wollten. Wir hatten Panik, dass ein Flächenbrand ausbrechen würde.
Die 80ziger waren eine verrückte Zeit. Waren die 70ziger Jahre die erste Drogengeneration, waren wir die ersten, die Drogen konsequent mit Spaß verbanden. Gleichzeitig waren wir auch immer ein wenig depressiv oder wie es die ÄRZTE mal zum Ausdruck brachten: “… dann hörten wir die Smith.” Aber wir waren auch NENA und SPLIFF. Wir waren die ersten mit MP3, Internet, Mobiltelefon und jede Menge Fernsehkanälen.
1989 standen wir auf der Mauer und nicht alle waren ausgelassen. Noch hatten wir die Geschichten unserer Eltern vom 17. Juni und vom Prager Frühling im Kopf.
Nun kommen wir in ein Alter, in dem sich die Menschen befanden, gegen die wir damals demonstrierten. Wir sind angekommen, angekommen in einem Alter, in dem man von uns Vorbildverhalten und die politische Umsetzung unserer Erfahrungen erwartet. Die Politiker unserer Jugend waren damals um die 60zig Jahre alt.
Und in welcher Zeit befinden wir uns heute? Radikale erobern wieder die Straße, die Polarisierung unserer Gesellschaft ist nicht mehr zu übersehen. Die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter aus einander. Vieles von dem, was wir in den 80zigern und 90zigern befürchtet haben, ist eingetreten. Wir befinden uns an der Schwelle eines neuen Kalten Krieges oder vielleicht bereits mitten drin.
Wir, die mit Propaganda seitens der Großmächte herangewachsen sind, erweisen uns als unfähig, diese zu durchschauen. Wir lassen zu, dass wir mit Nebenkriegsschauplätzen von den wahren Problemen abgelenkt werden
. Wir sollten es besser wissen! Wir haben unseren Kindern beigebracht, dass es wichtig ist einen Beruf zu haben, erfolgreich im Leben zu sein.
2016 werden viele um mich herum 50zig Jahre alt/jung. Dank eines Herrn Zuckerberg können wir uns immer noch über unsere Meinungen austauschen, auch wenn wir uns im eigentlichen Leben nicht mehr sehen. Das linke Bild ist neu und das rechte Bild stammt aus unserer dunklen Vergangenheit. Wann lernen wir hinzu?
Am nachdenklichsten hat mich die Aussage eines ehemaligen Schulkameraden gemacht: Wenn man Jung ist, ist man links. Wird man älter, wird man erfahrener, wird man rechts. Das Plakat links stammt von der NSDAP, das rechte Bild stammt von einer Internetseite, die sich Poltical Incorrect, die Parallelen in der Darstellung sind erschreckend.
Die Islamisierung Europas muss gestoppt werden. 1989 hätte ich diese Aussage aus meinem damaligen Freundeskreis heraus für unmöglich gehalten.
Kaum einer wird diesen Text hier lesen. Ich denke, ich schreibe ihn mehr für mich im Angesicht eines kommenden Geburtstags. Es ist an der Zeit wieder mehr Verantwortung zu übernehmen und sich wieder einzumischen. Den Anfang machen die hier veröffentlichten Texte, mal sehen wo die Reise hin führt.