8 Oktober 2018

Moskau – Ulanbataar

Lesedauer 6 Minuten

Die kurze Version: Ratatatata, Klonk, Rumms. Birke, Birke, noch eine Birke, Picture Point, verdammt … ein Gegenzug kommt, weg ist das Bild. Baikalsee, Tundra, Taiga, sieht ein wenig aus wie die Lüneburger Heide, nur halt ein paar tausend Quadratkilometer größer. Quatsch, Quatsch, Quatsch, einige Menschen kennengelernt … der Einstieg, ist nicht mehr der, welcher er einst war … Ende. Transsibirische Eisenbahn nach fünf Tagen Zugfahrt abgehakt.


Das wäre dann ein wenig zu einfach. Mann könnte auch der Eisenbahngesellschaft einen bösen Brief schreiben, in dem man aus der Sicht eines Touristen die zum Schutz der Trasse angepflanzten Bäume kritisiert, da sie einem am Fotografieren hindern. Auch könnte man den Zugplan so ausrichten, dass alle Highlights der Fahrt in die Tageszeit fallen … aber ich glaube, dies würden sie nicht verstehen. Transsibirische Eisenbahn. Für einen Europäer geht es dabei um mehr, als aus dem Fenster glotzen, Landschaft sehen und einige alte Bahnhöfe anschauen.

Spätestens die betuchten Rentner, welche sich in den Luxuszug setzen, können auch nicht mehr von Eisenbahnromantik sprechen. Fernzüge sind für viele Asiaten eine normale Sache. Es liegt nun einmal alles ein wenig weiter auseinander. Da wäre der erste Punkt. Weite! Ferne! Aus dem Zug heraus ist vielfach bei der vorbeiziehenden Vegetation zwischen der Lüneburger Heide und der Taiga kein Unterschied festzustellen. Aber der Betrachter erahnt, welche Größendimensionen sich vor ihm erstrecken. Ich gestehe, optisch fand ich die Fahrt mit dem Glacier – Express in der Schweiz beeindruckender, zumindest gleichwertig.

Schweiz

Die Ferne macht es aus. Die Bahnfahrt gibt einem viel Zeit für das Ankommen in Asien. An der Strecke verändert sich nicht ausschließlich nach und nach die Landschaft, sondern auch die Häuser, einfachen Holzbauten, die Ruinen alter Zeiten, bei denen man gar nicht so genau wissen will, aus welcher Epoche Russlands sie stammen. Ich weiß nicht, ob ich Glück oder Pech bei meiner Fahrt mit der Transsib hatte. Mein Vierbett – Abteil war mir selbst überlassen, ich empfing sozusagen andere Reisende, die mit mir ein wenig quatschen wollten. Auch das war einprägsam. 3,5 qm Abteil, ein Tisch, vier harte Pritschen, dumpfe abgepolsterte Klänge, der Geruch, schmuddelige Kopfkissen, alte Decken zum Einziehen in die gebleichten Laken und der Teppichläufer mit dem chinesischen Muster am Boden. Dabei ständig den vorbeiziehenden Geruch der frisch gekochten Suppen der chinesischen Schaffner, die Karbol – Unternote, vermischt mit der verbrennenden Kohle für die Heizung, in der Nase. Das Ruckeln und Krachen erinnert einem jede Minute daran, dass man eben nicht in einem Hochgeschwindigkeitszug sitzt, sondern im Zug No. 4, der mit 80 km/h beinahe gemächlich die tausenden Kilometer abrollt.

4- Bett Abteil im Zug No. 4

Hätte ich Zwischenstationen einbauen sollen? Nein! Dies hätte dem Schauspiel «Transsibirische Eisenbahn» einen vollkommen anderen Charakter gegeben. Bahnfahren in Russland – von Moskau bis in die Mongolei, wäre dann die richtige Bezeichnung gewesen. So waren es fünf Tage in einem Zug, der mich in die Zeit der Reichsbahnzüge Berlin –  Paris zurückversetzte. Dazu passte das Finale an der russisch – mongolischen Grenze, inszeniert von grimmig blickenden Kontrolleurinnen vom Zoll und der Grenztruppen.
Da waren sie wieder, die üblichen Spielereien. Aufstehen, Heraustreten aus dem Abteil, Abklopfen der Zwischenwände, Herumturnen auf den oberen Pritschen … jemand hätte ihnen sagen sollen, dass das Gesuchte von den chinesischen Schaffnern transportiert wurde und die kennen ihren Zug.

Die meisten der internationalen Reisenden beschränkten sich auf die Zugfahrt und flogen von Peking aus wieder in die Heimat. Die Gespräche im Speisewagen förderten wieder die tollsten Dinge hervor. Wie sah die Vorbereitung eines Briten aus, der in die Mongolei will, wenn er von Dschingis Khan noch niemals etwas gehört hat? Warum weist einen eine siebzigjährige Frau mit kanadischer – polnischer Staatsbürgerschaft ständig auf die angebliche jüdische Finanzverschwörung hin? Warum ist eine junge Deutsche vollkommen entnervt, wenn sie zwei Deutsche in einem Zug entdeckt, die wahrlich nicht dem Stereotyp des klassischen Touristen entsprechen? Was ist in den Amerikanern vorgegangen, die sich beim Beginn der Fahrt ins Abteil einschlossen und es nur zum Toilettenbesuch verließen? Warum diskutieren Briten und Kanadier über die Sieben Weltwunder der Antike und lachen, wenn einer behauptet der Koloss von Rhodos und der Leuchtturm in Alexandria würden dazu gehören. Doch das Allgemeinbildung, meinerseits überbewertet wird, war mir schon vorm Trip bewusst. Die Fahrt mit der Transsib war ohne jeglichen Zweifel ein Erlebnis. Im Zusammenhang mit der gesamten Reise ergibt sie einen Sinn. Doch ich glaube, ausschließlich die Bahnfahrt, hätte mich nicht überzeugt.

Andere mit den ich sprach, erzählten ähnliches, wie ich es bereits einmal zum Thema Zugfahren beschrieben habe. => Zugreisen  Langsam mit der Transsib anzureisen macht aber auch schlicht Spaß. Die Option dieser Anreise nach Thailand, meistens dann noch über China, wählen scheinbar eine Menge Holländer, Belgier und eben die Deutschen. 

Reizvoll waren die kleinen Besonderheiten. Zu nennen ist z.B. die Heizungsanlage, an der der berühmte Samowar hängt. Emsig sind die chinesischen Zugbegleiter mit dem Befüllen des Ofens beschäftigt. Zum Heizen verwenden sie Kohle, die auf den Bahnhöfen ständig von wilden Gestalten angeliefert wird. Jeder Umweltschützer, der statt der Industrie, mehr die Privathaushalte im Visier hat, dürfte bei diesem Anblick einen Nervenzusammenbruch erleiden. Wie erwähnt, werden Teile des erhitzten Wassers in den Samowar geleitet, sodass die Reisenden stetig über erhitztes Wasser verfügen können. Neben dem eigentlichen Ofen befindet sich noch ein kleinerer, der als Kochstelle für die Schaffner dient. Den nutzen sie leider ausgiebig. Sie erzeugen damit einen Appetit, der im Speisewagen nicht gestillt wird.

Sollte es mir jemand nach tun: Die Soljanka ist fantastisch … der Rest genau das Gegenteil. Da bleibt nur die Verpflegung bei den fliegenden Händlern auf den Bahnsteigen. Für die wirklich guten Sachen muss man ein Auge haben. Ältere Frauen mit Beuteln sind verdächtig. Die haben fast immer Würste aus eigener Produktion in der Tasche. Was kann ich als Tipps mit auf die Reise geben? Deck Dich mit Tütensuppen, Instant – Kaffee (was anderes gibt es im Speisewagen ohnehin nicht, nur ist der Preis im Verhältnis – Tasse 2 Dollar – vollkommen unverhältnismäßig.) und Tee – Beuteln ein. Ich kaufte mir für umgerechnet 12 EURO eine Prepaid – Karte, die sich mit 30 GB absolut rentierte. Ebenso haben sich mein Schlafsack und meine ISO – Matte bewährt. Ohne beides sollte man ohnehin niemals auf Tour gehen. Rauchen ist, wenn man sich daran hält, im Zug untersagt. Wenn man nicht sofort mit der Tür ins Haus fällt, kann man im Zwischenbereich der Waggons rauchen. Hier befinden sich auch Aschenbecher. Es riecht ohnehin nach abgerannter Kohle und die Schaffner rauchen dort ebenfalls. Tür ist ein gutes Stichwort. Die Erste führt in den Bereich des Ausstiegs. Zwei weitere massive schotten den Transferbereich über der Zugkopplung ab.

Baikalsee

Beim Durchlaufen des Zugs müssen also immer vier schwere Türen geöffnet und geschlossen werden. Das ist gar nicht einfach, vor allem schließen einige nur schwer.
Richtiges Feeling in Sachen Sibirien kommt eigentlich erst ab Irkutsk auf. Wenn jemand aussteigen will, dann dort am Baikalsee. Immerhin handelt es sich um den  tiefsten und wasserreichsten See der Welt. 

In einem wichtigen Punkt muss ich Zusammenhang mit den Tipps die Toiletten erwähnen. Die Dinger riechen, das lässt sich nicht vermeiden. Aber sie sind ausgesprochen sauber, weil das Zugpersonal regelmäßig wischt. Überall las ich vorher, es würde kein Toilettenpapier geben … stimmt nicht. Jedenfalls nicht im chinesischen Zug. Wenn es denn doch klemmen sollte, liegt es an den Begleitern. Da die aber immer genau für einen Waggon zuständig sind, sollte man einfach mal den nächsten ausprobieren.

Ein paar kleinere Ereignisse hebe ich mir noch auf. Zum Beispiel: Was passiert, wenn ein Schwabe auf einen Berliner in der Transsibirischen Eisenbahn trifft? Wird der Berliner sein Leben überdenken und einige Versicherungen abschließen oder  wird der Schwabe beschwipst vom Schaffner geschmuggelten Bier sein Leben ändern wollen?

Aktuell sitze ich in einem Guesthouse in Ulanbataar. Es ist sehr zum empfehlen, aber auch ein wenig prüde. Ab 23:30 Uhr tritt die allgemeine Ruhe ein. Dem zur Folge ich um 06:00 Uhr mit kugelrunden Augen die Tasten quäle. Außerdem gilt es ein Problem zu lösen. Wo kann ich in Ulanbataar Zigaretten kaufen. Entweder im Netz finden sich Jubelrufe über den geringen Preis oder die Calvinisten der Moderne erheben den Zeigefinger: Die Inkarnation des Bösen existiert auch in der Mongolei – die Zigarette. Aber keiner schreibt, wo ich welche bekomme. In einer Bar fragte ich nach einem passenden Geschäft und bekam prompt irgendwelche illegalen Packungen aus dem Hinterzimmer angeboten.

Nun, ich werde berichten …

23 August 2018

Zeit für eine Entscheidung …

Lesedauer 4 Minuten

Idioten waren in der Antike einst die Bürger, welche sich am politischen Geschehen nicht beteiligten. OK! Aber es gibt auch noch die Situation einer Demokratie, in der die Mehrheit entscheidet, wo es hingehen soll. Leider gehöre ich dieser Mehrheit nicht an. Ich habe beschlossen dies sportlich zu nehmen. Wenn man verloren hat, muss man dies auch mal hinnehmen.

Die Gesellschaft, für die ich einst arbeite oder besser ausgedrückt: der ich mal diente, und ich, finden nicht mehr so richtig zusammen. Das ist weniger dramatisch, als es sich anhören mag. Ich glaubte ohnehin niemals an eine homogene Gesellschaft. Mir gehts hauptsächlich um das deutsche Bürgertum. Ich habe mich hier in meinem BLOG dazu mehrfach geäußert. Ob es nun die Nachwehen nach dem Terroranschlag am Breitscheidplatz, die sinnbefreite Aufregung über “feiernde Polizisten” beim G20 war oder aktuell um die Geschehnisse beim Rocker Prozess. Alles was sich in diesem Zusammenhang abspielt ist in meinen Augen vollkommener Unfug.

Mir persönlich gehen auch all die windigen Diskussionen über Polizeigewalt mächtig auf den Zünder. In nahezu allen Ländern um uns herum, läuft das Spiel ein wenig anders. Bist Du freundlich zur Polizei, sind die auch freundlich zu Dir. Geht man volle Kanne auf contra, machen die das auch. Ende! Ich bin demnächst ein wenig unterwegs und werde mich tunlichst daran halten. Ich glaube Russen, Chinesen, Laoten, Vietnamesen, Thailänder haben wenig Verständnis für pöbelnde Backpacker.

Irgendwann muss man dann auch mal sagen: Wenn ihr es besser könnt … Bitte! Gestern sagte eine Frau recht unfreundlich zu mir, dass ich mir dies schließlich selbst ausgesucht hätte. Seufz, wie oft bekommt man dies als Polizist gesagt? Letztlich wird dieser Spruch nur noch von: Kümmern sie sich doch mal um die richtigen Verbrecher, überholt. Ausgesprochen wird er meistens von den Leuten, deren eigener Beitrag zur Gesellschaft auf das Zahlen von Steuern beschränkt ist. Da hat man leicht reden.

Wir sagten im Dienst immer: Hilft ja nichts, irgendeiner muss den Job machen. Egal!

Der römische Philosoph SENECA hat sich vor knappen 2000 Jahren ziemlich kompromisslos mit der Lebenszeit auseinandergesetzt. Ich kann jedem wärmstens empfehlen, sich den Text “Zur Kürze der Lebenszeit”  durchzulesen oder anzuhören. Für ihn gehört die Vergangenheit bereits dem Tod und jeden Tag sterben wir ein wenig mehr. Lebenszeit ist das kostbarste Gut unseres Lebens. Jede Stunde des Ärgers, verplemperte Zeit mit Sorgen und Angst, entspricht einem Tausender, den man einfach anzündet. Puff! Weg! Ich bedauere ein wenig, den Text nicht viel früher im Leben geĺesen zu haben. Aber vielleicht musste ich erst einmal dahin kommen, ihn zu lesen. SENECA beschreibt letztlich am Geschehen des römischen Lebens alles, was wir heute auch erleben. Wir kümmern uns um alles nur Erdenkliche, aber nicht um uns selbst. 

Von den Geheimnissen des Flusses aber sah er heute nur eines, das ergriff seine Seele. Er sah: Dies Wasser lief und lief, immerzu lief es, und war doch immer da, war immer und allezeit dasselbe und doch jeden Augenblick neu! Oh, wer dies fasste, dies verstünde! Er verstand und fasste es nicht, fühlte nur Ahnung in sich regen.

Hermann Hesse, Siddhartha, Büchergilde Zürich, 1922, S. 121
Mekong, Ufer Luan Prabang, 2013

Für mich persönlich ist es an der Zeit dies zu tun. Ich lege mir selbst auf, mich von Nachrichten und Politik fern zu halten. Ich bin gern auf TWITTER unterwegs, weil ich dort eine ganze Menge über Menschen dazu lerne, dort wird sich die Aufnahme von Nachrichten nicht vermeiden lassen. Aber Überfliegen hat nichts mit damit Auseinandersetzen zu tun. Wichtig erscheint mir eigentlich nur noch, wenn die Fenster geschlossen bleiben sollen, weil es irgendwo brennt, aber das werde ich auch anders mitbekommen.

Ich habe im letzten Jahr den Nachrichten keine Entwicklung wahrnehmen können, die mich wirklich überrascht hätte. Alles reiht sich einer nachvollziehbaren Logik folgend aneinander. Das sollte eigentlich nicht der Fall sein. Insofern könnte man ab und wann mal stutzig werden, aber es ist recht sinnlos und unwichtig darüber nachzudenken. Der nächste Terroranschlag wird kommen. Die Schubladen gehen wieder auf und die bereits heute geschmiedeten Pläne werden umgesetzt. Die Doofen von der AfD werden weiter ihr bizarres Unterhaltungsprogramm abliefern. Die großen Staaten werden weiterhin die Erde auffressen. Wieder werden Polizisten, Feuerwehrleute, Leute in sozialen Berufen den Kopf hinhalten. Die NERDS werden sich mal wieder etwas Neues einfallen lassen, was den Menschen noch mehr von seiner Ursprünglichkeit entfremdet. Dies und noch noch einiges mehr ist absehbar und damit langweilig. 

Buddha Tempel, Luan Prabang

Auf der vor mir liegenden Reise haben nahezu alle Staaten, bis auf Russland, eine uralte buddhistische Tradition. Womit deutlich wäre, warum ich diese Reiseroute gewählt habe. Bewusst umgehe ich den tibetischen Buddhismus, da ich diesen ablehne. Vielleicht schreibe ich unterwegs mal etwas dazu. Nur so viel: Geister, Naturreligionen und diese ganzen Sekten in Tibet sind mir unheimlich.  Ich glaube ich schrieb es schon einmal in einem Beitrag. Meiner Auffassung nach, erschließt sich ein echtes Verständnis des Buddhismus nicht, wenn man als wohlbehüteter Europäer lächelnd auf einem Meditationskissen sitzt. Je mehr Gewalt man im Leben gesehen hat, Elend, Verwahrlosung, selbst gewalttätig war, um so einfacher versteht man, worum es in dieser Philosophie geht. Nicht umsonst war der legendäre Prinz selbst ganz gut unterwegs und einer der ersten Herrscher, die den Buddhismus einführten war König Ashoka. Bis er Buddhist wurde, war er ein übler Eroberer, der das komplette heutige Indien unterwarf.  

Ich hoffe, auf der Fahrt endlich ein ehrgeiziges Projekt zu Ende zu bringen. Vor einem Jahrzehnt fand das Buch “Die Lehre des Buddho – die Religion der Vernunft und der Meditation” von Georg Grimm zu mir. Die 415 Seiten haben es Satz für Satz in sich, vor allem wenn man sich auch noch mit den zitierten Texten aus dem Pali – Kanon beschäftigt. 

Die Überschrift lautete: Zeit für eine Entscheidung … Ich habe mich locker 35 Jahre kritisch mit der Politik um mich herum auseinandergesetzt. In dieser Zeit bin ich gegen die Folgen einer für mich heute noch unverständlichen Hierarchie angelaufen, dem entziehe ich mich und gebe den Staffelstab für lange Zeit an andere ab. Das passiert alles auch ohne mich und ich werde nichts mehr am Ablauf ändern. 

Hier soll es nur noch um Menschen an sich gehen. Mal schauen, wen ich alles treffe. Ich werde darüber schreiben.