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Im Menschen stecken zwei Wesen. Der Primat, ein Affe mit trockener Nase und spärlicher Behaarung, welcher sich mit seinen Fähigkeiten an die Spitze der Nahrungskette setzte. Ein Raubtier! Eins, welches sich zu Horden zusammenschließen kann und nicht nur gemeinsam auf die Jagd geht, sondern auch gegen andere konkurrierende Horden unerbittlich bis zum Tod kämpft. Doch dieser Primat entwickelte ein Bewusstsein. Er kann sich über die Regeln der Natur hinwegsetzen, ihr trotzen, die Folgen seiner Handlungen erkennen, Trieben gewahr werden und sie kontrollieren. Erst, wenn dieses Bewusstsein, in Verbindung mit Verstand, Vernunft, Reflexion, zum Tragen kommt, überschreitet der Primat die Schwelle zum Menschsein.
Die innewohnende Aggressivität, die Kampfbereitschaft, die Intelligenzleistung, sich zusammenzuschließen und in einem Kampfverband zu organisieren brachte das Tier nach oben. Doch gleichzeitig bringt dies die Gefahr der totalen Vernichtung der eigenen und anderer Spezies mit sich. Kurzum, das Großhirn ist dazu fähig darüber zu entscheiden, ob es sich selbst und die Evolution beendet oder leben will.
Seit Menschengedenken wird experimentiert, wie man am besten das Leben gestalten kann. Krieg, Frieden, Diktaturen, Königreiche, Kaiserreiche, Klerikale Staaten, Anarchie, Kommunismus, Sozialismus, Kapitalismus, aus all diesen Experimenten kann man Lehren ziehen. Parallel entwickelten die Menschen immer ausgefeiltere Methoden, sich gegenseitig abzuschlachten. Wenn nicht bereits die Atombombe den absoluten Overkill ermöglicht, wird die absolute Waffe noch entwickelt werden. Da bin ich mir absolut sicher. Ginge man mit Vernunft und Verstand heran, wüssten wir, dass wir das Ende der Fahnenstange erreicht haben. Die Waffensysteme haben einen technischen Stand erreicht, der völlig neue Betrachtungen notwendig macht. Ich denke, dass 1945 der historisch verpasste Zeitpunkt war, an dem die Chance bestand, inne zuhalten, alles neu zu bewerten und völlig andere Wege zu gehen. Doch jeder weiß, dass unsere Mütter, Väter, Großmütter, Großväter, deren Anführer, diese Chance verstreichen ließen.
Mit Nuancen besteht das alte System, welches zwei Weltkriege hervorbrachte, in den Grundzügen immer noch. Konkurrierende Nationalstaaten und Großmächte, ein globales Wirtschaftssystem, welches auf Wachstum, Profite, Gier, gründet und vor allem in einem Dilemma festhängt. Jede Großmacht inklusive ihrer Vasallen beäugen misstrauisch die Konkurrenz und ihre Strategien, sich Macht, Rohstoffe, geostrategische Vorteile, zu sichern. Und fortwährend flammt immer mal wieder ein Krieg auf.
Innerhalb dieses Systems ist es unmöglich sich herauszuhalten oder eine sichere Neutralität zu bewahren. Stets muss man auf der Hut sein, Allianzen schmieden, Drohkulissen aufbauen und dafür Sorge tragen, dass der andere nicht zu stark wird. Macht ein Beteiligter einen Schrittfehler, grätscht der Gegner hinein. Wird das System nicht radikal umgebaut, muss ich mich den aus ihm entstehenden Regeln beugen. Isoliere ich aus einem Computernetzwerk einen Client, der auf die Programme im Netz zugreift, kann ich mit dem nicht allzu viel anfangen.
Neue Friedensbewegung in einem alten System?
Dieser Tage gehen wieder einmal Leute auf die Straße und fordern Frieden. Einige sprechen von einer neuen Friedensbewegung. Ich kann dem nicht ganz folgen. Die alte, in den 80ern, richtete sich nicht gegen einen konkreten Krieg, sondern gegen das Wettrüsten zwischen USA und UdSSR. Nach allem, was man nunmehr im Nachgang weiß, waren die Sorgen der Bürger durchaus berechtigt.
Eher passend finde ich eine Analogie zu den Protesten in den 60ern gegen den Vietnamkrieg. Damals hieß der Aggressor USA und die verantwortlichen Präsidenten hießen Lyndon B. Johnson und Richard Nixon. Folgerichtig wandte sich die Protestbewegung gegen die USA und nicht gegen die kommunistischen Kämpfer auf der Seite der Vietnamesen. Und soweit ich weiß, kam niemand auf die Idee, einen Stopp der Waffenlieferungen für den Vietcong zu fordern. Dies wäre auch ziemlich zwecklos gewesen, da die Waffen damals aus dem Ostblock stammten. Ziehe ich einen Vergleich zu heute, hätten damals Frau Wagenknecht und Frau Schwarzer den Vietcong zum Einstellen der Kampfhandlungen und eine Verhandlungsbereitschaft mit den USA einfordern müssen. Was garantiert nicht funktioniert hätte, da die USA mit aller Macht die Ausbreitung des Kommunismus in Südostasien verhindern wollten. Heute wissen wir, dass trotz des verlorenen Krieges nur Vietnam und Laos kommunistische Systeme aufbauten.
Nein, die seitens Wagenknecht, Schwarzer u.a. eingeforderte Demutsgeste der Ukraine hat nichts mit den Gedanken und Intentionen der 80er – Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland gemein. Ich betone Bundesrepublik Deutschland! In der DDR wurde damals die Ausrüstung mit SS20 Raketen und der Wehrunterricht in den Schulen favorisiert. Auch der Afghanistan-Krieg, ausgehend von der UdSSR, wurde billigend hingenommen. Während dieser Zeit schenkten sich die Geheimdienste aus Ost und West nichts. Damals ahnte man es, heute weiß man, dass der MfS im Westen fleißig unterwegs war.
Geheimdienste, Propaganda gehen nicht mit dem Krieg einher, sondern sind schlicht Unterabschnitte. Und zur Propaganda gehört das Grauen. Viele Waffengattungen sind darauf ausgerichtet, Soldaten und Zivilisten zu verstümmeln. Sie sollen nicht sterben, sondern davon berichten. Folter, Vergewaltigungen, Hinrichtungen verfolgen den gleichen Zweck. Gleichfalls gehört es dazu, die Bevölkerung der anderen Seite gegen ihre Regierung aufzubringen. Der Hinweis, dass in der Ukraine tausende Menschen sterben, ist nahezu obsolet. Denn hierfür steht das Wort Krieg. Menschen schlachten Menschen ab, oder sie setzen Waffen ein, die Gliedmaße abreißen, Gesichter entstellen. Es wird gefoltert, geplündert, gebrandschatzt, vergewaltigt. Das Tier wütet. Wenn also Wagenknecht und Schwarzer auf die Sterbenden, Vergewaltigten, Gefolterten hinweisen, sagen nicht mehr oder weniger, als dass ein Krieg tobt. Die Bilder, das Grauen, gehört zu Putins Kalkül und ist Teil der Kriegspropaganda. Nun aber stellt sich die Frage, wie man darauf reagiert. Kann es richtig sein, die Opfer aufzufordern, endlich Ruhe zu geben, weil es dann vorbei ist? Putin ist in diesen Krieg nicht hineingeraten. Er hat ihn gezielt, kalkuliert, vorsätzlich, begonnen. Alles andere endete damit. Zuvor hätte es noch die Option von Verhandlungen gegeben. NATO, neutrale Zonen, die Einrichtung seitens UN-Truppen überwachter Regionen usw. Auch wäre die Einnahme unterschiedlicher Positionen gerechtfertigt gewesen. Doch all dies hat er mit dem Angriff beendet. Anders: Eine neue faktische Lage geschaffen, die Krieg heißt. Und da er sich nicht auf einige Gebiete beschränkte, lautet das Ziel: Vernichtung der Ukraine als Staatsgebilde. Ginge es nicht um Russland, einem Atom-Staat, gäbe es hierauf nur eine Reaktion: Eine seitens der UN genehmigte konsequente Intervention.
Aber da es sich nicht um einen der kleineren Staaten handelt, der überdies nicht Teil eines militärischen Paktes ist, kommt dies nicht infrage. Dies ist eine Botschaft an alle anderen Staaten auf der Erde, die u.a. Norwegen, Finnland und Schweden verstanden. Wer keine Atomwaffen besitzt und auch nicht Mitglied eines Militärpaktes ist, wird zur Beute, der niemand beispringen kann. Was bleibt, ist die logistische Unterstützung. Hier kann es meiner Meinung nach keine Abstufungen geben. Wenn ich mich dazu entschließe, muss ich es richtig und nicht halbherzig tun. Ob dies seitens Putins als Kriegsteilnahme oder nicht bewertet wird, ist ihm ohnehin selbst überlassen. Da können sich Völkerrechtler den Mund fusselig reden. Der Mann spricht öffentlich davon, dass der Westen vorhabe, die russische Ethnie auszulöschen. Reden wir doch nicht um den heißen Brei herum. Solche Töne kennen wir in Deutschland sehr gut. Diesmal kommen sie aus der anderen Richtung. Wer sich die öffentlichen Inszenierungen Putins zu Pferd in der Steppe, posierend mit Bären und Waffen anschaut, kann als Deutscher einfach nicht anders, als an den germanischen Zirkus der Nationalsozialisten zu denken. Letztens sprach ich mit einer Russin. Die sprach von “Brudervölkern”, die sich vereinen müssen. Ach Leute, haben wir Euch nicht gezeigt, dass dieser Schwachsinn keine gute Idee ist? OK, ich räume ein, dass wir sogar im Bundestag noch einige herumzurennen haben, die es immer noch nicht kapiert haben. Und wenn sie es nicht offen tun, quatschen sie von leistungsfähigen, ordentlichen, pünktlichen, fleißigen, Deutschen. Das ist der gleiche Dreck, nur eloquenter, mit einem neoliberalen Upgrade.
Meine Generation wurde in einem dualen, globalen System groß. Im Prinzip durften die beiden Großmächte innerhalb ihrer Bereiche schalten und walten, wie sie wollten. Die Gegenseite regte sich künstlich auf, aber es passierte nichts wirklich Gravierendes. Ich denke, eine Menge Leute rechnen die Ukraine immer noch dem alten Einflussbereich Russlands, der ehemaligen Führungsmacht der UdSSR, zu. Ein Aufbegehren der Ukraine, vornehmlich einer neuen Post-Sowjet-Generation, passt nicht in deren Weltbild. Und so wie ich dies aus Gesprächen mit Ukrainern/innen im Alter von um die 30-40 Jahre mitgenommen habe, sind sie im eigenen Land zerstritten. Die Alten sind entweder Freunde der alten Sowjetzeiten oder sie hassen sie. Einige der Älteren sprechen ausschließlich Russisch und werden über die russische Propaganda gesteuert. Mir scheint, dass durch einige Familien ein Spalt verläuft. Ich weiß auch nicht, inwieweit man dem ukrainischen Regierungsapparat über den Weg trauen kann. Beide, Russland und Ukraine, sind meiner Kenntnis nach tief mit kriminellen Strukturen verstrickt. In den 90ern erklärte mir in einer Vernehmung ein ehemaliger KGB Offizier das Prinzip der russischen Korruption. Seiner Beschreibung nach gab es damals ein unmittelbar kriminelles Handeln von Regierungsmitgliedern, welche er als die “Rote Mafia” bezeichnete und Banden, die unabhängig von diesen Personen agierten. Jene titulierte er als “Weiße Mafia”. Die Roten schafften damals, keine Ahnung wie es heute läuft, auf staatlich kontrollierten Wegen Geld außer Landes und parkten es in Firmen. Die Weißen entwickelten das Geschäftsmodell eben genau diese Firmen anzugehen und Zwangsbeteiligungen, zum Teil mit Gewalt, einzufordern. Ein wenig erinnerte mich dieses Vorgehen an einige ehem. Regierungsmitglieder bzw. Verwaltungsmitglieder der DDR in den Wendejahren. Und einigen Artikeln nach, ist davon auszugehen, dass z.B. auch Putin mit kriminellen Strukturen verstrickt ist. Er ist halt vermutlich ein Kleptokrat unter Kleptokraten, in einem Staat, in dem es sich die Oberen schon immer gut gehen ließen. Und ich denke, es wäre naiv, davon auszugehen, dass dies in Teilen der Ukraine anders ist. Was mich wiederum vermuten lässt, dass im Falle eines Weiterbestehens der Ukraine, die unteren Schichten nicht sonderlich viel davon haben werden. Was da im Einzelnen tatsächlich vor sich geht, werden nur absolute Insider verstehen.
Doch dies gehört für mich alles zum System. Ebenso, wie rund um den Krieg herum garantiert jede Menge krumme Geschäfte und Absprachen stattfinden. Allein schon der Umstand, dass die US-amerikanische Rüstungsindustrie quasi die Sektkorken knallen lässt, wenn Panzer aus deutscher Produktion in die Ukraine gehen und sie den Nachschub für die NATO stellen können, ließ aufhorchen. Bei den Ferengis aus dem Star-Trek-Universum gilt: Regel 034, Krieg ist gut für das Geschäft Regel 035, Frieden ist gut für das Geschäft . In einer Folge wird ein Ferengi in Kampfhandlungen verwickelt. Nachdem er sich mehrfach in seiner Deckung darüber beschwert, wird er auf diese Regeln hingewiesen. Er antwortet: “Die gilt nur, wenn man nicht zu nah dran ist.” Man muss kein großer Analytiker sein, um schnell zu kapieren, dass mit den Ferengis Neoliberale US-Amerikaner gemeint sind, deren Ableger sich in Deutschland in der FDP sammeln. Die Rüstungsindustrie ist keine Ansammlung von Patrioten, sondern ein Zusammentreffen knallharter Geschäftemacher, die nach den Regeln des Markts alles und jeden beliefern, bis ihnen mal wieder jemand auf die Schliche kommt. Machen wir uns nichts vor. Alles, was im Lager liegt oder auf dem Hof herumsteht, bringt keine Profite. Aber spätestens Munition ist Verbrauchsmaterial.
Systemimmanent ist aber leider ebenfalls der Umstand, dass die Rüstungskonzerne Teil der Gleichgewichtsstrategie sind. Baut der eine, zieht der andere nach. Wird irgendwo etwas entwickelt, was für ein innovatives Waffensystem nützlich ist, wird es aufgekauft und gleichzeitig die Forschung auf der anderen Seite gepusht. Da kann man nicht mal eben aussteigen, ohne sich Beulen einzufangen. Die Jungs aus der Nerd-WG in der Serie Big Bang Theory stehen vor diesem Dilemma, als sie für die NASA ein GPS-System entwickeln und erkennen, dass dieses ebenfalls in Waffensysteme eingebaut werden kann. Ihre Lösung: Wenn bisher kein Terminator aufgekreuzt ist, weil wir den Untergang der Welt eingeleitet haben, ist alles in Ordnung. Nun ja, eben eine Nerd-Rechtfertigung.
Was offiziell an Lieferungen erlaubt ist, richtet sich stets nach der Nützlichkeit eines Staats. Keinesfalls nach ethischen Aspekten. Ressourcen aller Art und Bereitwilligkeit der jeweils vorhandenen Regierung, diese möglichst günstig zu verkaufen, sind die Voraussetzungen für die Bewilligung. Bisweilen geht das schief. Es war keine gute Idee, die Taliban zu fördern und auszubilden, damit sie die russischen Truppen dezimieren. Jedenfalls nicht, wenn man ein paar Jahre später selbst einmarschieren will. Wenn Frau Wagenknecht eine Forderung aufstellt, sollte sie sich gegen alle Waffenlieferungen, jetzt, morgen, für immer aussprechen. Alles andere riecht verdächtig nach Heuchelei.
Für das Individuum bedeutet Krieg immer eine existenzielle Entscheidung. Sartre, als einer der Hauptvertreter des Existenzialismus, schrieb hierzu, dass sich jeder Soldat für oder gegen den Krieg entscheiden könne. Am Ende bliebe ihm immer einen Suizid zu begehen oder zu desertieren. Würden sich alle gegen den Krieg entscheiden, gäbe es keine. Aber so läuft es nun einmal nicht. Jedes Mal auf ein Neues, finden sich genügend, die kämpfen. Und ob es nun nach Russophobie klingt oder nicht, ist mir egal: Ich glaube nicht, dass jemand in die Hände von Truppen der Roten Armee fallen will. Den armen geknechteten Typen, die damals um Berlin herum abgezogen wurden, möchte ich nicht ausgeliefert sein. Wer Full Metal Jacket gesehen hat, weiß, was ich meine. Die Hierarchischen Systeme fordern den Kampf auf Befehl ein. “Stell Dir vor, es ist Krieg, aber keiner geht hin!”, stand in den 80ern auf Hauswänden. Netter Spruch – aber irreal.
Verständnis für Putin
Wer diesem Gemenge an prominenten Protestlern zuhört, stößt häufig auf ein gewisses Verständnis von Putins Handeln. Innerhalb des Systems sah er angeblich sein von ihm angeführtes Russland seitens der NATO bedroht. Na ja, wie wahrscheinlich wäre ein konventionelles Einmarschieren von NATO-Truppen in Russland? Es ist nahezu auszuschließen. Der Neoliberalismus zeigte in der Vergangenheit, wie es läuft. Mittels Wettrüsten, was durch das Dilemma funktioniert, wurde die UdSSR wirtschaftlich an die Wand gedrückt. Spätestens als im Zentrum des Inbegriffs von Kommunismus eine McDonald Filiale eröffnete, war klar, wie es weiter geht. Mit westlicher Dekadenz, Geld und Konsumgier die Roten an die Wand spielen. Solange dies mit einem Staatskapitalismus einherging und alle Oberen genug Geld scheffelten, ging dies auch durch. Wenn alles nach den Regeln der Spitze läuft, gibt es keine Probleme. Auch wenn es nicht hierher gehört, beobachtete ich in diesem Zusammenhang amüsiert den Aufstieg von Gerhard Schröder. Jeder, der auch mal eine Welt außerhalb des gehobenen Bürgertums kennenlernte, hat Biografien erlebt, in denen sich Leute von unten nach oben bugsierten. Ich habe keine Ahnung, wo die irrige Auffassung herrührt, dass sich solche Charaktere daran erinnern, wo sie mal herkamen. Sie tun es durchaus, aber anders, als sich dies einige wünschen. Zwei Typen aus ehemals ärmlichen Verhältnissen kommen nach harten Bandagen-Kämpfen in Luxussuiten an und schlürfen teuren Whisky. Mich wundert nicht, dass Putin und Schröder sich gut verstehen.
Meiner Meinung nach, war die Maidan-Revolution für Leute wie Putin und Konsorten ein nicht hinnehmbares Zeichen, gleichzeitig eine Gefahr für ihren Staatskapitalismus, der nur noch in einem Negligé mit der Aufschrift Kommunismus steckt. Wo landet man, wenn eingesetzte Marionetten einfach abgesetzt werden? Eventuell sogar noch die eine oder andere Sauerei aufgedeckt wird? Was passiert, wenn man an der Stelle Schwäche zeigt? Putins Problem war kein anderes, als die USA jedes Mal in Südamerika bekommen, wenn die Leute mal wieder einen Sozialisten wählen, der nicht geneigt ist, die Marionette zu spielen.
Die Verhältnisse auf der Erde verändern sich. Das 20. Jahrhundert sagt leise adieu. Das Thema USA vs. Sowjetunion, also das bisherige duale System, funktioniert zurzeit nicht mehr. Längst ist China als Dritter im Spiel. Und wenn sich Putin verkalkuliert, macht er Russland zum Vasallen von China. In diversen Ländern zeichnen sich Generationskonflikte ab. Einige Jüngere beginnen am Vorgefundenen zu zweifeln, während die Älteren noch in den alten Mustern hängen. Unübersehbar versammelten sich in Berlin mehrheitlich junge Nostalgiker und Frauen/Männer, die auf die 60 zugehen. Was auch immer Wagenknecht und Lafontaine verbindet, auch er gehört nicht gerade zu den innovativen Ideengebern. Alice Schwarzer ist 80! Ich weiß nicht, wie es um ihre Kenntnisse moderner digitaler Propaganda bestellt ist. Mich stört an den Protagonisten gewaltig, dass es durch die Bank Machtmenschen sind, die Hierarchien toll finden und sich an die Spitze setzen wollen. Wagenknecht ist von je her bekennender DDR-Fan. Eine Kommunistin ganz alter Schule. Hierarchie ist wichtig, jeder hat seinen Platz und seine Aufgabe. Ich kann nachvollziehen, dass ihr das Geschehen in der Ukraine suspekter ist, als das Verhalten Putins. Alice Schwarzer kämpfte zeitlebens für eine Umkehr. Gleichberechtigung wäre gut gewesen, aber sie wollte einen Machtaustausch zugunsten der Frauen. Das ist nochmals was anderes. Ich habe Frauen mit Macht kennengelernt. Meiner Erfahrung nach ist es die gleiche Chose, nur mit Brüsten. Sie kämpft nicht für die Auflösung von Hierarchien, sondern für einen Austausch der Machtpositionen. Grundsätzlich könnte man darüber sprechen. Frei nach dem Motto: Jetzt hatten die Männer lange Zeit Gelegenheit, die Leute herumzukommandieren, jetzt sind mal die Frauen dran. Aber ein Lösungsansatz für unsere Probleme ist das nicht.
Und auch wenn es die Teilnehmer bestreiten: Natürlich waren da teilweise die üblichen Verdächtigen mit auf der Straße. Was ich auch nicht weiter verwunderlich finde. Es gibt nämlich eine ganze Menge Überschneidungen. Die Veränderungen, nicht nur die bereits genannten, erfordern eine bei allen nicht vorhandene Anpassungsfähigkeit. Klima, Ressourcen, veränderte geostrategische Verhältnisse (z.B. ganzjährige Beschiffbarkeit der Nordroute), alternde Industrienationen, Flüchtlingsströme, kulturelle Veränderungen, junge Leute mit anderen Denkstrukturen, maßgeblich auch von der Digitalisierung und dem Internet geprägt, mischen die bisherige Welt auf. Keiner kann wirklich sagen, wo die Reise hingeht, schlicht, weil wir eine solche Lage noch nie hatten.
Tja, und dann spielen ein paar Alte die Spiele, welche sie schon immer spielten und ihre festen Rollen innehaben. Putins Nummer ist typisch 20. Jahrhundert, so wie auch die bisherigen Reaktionen aus dieser Zeit stammen. Kommunisten, Sozialisten, Faschisten, Neoliberale, Nationalisten, selbst die Anhänger des Systems der repräsentativen Demokratien, sind gedanklich alle in lokal eingegrenzten hierarchischen Systemen unterwegs. Internet, Digitalisierung, globale Probleme, sprengen diese Modelle. Weiterhin eint alle, dass sie es sich auf dem erreichten Niveau weiter gut gehen lassen wollen. Statt Arm und Reich zu mitteln und sich auf einen globalen Standard einzupendeln, der in der Mitte liegt, wollen einige die Armen auf das Level der Reichen ziehen. Ob das funktionieren kann? Ich bezweifle es.
Frieden?
Er wird eines Tages, so oder so, wieder eintreten. Und wenn keiner das globale System radikal verändert oder Umstände dazu führen, lässt der nächste Krieg nicht lange auf sich warten. Einen Typen aus dem 20. Jahrhundert, einen Veteranen des Kalten Krieges, mit Mitteln aus dem zurückliegenden Jahrhundert durchkommen zu lassen, halte ich für das falsche Zeichen. Die Diskussion über die Waffenlieferungen sind etwas aberwitzig oder mindestens zu spät. Wozu und wofür wurden denn die Dinger entwickelt, gebaut, getestet? Für eine reine Landesverteidigung des eigenen Landes benötige ich nur ein paar Atombomben. Greifst Du mich an, schicke ich die Dinger ab. Fertig! Nein, das Ziel lautet verkaufen, töten, kaputt machen, noch mehr verkaufen. Vielleicht noch, um in das eine oder andere Land einzumarschieren. Alle Atomstaaten können sich zurücklehnen und sagen: “Was ich auf meinem Territorium veranstalte, geht Euch nichts an. Mischt ihr Euch ein, knallt es.” Wenn, dann hätten sich all die Pazifisten bereits vor Jahrzehnten melden müssen und auf ein Verzicht der Produktion pochen sollen. Sich jetzt hinzustellen und zu sagen: “Upsi, damit kann man ja Menschen töten und verstümmeln!”, ist ein wenig albern. Und ob die nun in der Ukraine zum Einsatz kommen oder woanders, ist doch auch egal. Irgendeiner hat immer Pech. Lustigerweise haben wir die Leopard II Panzer sogar Chile angedreht, die damit nur in wenigen Regionen herumkurven können, weil der Rest aus Gebirge besteht. Rheinmetall schreibt zum Aufrüstungsset Revolution-Pack:
Das veränderte Missionsspektrum der heutigen Streitkräfte hat die Anforderungen an moderne Hauptkampfpanzer drastisch verändert. Es ist klar, dass sie weiterhin eine wichtige Rolle in aktuellen und zukünftigen Konflikten spielen werden. Aber in den allermeisten Fällen wird diese Rolle viel weniger mit der Gewinnung von Panzerschlachten zu tun haben, als mit der Sicherung positiver Ergebnisse in asymmetrischen Szenarien. Indem sie eine massive Kraftprobe produzieren, liefern Panzer eine kompromisslose Botschaft an Freunde und Feinde gleichermaßen und wirken in Konfliktsituationen weltweit als Wendepunkt. Neue Missionen und neue Bedrohungen, gepaart mit der Verfügbarkeit neuer Technologien, treiben den Modernisierungsbedarf. Was Armeen jetzt brauchen, sind effiziente und kostengünstige Lösungen.
https://rheinmetall-defence.com/en/rheinmetall_defence/public_relations/news/detail_1408.php
Asymmetrisch! So, so … mit anderen Worten, eine gut ausgerüstete Armee trifft auf eine militärisch schlecht ausgerüstete Partisanenarmee oder Aufständische. Was haben die bloß alle gegen Putin, wenn er von einer militärischen Operation spricht? In der euphemistischen Sprache der Militärs und Mächtigen gibt es schon länger keine Kriege mehr. Offiziell sind es bewaffnete Konflikte, mit internationaler Beteiligung oder eben jene ohne, früher simpel Bürgerkrieg genannt. Also, alle haben bisher brav dem einträglichen Geschäft zugestimmt und gut davon gelebt. Dass die Dinger nun ihrem Zweck zugeführt werden, ist konsequent. Bestellt und bekommen! Fertig. Im Übrigen wurden die Dinger auch an Staaten wie Qatar, Türkei, ausgeliefert. Die Saudis bekamen keine, weil sie sich nicht mit Israel verstehen. Deshalb mussten die USA in das Geschäft einsteigen und lieferten Abrams.
Doch um all solche Dinge geht es dieser sogenannten neuen Friedensbewegung nicht. Denen passen die Einschränkungen nicht, die sich aus der Solidarität mit der Ukraine ergaben. Putin wird sich denken: “Das war einfach!” Der kennt sich selbst ohne die modernen Möglichkeiten einer Stimmungserhebung, wie sie Geheimdienste regelmäßig durchführen, mit der deutschen Volksseele aus. Kalt? Teurer? Flüchtlinge? Geht gar nicht! Ergebt Euch gefälligst, damit mal wieder Ruhe eintritt. Etwas lächerlich ist die Angst vor einem Angriff auf Deutschland. Sollte es dazu kommen, hat sich alles erledigt. Darüber ist sich selbst Putin im Klaren. Ich hab leicht reden. Denn während ich schreibe, herrschen an meinem Aufenthaltsort über 30 Grad und meine Lebenskosten sind überschaubar.
In der Ferne stelle ich mir die Frage, ob es richtig ist, sich in Putins altes Spiel hineinziehen zu lassen. Und was ist gewonnen, wenn er abgelöst wird und andere weiter machen? Die USA und China suchen sich gerade mal wieder eine Spielwiese. China reibt sich mit Indien. Südostasien muss knirschend hinnehmen, dass die Chinesen in den Hoheitsgebieten der Küstenstaaten herum schippern. Erdogan und Assad machen ohnehin, was sie wollen. Hach, da gibt es soviel und alles ist ziemlich unübersichtlich. Nicht einmal das Wetter spielt noch mit.
Wie kann man alledem entkommen? Vielleicht läuft es bei der Menschheit, wie bei einem harten Alkoholiker. Bevor der nicht seine persönliche Bankrotterklärung erfahren hat, kommt er nicht vom Sprit weg. Allerdings besteht auch die Gefahr, dass er diese nicht überleben wird. Ja, ich glaube, so könnte es laufen. Wir werden so lange weitermachen, bis es auf der absoluten Kippe steht und ob wir es überleben oder nicht, wird von Faktoren entschieden, die sich jenseits unserer Kontrolle befinden.
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