West – Berlin vs. Provinz

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Iggy`s unnachahmliche Stimme gab sich gestern Abend alle Mühe durch die auf eine gefällige Lautstärke regulierten Boxen die Geschichten über Sex, Drugs and Rock ‘n’ Roll zu erzählen. Brav bewegte sich die in die Jahre gekommene Generation der Achtziger zum aggressiven Gitarrenspiel der Stooges und versuchte den Rhythmus des hämmernden Schlagzeugs einzuhalten.

Ich schloss die Augen und ließ die Bilder von damals auf meiner inneren Leinwand erscheinen. Ich war wieder im Rocket. Um mich herum war alles schwarz, gleißendes weißes Licht zuckte durch den Nebel aus Zigarettenqualm.
Auf der Tanzfläche tanzte die Meute den Pogo. Sie trugen schwarze abgewetzte Lederjacken und vom Kopf standen die bunten Haare stachelig ab. Frauen mit kurzen Röcken, zerrissenen Strümpfen und Springerstiefeln kümmerten sich um in den Ecken liegende blasse Typen.

Ich öffnete die Augen wieder. Als Erstes sah ich einen sich langweilig dahin wiegenden Endvierziger mit vor Gähnen weit aufgerissenen Mund. Seine attraktive jüngere Freundin war bemüht mit ihren Bewegungen einen guten Eindruck zu erwecken. Daneben tanzte ein Typ mit Bundfaltenhosen und Pullunder, als wenn der DJ Helene Fischer aufgelegt hätte. Vor ihm tarierte eine in ein rotes Kleid hinein geschossene untersetzte Blondine ihren dicken Hintern auf ein paar Pumps aus. Ich ließ mir vom Barkeeper noch ein Bier geben. Danach fingerte ich aus der Zigarettenschachtel in meiner Jackentasche eine Zigarette heraus und schob mich zwischen die Tanzenden hindurch in Richtung Raucherecke.

Von hinten tippte mir jemand auf die Schulter. Ich blieb stehen. Ein Typ, der wie ein Versicherungsverkäufer am nächtlichen Tresen einer Pension in der Provinz aussah, fasste mich bei der Schulter und sprach mir mit schwäbischen Dialekt ins Ohr: «Du weißt schon, dass Du denna nicht Rauchen darfst! Uf der Danzfläche isch des Raucha verboda.»
Verständnislos schaute ich erst auf die kalte Zigarette in meiner Hand, dann auf mein Bier und hiernach in sein Gesicht.
«Was willst Du von mir?», fragte ich ihn unwirsch.
«I war dahana uf einr Feir, da einig agfanga zu Raucha. Die Schdimmung war noh hee.», schwäbelt er in mein Ohr.

In meinem Kopf formulierte sich eine Antwort. «Pass mal auf Du Vogel! Erstens fass mich nicht an. Zweitens gab es mal eine Zeit, da durftet Ihr blöden Wessis in West – Berlin nur speziell für Euch eingerichtete Touri – Discos betreten. In unseren Läden wurde zu dieser Musik gepogt, geraucht und alles nur Erdenkliche eingeworfen. Verpiss Dich mit Deiner unmöglichen dunkelblauen Jeans, Business -Hemd, samt Deiner gesamten Bagage aus meiner Stadt und vergiss Deine Tüten Bio – Müsli nicht. Aber quatsch mir kein Ohr ab, damit ich endlich eine rauchen gehen kann.»

All dieses sagte ich nicht, sondern versuchte die Worte zu einem unmissverständlichen Gesichtsausdruck umzuformen. Damit  ließ ich ihn stehen und lief betont lässig in die Raucherecke. 1984 hätte ich dem Kerl maximal eine Nacht in der Berliner Szene gegeben. Am nächsten Tag wäre ihm klar gewesen, dass es für ihn besser ist, sich tagsüber brav die üblichen Attraktionen anzusehen.

Er verkörperte alles, was einst innerhalb meines alt West – Berliner Lebenskreises verachtet wurde. Schaffende, raffende, Häusle bauende Schwaben aus der südlichen Provinz Deutschlands. Spießer, die beim Vögeln ein Handtuch unterlegen, damit die eierschalenfarbene Couch keine Flecken bekommt. Gäste, die sich einen entcoffeinierten “Latte Macchiato” mit Soja Milch bestellen. Oder Frauen mit Norwegerwollsocken in Ledersandalen, die ihren Abschluss an einer Fernuniversität absolvierten. Rotgesichtige dicke Männer, die mit Bananensaft ihr Weizenbier panschen. Frauen, die über Stunden hinweg auf einer Party Rezepte für Nudelsalate austauschen. Kleinstädter, die die billig produzierte Seifenoper «Berlin Tag- und Nacht» zur Grundlage ihrer Vorstellung von Berlin machen. Menschen, welche die Verbrechen ihres Metzgers auf dem Dorf für eine Currywurst halten. Mittvierziger, die in der Schrankwand eine CD Sammlung von Florian Silbereisen zu stehen haben und sich nichts Schöneres vorstellen können, als ihm einmal beim Wandern in Österreich zu begegnen. Dann diese Autofahrer, die auch für Tiere bremsen, Louisa mit an Bord haben oder angeblich nur auf der Beifahrerseite sitzen, weil sich Jesus ans Steuer gesetzt hat. Überhaupt alle, die einen im Straßenverkehr mit ihren aufgeklebten Botschaften ihren Lebensentwurf aufzwingen wollen. Diese desinfizierten Menschen, die stets gekleidet sind, als wenn sie in der nächsten Minute bei ihren Schwiegereltern einen Antrittsbesuch machen. Paare, die  sich jedem mit dem gemeinsam ausgesuchten Outfit als Menschen präsentieren, die ihre Individualität zu Gunsten einer bereits zu Lebzeiten gemeinsam ausgesuchten Grabstätte aufgegeben haben und damit nicht den städtischen Friedhof, sondern ihr uniformes Reihenhaus im Umland meinen. Verhinderte Abenteurer, die im urbanen Gebiet Klamotten tragen, die für Bezwinger des Nanga Parbat konzipiert wurden. Diese Weltoffenheit heuchelnden Eltern, die jeden Tag von Integration und Diskriminierung sprechen, aber die ersten sind, welche ihre Brut auf einer anthroposophischen Privatschule anmelden und selbst dort noch den Klassenlehrer mit der Einschaltung eines Rechtsanwalts bedrohen. All diese Menschen, die sich schon beim Zubereiten des Frühstücks die ersten zehnmal selbst belogen haben, damit sie das Gefühl haben, ein guter Mensch zu sein. Selbst die verhassten Popper aus den Achtzigern mit ihren Kashmere – Pullovern hatten größere Eier in der Hose, als diese Sorte Mensch.

Als ich zurückkam, fragten die Pixies «Where is my Mind?» Jener Song, der im Film “Fightclub” die Sprengung aller Schaltzentren der Macht und damit die ultimative Zerstörung des Kapitalismus untermalt. Diese großartige Vorstellung, dass ein Schizophrener die Koordination einer Gruppe entschlossener Männer übernimmt, die dieses Krebsgeschwür mit einem Knall aus der globalen Gesellschaft entfernt.

Der Schwabe hatte während meiner Abwesenheit seine Bewegungen um keine Nuance verändert, und schwang weiterhin wie ein mit Gelee angefüllter Beutel zur Musik hin und her. Mit knappen Neunzehn war ich mal mit zwei Freunden im Kino. Da gab es eine Werbung des Playboys, in der behauptet wurde, dass der Tanzstil eines Mannes Auskunft über seine sexuellen Qualitäten gibt. Wenn da etwas dran sein sollte, dann tut mir seine Begleiterin schon deshalb leid. Zweimal sprach er mich noch an. Einmal weil ich beim Tanzen eben diese Begleiterin anrempelte und das zweite Mal lobte er neben mir am Pissoir stehend die Musikauswahl.

Ich mokierte  mich in den letzten Tagen im BLOG mehrfach über die «Rechten» und ihre Mitläufer. In mir keimt langsam der Verdacht auf, dass dieser Schwabe symptomatisch ist. Zwar gehe ich nicht davon aus, dass er die AfD wählt, vermutlich tendiert er eher zu den GRÜNEN, dem Sammelbecken für Spiesser mit Umweltambitionen. Dennoch glaube ich, dass sich aus der Mitte dieser Typen auch einige mit den Ressentiments der AfD gegenüber Menschen wie mir, anfreunden können. Es klaffen riesige Abgründe zwischen der musikalischen Botschaft und ihrem Denken. Sie spüren weder die im Punk steckende Wut gegenüber dem Bürgertum, noch den puren Sex in den Liedern der Bands der Siebziger, noch die wollüstige Erotik des Souls oder die Melancholie des Blues. Wie ein verklemmter Freier, der bei einer Prostituierten seine geheimen sexuellen Wünsche auslebt, stehen sie auf der Tanzfläche und erträumen sich für drei Minuten bei AC/DC oder Rammstein den Bad – Guy, der sie aufgrund ihrer Hemmungen niemals sein können.

Selbst wenn einer über den Rasen ihres Vorgartens spazieren würde, könnten sie sich dessen nur mit einem Rechtsanwalt erwehren. Im Beruf verschaffen sie sich mit einem schmalen Textil um den Hals ein kompetentes Aussehen und im Straßenverkehr beschützt sie die Karosserie ihres SUV oder rollenden Raumwunders, den oder das sie sich selbstverständlich nur wegen der Familie zugelegt haben. Da ist es nicht verwunderlich, wenn sie bei den Nachrichten oder den Kampagnen der AfD gegen den gesunden Menschenverstand Panik bekommen, die sie mit Notfalltropfen aus der Bachblüten – Apotheke bekämpfen.
Im Gegensatz zum geborenen Großstädter wurden sie niemals als Jugendliche auf das Haifisch- Becken in einer Metropole vorbereitet. Ihnen ist das Wort «Opfer» auf die Stirn geschrieben und die Haie haben ein leichtes Spiel. Sie verhalten sich wie die Schafe in unserer von der Natur befreiten Kulturlandschaft, die das Fliehen vor dem Wolf verlernt haben. Sie leben in einer Assekuranz – Gesellschaft, in der ihnen von findigen Geschäftemachern und Politikern die Absicherung jeglichen Risikos versprochen wird. Abgesehen von der Absicherung, ist ihnen schon vor dem Eintreten des Ungewollten, jede Ungewissheit ein Gräuel. Sollte es trotz und allem zum von ihnen Undenkbaren kommen, muss ein Verantwortlicher gefunden werden. Außerdem fordern sie sofort eine Abhilfe, damit das nun mit einem Mal Vorstellbare niemals erneut eintreten kann. Das sie sich damit immer mehr einer allumfassenden Kontrolle, die politisch im Allgemeinen in einer Diktatur endet, begreifen sie nicht. Am liebsten würden sie das Wort Risiko aus ihrem Wortschatz streichen. So wie ihre Kinder nicht mehr spielen dürfen, wie wir es einst taten, wird die Gesellschaft nach und nach ihre Freiheiten ebenfalls verlieren, denn hierzu ist ein vernünftiges Abwägen von Risiken notwendig.

Nachts in der U-Bahn funktionieren die Statussymbole Kreditkarte und Dienstwagen nicht. In einigen Bereichen war das Leben in West – Berlin schrill, schräg, brutal, hart und wurde oftmals von ungeschriebenen Regeln bestimmt. Ich musste herzhaft Lachen, als dieser Albrecht Glaser aus dem beschaulichen Schwarzwald sich darüber beschwerte, dass er per Durchsage der Deutschen Bahn vor Taschendieben gewarnt wurde. Als er dann noch anfügte, dass er in seinem Leben bewegten Leben so etwas noch nie erlebt habe, traten bei mir Tränen in die Augen. Der Kerl hätte in der West -Berliner City bereits nach einer halben Stunde am Tresen der Bahnhofswache Zoo eine Anzeige erstattet. Dem ist auch zuzutrauen, dass er damals die netten jungen Männer in der Jebenstrasse nach dem Weg gefragt oder am Stuttgarter Platz in einer Bar vor ein paar verdutzten thailändischen Prostituierten eine Moralpredigt gehalten hätte.

Lustig muteten auch die meinem Schwaben nicht unähnlichen klatschenden Zuhörer an. Letztens fabulierte er über die heroischen Taten aller DDR Bürger und ihren damit in Verbindung stehenden Erfahrungen, die die Bürger im Westen nicht gemacht hätten und deshalb den 75 Jahre lang von links her weichgespülten Westlern im Vorteil wären. Passenderweise folgte letzte Woche ein Bekannter aus der übersichtlichen Messestadt Hannover bei Facebook dieser Kampagne, in dem er diesen Stuss in einem Post übernahm. Ich male mir genüsslich aus, wie diese Behauptung in den Achtzigern in einer West -Berliner Eckkneipe angekommen wäre.

Ich räume ein, dass es in West – Berlin einige Pendants zum Schwaben gab. Wir hatten die Bewohner von Wannsee, die Waldmenschen aus dem hohen Norden und die Villenbesitzer in den besseren Gegenden. Heute würde man diese Bezirke Elfenbeintürme nennen, in denen der Realität entrückte besser gestellte Bürger leben. Doch sie befanden sich klar in der Minderheit und verhielten sich ruhig, solange sie niemand mit Demonstrationen vor der Haustür behelligte. In der Regel wussten die Parteifreunde aus der CDU dies aber zu verhindern. Im Gegenzuge ist aber anzumerken, dass sie sich wie alle anderen weder von Bombenanschlägen noch von kommunistischen Säbelgerassel in Angst und Schrecken versetzen ließen. Hätten die Bürger die sich aktuell immer weiter ausbreitende Mentalität gehabt, wäre West – Berlin von knappen 2 Millionen Angstneurotikern bewohnt gewesen.

Schon verrückt, wie sich die Zeiten ändern können. Wer hätte 1989 geahnt, dass uns die Wessis eines Tages ungestraft von der Seite anquatschen dürfen.

Die “Neue Rechte Bewegung” u. die Konservative Revolution

Lesedauer 11 Minuten

Viele, ich eingeschlossen, wettern über die aufkommenden «Neuen Rechten» und die von ihnen geforderte «Rechtskonservative Revolution». Bei der Kritik, dem Gegenhalten und allem was dazu gehört, geht meiner Meinung nach einiges Durcheinander und führte durch die Unschärfe ins Leere.

Mir stellt sich zunächst die Frage: Wo wollen die eigentlich hin? Welches große Muster steckt dahinter?

Bei dieser Frage stellte ich fest, dass das gar nicht so einfach zu ermitteln ist, da vieles zwischen den Zeilen steht bzw. in letzter Konsequenz nicht gesagt wird. Zum Beispiel wird eine Grenze gefordert, aber es wird offengelassen, wie diese Aussehen soll oder wie diese verteidigt wird. Es wird von Massenabschiebungen geredet, doch keiner sagt konkret, wie die Durchführung vonstattengehen soll. Nehme ich alle Aussagen zusammen, läuft alles auf eine Republik hinaus. Republik bedeutet zunächst einmal nur, dass es keinen Monarchen an der Spitze gibt. Dieser wird ersetzt durch eine, oder mehrere Personen, eine Clique oder andere denkbare Konstrukte, die sich dem Volk gegenüber verpflichtet fühlt oder fühlen. (Die AfD legt auf den Passus “dem Volk verpflichtet” verdächtig viel Wert.)
Von Demokratie ist dabei noch nicht die Rede. Das föderalistische System scheint ihnen ebenfalls ein Dorn im Auge zu sein. Diverse Vertreter haben sich dazu auch schon geäußert. Vertreter bedeutet nicht, dass sie Mitglieder der AfD sind. Die AfD ist für mich nur ein Teil einer größeren Bewegung.

Sie verfolgen die Idee, dass sich in dieser Republik Deutschland kleinere Einheiten befinden, in denen die zugehörigen Bürger einen Vertreter auf Zeit wählen. Dieser ist dann wiederum wahlberechtigt für eine Regierung. Das Volk ist also nicht mehr unmittelbar an der Wahl der Regierung beteiligt. In diesen kleinen Einheiten bestehen gewisse Rechte für die Strukturierung und Lösung lokaler Probleme, die wesentlichen Teile werden aber von der Regierung bestimmt. Die Regierung kann aber plebiszitäre Elemente einfügen, bei denen das Volk in seiner Gesamtheit abstimmt. Fraglich ist, wie weit diese Fragestellungen gehen und wer sie formuliert.

Dabei fällt mir spontan der Kommunikationsgrundsatz aus der Führungslehre: Wer fragt, der führt!, ein. Geschickt formulierte Fragen, können ein mächtiges Steuerungselement sein.

Fakt ist dabei, dieses System ist vom Grundgesetz her nicht vorgesehen. Wie wollen diese «Neuen Rechten» dieses umsetzen? Ohne Gewalt kann das nicht funktionieren, da das Grundgesetz diverse Abwehrmechanismen besitzt. Die AfD besteht darauf, dass sie lediglich die Forderungen des Grundgesetzes umsetzen wollen. Trotzdem werden auf Veranstaltungen immer wieder Leute eingeladen, die aus anderen Bereichen der Bewegung stammen und genau das Beschriebene einfordern. Da passt etwas nicht zusammen.

Herr Dr. Gauland bezieht sich auf eine alte Rhetorik.

Regeln müssen für alle gelten. Lasse ich eine Ausnahme zu, fangen andere an, diese Ausnahme für sich ebenfalls zu beanspruchen. Basierend auf diesem Satz, mit dem er sich meiner Meinung nach als Prinzipienreiter outet, fordert er die Ausweisung aller Personen, selbst wenn diese sich integriert haben, aber ihre ursprünglichen Voraussetzungen für einen Aufenthalt nicht korrekt waren. Ich will dieses hier nicht kommentieren, sondern zunächst nur festhalten.
Jeder weiteren Frage bezüglich des Prozedere weicht er aus und verweist darauf, dass dieses nicht sein Problem bzw. Aufgabenstellung wäre, dafür ist die Exekutive zuständig. Gleichermaßen betrachtet er das Grenzthema. Die Grenze hat gefälligst geschlossen und sicher zu sein, die Umsetzung dieser Forderung verweist er an die Bundespolizei. Ob dieses das nun mit Zäunen, Mauern, Schusswaffengebrauch, Streifen oder sonst irgendwie umsetzt, entzieht sich seiner Auffassung (Konservativ) seinem Aufgabenbereich. Er sieht sich dabei offensichtlich als eine Art General, der anordnet, dass eine Stellung zu halten ist, wie die nachgeordneten Streitkräfte dieses ermöglichen, ist ihm egal.

Das ist nicht nur konservativ, sondern auch militärstrategisches Denken. Ich habe einen Feind (der illegale Einreisende oder bereits eingereiste Ausländer), ich habe eine Streitmacht (die Bundespolizei, Polizei, Bundeswehr) und ein Etappenziel (Abwehr, Ausweisung), welches mich meinem Ziel «Sieg» (von ungewollten Ausländern freies Deutschland) näher bringt. Ein General darf nicht ethisch/moralisch denken oder sich dem unmittelbaren Elend aussetzen, da er sonst nicht mehr dazu in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen. Wenn zum Beispiel ein taktischer Hügel einzunehmen ist, wird eine Analyse der zu erwartenden Verluste unter den Soldaten einkalkuliert, bis zu einer gewissen Quote gilt die Operation als durchführbar und kann auch als Sieg betrachtet werden. Es erscheint mir nicht verwunderlich, dass sich einige Militärs der AfD zugeneigt fühlen. Anzumerken ist dabei, dass Herr Dr. Gauland noch nie in seinem Leben der potenziellen Verlustquote angehörte.

Die «Neuen Rechten» betrachten die Welt nicht als einen Lebensraum für Menschen an sich, sondern ihrer Auffassung nach ist sie in Territorien unterteilt, in denen sich gleichgesinnte, ähnlicher genetischer Herkunft und gemeinsamer Kultur ansammeln.

Ihrer Auffassung nach, ist es nicht möglich, aus einem Nigerianer mittels Sozialisation einen Menschen zu machen, der die «Deutsche Kultur» annimmt und im Gegenzuge ist es einem Deutschen nicht gegeben, sich der Kultur eines Nigerianers anzupassen. Mit anderen Worten sie akzeptieren nicht den Begriff «Mensch», sondern nehmen unterhalb noch eine (Ein)Teilung vor. Das Eine (der Mensch) wird geteilt und kategorisiert. Eine dieser Kategorien heißt – das deutsche Volk. Der Philosoph Nietzsche kam seinerzeit schon zur Auffassung, dass dieses ein uraltes Problem der «Deutschen» ist, dass sie gar nicht wissen und es auch niemals herausfinden werden, was denn eigentlich dieses «Deutsch» sein soll.

Hier ist die AfD wieder im Boot und einige gemäßigte Konservative, die nicht zu den «Neuen Rechten» gehören oder zumindest nicht wollen, sprechen ebenfalls vom «Deutschen Volk» und versuchen eine (Leit)Kultur auszumachen, die von diesem Volk ausgeht. Es kann also mehrere Kulturen unterhalb dieser einen geben, aber sie müssen sich im Wesen nach der Leitlinie orientieren. «Neue Rechte» und Konservative definieren sich über die (Rück)Besinnung und die Orientierung an alt hergebrachten Werten. Leider bleiben die meisten eine Auskunft schuldig, wie weit ihre Rückbesinnung geht. Sollen es die christlichen Werte sein? Das Christentum kennt nur Religionsgrenzen, jedoch keine nationalen Grenzen. Die deutschen Philosophen streiten bzw. kritisieren sich in unterschiedlichster Form über die Werte, das Wesen des Menschen und die Umsetzbarkeit. Nicht einmal der «Kategorische Imperativ» von Kant bleibt davon verschont. Bei meinen bevorzugten Philosophen Nietzsche und Schopenhauer würde zum Beispiel die CDU mit dem «Christlich» im Parteinamen auf Granit beißen.

Konsequenterweise kann es also nur darauf hinaus laufen, dass seitens einer übergeordneten Institution jenseits der Philosophie, christlicher Religion eine leitende Kulturvorgabe aufgestellt wird, eine Art (Rahmen) Vereinbarung innerhalb derer sich alle zu bewegen haben. Wie genau dieser begrenzende Rahmen auszusehen hat, kann wieder einmal nur zwischen den Zeilen ermittelt werden.
Die AfD hat etwas gegen Alleinerziehende, also einem Lebensmodell, welches sich innerhalb der modernen Zeit entwickelt hat. Bei genauerer Betrachtung steckt da mehr dahinter. Die Familie/Sippe als die berühmte Kernzelle der Gesellschaft. Ein altes Modell für die Altersversorgung, Weitergabe von Sach- und Finanzwerten und traditionalisierter Verhaltensweisen und Anschauungen. Im Arbeitermilieu ist einiges dabei obsolet. Oftmals fällt die Weitergabe von Sachwerten weg, die innerfamiliären Traditionen sind nicht selten eher zweifelhaft und sich als Arbeiter darauf zu verlassen von seinen Nachkommen versorgt zu werden ist auch ein hohes Risiko. Die Familie ist also eher ein für das Bürgertum vorteilhafter Umstand.

Wen wundert es dabei, wenn viele aus der AfD genau dort herkommen? Doch was haben sie mit den anderen vor? Wo bleibt das Proletariat?

Im Nationalsozialismus war das Proletariat die zu lenkende Masse, eine Masse die mit dem politischen Geschehen, wenig zu tun hatte. Hier schließt sich für mich der Kreis zur Republik. Wie forme und lenke ich eine Masse? Ich gebe ihr eine gemeinsame Kultur und forme sie zu einem homogenen Volk, mit einem gemeinsamen Ziel. Habe ich das erreicht, kann ich dieser Masse auch beruhigt Fragen stellen.

Goebbels hat das in seiner Sportpalastrede eindrucksvoll vor gemacht. «Wollt ihr den totalen Krieg?» «Ja!».

Jede Einheit bei der Polizei und der Bundeswehr, insbesondere Spezialeinheiten, funktionieren so. Den Mitgliedern wird ein gemeinsames Motto eingepeitscht, an dem sie sich trotz ihrer charakterlichen Unterschiede orientieren können. Ich kenne eine Einheit, die sich zum Beispiel das Motto: Lieber stehend sterben, als knieend Leben!, gegeben haben.
Nebenbei einer dieser Treppenwitze der Geschichte. Das Motto stammt aus dem Spanischen Bürgerkrieg und wird der Partisanin Dolores Ibárruri zugeschrieben, die den anrückenden Faschisten entgegenrief: «Die kommen nicht durch!» Der jüngeren Generation wurde dieses Motto aber eher durch die ehemals (man muss auch einen Wandel respektieren) rechtsgerichtete Rockband Böhse Onkelz bekannt.

Ich schlussfolgere also, dass sich eine Gruppe zu einer regierenden Schicht in einer Republik aufschwingen will, die sie mit einer vorgegebenen Kultur und Philosophie prägen will. Teil dieser Kultur ist die Feststellung, dass die Menschheit eine Unterteilung benötigt und diese von der Natur auch vorgegeben ist.
Um ihren Siegeszug anzutreten, benötigt diese Elite ein Instrumentarium diese Ziele umzusetzen. Eines dieser Mittel ist die Sprache und die Verbreitung dieser Sprache über die digitalen Netzwerke. Menschen können nur mittels der Begriffe denken, die sie zur Verfügung haben. Vor allem muss ich von diesem lästigen «Menschen» weg, der individuelle Rechte hat und muss allgemeine Begriffe finden. Jeder Bauer mit Vieh weiß, dass es eine extrem blöde Idee ist, einem Schlachtvieh einen Namen zu geben. Die Kuh «Katja» wird gegen den zornigen Widerstand der Kinder niemals geschlachtet werden, sondern vor Altersschwäche umfallen.

Mit diesen Kriterien im Kopf schaue ich mir die «Neue Rechte», die Konservativen und die AfD an. Der junge Abdallah, welcher tränenreich von seiner Familie im Ergebnis einer furchtbaren Entscheidung aus einem Kriegsgebiet auf die Reise geschickt wurde, um für die Familie den maximalen Erfolg herauszuholen (eigentlich eine sehr konservative Einstellung) ist da eher hinderlich. Der zwanzigjährige Marokkaner, welcher via Internet und Touristen festgestellt hat, dass die Welt auch anders aussehen kann und wenn er eine Chance haben will, er sein Land verlassen muss, passt dabei auch nicht ins Bild. Solche Geschichten überlässt man lieber Hollywood (Der Pate, Gangs of New York, Scarface pp.) oder der europäischen Geschichte, als z.B. die Deutschen im Rahmen einer aufkommenden Hungerskatastrophe vermehrt in die USA auswanderten. (Welche sich nach Aussagen von Zeitzeugen als nahezu integrationsunfähig erwiesen) Solche Sachen sind nicht zielführend.

Strategisch sinnvoll sind Begriffe wie «Flüchtlinge», «Wirtschaftsflüchtlinge» oder Ableitungen aus der Biologie, wie Herr Höcke sie benutzt. Er befindet sich dabei in der Tradition der NPD, die immer das «Argument» einbringt, dass bei der Paarung eines Esels mit einem Pferd ein unfruchtbarer Muli herauskommt. Doch warum das Rad neu erfinden, wenn es für diese Rhetorik bereits geniale Vordenker gegeben hat? Bei allen Ressentiments war Dr. Joseph Goebbels auf seinem Gebiet brillant. Er war, wie viele in der AfD auch, ein mittelmäßiger Akademiker, der sich unverstanden und unterbewertet fühlte. Erst der Nationalsozialismus verschaffte ihm den Durchbruch zusammen mit Gleichgesinnten. Er erkannte, was man mit Sprache alles machen kann, wenn es um das Lenken von Massen geht. Ich denke, er wäre vor Begeisterung im Dreieck gesprungen, wenn man ihm Möglichkeiten wie Youtube, Facebook und Twitter gegeben hätte.

Der Zeitpunkt lässt sich nicht bestimmen, aber zu irgendeiner Zeit haben die «Neuen Rechten» mehrere Dinge erkannt. Zu allererst erkannten sie die Wirkung von Musik. Dies war die Geburtsstunde des Rechtsrock. Anfangs versuchte der Verfassungsschutz noch, diese Bewegung einzudämmen. Die Unternehmungen waren aufgrund der explosionsartigen Verbreitung nicht erfolgreich. Die Band «Landser» schwärmt wahrscheinlich von den alten Zeiten, als sie sich mit der Polizei noch ein Katz und Maus Spiel lieferte.
Es folgte die Übernahme der «linken» Kampfstrukturen, und die Geburt der Nationalen Front, als Gegenveranstaltung zum «Schwarzen Block». Hieraus entwickelten sich die dezentralisierten klandestinen Strukturen, die dem Verfassungsschutz immer noch Schwierigkeiten bereiten. Ein Ausfluss davon ist die NSU. Doch die «Neuen Rechten» lernten noch mehr von der anderen Seite: Den politischen Aktivismus. Das Anbringen von Bannern, die Stürmung von Veranstaltungen, gezielte öffentlich wirksame Aktionen waren zuvor Greenpeace, den GRÜNEN und linken Gruppierungen vorbehalten.
Nach und nach entwickelte sich aus den einzelnen versprengten Gruppen eine Bewegung, deren Potenzial von vielen erkannt wurde, die sich vorher noch abgeschreckt gefühlt hatten. Wer will sich einen Höcke bei der Wehrsportgruppe Hoffmann beim Kriechen durch den Wald vorstellen? Die Rechten bestanden aus lauter Einzelgruppen, die nicht miteinander konnten. Wehrsportgruppen, die Wiking – Jugend, die Rechtsrocker, schlagende Burschenschaften, rechtsgerichtete Unternehmer, frustrierte Juristen, mittelmäßige Akademiker … es fehlte am gemeinsamen Nenner.

Doch ich komme nochmals auf den theoretischen Überbau und das Ziel zurück.

Die Masse wird allgemein als nicht sonderlich intelligent betrachtet. Da machen alle Theoretiker, ob sie nun von links oder rechts kommen, keinen Unterschied. In nahezu allen großen Theorien wird die Gefahr gesehen, dass sich die Masse Führer sucht. Das weiß auch ein Herr Dr. Gauland. Und wenn er Volksabstimmungen fordert, geht er davon aus, dass die Masse vorher mittels Propaganda in die, seiner Auffassung nach, richtige Richtung, gelenkt wurde. Alles andere kann er jemanden erzählen, der sich die Hose mit der Kneifzange zu macht.
Es ist die zentrale Diskussion, ob eine Demokratie überhaupt auf Massen anwendbar ist. Die «Neuen Rechten» formulieren ein klares «Nein!» Demokratie kann nur in kleinen Gruppen funktionieren, die über Dinge abstimmen, die sie unmittelbar betreffen, darüber muss eine Funktion bestehen, die sich dem Wohl des gesamten Volkes verpflichtet fühlt und Entscheidungen für dieses Volk trifft. Leuten die in einer Behörde arbeiten, wird das sehr bekannt vorkommen.

Es ergibt sich aber ein Problem! Ich muss verhindern, dass diese leitende Funktion von Leuten eingenommen wird, die unter Umständen kompetenter und intelligenter sind, als ich. Intelligenz muss eingedämmt werden, denn eine Vergeistigung führt zu Schwäche. Intellektuelles linkes Denken schwächt das Volk in seiner Widerstandskraft gegen andere Völker. So jedenfalls der Tenor der “Neuen Rechten”.

Mal etwas weiter hergeholt, kostete dies Sokrates das Leben. Einer seiner Schüler verlor beim ständigen Hinterfragen der Dinge den Verstand und begann zu trinken. Dummerweise handelte es sich um den Sohn einer höher gestellten Persönlichkeit, woraufhin es zum bekannten Prozess kam. In Preußen wurde dies erkannt, in der Kaiserzeit wurde die Intelligenz massiv bekämpft, es kam zu einer kurzen legendären Epoche Zwanzigerjahre und der Rest ist bekannt.

Ich formuliere mal meine Auffassung ebenfalls militärisch. Diese neue rechte Bewegung besteht aus unterschiedlichen Armeen, die sich vorübergehend zu einer Allianz zusammengeschlossen haben, um einen gemeinsamen Feind zu bekämpfen. Ich formulierte es letztens schon einmal. Die Begriffe links und rechts stammen aus der Zeit bevor Napoleon aus dem Exil wieder kam. Links saßen diejenigen, welche eine Innovation forderten und rechts die Vertreter, die alles beibehalten wollten.
Die Antworten nach 1945, erst recht die der aktuellen Zeit, auf die globalen Entwicklungen, passen nicht ins Weltbild und zur Auffassung über das menschliche Wesen, dieser Leute.
Mit der «Rettung des Abendlandes» haben sie es eigentlich ganz gut getroffen. Machen wir uns nichts vor, eine der am längsten existierenden Machtstrukturen ist immer noch die Katholische Kirche. Unterhalb von Gott kommen die von Menschen gemachten Machtstrukturen und auf der untersten Ebene befanden sich früher die Bauern, heute sind es die Lohnabhängigen, welche als Spielmasse fungierten. Geeint wurden sie mittels des gemeinsamen Glauben. Der Glaube hat in vielen Bereichen seine Bedeutung verloren, da bedarf es eines Ersatzes: Nationalismus, Patriotismus, und ein homogenen «Deutschen Volks», welches über eine überlegene und erfolgreiche Kultur verfügt. (Der Herrenmensch bzw. Herrenrasse ist auch aus der Mode gekommen – überlegene Kultur klingt viel schöner!»)

Was wird passieren, wenn die unterschiedlichen Armeen ihren gottlosen «Feind» niedergerungen haben? Das ist die große Frage, die sich die Strategen vom rechten Flügel der CSU/CDU entweder noch nicht gestellt oder siegesgewiss beantwortet haben. Mich persönlich beunruhigt dabei die historische Parallele in der Weimarer Republik. Die Zentrumspartei hatte ein ähnliches Kalkül und scheiterte am Ende. Lieber Herr Dobrindt, ihre Idee der «Konservativen Revolution» kann böse ins Auge gehen.
Seitens der Allianz wird die Bewegung der 68 ziger, als Geburtsstunde der feindlichen Armee ausgemacht. Da lohnt sich eine kurze Betrachtung. In Deutschland waren an den Universitäten unzählige Professoren aus dem Dritten Reich anwesend. Die anderen waren geflohen und hatten wenig Sinn dafür wieder zurückzukommen, bzw. waren ihre Lehrstühle von ehemaligen Nazis besetzt worden. Sie engagierten sich zum Leidwesen der US amerikanischen Konservativen lieber in den USA.
Aus dieser Bewegung gingen sehr unterschiedliche Personen und Ansichten hervor. Im gewissen Sinne hätte eine Galionsfigur, wie Rudi Dutschke bei modernen Konservativen (wenn es denn so etwas gibt) einige Sympathien erzeugen müssen. Immerhin stand er ausdrücklich zum christlichen Glauben und entwickelte auch einen Nationalismus.

Doch um solche Dinge geht es den «Neuen Rechten» meiner Meinung gar nicht. Ihnen ist das alles schlicht und ergreifend alles zu kompliziert. Man kann nicht über alles diskutieren, irgendwann muss auch mal einer sagen, wo es lang geht – ergo Sie!

Ich hatte mal einen Klassenlehrer, der uns über das nächste Ausflugsziel am Wandertag diskutieren ließ. Nach 10 Minuten unterbrach er die Diskussion mit den Worten: «Ich sehe, sie werden sich nicht einig, ich habe da mal etwas vorbereitet!»

Meiner Prognose nach, werden sie auf längere Zeit die Schlacht gewinnen, aber es wird ein Pyrrhussieg werden. Doch da sind wir noch nicht. Noch haben sie nur formuliert die divergente Gesellschaft in ein homogenes «Deutsches Volk» mit einer «Leitkultur» «Gleichzuschalten». Bisher verfolgen sie nur Bestrebungen eine Republik jenseits der repräsentativen Demokratie einzusetzen, die von einer elitären Machtclique gesteuert wird. Zur Zeit erleben wir nur Angriffstaktiken: Sprache, gemeinsames Motto, Außenfeind erzeugt innere Einigkeit, Panikmache, Erzeugen von Stereotypen und Ausbau der Opferrolle.
Ich stimme Sahra Wagenknecht zu, wenn sie als taktische Antwort eine geeinigte Gegenbewegung auf der linken Seite fordert. Wieder eine Parallele zu Weimar. Genau das forderte damals die KPD von der SPD. Die einzige strategisch und taktisch gut aufgestellte Truppe auf der linken Seite sind die Kommunisten. Doch jeder Demokrat weiß, dass er damit vom Regen in die Traufe kommt. Alle anderen auf der linken Seite haben ein sich zwingend ergebendes Problem. Während die Konservativen und Rechten auf scheinbar alt Bewährtes zurückgreifen, dem sie die angeblich die Spitzen geschnitten haben, haben die offenen Linken sehr unterschiedliche Ideen.

Einen Kandidaten habe ich bisher nicht berücksichtigt. In das Getümmel wird irgendwann die Wirtschaft eingreifen. Die Seite, welche von ihr den Zuschlag erhält, wird gewinnen. Für mich ist sie der Hoffnungsträger. Was soll die Wirtschaft mit geschlossenen Grenzen anfangen? Sie verdient an jeder Krise, an jedem Krieg und an jedem Arbeiter, völlig egal, wo der geboren wurde, oder welcher Religion er zugehörig ist. Schlimm wird es, wenn sie den Plan aufmachen, dass ausgelagerte Sklaven effektiver sind. Anders formuliert, es zu einem neuen Kolonialismus kommt. Der griechische Wirtschaftswissenschaftler Yanis Varoufakis nennt dies «Schulden – Kolonialismus», vermutlich hat er sich deshalb auch mit Oskar Lafontaine und Wagenknecht zusammengeschlossen. Wie beschrieben, ich persönlich glaube, dass in diesem Fall die «Neuen Rechten» eine echte Chance bekommen.

Bis dahin kann man aber noch wenig kämpfen und die Stirn bieten. 

 

 

 

 

 

 

 

 

Stimmen im Kopf

Lesedauer < 1 Minute

Autorenlesung

Ort: Café Lutetia, Jüdenstr. 10, Berlin – Spandau

Zeit/Datum: So, 22.10., 18:00 Uhr

Ich stelle einen speziell für die Lesung geschriebenen Text vor, der später Bestandteil meines neuen Buchprojekts werden wird.

Ein Mix aus Politik, Provokation, Sarkasmus, Zynismus und Weckruf für die mittlerweile angekommenen ehemaligen Streiter gegen Rechts und Gleichgültigkeit. Es darf geraucht, getrunken, gebuht, gelacht und geklatscht werden.

Bis denne …

Die Leitkultur …

Lesedauer 4 Minuten

Die «Deutsche Leitkultur»! Was für eine schöne «Wortkonstruktion». Wer diskutiert, sollte erst einmal klären, was er unter dem Wort versteht. Und das ist offensichtlich bei Kultur gar nicht so einfach. Während die einen «cultur and civilisation» gleich setzen, kommt ein Königsberger Lebemann daher und unterscheidet zwischen Zivilisation und Kultur. Ersteres ist notwendig zum halbwegs friedlichen Beisammensein und die Kultur ist irgendetwas darüber. Für Kant gilt als Kultur die «Idee der Moralität» (Kategorischer Imperativ), der Mensch soll seine Handlungen auf gute Zwecke ausrichten. Was denn dieses Gute eigentlich ist, ist ebenfalls nicht ganz einfach.

Kant selbst unterlag zu Lebenszeiten der Zensur, weil er sich mit der Bibel nicht in der Form auseinandersetzte, wie es die «Herrschenden» wollten. Ein interessanter Umstand, vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion oder Debatte. Ist ausgerechnet mein Innenminister eine Instanz, der über Kultur bestimmen darf? Noch fraglicher erscheint mir die Zusammenziehung der Wörter «Leit» und «Kultur». Egal welchen Denker der letzten Jahrhunderte ich zur Rate ziehe, Kultur wurde von keinem als Verhaltensvorschrift definiert, sondern als eine mögliche menschliche Errungenschaft. Dann wären da noch die untergegangenen Kulturen. Also für mich ein gesellschaftlicher Begriff. Ich habe davon nicht wirklich eine Ahnung, aber wenn ich das einiger Maßen verstanden habe, dann geht es dabei um ganz große Sachen, die sehr lange bestanden und plötzlich untergingen. Die Ägypter, die alten Griechen, die alten Römer, die Hunnen, die Azteken, Maya usw.. Wann also beginnt die Kultur, ich der ich lebe? Da gibt es bestimmt Antworten von sehr schlauen Historikern. Doch, ohne zu recherchieren, meine Kultur beginnt mit Sicherheit nicht mit dem 8. Mai 1945. Als Laie würde ich sagen, der Beginn der Industrialisierung erscheint mir persönlich als Favorit. Wir Europäer zogen an allen vorbei. Fielen in andere Staaten ein und kolonialisierten sie, damit wir Rohstoffe bekommen. Das machen wir noch heute, nennen es aber anders.

Der Mensch soll seine Handlungen auf gute Zwecke ausrichten. OK! Ich lebe in einer Ellenbogengesellschaft, in der Männer die Weibchen mit Kreditkarten bewerben. Wer Geld hat, darf die Ballkönigin begatten. Wie die Ballkönigin auszusehen hat, sagt mir das Fernsehen. Wie die Begattung zu vollziehen ist, sagt mir Youporn. Ich lebe angeblich in einer Leistungsgesellschaft, in der wir jedes Jahr Zuwächse verzeichnen, egal was es kostet. Vorbilder sind Menschen, die ganz toll singen können, gut mit einem Ball (der von kleinen indischen Kindern zusammengenäht wurde) umgehen können, erfolgreich andere um ihr Geld betrügen oder einfach nur machtgeil sind. Meine Klamotten wurden in der Dritten Welt unter inhumanitären Umständen zusammengebastelt. Für mein Smartphon sterben Menschen und für meinen Nikotinkonsum wird die Umwelt zerstört. Ist das Kultur?

Die Opfer meiner Kultur haben die Schnauze voll und schauen mal vorbei. Und weil meine Kultur über Jahrhunderte dafür gesorgt hat, dass sie verroht sind, benehmen sie sich, wie offene Hose. Mit anderen Worten, im Sinne von Kant, zivilisatorisch sind einige der Neuankömmlinge unterbelichtet. Die Basis haben wir geschaffen.

In meiner Welt, lasse ich prinzipiell jeden in Ruhe, der mich auch in Ruhe läßt. Greift mich ein Mensch körperlich an, bin ich dazu bereit ebenfalls Gewalt anzuwenden. Ich verstehe mich als soziales Wesen, dass dazu in der Lage ist, mit anderen Menschen mitzuleiden und verspüre das Bedürfnis, Schwächere im Zweifel zu schützen. Warum? Meiner Auffassung nach ist das notwendig, weil sonst die Angreifer auf mein Wertesystem die Oberhand bekommen und um mich herum etwas entsteht, in dem ich nicht leben möchte. Also purer Eigennutz.

Deshalb stehe ich auch jeden Tag mit einer seltsamen Frage in meinem Kopf auf. Was umtreibt die anderen? Ein Schläger muss doch theoretisch erkennen, dass er irgendwann mal an den Richtigen gerät und selbst auf die «Fresse» bekommt. Einem «Geldmenschen»  sollte doch klar sein, dass er auch irgendwann auf der Straße landen kann. Zuhälter, Dealer, Hools, Rocker müssen doch auch mal nachdenken. Oder haben sie längst nachgedacht und nur ihre eigenen Schlüsse gezogen?

Was ist mit den Leuten, die bei den Chemiekonzernen arbeiten? Den Vertretern der Atomenergie? Auch sie müssen doch erkennen, dass es nicht gut sein kann, tausenden Generationen diesen Dreck zu hinterlassen. Was ist los mit diesen ganzen Vögeln, die über eine «Deutsche Leitkultur» sinnieren, dabei aber ständig übersehen, dass wir uns jeden Tag benehmen wie Dreckssäcke?

Der Leser dieses BLOGs kann sich jetzt fragen: «Er macht es doch auch!» Stimmt! Ich trenne nicht einmal den Müll. Mein Hemd, welches ich gerade trage, ist aus Vietnam. Der Laptop hat mit Sicherheit lauter Bausteine, für die irgendwelche armen Schweine in einer Mine krepieren mussten. Meine Zigaretten sind ökologisch und gesundheitlich eine Katastrophe. Der Kaffee ist eine Verarschung! Niedere Qualität und mit Sicherheit nicht Fairtrade. Die Ravioli, die ich gleich essen werde, sind mit Abfallfleisch aus der Massentierhaltung gefüllt … alles korrekt. Im Gegenzuge erhebe ich mich aber auch nicht über andere und behaupte, meine Kultur ist besser als Deine! Erfolgreicher! Weil oftmals skrupelloser, darüber können wir reden. Ich stelle mich auch nicht als Patriot auf die Straße und will das Abendland retten. Noch die Generation meiner Großeltern hat versucht dieses in Schutt und Asche zu legen. Was Euch jenseits des Abendlandes nicht dazu berechtigt es auch einmal zu versuchen. Es gibt keine Gerechtigkeit im Unrecht.

Ich versuche es im ersten Schritt mal mit Ehrlichkeit. Sich daneben zu benehmen ist auch immer eine Frage der Mittel. Wenn ich nichts habe, kann ich keine Wirtschaftsverbrechen begehen. Wenn ich Geld habe, werde ich nicht auf die Idee kommen, in der U-Bahn Leute zu verprügeln. Zivilisatorisch und kulturell sind alle Verhaltensweisen dieser Art Rohrkrepierer.

Also wenn schon über Kultur diskutieren – dann ehrlich. Alles auf den Tisch! Bestandsaufnahme und Änderungen herbei führen. Sonst einfach Klappe halten und volle Deckung. Wenn ich als Gesellschaft schon Mist baue, dann mit allen Konsequenzen. Wir wollen gut auf Kosten der anderen leben? Bin ich dabei! Hier ist warm, Wasser kommt aus der Wand, Licht funktioniert und meine Wäsche riecht ganz angenehm. Dazu müssen wir billig Rohstoffe einkaufen, dafür sorgen, dass die Herkunftsländer nicht auf dumme Ideen kommen und zuviel Geld haben wollen.Solange sie sich gegenseitig den Schädel einschlagen ist alles gut. Frauen mit Burka und rückständige Fusselbartträger werden meinen Töchtern keine qualifizierten Jobs wegnehmen. Wir kaufen den Armen für einen Spottpreis ihre CO2 Emissionen ab und bei uns raucht der Schornstein. Karl – Heinz arbeitet bei Heckler und Koch, steht in Lohn und Brot, während sich in Syrien die Idioten mit deutscher Waffentechnik den Schädel wegblasen.

Das hat aber alles nichts mit Kultur zu tun, die können wir uns nämlich gar nicht leisten, wenn wir auf dem Niveau weiter leben wollen, wie bisher. Das weiß jeder Nachrichtendienstler, der dafür die Drecksarbeit macht. Fazit: Jede Zigarette, jeder Billigkauf, jeder Schluck Kaffee, jeder Billigschuh, der Weichspüler, das Duschgel, die unnötige Fahrt mit dem SUV zum Zigarettenautomaten, die in der Dritten Welt genähte Outdoor – Jacke, ist ein kleiner Teil der Flüchtlingsproblematik, der Entwurzelung und der Flucht in religiösen Dogmatismus. Das macht den U-Bahn Schläger nicht zum bedauernswerten Wesen, aber unschuldig bin ich selbst daran nicht. Leitkultur? Na ja … vielleicht sollte ich mal wieder zu Weihnachten 50 EUR spenden und ein paar Joghurtbecher in den Recycling Müll entsorgen.