Randgruppe – ein harmloses Wort?

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Kürzlich fragte mich ein Leser meines BLOG in einer Mail, ob ich mir mal Gedanken über den in letzter Zeit häufig zu lesenden Begriff «Randgruppe» gemacht hätte, und ob dies nicht etwas für meinen BLOG wäre. Ich muss zugeben, dass ich mir bisher keine Gedanken darüber gemacht hatte.

Warum eigentlich nicht?

Zunächst einmal setzt sich das Wort wie so häufig aus zwei Bestandteilen zusammen. Eine unbestimmte Zahl an Individuen wird unter Anwendung von einem oder mehreren Kriterien zu einer Gruppe zusammengefasst. Im Prinzip wird die Datenbank «Gesellschaft» mittels eines Suchkriteriums abgefragt und alle Treffer zu einer Gruppe zusammengefügt. Damit gibt das Kriterium einen Hinweis auf denjenigen, welcher die Abfrage startete. Und weil menschliches Handeln immer ein Motiv erfordert, gibt es auch eine Information, wohin die Reise gehen soll. Doch was stellt den Rand dieser Gruppe dar? Offensichtlich ist keine andere Gruppe gemeint, sondern Individuen, die noch gerade mal so den Suchkriterien genügen.

Die Kombination wirkt meistens ein wenig herabwürdigend. Menschen wollen grundsätzlich einer Gemeinschaft zugehörig sein. Gemeinschaft wird in der Regel etwas unscharf mit Gruppe gleichgesetzt. Wer will schon in einer Gruppe an den Rand gedrängt werden?

Sich dort zu befinden, bedeutet beinahe schon, nicht mehr dabei zu sein oder die Notwendigkeit, sich in die Mitte zurückzukämpfen. Eine angenommene Randgruppe der Gesellschaft ist gedanklich mit einer Irrelevanz konnotiert. Die Priorität des politischen Handelns liegt im Zentrum der Gruppe, dort wo alle Kriterien zu 100 % stimmig sind. In der Regel wird sich derjenige, welcher von einer Randgruppe spricht, im Zentrum wähnen.

Besonders störte S. (mein Mitleser), dass beispielsweise Obdachlose, sozial geächtete Drogenabhängige, in der Presse und in politischen Aussagen zur Randgruppe deklariert werden. Nehme ich das Abfragekriterium: «Zeige mir alle auf dem politischen Gebiet Deutschland lebenden Personen!», sind sie Mitglied der Gruppe. Im nächsten Schritt könnte ich analysieren, wer in dieser Gruppe sozial verträglich Drogen konsumiert (unauffällig lebende Alkoholiker, Tablettenabhängige, beruflich erfolgreiche Kokain Konsumenten, Psychopharmaka Missbrauch pp.). Außerdem müsste ich mir anschauen, wer sich in das System passend eingefügt hat und eine Bleibe hat. Hiernach kämen die Fragen nach den Personen, welche sich außer Stande sahen, sich in das bestehende System einzufügen und so ihr Obdach verloren. Die Gründe können vielfältig sein. Dann wären jene zu betrachten, die aufgrund der Drogensucht nicht mehr an einem Leben teilnehmen, welches im Zentrum als lebenswert betrachtet wird. Aber immerhin befinden sie sich immer noch in meiner künstlich erstellten Abfragegruppe.

Bewege ich mich in der gedanklichen Praxis einer Gruppenunterteilung, ist per Logik zwingend die Existenz anderer Gruppen anzunehmen. Gehe ich nicht vom Rand einer Gruppe aus, sondern eröffne neue Gruppen, die ich als Randgruppen definiere, ergibt sich ein anderes Bild.

Ich verfüge nun über eine Gesamtgruppe (Gesellschaft), eine Hauptgruppe (etablierte und erwünschte Lebensweise – Zielgruppe des Abfragenden) und diverse Randgruppen, welche lediglich Teilkriterien erfüllen (Obdachlose, Junkies, Autonome, Anarchisten).

Unbestreitbar leben wir in einer inhomogenen Gesellschaft, die aus zahlreichen Gruppen besteht, die je nach Analyse Überschneidungen aufweisen. Doch es wird halt nicht von gleichberechtigten Gruppen ausgegangen, sondern es erfolgt eine Bewertung, u.a. nach der Anzahl der Mitglieder. Je größer die Anzahl um so gesellschaftlich relevanter ist sie. Dies klingt beinahe nach einem demokratischen Prinzip. Die Mehrheit bestimmt, was geschehen soll.

Doch basiert die Bewertung tatsächlich auf der Anzahl der Individuen? Die FDP eröffnet beispielsweise eine Gruppe «Leistungsträger». Es scheinen Personen mit einem guten Bildungsstand gemeint zu sein, die in unterschiedlicher Art und Weise Geld umsetzen. Von einem Mehrwert für die Gesamtgruppe ist hierbei noch nicht die Rede. Objektiv betrachtet leistet eine Krankenschwester mehr für die diese übergeordnete Gruppe, als ein Investmentbanker. Und obwohl sich in dieser seitens der FDP eröffneten Gruppe wenige Personen befinden, wird eine besondere Bewertung bzw. Privilegierung eingefordert. Dies setzt die anderen Gruppen im Ranking herab.

Die Union erzeugt eine Gruppe, in der sich alle befinden, die sich an der althergebrachten deutschen Moral und den Werten des ausgehenden 19. Jahrhunderts orientieren. Weiterhin Personen, die das feste hierarchische Gefüge aus der Zeit der industriellen Revolution akzeptieren. Für sie soll in der Bundesrepublik Deutschland die Politik gestaltet werden. In ihr befinden sich auch Beschäftigungslose, Drogenabhängige, insofern sie die moralischen Vorgaben akzeptieren und sich selbst als gescheitert definieren (Schuld auf sich geladen haben). Alle anderen werden in untergeordnete Gruppen verschoben. (Sozialisten, Kommunisten, GRÜNE, linksversiffte, Intellektuelle pp.) Ein wesentlicher Bestandteil des Gruppendenkens besteht darin, dass das Individuum gegenüber der übergeordneten Gruppenmoral, die ein höherrangiges Gesamtinteresse inne hat, zurückzutreten hat. Alles was der Mehrheit dient, ist zulässig, während im Zweifel die Rechte des Einzelnen, also wenn dadurch ein Vorteil für die anderen entsteht, einzuschränken sind.

Es geht somit nicht um gleichberechtigte Gruppen. Sie befinden sich teilweise in Konkurrenz zueinander. Die größeren Gruppen ersehen sich egozentrisch als die maßgebliche Hauptgruppe und umso kleiner die Anzahl der Mitglieder und das vermeintliche Ranking anderer Gruppen ist, desto höher wird das Risiko, das Label «Randgruppe» zu erhalten. Hieraus ergibt sich auch der Umstand, dass diese Gruppen nicht an der politischen Gestaltung beteiligt werden. Die Finanzkraft einer kleinen Gruppe hebt alles auf. Personell eigentlich eine Randgruppe, wird sie durch die Kaufkraft zu einer politisch relevanten Gruppe.

Eine extreme Erscheinungsform des Gruppenprinzips ist das «Völkische Prinzip». Aus allen existierenden Gruppen wird mit physikalischer oder psychischer Gewalt eine große homogene Gruppe erstellt, in der «kameradschaftliche» Prinzipien herrschen. Über ihr existiert eine Führungsperson oder Clique, die die Ausrichtung vorgibt. Spätestens hier beginnen die Probleme, welches dieses Gruppenprinzip mit sich bringt.

Group – Thinking, Gruppenmoral, Gruppendruck, kommen zum Tragen. Hierzu gibt es diverse Untersuchungen. Werden die sich negativ auswirkenden Aspekte nicht berücksichtig, kommt es zur Katastrophe. Wenn das Individuum nicht mehr seinen Anteil am Gesamtgeschehen erkennen kann, endet die Verantwortungsübernahme und damit auch die Freiheit.

Wer von Randgruppen spricht, akzeptiert eine Gesellschaft, welche zum Zwecke einer besseren Administration in Gruppen aufgeteilt wird. Eine, in der ein Einzelner einen erheblichen Aufwand betreiben muss, um ein freies Leben zu führen. Wer seine Freiheit lebt, landet schnell in einer dieser geschmähten Randgruppen und damit im Abseits.

Nach 1945 wurde dies in Bezug auf die zurückliegenden Jahre des Nationalsozialismus und der Perioden, die dort hinführten, seitens der “Neuen Frankfurter Schule” intensiv betrachtet. Hinzugefügt wurde das in Deutschland, wenigstens bis in die 2000er Jahre andauernde ausgeprägte patriarchalische Hierarchiesystem. Dabei ist es unwichtig, ob sich eine Frau an der Spitze befindet, wenn sie starre Über- /Unterordnungsverhältnisse, die mit Machtmitteln verteidigt werden, favorisiert. Individualität, stetig wechselnde Gruppen, dynamische Zugehörigkeiten und situative Hierarchien, vertragen sich nicht mit autoritären Systemen. Doch genau zum Gegenteil neigen die Deutschen (Nicht nur die, aber ich bin nun mal Deutscher und kehre vor der eigenen Tür).

Auch die aktuelle Ausgestaltung des Kapitalismus ist im Grunde genommen ausschließlich mit dieser Praxis des Bildens von festen Gruppen (Zielgruppen, Leistungsträger, bezeichnete Konsumentengruppen, Manipulationsansätze/PR/Werbung,pp.) denkbar. Z.B. werden ehemals gesellschaftlich identitätsstiftende Faktoren, wie Bildung, Lebensleistung, Vorreiterrollen, spirituelle Tiefe, durch ästhetische (im philosophischen Sinne) Bedürfniserfüllung, käufliche Statussymbole, welche seitens der Gruppe akzeptiert werden, ersetzt. Man nehme beispielsweise einen qualitativ hochwertigen Sportschuh ohne eine in der Gruppe “Prekariat” akzeptierte Markenbezeichnung und versuche ihn dort zu verkaufen – keine Chance!

Zuvor wurde einiges an Aufwand betrieben, um die Herrschaft über das Gruppenbedürfnis zu bekommen, welches den Absatz eines minderwertigen Produkts ermöglicht. Was in der Wirtschaft funktioniert, klappt auch politisch. Seitens der Populisten wird gezielt auf das Gruppendenken eingewirkt, der wiederum in einem Druck auf das Individuum mündet. Die Überzeugung des einzelnen Wählers, die harte Argumente erfordert, ist nicht mehr notwendig. Am Ende verwischen sich die Grenzen zwischen wirtschaftlichen und sozialpolitischen Interessen und die Demokratie wird zur Illusion.

Journalisten und Politiker, die in diesen Kategorien denken, geben ihre eigene Gruppenherkunft zu erkennen. Die sich dort in den Randgruppen befinden, haben nicht passenden Stallgeruch. Sie gehören nicht dazu und werden deshalb von außerhalb her betrachtet.

Und hier schlage ich den Bogen zu den Obdachlosen und sozial ausgestoßenen Drogenabhängigen. Ich betone es immer wieder. Jeder ist ein Teil des Ganzen und damit ist es auch anteilig in jedem Individuum vorhanden. Der Weg in eine dieser angenommenen Randgruppen, ist bisweilen ein sehr kurzer. Eine Scheidung, unglückliche Begleitumstände, eine Fehlinvestition, ein Schicksalsschlag und der Abstieg beginnt. Mit Sicherheit ist eine Gruppierung im administrativen Handeln an vielen Stellen notwendig. Das bedeutet noch lange nicht, dass ich dies ins alltägliche Leben eingliedern muss. Menschen haben eine individuelle Kennzeichnung, die sich in einem Namen, Geburtsdatum und vor allem individueller Existenz spiegelt.

Ich selbst gehe immer mehr dazu über, Gruppenbezeichnungen zu umgehen. Zugegeben, es gelingt mir nicht jedes Mal. Doch die Wirkung ist interessant. Rechts, links, konservativ, Hartz IV, obdachlos, die Arbeiter, die Leistungsträger, die Kriminellen, all dies sind Label. Dabei macht es einen Unterschied, ob sich jemand freiwillig und öffentlich selbst einer Gruppe zuordnet (Partei – o. Vereinsmitgliedschaft, Religionszugehörigkeit, Orientierung in eine bestimmte Richtung der Pressearbeit, investigativ, populär, Boulevard, bezahltes PR Abhängigkeitsverhältnis (WELT, BILD, FOKUS, NZ), oder von fremder Seite her, ein Label aufgedrückt bekommt. Flüchtlinge, Asylanten, Ausländer, Hartz IV, Drogenabhängige, können sich schwer dagegen wehren.

Manch einer, der ein völkisches Gesellschaftssystem und eine nach außen abgeschottete Ordnung favorisiert, versteckt sich geschickt hinter einem an sich unpassenden Label. Mir fallen in der Politik spontan einige Personen ein, die aufgrund ihrer narzisstischen oder gar psychopathischen Struktur, überhaupt nicht in die Schublade passen, in die sie sich gelegt haben.

Lieber S., aus meiner Sicht heraus, stößt Du Dich vollkommen zu Recht an dem Begriff Randgruppe. Aber auf der anderen Seite, finde ich es gut, wenn Leute das Wort verwenden. Jedes Wort, welches ich verwende, gibt eine Information über mich an die Außenwelt weiter. Hinzu kommt, dass es sehr verräterisch ist, wen ich in eine Randgruppe einsortiere. Gerade in einer Zeit, in der sich Politik und Journalismus im Lobbyismus, Geld, negativer Manipulation zugunsten eines außer Kontrolle geratenen Wirtschaftssystems, welches Demokratien kauft, verlieren, ist jede Information, über den Standort wichtig.

Ist da draußen wer?

Lesedauer 4 Minuten

Ein Gedankenspiel:

In einer Gemeinde gibt es einen Baggersee mit gefährlichen Strömungen und Strudeln. Die Gemeindevertreter stellen hieraufhin an allen vier Himmelsrichtungen gut sichtbare Schilder mit der Aufschrift: «Baden verboten! Lebensgefahr!», auf. Nach einiger Zeit passiert das, was in solchen Fällen immer passiert. Das «sapiens» beim «homo» setzt sich mal wieder nicht durch und einige zugängliche Stellen avancieren zur Badestelle.
In einer zweiten Gemeinderatssitzung zum Thema, wird beschlossen, Rettungsringe und Stangen für die Eisrettung aufzustellen, zumal der See im Winter auch gern als Abkürzung benutzt wird. Parallel beschließt die Jugendfeuerwehr, wenigstens an den sonnigen Wochenenden freiwillig einen Rettungsdienst einzurichten. Ein Ratsmitglied ist darüber empört. Er argumentiert, dass die Gemeindemitglieder niemals begreifen werden, dass der See gefährlich ist, wenn nicht auch mal etwas passiert. Immerhin gäbe es eine alte Deutsche Volksweise, die da besagt: «Wer nicht hören kann, muss fühlen» und es heißt weiter: «Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um!»
Würden ihm die anderen Gemeinderäte zu stimmen? Ist es ethisch vertretbar das putativ anzunehmende Ertrinken eines Badenden zur Abschreckung zu benutzen? Wird ein Lebewesen in diesem Falle instrumentalisiert bzw. Mittel zum Zweck?
Inwiefern lässt sich dieser Sachverhalt auf das Mittelmeer übertragen? Die Gegner der Seerettungsschiffe argumentieren, dass sich die Flüchtlinge auf eine Rettung verlassen. Deshalb steigen sie unbekümmert in die Boote. Ist diese Überlegung schlüssig? Wie hoch kann ich als Flüchtling meine Chancen einschätzen, dass ich auf dem Mittelmeer von einem der wenigen Schiffe im Falle einer Seenot gerettet werde? Funk oder Signalmittel geben mir die Schleuser nicht mit. Sie wären auch eher kontraproduktiv, da ich so auch die Küstenwache herbei holen würde.
Die Kritiker setzen auf ein Nullsummenspiel. Wenn die Flüchtlinge zu 100 % nicht davon ausgehen können, gerettet zu werden, steigen sie auch nicht in die Boote. Diese Botschaft muss nur bei Ihnen ankommen. Teil der Botschaft ist die Verhinderung eines Auslaufens von Rettungsschiffen. All diejenigen, bei denen die Botschaft noch nicht angekommen ist, verlassen sich aus dem Blickwinkel der Blockierer noch auf den alten Zustand. Sie sind sozusagen die bedauerlichen Opfer einer Interimlösung.
Was ist mit der Position des Flüchtlings? Bedingt durch die Vernetzung in der modernen Welt stehen ihm folgende Informationen zur Verfügung:
1. Es gibt keine Rettungsschiffe mehr, die ihn im Zweifel herausholen.
2. Es ertrinken nicht alle. Ein nicht näher ermittelbarer Teil kommt durch.
3. Er muss eine Abwägung durchführen. Wie hoch sind meine Chancen nicht zu ertrinken im Verhältnis zur sozialen Verelendung im Falle einer Rückkehr, Unterbringung in einem nordafrikanischen Lager oder wildes Leben in feindlicher Umgebung.
Den bisher bekannten allgemeinen Erkenntnissen über menschliches Verhalten nach, muss davon ausgegangen werden, dass sich ein nicht geringer Teil für die See entscheidet. Wir kennen für dieses Dilemma zig analoge Beispiele. Nehmen wir zum Beispiel den Insassen eines Kriegsgefangenenlagers, der eine Flucht plant. Bei der Wertung aller Umstände sind seine Überlebenschancen innerhalb des Lagers größer, als wenn er auf der Flucht erschossen wird. Trotzdem unternehmen einige einen Fluchtversuch.

Es ist die alte Frage. Lieber das Ungewisse, aber eine Chance, oder das bekannte bestehende Schlechte.

Wie steht es mit den Zielen und Möglichkeiten? Mit den Rettungsschiffen könnten Ertrinkende gerettet werden. Laufen sie nicht aus, ist das ein zielorientiertes Unterlassen. Mit der Gefahr des Ertrinkens soll den Flüchtlingen eine Botschaft übermittelt werden: Wir holen Euch nicht raus! Darüber hinaus soll mittels Unterlassen erreicht werden, dass keine illegale Migration nach EUROPA stattfindet.
Anders: Ein Appell an eine nicht vorhandene und nicht zu erwartende Vernunft eines Menschen in einer Ausnahmesituation, damit a) weniger kommen b) der Bürger beruhigt ist und c) der Politiker wieder gewählt wird.
In einem zweiten Gedankengang ergibt sich die Option, die flüchtenden Menschen/Familien gar nicht erst ans Meer gelangen zu lassen. Um dieses zu erreichen, zahlt die EU an die betroffenen Transitstaaten Gelder zur Einrichtung von Kontrollstationen an den alten Karawanenstraßen. Die Flüchtenden weichen deshalb auf die unsicheren Strecken aus. Woraufhin die Sahara zum Friedhof wird.
Der Logik nach müsste man also noch einen Punkt vorher ansetzen. In meinem Anfangsbeispiel könnte der Gemeinderat eine Sicherung des Sees vornehmen, in dem er an festen Stellen Baggerarbeiten durchführt, die die Strudel beseitigen. Den Rest des Ufers könnte man Bepflanzen, so dass die Badegäste wegen des dichten Gestrüpps kein Interesse am Baden zeigen und lieber auf die sicheren Stellen ausweichen.
Bei den Flüchtenden würden wir in den Herkunftsländern ansetzen müssen. Also unter anderen dort, wo die Leute in Minen für unsere Mobiltelefone die notwendigen Rohstoffe schürfen. Oder dort, wo mit Containerschiffen unser Plastikmüll und chemischer Sondermüll ankommt. In den Ländern, wo Konzerne aktuell die Wasserrechte aufkaufen und im Gegenzuge Machtcliquen in der Regierung installieren. Vielleicht müssten wir auch einsehen, dass die letzten zweihundert Jahre eine Kluft in der Entwicklung geschaffen haben, die die nie wieder schließen können, weshalb sie massive Unterstützung brauchen, die weit das Bisherige übersteigt.
Das alles würde a) dem Bürger nicht gefallen und b) dem Politiker keine Wiederwahl bescheren und c) Leute an die Macht bringen, die ganz andere Lösungen in Portfolio haben.
Warum dann nicht wenigstens die Jugendfeuerwehr in der Freizeit ihr Ding machen, bzw. die NGO uns wenigstens ein wenig den Anstrich von Humanismus geben lassen?

Ich meine darunter ist dann immer noch fauliges Holz, aber mit ein wenig Farbe sieht es schöner aus.

In den alten Tagen meldeten sich zu solchen Problemen lautstark die Philosophen der Zeit zu Wort. Schwerlich kann man einen Marx, Horckheimer, Adorno, Habermas, Fromm, Sartre, Marcuse exhumieren. Aber beschränkt sich Deutschland mittlerweile auf die medial präsenten Precht und Lesch? Wo sind die großen Wortführer außerhalb des Parlaments, die den Seehofers, Söders, Dobrindts, Gaulands, Weidels, die Leviten lesen?  Wo findet die interdisziplinäre ethische, philosophische, spieltheoretische Diskussion statt? Wo sind die Utilitaristen, Humanisten, Existenzialisten, Materialisten?
Ich suche dann mal weiter …

Faschismus? – nur eine PR Methode!

Lesedauer 8 MinutenWer kennt sie nicht? Die lieben Zeitgenossen, die weder ein Nazi sind, noch jemanden etwas zu Leide tun wollen, sich die Kritik an ihrer Wortwahl verbitten und lediglich ein aufrechter Deutscher sein wollen. Meistens ist für sie längst der Zeitpunkt gekommen, mit der deutschen Vergangenheit abzuschließen. Nicht wenige dieser Leute, haben auch keinerlei Skrupel, die Verfolgungsmethoden, Propaganda der Nationalsozialisten, Pogrome und den Holocaust, mit Ihnen begegnenden Anfeindungen gleich zu setzen. Einstmals befanden sich diese Menschen irgendwo in ihren versteckten Nischen und gaben dies häufig im kleinen Kreis beim dritten und vierten Bier. Heute verfügen sie über einen Rechner und Smartphone. Ein Kommentar ist schnell getippt.

Dabei fällt keinem dieser Kommentatoren auf, wie uniformiert, gleichlautend und monoton sie sich gemeinsam äußern. Der Begriff Faschismus bzw. eine der Unterarten, der Nationalsozialismus wird inflationär benutzt, da muss man einigen zustimmen. Faschisten sind im allgemeinen Verständnis Monster und werden in Deutschland verständlicherweise sofort mit dem Holocaust verbunden. Da geht es in den Diskussionen wild durcheinander. Nationalismus, Patriotismus, werden allzugern mit dem Faschismus in einen Topf geworfen.

Nationalismus ist das Eingehen einer Verpflichtung gegenüber einer Nation. Ein gemeinsamer Nenner vieler unterschiedlicher Menschen, die sich gegenseitig nicht kennen, aber unter diesem Deckel gemeinsam agieren können. Parallel dazu haben sie unzählige zusätzlich voneinander verschiedene Verpflichtungen und Verantwortungen. Familie, Verein, dem persönlichen Way of Life, der Ethik, und was sonst noch alles denkbar ist. Faschisten ticken anders. Sie kennen ausschließlich eine Verpflichtung: Die eigene Nation! Ihrer Auffassung nach ist sie die tollste, schönste, einzigartige, allen anderen Überlegene. Halbwegs akzeptabel können allein ähnliche Nationen sein. Im Licht dieses überzogenen irrealen Bildes sonnen sie sich. Fehler, Unzulänglichkeiten, kulturelle Fehlentwicklungen, Marotten, werden gnadenlos ausgeblendet. Wen wundert es, wenn die Verblendeten allergisch auf Satire, Humor oder Querdenker reagieren?

Bei der Demonstration gegen die Kundgebung der AfD trat ein Überlebender des Holocaust ans Mikrofon und wies die Zuhörer darauf hin, dass die durch den Faschismus Verführten nichts mehr Hassen, als das Lachen über sie. Gehässiges Lachen über andere, um sie klein zu machen, beherrschen sie dagegen in Perfektion. Faschismus ist eine Verführung, die einem schmeichelt. Die Könige der Verführung und Manipulation sind die Strategen der Werbung. Angst, Hass, Eitelkeit, sind die Schalter in jedem Kopf. Es gilt sie in der richtigen Art und Weise zu drücken. Die PR Strategen haben dies immer mehr verfeinert und die Faschisten bedienen sich an ihrem Repertoire. Ich glaube sehr wenige Menschen treffen bei der Wahl eine rationale Entscheidung. Schon deshalb nicht, weil unsere Welt und die politischen Vorgänge viel zu komplex sind. Ich wähle die, welche genau dieses einräumen und mir das Vertrauen geben, dass sie keine einfachen Lösungen parat haben.

Jeder, der mir erzählt, dass die Kultur meiner Nation hochwertiger ist, wie die einer anderen Nation und ich als Deutscher eine besondere Stellung einnehme, lässt bei mir alle Alarmglocken angehen. Gleichfalls reagiere ich skeptisch, wenn mir Angst gemacht werden soll.

Die Verführer sind für mich die Faschisten. Menschen die gezielt, Angst, Hass, Eitelkeit, zur Manipulation einsetzen, damit sie eine Machtstellung bekommen. Der echte Faschist ist ein Verkäufer, sein Lohn ist die Macht. Die Kommentatoren sind dankbare Käufer und da liegt das Problem. Denn es handelt sich um einen Markt, mit mehreren Mitbewerbern. Die Währung Macht haben wir alle in der Tasche. Alle die sich daran beteiligen, arbeiten gemeinsam in eine Richtung. Ob es nun die Presse ist, die sich zum willfährigen Werkzeug machen lässt oder unter Umständen unmittelbar bezahlt wird, Politiker die in der Bevölkerung abstrakte Ängste schüren bzw. nicht beruhigend einwirken, Konzerne die mit der Angst Unsummen umsetzen, sie alle sind beteiligt.

Letztens schrieb ein Twitterer in einer Diskussion, man solle doch den Deutschen vertrauen, sie hätten aus der Geschichte gelernt und die Übernahme der Republik durch Faschisten wäre unwahrscheinlich. Sie startete mit einem Tweet, in dem davon berichtet wurde, dass Schüler einen jüdischen Mitschüler an der Berliner John – F. – Kennedy Schule mobbten. Ich denke, er übersieht die Möglichkeiten der Digitalisierung. Ich teile seine Meinung, dass wir Faschisten der alten Machart nicht erleben werden. Wer in Zukunft eine ganze Nation diktatorisch führen will, braucht die Daten der Menschen. Diese befähigen ihn oder sie quasi zu einer biologischen Hackerattacke. Die Kampagnen der AfD sind erst der harmlose Anfang einer dunklen Zukunft. Mittels der gesammelten Daten lässt sich eruieren, wie die Schalter am effektivsten umgelegt werden können.

Es geht um die Macht, Menschenmassen zu manipulieren. Was sich da am Horizont abzeichnet, ist nichts Neues. Zumindest hat sich bereits Aldous Huxley darüber Gedanken gemacht. Ihm fehlte für seine Utopie «A brave new World» eine Zutat: die Digitalisierung. Bei ihm mussten Wissenschaftler die Konditionierung für die spätere Rolle im Leben, mühsam mit einfachsten Mitteln vornehmen. Heute braucht dafür keiner mehr Wissenschaftler, sondern eine PR Agentur und einige Computerspezialisten. In den letzten Tagen bemerkte ich, wie sich nach und nach die eingeblendeten Nachrichten, Werbung und die Charaktere der Kommentatoren bei Twitter und Facebook in meiner Timeline veränderten. Zu informativen Zwecken hatte ich alles rund um die AfD abonniert. Prompt bekam ich auch die passenden Meldungen und verstärkt Twitterer aus dem Umfeld der AfD eingespielt.

Ich machte die Gegenprobe. Nachdem ich alle offiziellen Accounts der AfD abgeschaltet hatte, stattdessen sie gegen die CDU eintauschte, veränderte sich das Bild. Prompt drängten sich einschlägige CDU nahe Presseveröffentlichungen in den Vordergrund.Ich erweiterte den Versuch um einige Optionen. Der Algorithmus passte sich mit einem Verzug von drei Tagen an. Mit Google erging es mir nicht viel anders. Das bedeutet: Selbst, wenn sich einer die Mühe macht, täglich Pressemeldungen, Artikel, Abhandlungen, aus den unterschiedlichsten Richtungen zu lesen, landet er nach ca. zwei Wochen auf einer vorbereiteten Bahn. Nur, wer versiert im Umgang mit den passenden Gegenmaßnahmen ist, hat eine Chance neue Anregungen für Analysen zu bekommen. Wer macht das schon und hat vor allem die Zeit dafür?

Seither prüfe ich jedes mir wichtige Suchergebnis mit der Suchmaschine Metager gegen. Ich schließe aus, dass sich diese Mühe viele Menschen machen.

Die Faschisten von Morgen sind die Schüler Edward Louis Bernays, dem Erfinder des Public Relation. Sie kombinieren seine Techniken, mit Daten sammeln und den darauf basierenden Erkenntnissen. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird Propaganda überflüssig sein, da die Leute ohnehin schon die passende Meinung implantiert bekommen haben. Meine Sorge vor der AfD habe ich längst verloren. Meiner persönlichen Prognose nach, ist es nur eine Frage der Zeit, dass kommerzielle finanziell gut ausgestattete Kräfte still und heimlich eine Gegenoffensive starten werden. Flüchtende Menschen sind bares Geld. Innereuropäische Grenzen liegen ganz und gar nicht im Interesse dieser Kräfte, wohingegen eine vorgelagerte Abwehr, durchaus ein passendes Konzept sind. Zumal sich humanitäre Katastrophen in anderen Ländern deutlich besser medial verkaufen lassen, wie wenn sie direkt vor der Haustür stattfinden. Der Export und Verkauf von Drohnen, Kameras, Grenzanlagen und Spezialfahrzeugen ist bereits im vollen Gange. Wer sich die Reportagen über die Sicherungen der uralten Handelswege auf dem afrikanischen Kontinent, die Grenzzäune und die Elendslager vor den europäischen Enklaven, ansieht, weiß dass diese vorgelagerten Sicherungen längst existieren. Im Prinzip funktioniert das alles, wie ein Ventil. Der in Europa teuer und schwer zu entsorgende Müll, die Waffen, in Europa nicht verkaufbare Essensabfälle gehen rein, Rohstoffe gehen raus und die flüchtenden Menschen werden drin behalten.

Begleitet wird das von Kampagnen, die den Europäer darüber hinwegsehen lassen sollen, bzw. diese Vorgehensweise legitimieren. Im übertragenen Sinne werden die Menschen in den Ländern der Dritten Welt die von Huxley beschriebenen Wilden.

Ähnliches wird sich im Inland abspielen. Das Arbeitsmotto lautet: Wer nichts zu verbergen hat, muss nichts befürchten. Theoretisch müsste diese Aussage für alle gelten. Dann würden wir in einer Welt leben, in der auch Konzerne, Mächtige und Reiche nichts zu verbergen hätten. Das wird nicht passieren. Kameras, Sicherungskonzepte, Manipulationen werden hauptsächlich in den sozialen Brennpunkten zum Einsatz kommen. Dies mittels Kampagnen den zukünftig Überwachten schmackhaft zu machen, läuft schon lange. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich Smart Fernseher identisch zu Computern entwickeln. Bisher wird die Werbung lediglich oben links eingeblendet. In naher Zukunft werden sich komplette Werbeblöcke nach den Fernsehgewohnheiten ausrichten. Seitens einiger PR Strategen wurden bereits Versuche unternommen, über die Ausstattung und Produktplatzierungen hinaus, Texte der Skripte zu beeinflussen.

Diktaturen durch eine klassische Regierung sind Schnee von Gestern. Regieren bedeutet nichts anderes, wie die Regulierung des öffentlichen Lebens im Innern und nach außen hin. Meiner Meinung nach, wird das Rennen derjenige machen, der die Möglichkeit besitzt die meisten Daten zu ergattern und über die Möglichkeiten verfügt, sie auszuwerten. Bislang sind alle zuvor daran gescheitert. Zu meiner Schulzeit hieß es noch, dass eine zentrale Planwirtschaft immer an der Individualität und der mangelnden Berechenbarkeit des Verbrauchers scheitern wird. Gleichermaßen verhielte es sich mit Diktaturen. Nun wird es nicht mehr allzu lange dauern, bis wird die Möglichkeiten haben. Es ist ein Weg entstanden, die Individualität unter Kontrolle zu bekommen. Das Monster Faschist ist ein Dinosaurier. All die Kommentatoren, die sich alle mehr oder weniger gleich äußern, befinden sich in den Fängen von etwas Neuen, welches sich der alten Erkenntnisse bedient. Große Teile der Bevölkerung haben längst ihre Identität und Persönlichkeit verloren, sie wissen es teilweise nicht. Die «Hartzer», «bildungsfernen Schichten», «Flüchtlinge», «Migranten», alle zusammenfassenden Bezeichnungen berauben sie der Persönlichkeit, sie werden zur verfügbaren Masse.

Flüchtlinge, Islamisierung usw. sind lediglich der Beginn. Vernichtungslager wird es keine mehr geben. Der Mensch ist kommerziell viel zu wertvoll, solange er am Leben ist. Es ist nicht verwunderlich, wie ärgerlich massenhafte Fluchten sind. Immerhin gehen den Minenbesitzern, den Konzernen mit ausgelagerten Billigproduktionen und den Rüstungsschmieden Kunden bzw. Sklavenarbeiter aus. Inländisch war der nunmehr bereits zurückliegende erste Schritt die Veränderung der Sozialsysteme. Die neue unterste Schicht wird gerade noch so am Leben erhalten, damit sie nicht auf die Straße gehen. Zugleich wird sie immer mehr an die Ränder der Städte in Silos verdrängt, während sich die darüber liegende Schicht in den Innenstädten tummelt. Mittels Fernsehen, Sportveranstaltungen, Computerspielen pp. werden die in den ausgelagerten Ghettos bei Laune gehalten.
Der neueste Trend ist der Bau von Siedlungen um von Konzernen aus betriebenen Discountern, durch diese selbst. Die Verfügungsmasse wird um den Konsumtempel herum geschart. Eine logische und nachvollziehbare Entwicklung. Wer in einer Gegend mit tausenden unmittelbaren Nachbarn wohnt, in der nicht einmal mehr dieses passiert, sollte sich Gedanken machen.

Wir Deutschen, wir Mittel – Europäer, mit unseren hervorragenden einzigartigen kulturellen Leistungen, basierend auf den bemerkenswerten weltweit einzigartigen Tugenden, bestimmen darüber, wer es aus den anderen Kulturen wert ist, zu uns zu kommen. Jedoch nur, wenn sie oder er bereit ist, die eigene zu Gunsten der Siegerkultur aufzugeben. Es besteht ein Anspruch darauf, dass zu uns nur die Besten der Besten kommen, denn wir sind die Bundesliga der internationalen Gesellschaften, sonst wären die anderen nicht vor ihrer geflüchtet. Es gilt die herannahenden primitiven Horden abzuwehren. Zur Erinnerung: Wenn Nationalismus, dazu führt, dass man sich nur noch ausschließlich der eigenen Nation gegenüber verpflichtet fühlt, steht man beidbeinig im Faschismus. Selbst ethische Verpflichtungen treten dann gegenüber dem Nationalismus zurück. Unter dieser Maßgabe, kann man zur Rettung der Nation schon mal ein paar Tausend absaufen lassen, die gleiche Anzahl und mehr in Lagern zusammensperren und den Rest vom Schützenfest in der Sahara verhungern lassen.

Selbstredend haben diverse Ankömmlinge keinerlei Kultur mehr. Mit Verlaub: Wenn ich mich durch eine Wüste gekämpft hätte, einige hundert hart zusammengekratzte Dollar an übelriechende Unsympathen gegeben habe, danach ein halbes Jahr in einem wilden Lager lebte, mich dann in ein Schlauchboot setzte … wären Kultur und Ethik auch nicht mehr meine vorrangigen Lebensprobleme.

Gestern Abend war ich beinahe ein wenig um Edmund Stoiber besorgt. Er saß in einer Talkshow und stand vor kurz vor einer Herzattacke, als der CSU Rechtspopulismus vorgeworfen wurde. Dabei ist es nicht der Fall, dass Rechtspopulismus in der Republik etwas Unerwartetes ist. Nach 1945 musste die Nachfolgeneration bis zum Mauerfall intensiv gegen die Reste des Nationalsozialismus und den Auswirkungen in den Köpfen der Deutschen kämpfen. Dieser Kampf wurde je durch die Wende unterbrochen. Ich kenne viele, die ein grosses Deutschland kritisch betrachteten.

Mich wundert es überhaupt nicht, dass ausgerechnet Vertreter aus dem provinziell geprägten Bürgertum, wie es ein Söder, Seehofer, Dobrindt, eine Bär oder ähnliche Kandidaten repräsentieren, sich der Sprachmuster einer AfD anpassen. Stoiber verwies in seiner Gegenrede, auf die vielen engagierten Bürgermeister. Er übersieht dabei, dass es zwischen den konservativen Strömungen und den Faschisten schon immer einen breiten Grauszonenbereich gab. Was aktuell passiert, ist die organisierte Verteidigung einer gut aufgestellten Schicht, gegen alles darunter. Ein Verteidigungsmittel war schon immer der nackte Fingerzeig auf einen Buhmann, das Bedienen von Eitelkeiten, das Schüren von Hass und die Angstmacherei. Nichts anderes macht die CSU. Wie sie das nennen, ist ihnen selbst überlassen. Bezeichnungen sind Schall und Rauch, die Handlungen, Strategien und die verfolgten Ziele zählen.

Rhetorisch gibt es einen klassischen Unterschied zwischen der Überredungs- und der Überzeugungskunst. Einen mündigen Bürger muss ich mittels Argumente überzeugen, einen sich devot unterordnenden Bürger, ergreife ich bei seinen niederen Instinkten. Spätestens mit seinem Euphemismus Asyltourismus, wenn nicht schon bei der Flüchtlingsindustrie, hat Söder die Karten auf den Tisch gepackt. Von einem mündigen Bürger gehen die alle nicht aus. Würde ich selbst vermutlich auch nicht tun. Bleibt die Frage offen, wo sie die Bürger hinführen wollen. Verführen oder in eine ethisch vertretbare Richtung lenken?

Ich kann zwischen den Aufsichtsräten und der Regierung keinen Unterschied mehr erkennen, spätestens dann nicht, wenn sie nach ihrer politischen Karriere bei den Konzernen in Lohn und Brot stehen. Damit haben die Konzerne längst übernommen und eine kaschierte Diktatur installiert, die der unteren Ebene eine pseudo – Demokratie auf der regionalen Ebene zugesteht. Faschismus, Nationalsozialismus sind meines Erachtens nicht mehr das Thema. Dies sind nur noch Bezeichnungen dafür, wie sie es machen – aber vielleicht war das nie anders? Immerhin wurde Hitler auch von der Hochfinanz unterstützt. In der alten Zeit gab es Sklavenhandel und Kolonialismus. Beides haben wir der “politischen” Führung untersagt. In die entstehende Lücke sind die “kommerziellen” Regierungen gegrätscht.

Und was mache ich dagegen? Dusseliges Zeug schreiben und beobachten. Hat sich nichts geändert, nur durfte ich früher am Ende den Täter festnehmen. Das hat sich erledigt. Na mal schauen. Es gibt da draußen richtig viele junge schlaue Köpfe, vielleicht lassen sich nicht alle kaufen. Die Trottel aus dem “linksextremistischen” Lager werden es nicht ändern. Die befinden sich in einer vorübergehenden Lebensphase, einer Art verlängerter Pubertät, bis sie sich vom Kommerz einkaufen lassen. Auf den kleinbürgerlichen Trümmerhaufen, der die Mehrheit der Wählerstimmen erhielt und vermutlich auch wieder bekommen wird, setze ich jedenfalls nicht mehr.

Eine überraschende Wende … so sieht Leben aus!

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„Mach’s gut, Pali!“ ,war als trauriger Abschied hochgeladen. Was sollte jetzt noch kommen? Die Resignation hatte sich schon in den Tagen zuvor eingestellt. Telefonate, Abschiedsbesuche bei den vielen gewonnenen Freunden in Deutschland, alles nahm seinen Gang. Traurig saßen wir uns beide um 03:00 Uhr gegenüber. Ein Rückflug war zu buchen, aber das Geld der Eltern war noch nicht auf dem Konto.

Es war bitter, ihm nach dem Aufstehen und den langen Tagen des Bangens beim Tippen auf dem Rechner zuzusehen. Diesmal war es keine Bewerbung. Nochmals sah ich auf seine Sachen, die er im Vorraum abgestellt hatte. Ausgerechnet Kafka „Die Verwandlung“ lag auf einem der Koffer. Lustlos las ich meine Mails. Die gute Fr. Jarasch hatte sich noch einmal gemeldet. Bei Ihr sollte ich mich nochmals persönlich melden. Immerhin war ihr Engagement ein echter Lichtblick in diesen Tagen gewesen. Ich schickte Ihr den Link zum Beitrag und ein paar frustrierte Worte. Der Rest der Truppe meldete sich auf allen Ebenen. Vorbei! Die Schlacht ist geschlagen.

Ich dachte an den Anfang zurück. Ich sagte zu ihm: „Du hast mich gefragt, warum ich das alles tue. Ich sag es Dir. Ich kann nicht die Welt und jeden da draußen retten. Das wird nicht funktionieren. Aber ich habe mal etwas von der Gesellschaft bekommen. Mir wurde die Möglichkeit gegeben mich zu bilden u. das Wissen wie man sie erlangt vermittelt. Wenn das Leben mit der Forderung etwas zurückzugeben unmittelbar an mich herantritt, kann ich handeln. Deshalb helfe ich Dir! Dafür musst Du Dich nicht bedanken, dass ist meine Geschichte.“

In diese Gedanken drängte sich mein Telefon mit einem penetranten Klingelton hinein. „Sofort den Flug stornieren!“
„Bitte?“
„Er bekommt seine Chance! Er bekommt die Zeit sich zum Wintersemester an der Uni anzumelden!“

Der Pali schickte sich just in diesem Augenblick an, seine Buchung mit einem Tastendruck zu bestätigen. „Stopp!“, rief ich dem verdutzten Pali zu. „Du kriegst Deine Chance!“ Zu weiteren Worten war ich am Telefon erst einmal nicht fähig. Der Stress, die Emotionen, das komplette Drumherum überwältigte mich. Ich setzte mich auf den Boden und die Tränen rannen über mein Gesicht. Der Pali verbarg sein Gesicht in den Händen. Dann hob er den Kopf und sagte: “Das ist alles ein Film, oder?” Ich schaute ihn an. “Nein, ich glaube das nennt sich Leben!”

Was hatte das ehemalige Mitglied einer italienischen Anti – Mafia Einheit zu mir gesagt?: „Hör auf, gegen das Böse zu kämpfen, sondern kämpfe für das Gute!“ Ich verstehe jetzt, was er meinte. Es ist ein Unterschied, ob ich einen aus dem Rennen nehme, oder einen hinein bringe. Das Gefühl ähnelt dem Erfolg in einer Entführungslage. Der Täter ist irgendwann egal, die Freude überkommt einen, wenn das Opfer befreit ist.

Trotzdem habe ich wenig Grund an meinem Fazit großartige Änderungen vorzunehmen. Ich möchte etwas hinzufügen. Vielleicht ist es gar nicht schlecht für Deutschland, dass es zum Konflikt zwischen den progressiven und den reaktionären auf Prinzipien herumreitenden Gesellschaftsmitgliedern gekommen ist.

Deutschland kann nach 1945 den Beweis antreten, dass eine ausreichende Anzahl Deutscher herangewachsen ist, die den Menschen sehen und nicht mehr wie einst ein „gleichgeschaltetes“ Volk, System und Ordnung in den Vordergrund stellen. Wir sollten das endlich mal untereinander klären. Ein Freund schrieb mir auf WhatsApp, für ihn ist der Glaube an Deutschland ein wenig wieder hergestellt. Die Gerechtigkeit hat bei uns eine Chance. Ich sehe das ein wenig anders. Ich weiß nach dieser Geschichte, dass es Menschen gibt, die wie ich denken. Wir sind ein Teil dessen, was dazu geeignet ist, der Historie einen Sinn zu geben. Ob wir genug und stark genug sind, werden wir sehen.

Bei der Nummer war eine große Zahl junger Leute unter 30 beteiligt. Sie haben den progressiven Älteren vertraut und sie wurden nicht enttäuscht. Dies war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Frau Jarasch, Herr Lux, Herr Akmann, Herr Geisel, Herr Tas, Herr Machulik haben damit nicht zwingend Wähler gewonnen, aber sie haben junge Leute in eine gute und einige andere Richtung bugsiert. Das ist echte  verantwortliche Politik für die Zukunft. Steinwürfe verhindert man am ehesten damit, dass man zukünftigen Straßenkämpfern keinen Grund gibt, unter dem Pflaster nach dem Strand zu suchen.

Wer jetzt denkt, dass nur ein junger Mann Glück hatte, versteht das Prinzip nicht. Ich glaube, die verstehen wollen und offen sind, haben verstanden, wie es gemeint ist. Den Rest erreiche ich mit meinen Worten ohnehin nicht. Wie schon in mehreren Beiträgen beschrieben, begreife ich das Leben als eine Bühne mit unterschiedlichen Protagonisten. Es gibt keine Regie, die den Schauspielern Anweisungen erteilt. Keiner kann wissen, wie die nächste Minute aussehen wird. Jeder Dialog beeinflusst den zukünftigen Ablauf des Stücks. Keiner der Beteiligten an der Geschichte weiß, wohin dieses Intermezzo in der Zukunft führen wird, aber ich glaube fest daran, dass es einen guten Einfluss auf viele nimmt.

Ich für meinen Teil habe jedenfalls Kraft gewonnen, hier weiter zu machen. Jeden der paar Leser, die ich hier habe, möchte ich sagen: “Wenn das Leben direkt anklopft, sollte man handeln!” oder wie mal ein Mitstreiter auf einer exotischen Dienststelle mit sensiblen Aufgaben sagte: “Aufstehen, bedeutet, dass man auch mal hingefallen ist.”

 

Was kann mir der Buddhismus geben?

Lesedauer 8 Minuten

Wer ab und wann in diesen BLOG hineinschaut, bekommt von mir in der Regel etwas politisch ausgerichetes, zumeist in Verbindung mit Polizeithemen , zu Lesen. Hier geht es mal um etwas vollkommen anderes, nämlich Philosophie und Religion und einer kleinen Brücke in Richtung Polizei.

Seit ich vor ca. 30 Jahren die indische Dichtung Siddhartha von Hermann Hesse las, ließ mich das Thema Buddhismus nicht mehr los. Ich kann heute noch sagen, was mich an der Geschichte faszinierte. Da zog ein junger Mann, der von seinem Vater gegen die böse Welt abgeschirmt wurde, in die Welt hinaus, um die Zusammenhänge der Welt zu ergründen. Der Typ bekam aber keine göttlichen Erleuchtungen von irgendwelchen nebulösen mythischen Mächten, sondern er dachte schlicht nach. Er schloss sich anderen Denkern an, versuchte es mit Askese, wurde Kaufmann, Spieler, ging eine Beziehung mit einer Prostituierten ein und suchte danach wieder die Einsamkeit.
Er bemühte sich redlich, ein guter Vater zu sein und erlebte den Trennungsschmerz, den einst sein Vater gefühlt haben musste. Kurz: Ein Mensch, dessen Schritte in sich logisch und nachvollziehbar waren. Aber es wurde für mich noch besser. Er trifft selbst auf einen Erleuchteten hört diesem zu, findet einen Schwachpunkt in dessen Philosophie und macht seinem Kumpel klar, dass er dem weisen Mann ruhig weiter folgen soll, er aber selbst einen anderen Weg nehmen muss.

Diversen christlichen Gläubigen ist der Buddhismus äußerst suspekt. Sie finden den Buddhismus im Gegensatz zum christlichen Glauben mit seinem Erlösermythos als zu hart und unnachgiebig. Auch da rastete ich ein. Im Gegenzuge sind mir nämlich Christen suspekt, wenn sie von einem Durchgangsstadium auf der Erde ausgehen, unter dem Strich die Sau raus lassen können, um dann am Ende Gnade zu erfahren. Ich war schon in meiner Jugend ein Gegner von Moral, die von einer Institution ausgeht und seltsamerweise hauptsächlich einer Machtclique namens Klerus Geld und Reichtum beschert.

Aktuell finden sich anlässlich der Vorgänge in Birma (Myamar) neue Kritiker, die frohlocken, dass der Buddhismus nicht so friedlich sein kann, wie er immer dargestellt wird. Keine Philosophie kann dafür verantwortlich gemacht werden, wie sich fehlgeleitete Anhänger verhalten. Zu den Buchreligionen gibt es einen klaren Unterschied. Wer sich streng an die Vorgaben des Bibeltextes, des Koran oder der Tora hält, wird nicht friedlich leben. In allen Büchern gibt es auch Anweisungen dazu, wie mit Andersgläubigen oder Abweichlern zu verfahren ist. Ein Mensch der die dem Buddhismus innewohnende Logik verstanden hat und es schafft, danach zu leben, wird keine Gewalt ausführen.

Hier sei angemerkt, dass es im ZEN – Buddhimus Klöster gibt, in denen Mönche meditierende Brüder schlagen. Da steckt ein tiefer Sinn dahinter. Erst wenn ich selbst zum Täter wurde, erkenne ich, wie sehr menschlich ich selbst bin und mich nicht von jedem anderen unterscheide. Auf der anderen Seite erkenne ich als Meditierender was passiert und kann dem anderen dankbar sein, dass ich diese Erfahrung auf diesem Wege mache und sie selbst keinem anderen mehr zufügen muss. Wieder so eine schwer verständliche asiatische Denkweise. Ich kann einem Menschen, der mir schlechtes zufügt, dankbar sein, da ich es selbst niemanden zur Vervollständigung meines langen Lernprozesses antun muss. Ich denke dieser Weg ist Geschmackssache. Der Mönch, der kir das erklärte, wechselte jedenfalls das Kloster nach einem Monat.

Eine Kernaussage des Buddhismus besteht darin, dass alles ein Teil des Ganzen ist und das Ganze damit auch zum Bestandteil des Teiles wird. Nichts kann betracht werden, ohne auch das Ganze zu berücksichtigen. Nehme ich eine Maschine und betrachte nur eine Schraube, wird sich mir die Funktion der Maschine nicht erschließen. Ohne die Schraube funktioniert aber auch die Maschine nicht, und ich werde nicht herausbekommen, wozu sie eigentlich konstruiert wurde. Ich möchte das Bild noch ein wenig anders gestalten. Stelle ich mir ein Gefäß mit einer Flüssigkeit vor, dann besteht diese Flüssigkeit aus lauter Molekülen. Jene setzen sich wiederum aus Atomen zusammen. Das kann ich immer weiter fortführen, bis ich den modernsten Bereichen der Physik lande, die immer mehr auf einer Energieebene landen. Gebe ich ein derartiges System einen Impuls, setzt der sich fort. Nehmen wir an die kleinsten Teile hätten die Wahl, was sie für Impulse hineingeben, dann könnten sie entweder positive oder negative Impulse abgeben. Jeder einzelne, der sich dazu entschließt einen positiven Impuls zu geben, erhöht die Chance, dass es für das gesamte System in diese Richtung geht, im Gegenzuge gilt dieses auch für die negativen Impulse. Mit jedem neuen positiven Impuls erhöhe ich auch die Wahrscheinlichkeit, selbst Nutznießer zu werden.

Positiv und Negativ sind zwei schnell geschriebene Worte, aber was bedeuten sie denn? Gut und Böse sind zwei moralistische Begriffe, die unpassend sind. Hier wird es schwierig und vor allem sehr langwierig, so langwierig dass es laut Buddha mit einer einmaligen Erscheinung als Lebensform kaum zu ergründen ist. Und ich werde mir mit Sicherheit nicht anmaßen, die Behauptung aufzustellen, dass ich es im Ansatz wüsste. Aber darauf gehe ich noch weiter unten im Text ein.

Als Mitteleuropäer stoßen wir im Buddhismus schnell auf Stellen, die für uns kaum nachvollziehbar sind. Wir sind «Selbstoptimierer», neuerdings gibt es dafür sogar Armbänder. Unser Denken strebt immer auf das Individuum zu, ist es nicht dieses, dann doch wenigstens eine Gruppe oder unser Land, weiter kommen wir in der Regel nicht. Doch ich finde, es lohnt sich, es für den Anfang mit einigen Teilaspekten zu versuchen, man muss ja nicht gleich alles kapieren.
Buddha gab seinen ersten Schülern eine «Praxis» mit auf den Weg, eine Art «Denkanleitung», mit der sie dann selbst in die Lage kommen, den Rest zu verstehen. Wieder so ein Unterschied zum Christentum, der mir entgegenkommt. Es gibt einen Gott, einen Verhaltenskodex, dann bist Du eine guter Mensch und wirst ins Paradies kommen – eigenes Nachdenken ist da eher unerwünscht und führte bis vor kurzer Zeit noch auf den Scheiterhaufen oder zu einem gestörten Perversen, der sich Exorzist nennt.

Passend dazu wird «Unwissenheit» im Buddhismus als die Mauer vor der Erkenntnis schlechthin erkannt. Der 14. Dalai Lama, seine Heiligkeit Tenzin Gyatso wurde in einem Interview gefragt, wie man diese Unwissenheit überwinden könne. Seine trockene Antwort: Mittels Nachdenken! Diese Unwissenheit wird nebenbei in allen buddhistischen Richtungen benannt. Denn Buddhismus ist ein Sammelbegriff für mehrere Ausrichtungen, die aber die Suche nach einem gemeinsamen Ziel verbindet. Wenn ich mich persönlich mit dem Buddhismus auseinandersetze, versuche ich mir immer Texte des Pali Kanon, zugänglich zu machen, weil der am nächsten an den ursprünglichen Aussagen dran ist. Buddha selbst sagte seinen Schülern, dass sie die Letzten wären, die die ursprünglichen Worte hören. Danach kämen irgendwann Schriftgelehrte, die alles aufschrieben und ihre eigenen Interpretationen beifügen würden.
Deshalb wurden über diverse Jahrhunderte die Worte inklusive Betonungen, Sprechpausen und Intonation auswendig gelernt und mündlich innerhalb der Mönche weitergegeben. Die erkannten vor 2000 Jahren ein wesentliches Problem der Kommunikation, nämlich das Worte an sich, schon kaum einen komplexen Gedanken wiedergeben können und der Wegfall der restlichen Informationen beim Aufschreiben, für das Ursprüngliche nicht förderlich ist. Buddha verwendete  viele Aphorismen, die die passenden Bilder im Kopf erzeugen. Bei uns hat das lange Zeit gedauert, bis ein Nietzsche dies in unsere Philosophie wieder einbaute.

Ein Schüler fragte Buddha zum Beispiel, was passieren würde, wenn man seine «Praxis» falsch anwendet. Der fragte daraufhin, was passieren würde, wenn man eine Kobra an der falschen Stelle anpackt. Die Schüler stellten folgerichtig fest, dass die dann beiße. Buddha erläuterte, dass seine Vorgaben zu Denken der richtigen Vorgehensweise beim Fang der Schlange entspräche. Man müsse sie mit einem gegabelten Stock am Kopf fixieren und dort dann packen. Ebenso sollten seine Schüler mit ihrer Praxis verfahren.

Diese Wortproblematik zeigt sich noch an einer anderen Stelle. Für die im Pali Kanon verwendeten Worte haben wir in unserer modernen Sprache bzw. aus dem mittelhochdeutschen entstandenen Sprache keine passenden Übersetzungen. Im Prinzip ist dies ein Problem, welches der britische Autor Douglas Adams zusammen mit Gleichgesinnten erkannte. Wir haben Gefühlszustände, für die es kein passendes Wort gibt, deshalb versuchen sie (D. Adams selbst leider nicht mehr, R.I.P.) Neue Worte zu erfinden. Adams brachte mal als Beispiel den Zustand, in dem man sich im Wartezimmer zum Zahnarzt befindet, und plötzlich die Schmerzen verschwinden. Notgedrungen verwenden die Übersetzer die Wörter Leid, welches zu überwinden gilt und Nirvana für das zu erreichende Ziel. Was das tatsächlich meint, beschreibt zum Beispiel ein Georg Grimm im Buch «Die Lehre des Buddho» auf 400 Seiten mit Mikroschrift. (Grimm gründete 1921 die Altbuddhistische Gemeinde) Da werde ich hier nichts zu sagen, das kann bei Interesse jeder brav selbst nachlesen.
Schopenhauer brachte Leiden für Mitteleuropäer auf einen verständlichen Nenner. «Leiden ist gehemmtes Wollen.» Grimm führt dazu weiter aus: «Alles was meinem Wollen, meinen Wünschen zuwiderläuft, ist Leiden, und alles was sich zwar meinem Begehren gemäß, aber unter Widerständen vollzieht, ist insoweit ebenfalls Leiden.»

Ich will hier nur auf sehr wenig eingehen. Der Buddhismus misstraut zu Recht dem Zusammenspiel zwischen Sinnesorganen und dem Großhirn. Die Sinnesorgane selbst sind dazu in der Lage Informationen der Umwelt aufzunehmen und sind selbst bereits die erste Fehlerquelle. Dann kommen noch das limbische System und die Amygdala ins Spiel, bevor eine gigantische Filtermaschine namens Großhirn aus diesen Informationen etwas zusammenbastelt. Buddha wird vom Aufbau nicht viel gewusst haben, aber die Auswirkungen konnte er erkennen.
Zwei Leute befinden sich objektiv in derselben Situation, kommen aber zu abweichenden Auffassungen. Hieraus leitet sich u.a. auch die Erkenntnis ab, dass jeder immer nur ein Abbild im Kopf eines anderen Menschen ist, bei dem die geschilderten Faktoren wirken. Deshalb ist es nicht möglich, sich selbst so zu sehen, wie uns andere Wahrnehmen und wir haben ziemlich begrenzte Möglichkeiten auf unser Bild beim anderen Einfluss zu nehmen. Akzeptieren wir dieses nicht, landen wir wieder im Leiden.

Buddhismus ist eine Religion der Vernunft. Deshalb wird sehr viel Wert auf das gelegt, was da im Kopf passiert. In einem weiteren Gleichnis fragte Buddha seine Schüler, ob es einem Maler möglich wäre mit Farben und Pinsel ein Bild in die Luft zu malen. Selbstredend funktioniert dieses nicht. Deshalb forderte er die Schüler auf, es mit ihrem Inneren genauso zu handhaben. Er setzte Menschen, die versuchten die Schüler zu beleidigen oder Hass zu erzeugen, einem Maler gleich. Böten sie ihm innerlich keine Leinwand an, könnte nichts passieren, was sie von ihrer «Praxis» abbringt.

Bei diesen wenigen prägnanten Beispielen will ich es bleiben lassen. Anfangs sprach ich von einer kleinen Brücke zum Beruf des Polizisten. Ich erweitere das ein wenig. Ich meine damit weniger den Beruf selbst, sondern das Denken und die Fähigkeiten, die für diesen Beruf notwendig sind und über den aktiven Dienst hinaus gehen. Für Menschen, die sich tagtäglich mit den als negativ empfundenen Verhaltensweisen von Menschen auseinandersetzen müssen, ist es von besonderer Bedeutung nicht nur die einzelnen Ereignisse zu sehen, sondern auch einen Blick auf das Ganze zu haben.

Ich habe in meinem Kopf immer diese «Weltbühne», auf der sich eine Unzahl von Schauspielern, tummeln. Die Schauspieler sind alle Lebewesen (im Buddhismus lebt alles, was sich auf der Basis eines eigenen Willen bewegen kann – inklusive Einzeller) auf dem Planeten Erde und alles Gegenständliche ist die Kulisse. Es gibt keine uns bekannten Regieanweisungen, in einer rasanten Geschwindigkeit agieren alle miteinander und beeinflussen sich, so dass es zum nächsten Handlungsablauf (die eine Hälfte unseres Körpers besteht aus Körperzellen, die andere Hälfte aus Mikroben und Bakterien, da findet jede Menge Handlung jenseits unserer Wahrnehmungsmöglichkeiten statt) kommt.
Niemand kann vorhersagen, was im nächsten Augenblick passieren wird, sondern kann lediglich eine Auskunft über sich selbst in einem sehr kleinen Moment geben (Ebenfalls nur stark eingeschränkt, deshalb wird im Buddhismus von dem eigentlichen ICH gesprochen, welches nichts mit unserer mitteleuropäischen Vorstellung von Persönlichkeit zu tun hat. Ich sehe es mehr als eine Art Information – aber das führt an dieser Stelle zu weit.).
Selbst die vergangenen Geschehnisse sind unübersichtlich. Es würde auch nicht helfen, wenn man die Bühne aus einem Zuschauerraum heraus betrachtet. Wie sollte man bei diesem Durcheinander erkennen, was im nächsten Augenblick passieren wird. Abhilfe könnte nur eine grundsätzliche Regieanweisung geben. Grundsätzlich würde es ausreichen, sie einem Akteur mitzuteilen und wenn jeder sie richtig weitergibt, würde es überschaubar werden. Vielleicht hat Buddha diese geheimnisvolle Regieanweisung erkannt, wer weiß das schon? Fakt ist aber, wenn einer oder mehrere auf der Bühne, die Sache in die Hand nehmen, kann es von Fall zu Fall zu gewünschten Abläufen kommen. Das wird aber nur funktionieren, wenn sie für jeden akzeptabel ist – und schon gehen die Probleme wieder los. Hatte er die notwendige Grundformel entdeckt, die jeden berücksichtigt?

Alle Menschen, die Regieanweisungen umsetzen müssen, bekommen auch den Unwillen anderer zu spüren, da sie eben nicht dieser universellen Notwendigkeit entsprechen. Aus Unwillen kann auch Frust werden, der sich wiederum als Basis für Wut, Hass und Beleidigungen erweisen kann. Doch war nicht etwas mit dem Maler und seiner Farbe? Keine Leinwand – kein Bild! Ich finde, es kann helfen, sich darüber mal in verschiedenen Berufen Gedanken zu machen. Gautama Siddhartha kam mit diesen Erkenntnissen nicht auf die Welt. Prinzipiell schon, aber er war sich dieser nicht bewusst. Es bedurfte diverser Stationen im Leben, um dieses Bewusstsein zu bekommen. Eine dieser Stationen war das Leben unter den Kindermenschen – so nennt sie Hesse in seiner Dichtung (an dieser Stelle ein dickes Dankeschön an meine jüngste Tochter für eine Ausgabe aus dem Jahr 1922).
Selbst wenn es arrogant klingt, viele «Ordnungshüter», die einige Jahre im Beruf zugebracht haben, treffen auf diese Kindermenschen, wenn sie sich selbst ein wenig Weisheit angeeignet haben. Letzteres ist allerdings eine Grundvoraussetzung, wenn man selbst nicht Kindermensch sein will.

Diese wenigstens in minimalen Anteilen zu bekommen, erfordert die Auseinandersetzung mit Denk-, Kommunikations- und Wahrnehmungsfehlern. Wie beschrieben, kann die Auseinandersetzung mit dem Buddhismus diesbezüglich viele Antworten und Anregungen geben. Insofern kann ich das jedem wärmstens empfehlen, deshalb muss man sich noch lange nicht Buddhist nennen, vielleicht wird es man einfach nur per Nachdenken.
Besonders empfehlenswert ist die Auseinandersetzung, wenn man mal wieder ohne Worte und Erklärungen vor den schrecklichen Auswirkungen menschlichen Handelns steht, und in einem ganz langsam der selbstzerstörende Hass auf diese Welt in die Glieder fährt, der sich dann zu einem weiteren Filter entwickelt, welcher fehlerhafte Wahrnehmungen produziert.

(Januar 2017, gewidmet D.S., der mich bis zu diesem Punkt ein paar Meter begleitete.)