In der Ukraine tobt ein Krieg. Wieder einmal stehen in Europa zumeist Männer vor der Entscheidung ob sie dem Ruf der Herrschenden folgen. Gestern lernte ich einen 30-jährigen russischen Feuerwehrmann aus Moskau kennen. Er ist in Sachen Krieg nicht unerfahren. Er erlebte das Bombardement während des Jugoslawienkriegs in Belgrad. Erstmalig hörte ich von ihm, dass damals auch Phosphor-Bomben abgeworfen wurden. Ob dies nun so war oder nicht, ist irrelevant. Persönlich glaube ich es nicht. Für die ausgewählten Ziele war das gar nicht notwendig und meines Wissens handelte es sich um Marschflugkörper, die Belgrad trafen.
Als er begriff, wo die Reise mit der vermeintlichen militärischen Übung hingeht, verließ er sein Land. Zurück blieb seine Familie. Derzeit tarnt er seine Abwesenheit mit Reisen. Erneut war er in Serbien, Ungarn, Rumänien und nun ist er in Istanbul. Seine Familie, seine Töchter, sein kleines Enkelkind und seine Frau sitzen in Moskau. Weder seine Eltern, die Schwiegereltern, noch die Ehefrau sind mit seiner Entscheidung einverstanden.
Es ginge doch um Russland. Er habe die Pflicht für das Vaterland zu kämpfen und außerdem müssten die Schwestern und Brüder in der Ukraine befreit werden. Unterwegs traf er auch Deutsche, die meinten, es wäre falsch, dass die NATO die Nazis in der Ukraine unterstützen würden. „Wer Phosphor-Bomben wirft, will nicht befreien, sondern zerstören!“, sagte er zu mir. Aber wisse auch nicht, wie es weitergehen soll. Überall sah er flüchtende Ukrainer. Die müssten nicht einmal ein Pass besitzen. Eine Fotografie würde ausreichen. Als Russe würde es für ihn immer schwieriger ein sicheres Land zu finden.
Bis zu seiner Erzählung wusste ich nicht, dass russische Deserteure, was er de facto ist, in Deutschland kein Asyl bekommen. Möglicherweise würde sich dies ändern, wenn sie ihn offiziell zögen. Doch dann wäre es zu spät. Ausnahmsweise fühlte ich mich an die deutschen Immigranten im Vorfeld des II. Weltkriegs erinnert. Hätten sie erst die Sachen packen sollen, nachdem die GeStaPo sie zufällig nicht antraf? Erst nach dem Gespräch erfuhr ich, dass gemäß der Europäischen Union von einem Staat durchaus die Teilnahme an einem Krieg erwartet werden kann. Der Krieg an sich ist kein Verbrechen. Das Desertieren wird erst zum Asylgrund, wenn Kriegsverbrechen begangen werden sollen. Beim Überfall Deutschlands auf Polen wäre demnach einem Wehrmachtssoldaten ein Asylantrag verwehrt gewesen. Erst die Erschießung polnischer Juden hätte diesen Weg eröffnet. Nur wäre er mit Sicherheit zwischenzeitlich wegen Befehlsverweigerung standrechtlich erschossen worden. Nein, ich muss das alles nicht mehr verstehen. Na ja, ich kenne es. Wie hieß es bei der Polizei immer? „Das Leben ist kein Wunschkonzert!“ Und an meinem Gymnasium hing neben dem Musikraum eine Gedenktafel mit dem Spruch: „Das Vaterland darf jedes Opfer fordern.“
Es gibt in Deutschland diesen Hype um den verstorbenen Alt-Kanzler Schmidt. Quasi eine Ikone, der gern zitiert wird, als wenn er seine Worte von Gott empfangen hätte. Der meinte in einem später geführten Interview zur Entführung der Lufthansa Maschine und seiner Rolle: „Ich hatte als Offizier in der Wehrmacht gelernt, Leute an der Front in den Tod zu schicken.“ Als ich das vernahm, brach ich innerlich mit ihm. Dann doch lieber ein Willy Brandt, der sich dazu entschied, rechtzeitig zu verschwinden. Ein Umstand, den ihm konservative Politiker in den 60er-70ern Jahren nachtrugen. Denn viele von ihnen hatten sich anders entschieden. Mir geht es darum, dass auch Schmidt als junger Mann eine Entscheidung traf und sich mit der Aussage rechtfertigte, dass das halt in dieser Zeit so war. Andere trafen andere Entscheidungen, somit bestand die Möglichkeit. Immerhin ging eine seiner Lehrerinnen in den Widerstand. Im Nachhinein sprach er von einem inneren Widerstand gegenüber dem Nationalsozialismus. So ergeht es derzeit auch diversen jungen Russen.
Der Russe fragte mich viel über meine Familie. Bisher hatte ich die Parallelen nicht erkannt. Wie war das mit meinen Großvätern zum Ausbruch des Krieges? Der eine war mehr oder weniger unpolitisch. Aber er hatte Glück. Er war kein Mitglied der NSDAP, aber gezogen wurde er. Er landete bei der Marine. Doch unmittelbar nach der kurzen Ausbildung auf einem U-Boot ging er in Kriegsgefangenschaft. Dann auch noch nach Südfrankreich. Besser konnte man es in dieser Zeit kaum treffen. Zumal auf ihn nicht Frau und Kind warteten.
Der andere hatte es schwerer. Er war Mitglied der KPD. Sie entzogen ihm die Staatsbürgerrechte, trotzdem sollte er oder vielleicht gerade deshalb, in den Krieg ziehen. Angeblich soff er sich den Magen kaputt und wurde wieder nach Hause geschickt. Überprüfen kann ich das nicht. Aber laut seinem Wehrpass war er ein ziemlich mieser Soldat und da steckte Kalkül dahinter. Irgendwie eine ähnliche Lage, wie die, in der sich der junge Russe befindet.
Dann wollte er wissen, wie meine Meinung dazu wäre. Ich antwortete ihm mit Jean-Paul Sartre. „Wir werden alleine geboren, wir sterben alleine und wir entscheiden allein über Leben und Tod. Jemand sagt Dir, Du sollst den Abzug ziehen, aber Du drückst ab. Nicht Deine Frau, nicht Deine Kinder, nicht Dein Offizier und auch nicht Putin. Du ganz allein. Du musst über Dein Leben oder Sterben entscheiden, so wie Du auch entscheiden musst, ob Du töten willst, für was auch immer. Es ist Dein Gewissen und Dein Leben, welches Du zu Ende leben musst.“
Ich sagte dies zu ihm, weil es meine feste Überzeugung ist. In meinem Job musste ich bereit sein zu töten. Und ich wusste stets, wofür ich es tun würde und wann nicht. Ohne zu zögern hätte ich jederzeit einem Terroristen direkt in den Kopf geschossen. Hingegen wäre jeder entwichene Sträfling entkommen. Irgendwann hätte ihn schon jemand eingefangen. Deshalb empfinde ich für alle GrePos, die bereit waren auf einen flüchtenden DDR Bürger zu schießen tiefste Verachtung. Er muss wissen, ob er glaubt, was Putin und Konsorten von sich geben oder nicht. Und wenn er es glaubt, muss er wissen, ob es gerechtfertigt ist dafür zu töten und ob es ihm wert ist, dafür in den vermutlich sicheren Tod zu gehen. Im letzteren Fall kann er seinen Töchtern nichts mehr von sich und seinen Gründen erzählen. Das werden andere übernehmen. Ebenso kann er auf ein Überleben setzen. Gut, aber da er bereits für sich beschlossen hat, dass da eine faule Nummer passiert, wird er mit seiner Kriegsteilnahme zum Verbrecher.
Während wir sprachen gesellte sich ein Ukrainer zu uns, der ursprünglich aus Amur kommt. Der sieht es fatalistisch. Es ist ein Job sich gegenseitig zu töten. Viele Russen sind bitter arm und sehen eine Chance durch die Armee ein wenig Geld zu verdienen. Auf der Seite der Ukrainer, sind sich viele junge Männer nicht sicher, ob sie wirklich für eine eigene Nation kämpfen. Auf jeden Fall verdienten eine Menge Leute sehr viel Geld damit und ein Soldat bekommt von ihnen quasi ein Gehalt, ein schlechtes, aber immerhin ein wenig, bezahlt. Zum Ende hin setzte sich auch noch ein Südafrikaner in meinem Alter dazu. Ich fragte ihn nicht, aber einer seiner Elternteile muss weiß sein. Der Typ war noch zynischer und sarkastischer wie ich es grundsätzlich bin. Ziemlich offen meinte er: „Mein Land macht gerade ganz gute Geschäfte mit Russland. Die Entscheidung bei einem Krieg ist davon abhängig, welche Optionen Du hast. Kannst Du daran verdienen, bist Du dafür, besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass Du kämpfen musst, hau ab!“
Ich stimme ihm aus einer realistischen Perspektive zu. Krieg ist gut für das Geschäft, jedenfalls solange Du nicht allzu nah dran bist. Finde ich mich damit ab, in einer Welt zu leben, die von einem globalem Kapitalismus geprägt ist, läuft es darauf hinaus. Krieg ist ein Geschäft und das Töten ist eine Dienstleistung. All das idealistische Gedöns rundherum ist Unfug. Vaterlandsliebe, Patriotismus, Hilfestellung, Heldentum, all das sind im Kapitalismus lediglich Werbesprüche derjenigen, die daraus Gewinn schlagen.
Ich denke, der Abend hat dem jungen Russen (aus meiner Perspektive) eine Menge Stoff zum Nachdenken gegeben. Aus meiner Sicht traf er bisher die richtigen Entscheidungen. Im Zweifel soll er Frau und Kinder verlassen. Ich lernte bereits eine Menge anderer Männer kennen, die aus weit weniger nachvollziehbaren Gründen das Weite suchten. Lese ich, was einige deutsche Politiker und Politikerinnen von sich geben, schlimmer noch, was diverse Zeitgenossen in den Social Media an Kommentaren ablassen wird mir schlecht.
Eine Berufsarmee finde ich fair. Jeder, der dort hingeht, entscheidet sich unter bestimmten Voraussetzungen andere zu töten, zu verstümmeln oder alles kaputt zu machen. Dafür bekommt er, neuerdings auch sie, von den jeweiligen Interessenträgern, meistens den Herrschenden, Geld. Mit dem anderen Kram sollen sie mich in Ruhe lassen. Wir haben alle Dreck am Stecken. Mal mehr oder weniger unmittelbar. Die Zeiten, in denen unbescholtene, hart arbeitende Mönche, von Wikingern überfallen wurden, sind vorbei. Kriege sind ein Geschäft, bei dem wirtschaftliche Interessen konkurrieren und Dienstleister alles dafür Notwendige liefern. Und Soldaten/innen gehören dazu.
In Deutschland werden aktuell nur zwei Standpunkte akzeptiert. Entweder man befindet sich auf der „guten“ Seite und ist für Waffenlieferungen und den Versuch, die Russen zurückzutreiben, oder man ist dagegen, womit man zum „Freund“ Putins wird. Mir ist das zu simpel. Ich stehe nicht vor der Entscheidung für etwas zu töten oder zu sterben. Wäre es an dem, würde ich die Fragen stellen: Wofür? Für wen? Warum?
Was passiert nach dem Krieg und es wird hoffentlich ein danach geben. Der junge Russe bestätigte mir, was ich schon vermutete. Viele sind bitter arm und hoffen ein wenig Geld zu verdienen. OK, das Risiko, am Ende leer auszugehen ist hoch. Auf der ukrainischen Seite sieht es anders aus. Mit den Deportationen, Vernichtungsschlägen, Massenhinrichtungen, Vergewaltigungen, erzeugten sie etwas, was über die Verteidigung hinaus geht. Siegt Russland, ist die ukrainische Bevölkerung verloren. Die ehemaligen Kämpfer gegen den Nationalsozialismus, angeführt von einem ebenfalls blutrünstigen Diktator Stalin, führen sich auf, wie es einst die Deutschen, abgesehen von der Vernichtung der Juden, in Russland taten. Unter Umständen wären dies für mich Gründe, in den Kampf zu ziehen.
Waffen zu liefern ist letztlich eine halbherzige Lösung, die der Sorge vor einem Atom-Krieg geschuldet ist. Wäre Russland keine Atommacht, gäbe es nur eine Antwort: Befriedung/Intervention innerhalb eines UN-Mandats. Doch was bringt das alles, wenn es am Ende nur die Vorgeschichte für den nächsten Krieg ist, den Mächtige anzetteln und ihn von ohnmächtigen Leuten austragen lassen? Ist es dann nicht besser, für jeden mit den passenden Möglichkeiten, das Weite zu suchen? Dies ist meine Befürchtung. Beidseitig sterben und töten die Soldaten für eine Geschichte, die im dunklen Hintergrund passiert.
Vor drei Jahren traf ich einen jungen Kerl aus Barcelona. Er war ein einfacher Bauarbeiter, der in Spanien keinen Job gefunden hatte und sich deshalb auf Reisen ging. Doch ich glaube, dies war nicht seine einzige Motivation. In Australien arbeitete er zeitweilig als Küchengehilfe. Bis zu dem Tag, an dem ihm der Restaurantbesitzer fragte: “Du bist doch Spanier? Dann kannst Du bestimmt gut mit Rindfleisch umgehen.” Schnell wurde er auf die Art zum gutbezahlten Restaurantleiter. Trotzdem zog es ihn eines Tages weiter. Also scheint ihn auch ein wenig die Abenteuerlust angetrieben zu haben. Wir beide lernten uns in der Warteschlange der Grenzkontrolle nach Malaysia kennen. Ein Wort gab das andere und wir beschlossen uns gemeinsam ins gleiche Guesthouse zu begeben. Die Nummer mit dem “Cheap” ging schon am Fährterminal los. Auf der Insel Langkawi angekommen benötigten wir ein Transportmittel zu unserem Ziel Cenang Beach. Er wuselte herum und suchte etwas Passendes. Die regulären Taxen waren ihm zu teuer. Dazu muss ich erwähnen, dass eine Fahrt umgerechnet 5 EUR kostete und die Fahrt locker 15 Minuten dauerte. Zu meinem Entsetzen schickte er sich an, einen Busfahrer zu fragen, ob der uns mitnehmen würde. Problem: Der Bus war vollständig mit uniformierten jungen Polizistinnen in der Ausbildung besetzt. Bei der ganzen Aktion sagte er immer wieder: “I’m looking for a cheap solution.”
Das setzte sich im Guesthouse fort und wir beide landeten in einem Dorm mit 10 Leuten. Grundsätzlich habe ich nichts dagegen, aber dort lag man auf in Plastik eingepackten Matratzen und die Betten wackelten bedrohlich. Nach einer Nacht wählte ich die teurere Lösung und mietete einen Bungalow. Cheap-Cheap, so nannte ich ihn bereits nach dieser einen Nacht, bot ich an, gegen den Preis eines Betts im Dorm, bei mir zu schlafen.
Cheap!“, das setzte sich bei mir fest. Hört man den Gesprächen der Backpacker und anderen Reisenden aus den “Wohlfahrtsstaaten” zu, gibt es zwei Optionen. Entweder, ein Platz ist “Cheap” oder zu teuer, also “expensiv”. Inwiefern dies mit dem Lebensstandard, der wirtschaftlichen Lage des jeweiligen Landes zu tun hat und was das für die Leute bedeutet, kümmert sie dabei wenig. Ich erinnere mich dabei an die Zeit, in der wir als junge Erlebnisorientierte nach Prag fuhren und dort für umgerechnet 30 Pfennig ein Bier bekamen. Oder als wir West-Berliner nach dem Fall der Mauer auf dem Schwarzmarkt Deutsche Mark in Ostmark zu einem Kurs von 1:50 tauschten, um dann mit dem Geld in den ehemaligen DDR-Bonzen-Läden die Sau herauszulassen. Ich habe auch nicht vergessen, wie einige der Meinung waren, in normalen Clubs den dicken Maxen spielen zu können, um dann von den Jungs aus Prenzelberg ordentlich auf den Zahn zu bekommen. Ähnliches erlebte ich auch in einer polnischen Grenzstadt.
Ich bin nicht mehr der junge Kerl von damals. Meine Gedanken gehen heute deutlich weiter. Sich als “reicher” privilegierter Typ in einem armen Land zu bewegen, ist nicht ganz unproblematisch. Wenigstens sollte man sich dessen bewusst sein. Für mich gibt es da eine fließende Grenze zwischen Reisen und einer Situation, die ich als beinahe pornografisch bezeichnen würde. Heute hörte ich, wie sich eine Deutsche mit einem Italiener über die Länder unterhielt, in denen sie bereits waren und wie ihre weiteren Reisepläne aussehen. Bei der Deutschen ist Sri Lanka auf der Agenda, Sri Lanka. Ein Land, welches sich in einer bösen Krise befindet, in deren Folge Teile der Bevölkerung an Hunger und Not leiden. Reisende werden allerdings bevorzugt behandelt und bekommen zum Beispiel ansonsten rationierten Kraftstoff zu kaufen. Doch darum ging es in dem Gespräch nicht. Günstiges Essen, billige (cheap) Unterkünfte, aber zu wenige Kohlenhydrate bei der Ernährung, lauteten die Themen. Ich unterscheide konsequent zwischen einer anderen einfachen Lebensart und Armut. Unterernährung, der Mangel an sauberen Trinkwasser, fehlende medizinische Versorgung und seien es nur die althergebrachten Heilmethoden, die dort seit Urzeiten praktiziert werden, ist für mich definitiv Armut. Ob die Leute nun in offenen Hütten oder Zelten leben, halbnackt sind, alles mit Booten oder Handkarren transportieren, ist eine vollkommen andere Angelegenheit bzw. schlicht deren Lebensweise.
Nochmals anders ist die Ausgangslage der deutschen Rentner in Thailand. Sie gehen dorthin, weil sie sich dort ein Leben leisten können, welches sie zu Hause in Deutschland nicht finanzieren könnten. Die Thais wiederum setzen auf sie, weil sie zahlende Kundschaft sind. Klingt erst einmal nach einer Win-win-Situation. Ein wenig befremdlich ist es dennoch. Da arbeiten Leute ein ganzes Leben lang und am Ende genügt ihr Geld nicht für einen angenehmen Lebensabend. Jedenfalls für keinen, der den allgemeinen deutschen Vorstellungen entspricht. Doch bei den Thais sieht es nicht anders aus. Dort und in anderen südostasiatischen Ländern läuft die Versorgung über die Kinder. Ohne Kinder landen sie in bitterer Armut und werden auch nicht sonderlich alt. Für Thais sind mehrere Kinder existenziell. Bei nur einem besteht das Risiko, dass etwas schiefgeht, zwei, drei, vier, geben eine gewisse Sicherheit. Töchter, die sich von einem alten “reichen” Westerner aushalten lassen, sind quasi ein Lotto-Gewinn. Zumindest gilt dies für die Eltern. Fest steht auch, dass das, was Nordthailänder unter einem versorgten Lebensabend verstehen, nichts mit den deutschen Vorstellungen zu tun hat. Eine ganz andere Kategorie sind die Männer, welche ihre aktuell zulässigen 45 Tage Aufenthalt zur billigen Befriedigung ihrer sexuellen Triebe nutzen. Dagegen sind die Thais teilweise vorgegangen, woraufhin die Typen nach Kambodscha ausgewichen sind.
Aber egal, wie man es betrachtet oder welchen ethischen Kompass man benutzt, eins ist nüchtern festzustellen. Es funktioniert nur wegen des finanziellen Gefälles. Das Argument, welches einige vorbringen, demnach sie immerhin Geld ins ärmere Land bringen, kann ich nicht folgen. Dies würde auch mit einer Spende funktionieren. Genügend Hilfsorganisationen gibt es. Das ist ein ziemlich plumper Versuch, sich zum Philanthropen zu stilisieren. Tatsächlich geht es in erster Linie um den eigenen Vorteil. Ich dachte selbst kurzfristig über einen Abstecher nach Sri Lanka nach. Doch ich habe es verworfen. Ich bekomme dies nicht mit meinen Prinzipien in Einklang. Als ich Laos besuchte, war ich noch suchend und unerfahrener.
Meine Lebensart hier auf der Insel Langkawi oder in Thailand unterscheidet sich nicht sonderlich von der, die ich mir in Deutschland leisten kann. Ich miete mich nicht in Hotels ein, die ich mir sonst nicht leisten könnte. Gleiches gilt für Restaurants, in denen mich Meeresfrüchte einen Bruchteil dessen kosten, was ich in Berlin hinlegen müsste. Ebenfalls kaufe ich mir keine Cocktails, die in Berlin mein Budget sprengen würden. Meinem Gefühl nach, leiste ich mir, was sich hier die durchschnittlich verdienenden Leute auch kaufen können. Leute, denen es schlecht geht, gibt es immer und ich kann es nicht ändern. Was ich aber versuche, ist eine gewisse Fairness an den Tag zu legen. Ich zahle durchaus mal ein paar Ringit mehr für ein reguläres Taxi oder schau, dass ich eher die kleineren Business-Läden nutze und esse dort auch mal die Speisen, mit denen sie versuchen ein wenig mehr Geld zu verdienen, selbst wenn’s nicht unbedingt mein favorisiertes Gericht ist.
Cheap-Cheap, ist im Prinzip das deutsche “Geiz ist geil!” Ein Motto, auf das man nicht stolz sein sollte. Klar, wenn man nichts hat, ist man dankbar für die Dumping-Angebote. Obwohl auch hier ein Trick dahinter steht. So ist zum Beispiel das verlockende Angebot, dass ein Anbieter im Falle des Nachweises, den niederen Preis des Mitbewerbers anzunehmen, eine versteckte Kartellbildung. Anfangs sinkt der Preis. Doch das ändert sich. In einem Artikel des Magazins handelsblatt.com, wurde das Prinzip, welches auf der Spieltheorie beruht, ganz gut erläutert:
… Niedrigstpreisgarantien gehen darüber hinaus, indem sie versprechen, mit einem niedrigeren Preis eines Konkurrenten nicht nur gleichzuziehen, sondern diesen sogar zu unterbieten. Führt ein Unternehmen eine Niedrigstpreisgarantie ein und erhöht den Preis, so büßen die Konkurrenten Marktanteile ein, da sie aufgrund dieser Preisgarantie immer unterboten werden. Sie können ihre Marktanteile nur zurückgewinnen, wenn sie ebenfalls einen höheren Preis fordern. Niedrigstpreisgarantien sind also eine deutliche Aufforderung an die Konkurrenz, ebenfalls die Preise zu erhöhen. Ist ein Teil der Konsumenten nicht über die Preise der Unternehmen informiert, können Preisgarantien nach Erkenntnissen der amerikanischen Ökonomen David Hirshleifer zur Preisdiskriminierung genutzt werden und insgesamt wiederum zu höheren Preisen führen.
Wenn es nach meinen “Freunden” den Turbo-Kapitalisten geht, sind alle Menschen “Homo oeconomicus“. Auch ein Begriff, der aus der Spieltheorie stammt. Und tatsächlich ist der Mensch dankenswerterweise anders oder kann anders sein, wenn er nicht dahingehend manipuliert wird. Der beste Nachweis dafür ist eins meiner Lieblingsexperimente aus der Spieltheorie. Von zwei Versuchspersonen wird einer, mit der Aufforderung das Geld zwischen beiden aufzuteilen, ein Betrag in Höhe von 50 EUR übergeben. Stimmt die andere Person der Aufteilung zu, können sie das Geld behalten. Im Falle eines Homo oeconomicus wäre zu erwarten, dass die andere Person sogar bei einer Teilung in 49,99/0,1 zustimmt, weil selbst der 1 Cent mehr ist, als zuvor. Frei nach: Besser als Nichts! In der Realität sieht es aber anders aus. Um so mehr die Aufteilung von 50:50 abweicht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die andere Person blockiert und beide leer ausgehen,
Für mich ist das ein Signal dafür, dass bei den Leuten, die mit dem Motto Cheap-Cheap unterwegs sind, etwas in die Schieflage geraten ist. Vielleicht liegt es daran, dass sie es aus den Heimatländern gewohnt sind, grundsätzlich übers Ohr gehauen zu werden. Klar gibt es auch hier deutliche Unterschiede. Ein aus Europa importiertes Bier kostet im Duty-Free Shop 3,50 RGT (79 Cent) und in einem kleinen Minimarkt 5 RGT (1 EUR). Dafür hat der aber auch 24/7 geöffnet, muss einen anderen Mietpreis zahlen, gibt einigen einfachen Menschen einen Arbeitsplatz und befindet sich in der Nähe der Guesthouses. Unter dem Strich wurden in Deutschland auf die Art nach und nach alle kleinen Dorfläden kaputt gemacht, infolgedessen die Leute gezwungen sind, mit Autos zum Einkaufen zu fahren und die Luft verpesten.
Ich halte es nicht für falsch, mit Tourismus ärmere Länder zu unterstützen. Doch da gibt es einige Klippen. Die Einheimischen haben überhaupt nichts davon, wenn die Touristen in den großen Hotelbunkern oder ummauerten “Reservaten” unterkommen. Das Geld fließt direkt in die Taschen der großen Globalplayer. Allzu selten verlassen die verwöhnten Touris die ihnen zugewiesenen Habitate und essen in einem der kleinen Restaurants im Hinterland. Ebenso wenig nehmen sie die Dienstleistungen der kleineren Anbieter in Anspruch. Für die “normale” Bevölkerung bleiben die Schäden und bei der allgemeinen ökologischen Lage, am Ende für uns alle. Die großen Hotels benötigen eine deutlich ausgedehntere Infrastruktur, als die vielen kleinen Anbieter. Da ist die Entwässerung, der Mehrverbrauch an Wasser durch Pools, schicke Springbrunnen, Rasenflächen, Gartenanlagen und interne Angebote. Ich sehe das hier auf der Insel Langkawi. Bereits im Bau sind die Beton-Bauten ein ökologischer Horror. Das Geld landet überall, nur nicht zum Beispiel in der Entwässerung und Wiederaufbereitung. Vielfach sind Sammelcontainer aufgestellt, in denen die Feststoffe gesammelt werden, während alles Flüssige in der Landschaft oder über stinkende Kanäle im Meer landet. Dies bei stetig steigender Zahl an Betten. Da wirken nahegelegene “Schutzgebiete” für Mangroven-Wälder wie zu klein geratene Feigenblätter.
Nahezu alle Strände sind Mogelpackungen. Der Indische Ozean ist voll mit Müll. Steht der Wind ungünstig, landet der Müll aus der Straße von Malakka am Strand. Emsig sammeln diesen von der Kommune bezahlte Hungerlöhner oder im Bereich der Hotels, bei denen angestellte Bedienstete, ein. Auch eine Art der Beschaffungsmaßnahme. Auf einigen Inseln sah ich zu Ressorts gehörende Verbrennungsanlagen, die den Müll ohne Filter gnadenlos über hohe Schornsteine in die Luft jagen. Doch nicht jeder Müll kommt übers Meer. Überall werden Plastikpackungen, Strohhalme, Plastikflaschen, Schraubverschlüsse, Zigarettenfilter, unbekümmert in die Landschaft geworfen. Zu diesem teilweise unmittelbar auf den Tourismus zurückzuführenden Müll kommt der indirekte hinzu. Baumaterialien, Reifen, ausrangierte Jetskis, Scooter, Schmierstoffe, Dämmmaterialien, usw., verteilen sich überall.
Auch hier hinterlassen einem die “Cheaps-Cheaps” aus Europa mit Fragen. In Deutschland toben wilde Debatten über SUV, Verbrenner, Klimaneutralität. Hier wird als Erstes nach dem billigsten Scooter-Verleih gesucht. Es gibt auch keine Gewissensprobleme beim Leihen eines Jetskis, einem Tandem-Flug oder wenn man sich mit einem Fallschirm über das Meer ziehen lässt. Selbst ein Bekannter aus Berlin, hatte nichts Besseres zu tun, als sich einen derartigen Flug zu gönnen. Nun ja, fairerweise muss ich anmerken, dass viele ihre Sünden mit einer vegetarischen Ernährung ausgleichen (Zynismus: off). Gleichfalls ist es für sie unproblematisch, jeden Tag die Klima-Anlage auf 25 Grad zu stellen und klimatisierte Lokale zu bevorzugen.
Ich unterstütze den Protest in Deutschland. Selbst wenn die Protestierenden bigott sind und mit ihrer Lebensart selbst jede Menge Schäden anrichten, sind ihre Forderungen an sich völlig korrekt. Mir geht es nicht anders. Auch ich tue vieles, was nicht mit meiner Kritik deckungsgleich ist. “Die sollen erst einmal bei sich selbst anfangen!”, ist eine perfide Rhetorik, mit der nur vom eigenen Fehlverhalten abgelenkt werden soll. Anders: Das ist unterstes Buddelkastenniveau aus Kindheitstagen. Mama, die anderen Kinder haben aber auch! Solche Leute kann ich nicht für voll nehmen. Mich macht dabei etwas anderes nervös. Auch die nachfolgende Generation ist im System und der von unterschiedlichsten Menschen geschaffenen Weltlage gefangen. Ich halte Reisen für wichtig. Das Kennenlernen anderer Kulturen, Lebensweisen, Ansichten, gehört für mich zur Vervollständigung eines Lebens dazu. Jeder, der es tun kann, sollte es auch machen. Da schließe ich mich großen Denkern der Vergangenheit an und folge ihren Gedankengängen dazu. Ich hätte gern erneut ein anderes Reisemittel nach Südostasien gewählt, als ausgerechnet einen Flug. Doch die Weltlage lässt dies nicht zu. Zwischen Deutschland und Südostasien liegen einfach zu viele Staaten, die ich ungern, gar nicht oder nur unter Lebensgefahr passieren kann. Dafür können die Cheaps-Cheaps schon mal nichts. Die Welt, in die sie hineingeboren wurden, das Denken, die Strukturen, die Lebensmodelle und die Wertvorstellungen, haben wir, die ältere Generation erschaffen und wir erhalten sie am Leben. Es ist unmöglich, auf alles im Einzelnen einzugehen. Fakt ist: Wir haben global die Kontrolle über das von uns erschaffene System verloren. Es hat sich verselbstständigt. Ob nun unter absolut in jeder Hinsicht unvertretbaren Umständen Produkte in Asien entstehen, die als Billigware in Europa landen oder Geräte produziert werden, die zur Profitmaximierung nicht nach ökologischen Gesichtspunkten konzipiert sind, Steuern hinterzogen werden, jeden Tag irgendwo eine ökologische Katastrophe stattfindet, weil gespart wurde, wo man nur konnte, es ist unter den gegebenen Umständen kein Einhalt mehr zu gebieten.
Zwar hat Christian Lindner mal wieder den Vorgel abgeschossen, doch letztendlich zeigt er mit seiner puren Existenz, seiner Funktion und Verlautbarungen, wo wir stehen. Nach ihm ist nicht Verkehrsminister Wissingverantwortlich, sondern die Bürger, welche einen Verkehrsausbau einfordern. Ergo: Weder der Hersteller von Kriegswaffen, noch der Händler ist für den Bedarf verantwortlich, sondern diejenigen, welche damit Kriege führen. Nicht die Billigproduzenten tragen Verantwortung, sondern die Käufer, welche sie kaufen. Auch die Hersteller von Geräten, deren Komponenten und Rohstoffe von quasi Sklaven aus aller Welt zusammengebaut oder geschürft werden, sind verantwortlich, sondern die Käufer. Das lässt sich unendlich fortsetzen. Da sind meine Cheaps-Cheaps noch das geringste Problem und ein ganz kleines Symptom für eine wütende Krankheit.
Ich gebe zu, in meinem tiefsten Innern geht mir immer häufiger dieses ganze Gerede über Demokratie, Toleranz und Akzeptanz immer mehr auf den Zünder. Mich stört diese Ohnmacht gewaltig und ich suche eigene Strategien, damit ein Handling zu finden. Es ist gut, dass ich hier und damit weit weg vom Schuss bin. Ich weiß nicht, was ich aktuell jemanden an den Kopf werfen würde, die/der mir die Ohren mit der DDR oder Sozialismus zu sabbeln würde. Diese Quatschköppe kommen mir vor wie Grundschüler, die sich über einen Lehrer beschweren, der ihnen eine Ansage macht, weil sie sich benehmen wie ein Haufen Hühner auf LSD. Die Deppen, welche ständig infantil von Mehrheiten sprechen, die sich hierfür oder dafür ausgesprochen haben, sind auch nicht besser. Mehrheiten entstehen zum Beginn des 21. Jahrhunderts nicht mehr durch Überzeugung, mit rationalen Argumenten, sondern sind das Ergebnis von Kampagnen. Spätestens Trump und der Brexit haben dies beeindruckend bewiesen. Schlussendlich arbeite ich mich hier jeden Tag wider besseres Wissen an dem oberflächlichen Gerede der Cheaps-Cheaps ab. Wir sitzen in einem Boot und sie verantwortlich zu machen, ist mir zu billig. Die Nummer überlasse ich selbstgefälligen alten Säcken und Trullas in Deutschland, die die Protestierenden anpöbeln. “Geht doch erst mal arbeiten und fasst Euch an die eigene Nase.” Wie ich es immer sage: “Wer den Mund aufmacht und spricht, gibt einiges an Informationen über sich selbst preis.” Früher waren diese Typen, diejenigen, welche zu jedem Kritiker sagten: “Dann geh doch rüber, Du Gammler.”
Unser Leben wird von unserem Geist geformt und wir werden, was wir denken.
Eingangsvers des Dhammapada
Am Anfang sind wir frei? Oder doch nicht?
Vor etwas mehr als 26 Jahren stand ich zum zweiten Mal im Kreißsaal eines Berliner Krankenhauses und gab meiner zweiten Tochter das Versprechen, welches ich schon meiner ersten gab. “Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, damit Du als freier Mensch leben kannst.” Das war mir sehr wichtig. Es mag pathetisch klingen. Aber wenn es einen Ort und einen Moment gibt, an dem man dies darf, dann ist es ein Kreißsaal im Anblick eines Neugeborenen. Hätte mich damals jemand gefragt, was ich denn unter frei verstehe und warum mir dies so sehr am Herzen lag, wäre meine Antwort vermutlich nicht sonderlich präzise gewesen. Die meisten mir bekannten Leute wünschen ihren Kindern, was sie selbst nicht sind oder haben, aber gern wären und besäßen. War ich in diesem Moment nicht frei? Mit Sicherheit eine Frage der Relation. Ebenso, was man darunter versteht. Was ist das Gegenteil davon? Eingesperrt? Abhängigkeit? Gehemmt? Unfrei erscheint mir ein wenig banal und einer Antwort nicht dienlich.
Heute denke ich, dass nicht ein Motiv ursächlich war, sondern mich eine Mischung aus Erfahrungen in unterschiedlichen Lebensbereichen antrieb. Schon in der Kindheit, entwickelte ich eine Aversion gegen Verhaltensweisen, die von gar nicht wenigen angewendet werden, um anderen ihr Leben aufzudrücken. Und Kinder werden gern als Mittel zum Zweck benutzt. Da wird Dankbarkeit eingefordert, emotional genötigt und einiges mehr an den Tag gelegt. Als ich Vater wurde, diente ich bereits bei der Kriminalpolizei. Infolgedessen griff ich sehr praktisch und unmissverständlich in die Rechte und damit auch in die Freiheit anderer Menschen ein. Ich gebe zu, dass mir dabei nicht immer ganz wohl war. Die innere Kritik meldete sich spätestens beim Thema Drogenpolitik. Es ist nicht einfach, sich in einem Freundes- und Bekanntenkreis zu bewegen, der sich nachvollziehbar über eine lächerliche und willkürliche Gesetzgebung hinwegsetzt, wenn man selbst deshalb ermitteln soll. Außerdem stand ich schon seit der Jugend allem kritisch gegenüber, was mit Macht und Autorität zu tun hat. Macht verändert Menschen und ich nehme mich dabei nicht aus. Und niemand sollte sich dabei etwas vormachen. Selbst Kindererziehung hat etwas mit Macht zu tun, zumal sie immer umfangreicher wird. Ganz früher bedeutete Erziehung einem Kind das Notwendigste beizubringen. Heute bleiben Kinder viel länger zu Hause. Eltern sehen sich dazu verpflichtet, dem Nachwuchs ihre Vorstellungen von einem erfolgreichen Leben in der Gesellschaft zu vermitteln. Mir kommt dabei häufig der Gedanke: Wenn ich wüsste, wie der ideale Weg aussieht, wäre ich ihn gegangen. Dabei habe ich eine Wandlung vollzogen. In den ersten Jahren dachte ich auch, über vielerlei Bescheid zu wissen. Doch eines Tages sagte ich einer Tochter: “Wenn Du ein Problem mit der Elektrik hast, rufst Du einen Elektriker und keinen Bäckermeister. Bei einem Brand die Feuerwehr und nicht die Polizei. Frag mich zu den Lebensaspekten, bei denen mir zuzutrauen ist, dass ich wirklich etwas weiß. Bei allen anderen Sachen bin ich einer unter vielen, die eine Meinung haben.” Ich denke, einen guten Instinkt für die richtigen Berater zu entwickeln, ist ein wichtiger Lebensaspekt.
In der Polizei wurde meine Skepsis gegenüber Macht und Autorität von Jahr zu Jahr zur Gewissheit. Kurt Tucholsky schrieb: “Wenn Du einen Menschen wirklich kennenlernen willst, mach ihn zu Deinem Vorgesetzten!” Meinen Vorstellungen nach unterläuft den meisten Menschen ein eklatanter Fehler. Sie denken, die Macht und Autorität wurde ihnen verliehen, um andere dahingehend anzuleiten, Aufgabenstellungen zu bewältigen, wie sie es selbst tun würden. Hieraus schlussfolgern sie, dass alle andersartigen zu ihnen passend gemacht werden müssen oder sich wenigstens zu fügen haben. Mit dieser Haltung kann ich nichts anfangen. Ein Führungsgrundsatz lautet: “Führen bedeutet, andere Menschen erfolgreich zu machen!” Das andere bedeutet, mit Autorität die Leute zu abhängigen und gehorsamen Erfüllungsgehilfen zu degradieren. Ist die notwendige Autorität nicht von Natur aus vorhanden, wird sie halt mittels Amt zugeteilt. Letzteres ist der Regelfall, welcher von Ausnahmen bestätigt wird. In vielen Bereichen ist das recht zweckmäßig. Nämlich immer dann, wenn die Leute nichts weiter mit der Arbeit verbindet als Geld. Nach eigenen Vorstellungen gestalten zu können, ist ein wesentlicher Teil der Freiheit. Menschen wollen aktiv sein, etwas erschaffen und damit wirklich werden. Arbeiten ist an sich etwas Gutes und Teil des Lebens. Sie wird erst zum Problem, wenn man von dem, was man tut, entfremdet ist. Deshalb betrachte ich es kritisch, wenn jemand konsequent zwischen Arbeit und Privatleben unterscheidet. Die Entscheidung mag richtig sein, aber meistens ist dann etwas mit der Tätigkeit nicht in Ordnung. Im Dienst erlebte ich dies im Zusammenhang mit der Zeit, in der die ersten dienstlichen Mobiltelefone verteilt wurden. Anfangs nahmen die Kollegen/innen sie freiwillig mit nach Hause, um im Falle einer unvorhergesehenen Einsatzlage alarmiert werden zu können. Das ging nicht lange gut. Die obere Führungsebene sah diese Bereitschaft schnell als Selbstverständlichkeit und war dann auch nicht mehr gewillt, bezahlte Rufbereitschaften anzuordnen. Eines Abends nach Dienstende schaute ich mit dem Teamleiter auf die Steckdosenleiste. Alle Telefone steckten zum Laden in der Leiste. Er sagte nur: “So kann man auch zeigen, dass man die Nase voll hat!”
Durch den Beruf erhielt ich Einblicke in Bereiche der Gesellschaft, die mir ohne niemals möglich gewesen wären. Manch einer mag jetzt an die sozial schwierigen Bereiche denken. Schwierig auf jeden Fall, aber “unten” hatte ich ohnehin genug gesehen. Ich meine das Milieu der Besserverdiener. Mal die Yuppies mit dem schnellen Geld, andere Male Politiker/innen oder auch die vor Arroganz stinkenden Besitzer/innen der großen Häuser ohne Namensschilder, aber sehr viel Sicherheitsbedürfnis. Zu dem, was ich sah, nahm ich lange Zeit eine fatalistische Haltung ein. “So ist das nun einmal. Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit sind weite Felder mit sehr vielen Grauzonen! Und Du bist nicht Don Quichotte.” Oftmals rettete ich mich der Haltung, dass es nicht mein Job wäre, die Ursachen anzugehen, sondern bei passender Gelegenheit den Auswirkungen die Spitzen zu nehmen. Mir war klar, dass die jungen serbischen Einbrecher auf der anderen Seite der Schreibmaschine zum Verbrecher geformt wurden. Diejenigen, welche dies zu verantworten hatten, spielten in einer anderen Liga und gehörten vor einen internationalen Gerichtshof. Allerdings gibt es noch andere menschliche Aspekte, die nichts mit dem eigentlichen Delikt zu tun haben. Ich kann irgendwo einbrechen, aber mich dennoch halbwegs fair gegenüber den Opfern verhalten und mir damit selbst beweisen, dass ich noch nicht völlig verroht bin. Dies gilt bei vielen Straftaten. Anfügen will ich auch noch den Unterschied zwischen einer rein kriminellen Handlung, die der reinen Bereicherung dient oder einer, die aus einer Überzeugung heraus begangen wird. Im zweiten Fall komme ich nicht daran vorbei, mir diese näher anzuschauen. Sie kann darauf ausgerichtet sein, eine politische Ordnung zu erreichen, in der ich und meiner gleichen Vorteile genießen oder ich einen Zustand mit größerer Freiheit für alle anstrebe. Ob dies funktioniert, steht auf einem anderen Blatt Papier. Ich denke dabei zum Beispiel an die anarchisch motivierte Bonnot-Bande, welche in Frankreich 1911 bis 1912 Banküberfälle beging und die Beute nach Robin Hood Manier verteilte. Man mag die Taten der Überzeugungstäter/innen verwerflich finden. Doch ein/e gute/r Ermittler wird sich immer mit den Motiven auseinandersetzen müssen. In einer Zeit der sprachlichen Unschärfe ist es schwer den Leuten begreiflich zu machen, dass nachvollziehen nicht Sympathie oder Zustimmung bedeutet. Wenn jemand völlig irrational, vollkommen frei von erkennbaren Motiven handelt, dann gibt es auch nichts nachzuvollziehen. Entweder ist es Wahn oder psychopathisches Kalkül, wie es Friedrich Dürrenmatt in der Wette zwischen Kommissar Bärlach und Gastmann beschreibt.[1]Der Richter und sein Henker
Heute las ich davon, dass gegen Klima-Aktivisten tatsächlich ein Verfahren wegen des Verdachts der Bildung einer Kriminellen Vereinigung eröffnet wurde. Genau in der Zeit, als meine Kinder geboren wurden, bearbeitete ich bei der Kriminalpolizei erstmalig ein Verfahren mit dieser Überschrift. Die Tatverdächtigen arbeiteten sich einmal quer durch das Strafgesetzbuch: Bewaffneter Raub, Mord, Einbrüche, Kfz-Verschiebung, Kreditkartenbetrug, Waffenhandel, gewerbsmäßige Hehlerei. Letztendlich konnte ich den Nachweis nicht erbringen, weil sich die rund 60 Beteiligten keinen gemeinsamen Namen gegeben hatten. Daran scheiterten damals im Bereich der Organisierten Kriminalität viele Verfahren, bei denen man versuchte den § 129 a StGB anzuwenden. Am Ende nennt sich dann alles kriminelles Netzwerk von organisiert vorgehenden Banden. 2017 entfiel diese Bedingung mit einer Gesetzesänderung. Dazu muss man wissen, welche Auswirkungen die Annahme des Tatbestands hat. Jeder, der die Vereinigung logistisch oder finanziell unterstützt, ohne selbst die eigentlichen Straftaten zu begehen, hängt mit drin. Deshalb dürfen auch sie mit verdeckten polizeilichen Maßnahmen, Observationen, Kommunikationsüberwachung, Einschleusen von Verdeckten Ermittlern belegt werden. Ich halte es für nachvollziehbar, dass ich meine Verfahren, dem aktuellen bezüglich der Klima-Aktivisten gegenüberstelle. Bei mir löste dies einiges aus. Als dieses Thema aufkam, glaubte ich anfangs noch an das übliche populistische Gerede von Konservativen. Niemand, der ein wenig in der Materie steckt, käme auf die Idee, die Aktivisten mit Kriminellen in einen Topf zu werfen. Kriminell ist für mich immer noch jemand, der sich auf miese Art bereichern will und dabei keine Skrupel kennt. Mit Sicherheit keine Leute, die sich bei Wind und Wetter für ihre Überzeugung mit nackten Händen an eine Fahrbahn kleben. Man kann das blöd finden, nicht zielführend oder vermessen, aber nicht kriminell. Entsprechend konsterniert las ich dann die Meldung. Der § 129 a StGB wird von manchen auch «Schnüffelparagraf» genannt. Eine minimale Zahl der geführten Verfahren kommt zur Anklage und noch weniger ziehen Verurteilungen nach sich. Aber im Vorfeld wird der Polizei wie bereits erwähnt über den §§ 100 a ff. StPO ein ganzer Blumenstrauß an Maßnahmen ermöglicht.
Das ist ein massiver Eingriff staatlicher Institutionen in die Freiheiten eines Bürgers. Vielmehr geht kaum noch. Und all dies wurde nach einer Innenministerkonferenz eingeleitet. Entgegen den unwahren Behauptungen vieler Politiker ist die deutsche Justiz nicht unabhängig. Die Staatsanwaltschaft muss den Vorgaben ihres Vorgesetzten, dem Justizministerium, Folge leisten. Und der Weg von Justiz zur Innensicherheit ist wahrlich nicht weit. Es fällt mir schwer, keine Verbindung zwischen der für die Politik unbefriedigende Verweigerung des Verfassungsschutzes, die Aktivisten als umstürzlerische Extremisten zu betrachten und die Eröffnung eines 129 a – Verfahrens zu sehen. De facto erfolgt die Anwendung mit einer politischen Intention. Die missliebigen Protestierer sollen über die Kriminalisierung und Überwachung zur Räson gebracht werden.
Nochmals zurück ins Krankenhaus. Eins wurde mir in diesen Tagen bewusst. Mit der Geburt wird ein Wesen in die Welt gesetzt, welches mit dem ersten Schrei von bereits existierenden Strukturen beschränkt wird, die lange vor diesem Moment von Menschen konstruiert wurden. Der Ort, das Krankenhaus, die Qualifikation des Krankenhauspersonals, die Standards, die Charaktere der Eltern, wirken auf das Kind ein. Für uns, die Eltern, begann es mit der Anwendung von Silbernitrat, welches Neugeborenen zur Prophylaxe vor einer Gonokokken-Infektion (Tripper) ins Auge geträufelt wird. Das Zeug hieß früher im Volksmund Höllenstein. Und genau so brennt es auch. Doch warum diese Qual, wenn vorher eine Erkrankung der Mutter ausgeschlossen wurde? Außerdem wage ich zu bezweifeln, dass dies allen Müttern und Vätern bekannt ist. Später ging es um die Trennung von Mutter und Kind. Im Krankenhaus gab es eine neue Neonatologie-Station. Bereits in den 90ern mussten Krankenhäuser Profite erwirtschaften. Medizinische Werte ändern sich ständig und oftmals kommt einem der Verdacht, dass das weniger medizinische Gründe hat, sondern die Herab – oder Heraufsetzung, welche regelmäßig eine Medikation oder Behandlungsprozedur nach sich ziehen. Damals setzten sie die Werte herunter, welche den Verdacht einer Neugeborenen-Gelbsucht indizierten, woraufhin meine erste Tochter prompt auf der neuen Station landete. Ich konnte mich des Verdachts nicht erwehren, dass das etwas mit meiner privaten Krankenversicherung zu tun hatte, zumal da nicht alle Kinder mit identischen Werten landeten. Neue Station, private Krankenversicherung, Chefarztbehandlung (obwohl die eigentliche Chefin im Ring die Hebamme war), Informationen über die Behandlungsmethoden, all dieses gehört zum Aufbau und Struktur des Gesellschaftssystems, in das Kinder hineingesetzt werden. Außerdem sind es Aspekte, die an einem anderen Ort überhaupt nicht vorhanden sind. Theoretisch müsste ich noch weiter zurückgehen. Vorsorgeuntersuchungen, Lebensumstände der Mutter, Ernährung, Untersuchungen des Fötus, gehören gleichermaßen dazu.
Wenn es heißt, ein Kind wurde geboren, sind wir uns allzu selten dessen bewusst, was das bedeutet. Es ist die Kurzform für: “Vorausgesetzt das Kind ist gesund, wurde ein Lebewesen geboren, welches aufrecht gehen kann, über zwei gegenüberstellte Daumen verfügt, ein Zentrales Nervensystem und Großhirn aufweist, dessen Neokortex es zum Denken und Sprechen befähigt. Somit grundsätzlich zu allem befähigt ist, was jemals ein Mensch tat, jetzt gerade unternimmt oder noch machen wird.” Im Kinderbett liegt eine zukünftige Atomphysikerin, eine Lehrerin, Architektin, Krankenschwester, Tischlerin, eine geldgierige Frau, eine Buddhistin, eine knallharte Geschäftsfrau, eine eher empathisch ausgerichtete Helferin oder eine Querdenkerin, Faschistin, Esoterikerin. Alles ist möglich! Und dann geht es los. Wie alles weiter gehen kann, beschrieb Aldous Huxley in seiner Dystopie “Eine schöne neue Welt”, in dem er es überzeichnete. Bereits im Krabbelalter, werden dort die Kinder für ihre künftige vorgesehene Rolle in der Gesellschaft konditioniert. Wenn ich mir die aktuelle Realität anschaue, bin ich mir nicht sicher, ob wir seine ehemals überzeichnete Darstellung längst überflügelten. Psychologen konnten in Experimenten nachweisen, dass Kinder im Jugendalter nicht mehr unterscheiden können, ob sie ein Ereignis tatsächlich erlebten oder es ihnen mit einer Virtuell Reality Brille suggeriert wurde. Aus älteren Experimenten ist bekannt, wie trügerisch Erinnerungen sein können. Beispielsweise ließ man eingeweihte Geschwister über einen längeren Zeitraum eine frei erfundene Geschichte erzählen. Es dauerte gar nicht lange, bis die unwissenden Schwestern und Brüder glaubten, sie tatsächlich erlebt zu haben. Wende ich dies auf PC-Spiele, dauerhaftes Einwirken von ausgefeilter Werbung, Algorithmen, Manipulationen der Eltern, welche die Ergebnisse an die Kinder weitergeben, an, sind wir längst inmitten der dystopischen Darstellungen. Ich bewundere in diesem Zusammenhang den Anarchisten Francisco Ferrer, welcher lange vor Huxley (Brave New World, 1932) im Jahr 1901 die “Moderne Schule” gründete, in der die Schüler nach anarchistischen Grundsätzen ausgebildet wurden. Von ihm ist die Aussage überliefert, dass von den Absolventen nicht erwartet werden kann, selbst Anarchisten zu werden. Denn dies würde bedeuten, nicht den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, freien, selbst entscheidenden Menschen einen Lebensweg zu eröffnen.
Frei? Versuch einer Herleitung
Was bedeutet, frei zu leben? Für manche besteht die Freiheit darin, mit einer Harley die Route 66 herunterzufahren. Aber irgendwann ist die auch mal zu Ende. Und dann? Andere halten ein Wohnmobil für die Erfüllung. Auf dem Trip war ich auch mal. Doch erstens sind die Dinger extrem teuer und ich stellte fest, dass man damit an Grenzen schnell lernt, wie kompliziert die Welt geworden ist. Und egal wie man es anstellt, wirklich frei ist man mit solchen Aktionen nie. Das Stichwort lautet: Abhängigkeit! Geld ist in den meisten Systemen durchaus ein gutes Mittel sich einen Lebensstil kaufen zu können, aber ist man deshalb frei?
Wenn ich rein theoretisch vollkommen allein auf der Welt wäre, könnte ich alles tun und lassen, was mir gerade in den Sinn kommt. Jedenfalls so lange, bis sich in mir Bedürfnisse regen. Hunger, Durst, Schlaf, Verdauung erzeugen Notwendigkeiten. Zumindest, wenn ich leben will. Dies würde mich dazu zwingen, etwas zu unternehmen. Damit wäre es bereits in diesem Moment mit der totalen Freiheit vorbei. Hieraus ergibt sich für mich eine weitere logische Schlussfolgerung. Die Anzahl der Bedürfnisse bestimmt schon einmal den Grad der Freiheit, ohne dass überhaupt jemand anderes eine Rolle spielt. Gleichzeitig ist sie davon abhängig, wie viel Aufwand ich insbesondere zur Stillung absolut lebensnotwendiger Aspekte betreiben muss. Zu Hunger, Durst, Schlaf, Notdurft, nehme ich noch den Schutz und soziale Kontakte dazu. Alles zusammen setze ich unter die Überschrift: Lebenswille. Wie sehr sich das praktisch auswirkt, weiß jeder Arme. Wobei ich die echte Armut meine. Sie ist gegeben, wenn ein Mensch objektiv nicht genug zum Leben hat. Relativ ist sie, wenn die Möglichkeiten im Verhältnis zu den gut situierten Mitgliedern einer Gesellschaft arg eingeschränkt sind. Derzeit liegt die absolute Armutsgrenze bei täglichen 1,9 US-Dollar Kaufkapazität. Ich finde diese Art der Bewertung nicht treffend. Sie wird nicht denen gerecht, die ohne Geld leben, aber sich sehr wohl gut versorgen können. Indigene Völker sind, solange sie sich selbst mit Nahrung, Schutz, versorgen können, nicht arm. Gleichfalls sind sie nicht rückständig, sondern leben im Einklang mit dem natürlichen System. Die leben freier als jeder, der sich nur mit finanziellen Mitteln versorgen kann. Die absolute Armut betrifft weltweit rund 700 Millionen Menschen. Davon leben 178.000 in Deutschland. Weil sie monatlich über weniger als 1.162 EUR verfügen können, sind von relativer Armut 13 Millionen Deutsche betroffen.[2]https://moneytransfers.com/de/news/content/armut-weltweit-statistik-2022-fakten-uber-absolute-und-relative-armut#Die-Armutsgrenze-in-Deutschland-2022-liegt-bei-60%-des-Durchschnittseinkommens. Ihre Freiheiten sind in jeder Hinsicht beschränkt. Eine Selbstversorgung ist nicht möglich und sie leben in einem System, in dem man nur mit Geld überleben kann. Früher gab es diese romantische Vorstellung der freien Clochards. Ein Wort, welches besser klingt als Obdachlos. In unseren Breitengraden gibt es bei diesem Leben keine Romantik. Ich will nicht ausschließen, dass indische Asketen oder ohne Besitz lebende buddhistische Mönche so etwas wie echte Freiheit finden. Doch die müssen sich nicht mit bitterer Kälte herumschlagen und werden von der Bevölkerung unterstützt. Allerdings ließ ich mich persönlich bezüglich der Freiheit von der buddhistischen Logik überzeugen. Abhängigkeiten stehen der Freiheit immer im Weg. Und der Hauslose Weg kommt schon ziemlich nah an echte Freiheit heran. Doch an Essen, Trinken und ein paar anderen Bedürfnissen kommt man schwer vorbei. All das ganze Gerede über Leistungsanreize und Sanktionen bei Sozialleistungen ist mir zuwider. Sähen die aufrichtigen Leute realistische Optionen, um aus der Misere herauszukommen, würden sie sie ergreifen. Die echten Ganoven, welche das System für ihre Zwecke benutzen, wissen genau, wie sie sich zu verhalten haben. Getroffen werden alle, die es nicht besser wissen, können oder in Schwierigkeiten sind. Eine Bekannte meinte letztens, dass es nicht sein könne, dass jemand mit Sozialleistungen mehr Geld bekäme, als ein Niedriglöhner. Ist dann eventuell der Niedriglohn zu gering angesetzt? Ich denke schon!
Ich darf auch nicht die Natur des Menschen außer Acht lassen. In uns existiert ein Belohnungssystem, welches mit dem Lebenswillen eng verbunden ist. Es ist wie so vieles andere ein Ergebnis der Evolution. Soziales Verhalten, welches eine erfolgreiche Interaktion als Gruppe/Horde ermöglicht, wird mit angenehm empfundenen Emotionen belohnt. Ebenso war es im Frühstadium der Entwicklung existenziell notwendig, eine Vorratshaltung zu betreiben. Da unterscheidet sich der Homo sapiens nicht im Geringsten von anderen Tieren. Nur, dass die anderen Tiere keine Optionen entwickelten, es damit übertreiben zu können oder rituelle Handlungen zu entwickeln, die mit dem eigentlichen Zweck nichts mehr zu tun haben. Ein verunsichertes Huhn, welches auf dem Boden herum pickt, obwohl es dort gar nichts gibt, wirkt komisch. Ein frustrierter Mensch, der sich in einem Einkaufstempel lauter Dinge kauft, die keinen praktischen Zweck aufweisen, eher traurig. Nicht weniger schräg sind die Hamsterkäufe von Nudeln oder Toilettenpapier. Vor allem im Vergleich zu anderen Ländern. In Frankreich wurden die Kondome knapp. Mehr muss man vermutlich nicht wissen. Ist sich jemand nicht bewusst, was das Belohnungssystem für Folgen haben kann, ist es mit der freien Willensbildung vorbei.
Praktischbin ich nicht allein und lebe auch nicht in einem paradiesischen Milieu, wo mir gebratene Hähnchen vom Himmel entgegenfallen und an den Bäumen Leckereien wachsen. Damit ist klar, dass Freiheit an sich nichts besagt. Vielmehr müssen noch Konkretisierungen hinzukommen. Was ist eigentlich das Gegenteil von einem freien Leben? Wenn man mich daran hindert, dass ich mich meinem Willen folgend bewege, bin ich im absoluten Fall eingesperrt oder im verminderten in meiner Bewegungsfreiheit beschränkt. Dies kann durch ein natürliches Ereignis, Umstände oder durch ein anderes Lebewesen geschehen. Demnach muss ich die zusätzlich benennen. Dies gilt ebenso für die Redefreiheit, Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit, Religionsfreiheit, Bildungsfreiheit, usw. Ein besonderer Fall ist für mich die freie Willensbildung. Die kann gemindert werden, in dem mir dafür notwendige Informationen vorenthalten werden oder man mir vorsätzlich falsche gibt. Passe ich nicht auf, werde ich das Opfer von geschickten Manipulationen. Denen zu widerstehen, ist bei uns ermüdend. Egal was wir tun, irgendjemand versucht es immer. Mal sind es visuelle Reize, minimale Abläufe, Gerüche, Gefühlsappelle, alles, was die Ratio ausschaltet, wird angewandt. Nicht einmal, ob wir auf unseren Smartphones nach unten “wischen” oder nach oben ist dem Zufall geschuldet. Mit Probanden wurde untersucht, was den Benutzer länger bei der Stange hält. Oder wie lange welches Bild an welcher Stelle des Bildschirms betrachtet wird. Sie testen einfach alles aus.
Ich kann mir aber auch selbst im Weg stehen. Wenn ich mich von anderen abhängig mache, beschränke ich mich. Dies muss nicht unbedingt negativ sein. Vielleicht ist es der einzige Weg, um andere Hindernisse zu überwinden oder Bedürfnisse zu befriedigen. Mein Gehirn kann sich weit über die notwendigen Grenzen jede Menge Beschränkungen ausdenken. Immerhin sind sie, wenn sie ausschließlich von mir selbst stammen, frei entstanden und die Aufgabe geschah freiwillig. In der Regel sieht es anders aus. Jede Familie hat so ihre eigenen tradierten Verhaltensvorgaben. Nicht selten stammen sie aus längst zurückliegenden Zeiten und besonders erscheinen sie prüfenswert, wenn sie aus alten überkommenen moralischen Konstruktionen entstanden sind oder in Zeiten der Traumata, Not und Wiederaufbau geprägt wurden. Ich kenne noch solche Sprüche, wie: “Gehe nicht zu Deinem Fürsten, wenn Du nicht gerufen wurdest!”; “Lehrjahre sind keine Herrenjahre!”; “Am Abend werden die Faulen fleißig.”; “Müßiggang ist aller Laster Anfang.”; “Das hat noch niemanden geschadet.”, “Was man angefangen hat, muss man auch zu Ende bringen.” Auch die mutwillig entstellten Zitate von griechischen und römischen Philosophen gehören dazu. Eins meiner Favoriten ist “Carpe diem!”. Übersetzt heißt es nicht: “Nutze den Tag!” Und erst recht nicht, ist es eine Aufforderung, die Tagesarbeit zum Abschluss zu bringen, damit der nächste für andere Arbeiten genutzt werden kann. Nicht einmal sich den Tag besonders vollzupacken ist gemeint. Es heißt: “Pflücke den Tag!” Genieße ihn, sei Dir dieses Tages bewusst und lebe im Hier und Jetzt, ist die wahre Bedeutung. Es besteht auch keinerlei Anlass dafür, das Alter zu respektieren. Alt werden wir alle. Rücksicht nehmen ist eine gute Idee. Denn jeder sollte sich bewusst sein, dass einem jeder alte Mensch die eigene mögliche Zukunft zeigt. Und so wie ich mit den Alten umspringe, ergeht es mir möglicherweise selbst, weil ich an der Gestaltung einer rücksichtslosen Welt beteiligt war. Daran muss ich immer denken, wenn mal wieder ein junger erlebnisorientierter Politiker längere Arbeitszeiten fordert. Warte mal ab! Eines Tages werden Dich Deine eigenen Forderungen einholen. Oder wenn die Privatisierung und Produktivität von Krankenhäusern und Pflegestätten angestrebt wird. Es gibt dieses schöne Märchen von den Gebrüdern Grimm, in dem ein alter Mann immer aus einem Holztrog essen muss, weil er mit seinen zittrigen Händen nicht mehr den Teller halten kann. Eines Abends beobachten die am Tisch sitzenden Eltern ihr Kind dabei, wie es an einem Holz schnitzt. Als sie nachfragen, antwortet das Kind: “Ich schnitze für Euch einen hölzernen Trog, aus dem ihr später essen könnt!”
Der Psychoanalytiker, Theologe, Jesuit und Managementberater Rupert Lay fordert in seinem Buch “Führen durch das Wort” dazu auf, eine Liste von den Überzeugungen, Annahmen aufzustellen, die man selbst nie prüfte und einfach nur erzählt bekam. Ich machte es mal und war erschrocken über die Menge. Mit Sicherheit war die Liste nicht vollständig. Ähnlich erging es mir mit dem Buch “Die Kunst des Digitalen Lebens” von Rolf Dobelli.[3]https://www.dobelli.com/de/bucher/die-kunst-des-digitalen-lebens/ – Wir sind immer bestens informiert und wissen doch so wenig. Warum? Weil wir ständig News konsumieren – kleine … Continue reading Ich bin seinem Vorschlag auf Nachrichten zu verzichten nicht gefolgt. Stimme jedoch zu, dass er damit richtig liegt, was die Nachrichten, die eigentlich keine sind, mit uns machen. Was da täglich durch die Medien rauscht, sind Produkte, die entweder verkauft werden müssen oder Mittel zum Zweck sind. Am ehesten wird mir dies bewusst, wenn aus einzelnen Ereignissen eine vermeintlich in sich stimmige Geschichte gestrickt wird. Wir sind so. Unser Gehirn muss Kausalitäten herstellen. Ob die nun vorhanden sind oder nicht. Im Zweifelsfall werden sie halt konstruiert. Machen wir es nicht selbst, sondern kommen sie von anderer Seite, ist Manipulationsalarm angesagt. Objektiv betrachtet gibt es zwischen der Herkunft, Kultur und Straftat eines Täters selten eine Kausalität. Wäre dies der Fall, hätte im jeweiligen Land schon immer Raub, Mord, Totschlag, Vergewaltigungen, Diebstahl, an der Tagesordnung sein müssen. Die Zerstörung der Kultur, der Überlebenskampf, die Ausweglosigkeit, die Umstände der Flucht, die bestehenden Verhältnisse, die Traumata, der Wahnsinn, sind ursächlich. Ich sah einmal ein Flüchtlingsboot mit mehreren hundert Flüchtlingen aus Myanmar an einem Strand anlanden. Ich erfuhr, dass sie ursprünglich mit 250 Leuten mehr starteten, die auf dem fast zwei Monate dauernden Horrortrip verhungerten, verdursteten, ertranken. Was müssen sich auf diesem Boot für unvorstellbare Szenen abgespielt haben? Und welcher Mensch übersteht dies ohne Folgen? Auch die Tat an sich ist völlig irrelevant. Um mich herum finden täglich Straftaten statt: Frauen werden halb tot geschlagen, Kinder misshandelt, Leute prügeln sich, Diebstähle finden statt. Ob Karl-Heinz, Mandy oder Achmed Täter/in ist, hat keinerlei Bedeutung. Und auch nicht, ob das in Bangkok, Tunis, Tirana oder Istanbul geschieht. Dort wo es passiert, muss man sich um die Opfer und Täter kümmern. Eine Abschiebung führt dazu, dass sie/er an einer anderen Stelle der Erde neue Opfer findet und sich das Leid fortsetzt. Sollte irgendjemand ein echtes Interesse an der Verhinderung von Straftaten haben, muss eine Suche nach den Ursachen stattfinden. Im zweiten Schritt könnten sie dann beseitigt werden. Konjunktiv! Die Ursachen sind vielfach bekannt. Aber wenn wir die angingen, käme dies einer Weltrevolution gleich. Wie auch immer. Jene, die da ständig Kausalitäten zusammenbasteln, führen nichts Gutes im Schilde. Vor allem haben sie nicht meine Freiheit, mein freies Denken, im Sinn. Sie wollen mich manipulieren. Ich schaue weiter Nachrichten und höre mir das alles an. Doch mein Ansatz ist ein anderer: Ich will wissen, was mein Gegner macht. Ich achte weniger darauf, was inhaltlich rübergebracht wird. Mich interessiert, wie es geschieht, welche Wörter benutzt werden und zu welchem Zeitpunkt die Nachrichten auftauchen.
Frei, hat eine Menge mit Interaktionen zu tun. Wenn mindestens zwei Personen eine Rolle spielen, ergeben sich logischerweise zwei Perspektiven. Ich will frei sein und der oder die andere ebenfalls. Gleichsam unterliegen wir den gleichen Beschränkungen. Es ist unwahrscheinlich, dass wir beide immer exakt zum gleichen Zeitpunkt identische Bedürfnisse verspüren. Spätestens an der Stelle werden wir Arrangements finden müssen. Ich kann auch davon ausgehen, dass die andere Seite genau registriert, wie ich mich verhalte. Sind wir beide halbwegs intelligent, werden wir beide dies erkennen. Hierzu gehört auch die Erkenntnis, dass es keine absolute Freiheit geben kann. Zu gleichen Teilen müssen wir Einschränkungen hinnehmen. Tun wir es nicht, wird sich unser Verhältnis sehr schwierig gestalten. Übertreibe ich es mit meinen Anforderungen oder Ansprüchen, wird dies nicht ohne Folgen bleiben. Auf der anderen Seite sieht es genauso aus. Ich denke, aus dieser zwingenden Logik heraus ergaben sich in Folge der Evolution diverse Anlagen des Homo sapiens. Allein hatte der Primat Homo sapiens zu keinem Zeitpunkt eine Überlebenschance. Kooperation, gegenseitiges Einverständnis, Rücksichtnahme, Fürsorge, Einfühlungsvermögen, Gerechtigkeitssinn, sind tief in uns verwurzelt und sind auch bei unseren nahen Verwandten zu beobachten.
Hieraus ergeben sich notwendige, natürliche, Beschränkungen der eigenen Freiheit. Das meiste davon, ohne so etwas wie eine Sozialisierung durch Eltern. Die Natur hat es so eingerichtet, dass bereits Säuglinge beginnen, dies mittels Beobachtungen und Ausprobieren zu erlernen (Belohnungssystem!). Das Kind schaut sich, was es tun muss, damit es sich gut fühlt und die Bedürfnisse erfüllt werden oder was bewirkt eher das Gegenteil? Dazu gehört auch die feste Bindung zu einer Bezugsperson, im Regelfall die Mutter, die quasi in Besitz genommen wird. (Hierzu hat Erich Fromm einiges im Buch “Haben oder Sein” ausgeführt.Er ersieht das Loslassen als eine Emanzipation des Erwachsenen, der sich nicht anklammern muss, sondern sich aus eigener Kraft im Leben zurechtfindet.Während das “Klammern” mehr Ausdruck eines infantil stehengebliebenen Menschen ist) Eine Sozialisierung, im Sinne der Anpassung an eine Gesellschaft, bewirkt unter Umständen einiges, was mit Freiheit, Emanzipation, nichts zu tun hat.
Kein menschliches Handeln ohne Motiv! Wird die Freiheit bewusst beschränkt, muss es eins und einen Grund geben. Es ist zweckmäßig, zeitweilig die Anweisungen einer anderen Person zu befolgen. Wer beißenden Hunger verspürt, aber keinerlei Vorstellung hat, wie er sich mit Jagen, Fischen oder Sammeln sein Essen besorgen kann, ist auf Hilfe angewiesen. Sich dann einem erfahrenen Jäger unterzuordnen, seine Kommandos zu befolgen, kann die Rettung sein. Aber wenn die Nummer vorbei ist oder eine andere Situation eintritt, in de man selbst der Wissende ist, hat sich das erledigt. In unserer Gesellschaftsordnung sieht das anders aus. Jemand wird aus den unterschiedlichsten Gründen zur Autorität ernannt. Außerdem bekommt er Machtmittel überreicht. Einmal in der Position bleibt er dort oder steigt stetig weiter auf. Ob er nun kompetent ist oder nicht. Einige behaupten sogar, dass in einer Hierarchie die Beförderung nach oben so lange andauert, bis jemand die Position erreicht, in der die größte mögliche Inkompetenz erreicht ist.[4]„In einer Hierarchie neigt jeder Beschäftigte dazu, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen.“ Laurence J.Peter/William Morrow, The Peter Principle
Eine Spezialität ist der Fortpflanzungstrieb. Die Evolution denkt nicht, sondern probiert chaotisch aus, was sich als vorteilhaft erweist. In der Natur erwies es sich von Nutzen, wenn sich die Exemplare einer Gruppe paarten, die die vielversprechendsten Gene für einen Fortbestand und Weiterentwicklung einer Art mit sich brachten. Ein hohes Aggressionspotenzial, welches keine Schranken kennt und mit dem Tod des Gegners endet, ist de facto nicht förderlich. Aus diesem Grund entwickelten alle hoch entwickelten Wirbeltiere Turnierkämpfe.[5]Bei Wölfen wurde die Tötung von Welpen beobachtet, die sich im Spiel besonders aggressiv ggü. Rudelmitgliedern verhielten. Exemplare mit anderen Anlagen treten immer mal wieder auf, aber setzen sich, solange die Art Bestand hat, nicht durch. Welches Verhältnis gefährlich wird, kann man mathematisch ausrechnen. Aber an der Stelle bin ich im Biologie-Leistungskurs ausgestiegen. Mathematik war nie mein Ding. Ich denke, nicht einmal der Homo sapiens macht dabei eine Ausnahme. Der Fehler besteht in der Entwicklung des Großhirns, die es möglich machte, dass die Ausnahmefälle über Möglichkeiten verfügen, die mit natürlichen Vorgaben kurzen Prozess machen. Meiner Erfahrung nach verfügen die meisten psychisch gesunden Menschen über instinktive Hemmungen, die sie in einem unmittelbaren körperlichen Kampf mit einer Person, der sie sich in irgendeiner Art verbunden fühlen, bremsen. Erwürgen, vorsätzliches Totschlagen mit Fäusten und Tritten muss erst einmal “erlernt” werden. Anders sieht es aus, wenn Hilfsmittel oder gar Distanzwaffen hinzukommen. Die Folgen eines Messerstichs sind schwer absehbar und bei einer Schusswaffe spielt der Abstand eine Rolle. Alles ändert sich komplett, wenn zur reinen physikalischen Distanz auch noch eine Innere hinzukommt. Je fremder mir ein anderer vorkommt, desto einfach wird alles. Entfremdung ist ein wichtiger Faktor. Instinktiv tun Menschen in Bedrohungslagen eine ganze Menge, um irgendwie eine Beziehung herzustellen, die sie retten könnte. Dazu gehören auch Demutsgesten, die Urinstinkte anspringen lassen. Das Wort Mitleid indiziert es. Dies kann ich nur empfinden, wenn ich mich auf die/den anderen einlasse, womit es auch unwahrscheinlicher wird, dass ich töte oder wenigstens schwer verletze. Man kennt das auch vom Töten anderer Lebewesen. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob ich eine Kuh schlachten soll oder die Kuh Elsa, welche meine Kinder so lieb haben. Genau aus diesem Grund empfinde ich z.B. Kampfdrohnen als eine absolute Perversion. Mehr Abstand zwischen einer/einem die/der tötet und dem Opfer kann nicht mehr hergestellt werden. Das Töten wird zu etwas vollkommen Abstrakten. Ich schrieb bewusst: psychisch gesund! Bei jemanden, der im unmittelbaren Kampf mit einem anderen keine Hemmungen besitzt, auf Demutsgebärden nicht reagiert und keinerlei Bezug zu einem Artgenossen herstellen kann, müssen einige Schalter umgelegt sein. Die Hintergründe können sehr unterschiedlich sein. Keinesfalls ersehe ich einen solchen Menschen noch als frei. Es fehlt schlicht am eigenen, freien Willen. Der ist entweder durch vorhergehende Ereignisse abhandengekommen, war aufgrund biologischer Voraussetzungen nie vorhanden, gezielt ausgeschaltet oder die Überwindung wurde antrainiert. Anders sieht es aus, wenn ich unter Zwang handeln muss. Doch allein das Wort impliziert, dass es sich um eine Lage handelt, in der ich nicht mehr frei und aus eigenem Antrieb handle. Wird mein Leben oder das eines anderen, mit mir in Bezug[6]Was jemand darunter versteht, ist ziemlich individuell. Manchen genügt z.B. die gemeinsame Nationalität, während sich andere auf eine unmittelbare Bekanntschaft reduzieren. Bei … Continue reading stehenden Personen bedroht, muss ich mich zwischen Leben und Tod bzw. mindestens Unversehrtheit entscheiden.
In einer Gesellschaft wie der unseren sind in vielen Teilen die körperlichen Voraussetzungen ohnehin sekundär. Die Paarungsbereitschaft kann mittels Kreditkarte und Konto-Deckung erkauft werden. Doch selbst in modernen Gesellschaften mit anderen Planungskriterien schlägt das Affige durch. In Fitnessstudios pumpen sich Männer auf. Frauen versuchen, eine Figur zu modellieren, die dem Zeitgeist entspricht. „Beten sollte man darum, dass ein gesunder Geist in einem gesunden Körper sei.“ Dies schrieb der Römer Juvenal spöttisch beim Anblick seiner Mitbürger, die sich öffentlich mit eingeölten, trainierten Körpern der Öffentlichkeit präsentierten. Doch muss ich mich über die Straftaten von jungen Männern wundern, wenn ich ihnen vermittle, dass sie die Anerkennung über teure Autos, Kleidung, ein dickes Portemonnaie, Kreditkarten bekommen, und sie auf die Art für die ebenso sozialisierten Frauen interessant werden? Vor allem, wenn sie gar keine andere Chancen bekommen? Schnelles Geld mit wenig Aufwand zu verdienen, wird erst zur Straftat, wenn ich illegitime Mittel anwende. Stehen mir legale zur Verfügung, ist alles in Ordnung. Starte ich mit einem ausreichenden Kapital, Bildung, dem notwendigen Wissen darüber, wie ich Leuten das Geld aus der Tasche ziehe oder am Fiskus vorbeibringe, bleiben die legalen Wege nicht lange verschlossen. Hab ich all dies nicht, muss ich andere finden. Wäre es dann für die Gesellschaft nicht zweckdienlicher, Werte höher zu schätzen, die ohne Geld, Statussymbole, auskommen? Gleichzeitig dieses ganze dekadente Gehabe der Reichen, Schönen, Pop – und Filmsternchen zu ächten, statt zu favorisieren? Ich spielte beruflich damit eine Weile herum. Nichts ist in Deutschland einfacher, als mit wenigen gezielt ausgewählten Accessoires, einem passenden Fahrzeug und Auftreten, eine Illusion zu erzeugen. Auch wenn er mich bei Twitter geblockt hat, bin ich ein großer Bewunderer der Fähigkeiten des Hochstaplers Gert Postel. Der Mann bediente 17 Jahre lang all die Vorurteile, Annahmen, Wertvorstellungen, seines Umfelds. Ihm zuzuhören ist eine “böse” Freude. Was wir wertschätzen, findet größten Teils im Kopf statt. Ein indischer Guru beschrieb dies am Beispiel eines kleinen Mädchens, welches mit einem “kostbaren” Diadem spielt. Böte man dem Kind zum Tausch ein schönes Spielzeug an, würde es sicherlich zustimmen. Wenn die Verfechter des Kapitalismus von Verknappung und damit verbundener Wertsteigerung sprechen, lassen sie etwas aus. Zunächst muss ein Bedürfnis danach bestehen. Wenn ich etwas nicht mag, ist es mir vollkommen egal, ob es selten und teuer ist. Anders sieht es aus, wenn ich etwas zum Überleben benötige. Einige Spezialisten leiten davon ab, dass man auch Wasser zu einem Produkt machen sollte. Ihrer Logik nach gingen die Verbraucher dann umsichtiger damit um. Warum dann nicht auch gleich noch die Atemluft? Mit dem Boden wird es ja bereits getan. Trinkwasser wird aufgrund der Umtriebe der Industriestaaten und der globalen Geschäftemacher ohnehin knapp. Bei dem Wasser, welches zur Produktion verwendet wird, unterscheidet man zwischen grünem, grauen und blauen Wasser. Grünes Wasser ist der gute alte Niederschlag, der in den Boden geht. Nur dumm, wenn der sturzartig kommt und weder vom Boden noch von den Pflanzen aufgenommen werden kann. Auch schlecht, wenn er außerhalb der Wachstumsperioden fällt, aber zum richtigen Zeitpunkt ausbleibt. Blaues Wasser wird für alles Mögliche in den Haushalten, der Industrie, Tierhaltung, Plantagen usw. benutzt. Es stammt aus den Oberflächengewässern oder wird aus tieferen Erdschichten hochgepumpt. In vielen Regionen so viel, dass die ökologischen Systeme zusammenbrechen. Graues Wasser wird derart übel verseucht, dass es gereinigt werden muss oder ins Ökosystem gerät, um dort massive Schäden zu verursachen. Spätestens hier grätschen die Verfechter des Produkts Wasser hinein. Sollen sich die Leute doch sauberes Trinkwasser aus Flaschen kaufen. Merkwürdigerweise sind es die gleichen Kandidaten, welche das graue und blaue Wasser exzessiv nutzten. Mit den größten Wasserverbrauch weist die Textilindustrie auf. Jedenfalls, wenn man alles berücksichtigt, was dazu gehört. Chemische Herstellung, Anpflanzung von Baumwolle, Tierhaltung, Färben, Herstellung, Transport, da kommt was zusammen. In einer Jeans stecken 11.000 Liter Wasser. Aber: Ohne Bedürfnisse nach ständig neuer modischer Kleidung, keine Wasserverschwendung, leider auch kein Profit und Wachstum. Was hat das mit Freiheit zu tun? Ich denke, wenn Leute täglich ums Wasser kämpfen müssen, ist es damit schnell vorbei. Und wenn nicht ein paar arme Teufel in einer Region darum kämpfen müssen, sondern ganze Regionen, nennt sich das am Ende Krieg. Und wenn ich zähneknirschend Zugeständnisse an äußerst unethische politische Aktivitäten machen muss, empfinde ich dies auch nicht als frei. Wie brisant die Lage ist, zeigt sich bei den Chinesen. Die zapfen im Himalaya die großen Ströme gleich oben an und sorgen dafür, dass das Wasser bei ihnen und ihrer Industrie landet und nicht am alten Ort. Dies finden wiederum auf Dauer die betroffenen Staaten nicht witzig. Nun, bei uns in Mitteleuropa scheint es langsam auch interessant zu werden.
Ist die Freiheit des Individuums ein Recht oder eine Notwendigkeit?
Die Eigenart von Rechten besteht darin, dass es eine Instanz geben muss, die sie einräumt oder versagen kann. Außerhalb der Vorstellungswelt des Großhirns gibt es in der Natur nichts Vergleichbares. Wir nennen manche Vorgänge so, aber ich stelle dies infrage. In einer Affenhorde übernimmt ein dominierendes Männchen eine naturgegebene Rolle. Nämlich die Begattung der Weibchen zur Weitergabe der Gene, die wiederum den Bestand der Art sichern. Der macht da keine großen Unterschiede. Wie man so schön sagt, alles, was nicht schnell genug auf dem Baum ist, wird besprungen. Ob es allerdings tatsächlich zu einer Befruchtung kommt, entscheidet das Weibchen, im Zweifel mit körperlichen Reaktionen. Die Rolle wird nicht auf Lebenszeit zugeteilt, sondern zu ihr gehört die ständige Verteidigung. Wer gerade welche Rolle übernimmt, entscheiden sich ergebende Notwendigkeiten, welche sich aus seitens des natürlichen Systems vorgegebenen Aufgabenstellungen ergeben. Diverse Primaten leben in einzeln voneinander bestehenden Gruppen, die sich notwendigenfalls zu einem Verband zusammenschließen können. Hierbei wird schlagartig die Gruppenstruktur aufgelöst und eine neue mit anderen Leittieren gebildet, die mit solchen Situationen Erfahrungen haben. Was wir unter Rechten verstehen, ist etwas anderes. Auf jeden Fall wurden Menschenrechte formuliert, die für Mitglieder der Spezies Homo sapiens Geltung haben sollten. Wir wissen, dass dies nicht der Fall ist. In allen Regionen der Erde werden sie dauerhaft missachtet. Aber wie und warum ist man dann überhaupt auf die Idee gekommen, so etwas wie Rechte zu konstruieren? Ich denke, dass das auf der Einsicht beruht, welche Folgen Handlungen haben, die dagegen verstoßen. Es sind Ideale, von denen man weiß, dass sie niemals erreicht werden, aber es sich lohnt, dieses wenigstens zur Maxime des Handelns zu deklarieren.
Jedes wilde Tier versucht erst einmal einer Gefangenschaft zu entkommen. In besonderen Fällen kann es zur Erkenntnis kommen, dass die vorübergehend einen Vorteil bedeutet. Zum Beispiel, wenn es merkt, dass der Mensch eine Verletzung behandeln will. Notwendigkeit! Auch kulturell den Menschen begleitende Tiere, wie zum Beispiel Hunde, sind auf ihren Vorteil bedacht und erkennen im gewissen Sinne die erweiterten Möglichkeiten der Symbiose. Währenddessen ein Kettenhund lediglich ums Überleben kämpft, weil ihn ein spärlich behaarter Affe quält. Schlimmstenfalls verkümmert er und beginnt dahin zu vegetieren. Womit ich schon mal zwei verschiedene Begriffe benutze: Vegetieren und Leben. Das Großhirn befähigt den Homo sapiens zu teilweise unvorstellbaren Leistungen, um aus einer Gefangenschaft, die Beschränkung der Bewegungsfreiheit, auszubrechen. Überhaupt betrachten wir die Fähigkeit, sich zu befreien, als einen Beweis für Intelligenz. Deshalb sind Fluchtversuche aus einer Vollzugsanstalt nicht strafbar. Also nicht wegen der Intelligenz, die hat den Häftling u.U. in die Anstalt gebracht, sondern der Trieb nach Freiheit. Sich nicht frei bewegen zu können, ist tief verankert als ein das Leben bedrohender Zustand, den es mit allen Fähigkeiten zu ändern gilt.
Aber möglicherweise ist es auch ganz anders. Ich denke dabei an einen Vogel in einem Käfig mit einer offenen Tür. Im Käfig besteht eine nicht zu verachtende Sicherheit und gute Versorgungslage. Draußen lauern Raubtiere, der Vogel muss sich sein Fressen und Wasser allein suchen und ein nächtlicher sicherer Platz will auch gefunden werden. Immerhin ist er frei in seiner Entscheidung, ob er bleibt oder nicht. Doch es gibt ein Risiko. Was passiert, wenn die Versorger ihre Dienste einstellen? Wenn er bleibt, muss er darauf vertrauen. Und er muss sich eingestehen, dass er niemals erfahren wird, wie das Leben außerhalb des Käfigs aussieht. Vielleicht haben ihm andere etwas davon berichtet, wissen kann er es nicht. Womit wiederum feststeht, dass er sich, insofern die Fähigkeit vorhanden wäre, einige Gedanken machen müsste, was er sich von seiner Existenz verspricht.
Ich finde, das Käfig-Modell lässt sich in vielen Bereichen auf den Menschen anwenden. Ein fremdes, nicht von mir selbst formuliertes, über Notwendigkeiten hinausgehendes moralisches Konzept, kann einem Käfig gleichgesetzt werden. Gleiches gilt für ein gesellschaftliches Konstrukt mit Vorgaben und Regeln. Verlasse ich es, bin ich u.U. auf mich alleine gestellt und meine Risiken steigen. Oder ich schließe mich einer Gruppe an, womit sich neue Abhängigkeiten und Grenzen ergeben. Die Entscheidung kann nur individuell getroffen werden. Teilweise lege ich damit auch die Notwendigkeiten fest. Sehe ich ein Leben als einen Prozess, der von ständiger Veränderung, Vervollständigung und Verwirklichung des Selbst geprägt ist, muss ich den Käfig verlassen.
Ein anderer Punkt ist, was ich als die Natur des Menschen bezeichnen möchte. Verwirklichung, Gestaltung der Welt und Gerechtigkeit sind im Menschen tief verankert. Verwehre ich ihm dies, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Gegenreaktion stattfindet. Diese hat wiederum Folgen für die Freiheiten der anderen. Oftmals sind die Reaktionen: Frustration, Aggressionen, Gewalttaten, Rache, Vergeltung. Alles Verhalten, die wiederum neue Reaktionen auslösen. Rational, verständig, vernünftig wäre es somit darauf zu achten, dass für alle innerhalb von logischen Grenzen die Freiheit unberührt bleibt. Wobei ich dabei die Gerechtigkeit mit hineinnehme. Wenn zwei jeweils ihr Auskommen haben, aber einer ein wenig mehr hat, kommt es selten zu einem Problem. Verfügt aber einer über zu wenig und muss ständig zwingende Handlungen vollziehen, während der andere im Überfluss lebt, bleibt das nicht lange ohne Konsequenzen. Ist das Angebot dergestalt, dass es bei einer gerechten Verteilung ausreicht, aber bei einer ungerechten eine Seite in die Bredouille gerät, ist der Kampf sicher. Um diesen einigermaßen unter Kontrolle zu halten, wurden u.a. Gesetze erdacht. Helfen die nicht weiter, müssen die mit der Überversorgung aufrüsten. Im Kleinen und im Großen! Die Einzelnen mit Tresoren, Alarmanlagen, Waffen, Polizei, und die Gemeinschaft mit Grenzzäunen, bewaffneten Truppen, Raketen. Man muss kein Kommunist, Sozialist, Anarchist sein, um die logischen Konsequenzen für die Zukunft zu sehen.
Richtig schwierig wird es, wenn die Grundversorgung für beide nicht reicht. Ursprünglich gab es dieses Problem nicht. Über 100.000 Jahre lebte der Homo sapiens in einem sich selbst regenerierenden System. Immer mal wieder gerieten Völker in einen Konflikt. Aber alles spielte sich regional begrenzt ab. Was interessierte es Azteken, Olmeken, wenn sich an einer anderen Stelle der Erde Makedonier, Griechen und Römer prügelten? Wenn sich heutzutage Russen und Ukrainer, China und USA, Indien und Pakistan oder alle gegeneinander und miteinander nicht die Freiheit gönnen, haben alle was davon. Gleichfalls, wenn die Europäer in Saus und Braus leben, während in anderen Regionen, Hunger, Not und Elend herrschen. Doch man muss dabei nicht so weit schauen. In den Metropolen prallen immer heftiger diejenigen, welche bereits von Geburt an keine Chance bekamen, auf jene mit den Privilegien. Für die Chancenlosen ist Freiheit in jeder Form eine Erzählung. Sie wurden an der falschen Stelle der Erde geboren, kamen einst daher oder ihre Eltern nahmen sie hoffnungsvoll mit. Die Privilegierten empören sich über ihre Undankbarkeit, wenn sie auf der Straße randalieren und alles zerstören. Sie verfügen nicht über Gestaltungsfreiheit, die Freiheit sich zu verwirklichen, eine etablierte Identität anzueignen, die sie an der verfassungsgemäßen Freiheit teilhaben ließe. Für die meisten ist ab der Geburt der weitere Lebensverlauf vorgezeichnet und von Fremden gelenkt. Ich persönlich nenne es immer die präsentierte Rechnung für eine lange Party. Über Jahre hinweg ließen es sich die europäischen Staaten auf Kosten diverser anderer Länder gut gehen. Jede Party ist irgendwann zu Ende. Eine/r muss zahlen. Das alte Partypublikum modert vielfach bereits in den Gräbern. Die Folgen der Party müssen nun die Nachkommen der Opfer und der alten Gäste miteinander ausmachen. Man dachte sich, dass es ausreichen würde, sie ins Land kommen zu lassen und in Siedlungen am Rande der Städte vegetieren zu lassen. Es scheint, dass das nicht funktioniert. Man kann vom französischen Werk “Der kommende Aufstand – L’Insurrection qui vient” halten, was man will, aber es gibt ganz gut wieder, wo sich die französischen Randgesellschaften in den Banlieus hinentwickeln oder bereits stehen. Die europaweit immer wieder aufflammenden Riots nicht zur Kenntnis zu nehmen oder falsch als ein Einwanderungsproblem zu interpretieren, wird sich rächen.[7]https://www.spiegel.de/kultur/der-kommende-aufstand-a-8ea7f45e-0002-0001-0000-000075261508?context=issue
Freiheit ist ein Recht, weil Menschen dies so festlegten. Aber sie ist in erster Linie eine Notwendigkeit für ein friedliches Zusammenleben. Jede unmittelbare Beschränkung oder Handlungen, die mittelbar darauf einwirken, starten einen Prozess, in dem es zu Gegenreaktionen, die sich langfristig auf den ursprünglich Akteur auswirken. Anzustreben ist ein Gleichgewicht zwischen allen.
Grenzen der Freiheit
Für mich ergeben sich aus den oben beschriebenen Aspekten,
– logische, zum Überleben notwendige Grenzen, – auferlegte Grenzen, die darüber hinaus gehen und jene, – die sich aus der Interaktion mit Personen ergeben, – die durch über eine übermäßige Anspruchshaltung, die logischen überschreiten.
Hinzugezogen werden muss eine Konkretisierung, inwiefern welche Freiheit eingeschränkt wird. Und es bedarf einer Selbstbetrachtung, ob möglicherweise ich selbst die logischen Grenzlinien verletze.
Die Logik ergibt, dass sich alles in einem zuträglichen und ausgewogenen Verhältnis zwischen Individuum, Zweisamkeit, Gruppe, Gesellschaft, Weltgemeinschaft, bewegen muss. Ist es gestört, gibt es Zoff und alle beschränken sich die Freiheit abhängig von Können und Mitteln gegenseitig. Dabei sollte sich jeder darüber klar sein, dass jede von einem/r ausgehende Grenzüberschreitung eines Tages Folgen für einen selbst bedeuten können. Dass unsere alltägliche Lebensrealität anders aussieht, weiß jeder.
Bewusst einen anderen Menschen mit einer anderen Krankheit zu infizieren, obwohl ich etwas dagegen tun könnte, ist eine Grenzverletzung. Bin ich beispielsweise mit einer übertragbaren Geschlechtskrankheit infiziert, weiß darum, ist es logisch, den anderen nicht in Gefahr zu bringen. Früher, als die Leute nichts über die Übertragungswege wussten und auch wenig Gegenmaßnahmen kannten, doch durchaus die Gefahr eines Kontakts erkannten, separierten sie die Erkrankten. Es sei denn, es herrschte Krieg. Da wurden die Pesttoten schon mal über die Stadtmauer geworfen. Eine andere Abwehrmethode boten die Religionen. Der Unvernunft, Verständnislosigkeit, Egozentrik, wurden Regeln vorgesetzt. Die Kombination Schweinefleisch und Hitze ergaben tödliche Krankheiten, die linke Hand wurde zu unrein und nach der Notdurft durfte nur die rechte Hand mit anderen in Kontakt kommen, Schuhe, die durch den Kot verunreinigt waren, wurden aus dem Zelt verbannt usw. Später ergab sich nach und nach Wissen, wie man einigen Krankheiten anders begegnen konnte. Gleichfalls lernte man zwischen ernsthaft gefährlichen Krankheiten und denen zu unterscheiden, wogegen man Mittel entwickelt hatte. Einige Zeitgenossen übersehen, dass die Masern, Windpocken, Scharlach, Röteln, Keuchhusten, durchaus immer noch die gleichen gefährlichen Krankheiten sind, die einst ganze indigene Völker ausrotteten, aber dank moderner Mittel halbwegs ihre Schrecken verloren. Und nur, weil bei uns aufgrund hygienischer Standards die Cholera, Typhus, Diphtherie oder die Syphilis seltener geworden sind, sind sie nicht weg. Das Verhalten, die Maßnahmen, haben sie eingedämmt! Ohne dem, würde es in Europa anders aussehen.
Vor diesem Hintergrund erscheinen mir Mitmenschen, die simple Eindämmungsmaßnahmen, wie das Tragen einer Maske oder einen von der Wahrscheinlichkeit her geringen Eingriff, wie eine Impfung zum unzulässigen Eingriff in ihre persönliche Freiheit machen, äußerst seltsam strukturiert. Fest steht, dass die Wahl eines geeigneten Mittels der Abwehr eine logische Entscheidung ist, deren Unterlassen sich auch auf meine Freiheit auswirkt. In erster Linie bin ich ein potenzieller Ausscheider und verhindere mit einer Maske die Ansteckung anderer. Erst an zweiter Stelle schütze ich mich vor einer Infektion. Es geht also um die Ausgewogenheit des Verhältnisses zwischen mir und der Gruppe, Gesellschaft. Nehme ich das Risiko einer Infektion anderer billigend in Kauf, kann ich mich nicht beschweren, wenn die dies bei anderer Gelegenheit ebenfalls tun. Jede bewusste, nicht abwendbare Schädigung, legitimiert ein identisches Verhalten beim anderenund wird sich auf mich selbst auswirken. Insofern sollte ich mir dies gut überlegen.
Rücksichtslosigkeit ist kein Akt der Freiheit, sondern eine Grenzüberschreitung, die einen Prozess einleitet. Auf sie kann am Ende nur mit neuen Regeln und Gesetzen reagiert werden.Rücksichtnahme, sich selbst als einen Teil des Ganzen zu sehen, die Wirkungen des eigenen Handelns zu bedenken, sind absolute Grundlagen für die Freiheit.
Doch wie strukturiere ich eine Gesellschaft, in der natürliche, logische Grenzen nicht mehr eingehalten werden? Eine Option ist, dem sich daraus ergebenden Prozess freien Lauf zu lassen und das sich nach den Gesetzen der Logik eintretende Gleichgewicht abzuwarten. Die Verluste werden ziemlich hoch ausfallen, aber es ist am Ende nur eine Frage der Zeit. Eine andere ist das Festlegen von Regeln, Gesetzen und Strafen, die nicht vorhandene bzw. abhandengekommene Vernunft und den Verstand, wenigstens ansatzweise ersetzen. De facto würde man in einer idealen Ausgangslage keinerlei Regeln und Gesetzedieser Art benötigen. Exakt an dieser Stelle ist ein Haken, mit dem sich alle Anarchisten auseinandersetzen müssen. Zwei Faktoren lassen sich nicht bestreiten. Es gibt rücksichtslose Menschen, die nicht weiter denken. Und es existiert eine Struktur, in der dieses mangelnde Denkvermögen stetig auf ein Neues generiert wird. Bis sich das reguliert, müsste eine Phase des Chaos hingenommen werden. Entsteht es von allein, weil sich das System selbst zerlegt, soll es so sein. Aber künstlich kann es nicht erzeugt werden und ist auch nicht individuell zu verantworten. Zumal der Grundsatz gilt, dass alle Handlungen eine Legitimation für jeden anderen darstellen. Übe ich Gewalt aus, warum auch immer, gestehe ich sie im gleichen Atemzuge auch meinem Gegenüber zu. Gewaltsame Revolutionen setzen die Option in die Welt und jeder andere, der mit dem entstandenen Zustand nicht zufrieden ist, kann sich auf die vorhergehende berufen.
Freiheit, Geld, Würde und der Macht dienliche Regeln
Doch Gesetze und Regeln bestimmen noch mehr. Sie dienen außerdem der Strukturierung und Regelung des Systems. In Deutschland ist das System hierarchisch. Der Idee nach wählen mündige, verständige, vernünftige Bürger, sie vertretende und repräsentierende Frauen und Männer. Die sollen Belange regeln, die von einer/einem Einzelnen nicht ohne Koordinierung, Hinzuziehung von Spezialisten, Wissenschaftlern und auch Leuten, die sich mit ethischen sowie theoretischen politischen Fragen auseinandersetzen, angegangen werden können. In dieser Konstruktion ist es notwendig, den temporären Machtinhabern Mittel an die Hand zu geben, mit denen sie ihre Entscheidungen auch gegen einen Widerstand durchsetzen können. Wie und in welcher Form dies geschieht, ist mittels Gesetzen zu regeln, die innerhalb eines regulären Verfahrens entstanden. Jedes Handeln staatlicher Institutionen muss auf der Basis eines solchen Gesetzes erfolgen. Dies ist die Definition des Rechtsstaats und nicht der ganze andere Quatsch, der populistisch verbreitet wird. Soweit die theoretische Vorstellung.
Konsequent trauten auch die Mütter und Väter des Grundgesetzes dem nicht naiv über den Weg und bauten einige Sicherheitsmechanismen ein. Aber nichts ist von ewiger Dauer, auch nicht, wenn man es als Grundlage bezeichnet. Wenn etwas von Dauer ist, dann sind es die erkennbaren Ideen, Motive, Ziele und ethischen Ansprüche, welche ins Grundgesetz einflossen. Ebenfalls darf meiner Meinung nach nicht außer Acht gelassen werden, dass nicht alle damals Beteiligten wirklich freiheitsliebend und dem demokratischen Konzept positiv zugewandt waren. Teilweise kann ich das durchaus nachvollziehen. Bereits Platon hatte Zweifel und brachte Kritik an. Skeptisch fragte er, ob es eine gute Idee wäre, wirklich alle an der Herrschaft über ein Volk zu beteiligen, da dann auch die beteiligt würden, die nur sich selbst sehen, von Trieben gesteuert sind, von Demagogen manipuliert wurden oder aufgrund ihres schlichten Gemüts eher unfähig wären, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Er favorisierte deshalb eine Herrschaft der Philosophen (damals hatten die noch Format), die unter Beteiligung von Auserwählten die Entscheidungen treffen. [8]https://freidenker.cc/platons_demokratiekritik/1
Meinem Empfinden nach fand eine Umdeutung statt. Vernünftig und verständig sind nunmehr alle Handlungen, die der Mehrung von Gütern, Steigerung des Profits und der Vergrößerung des Abstands zwischen dem ursprünglichen Leben und einer menschlichen Idee davon dienen. Menschen in industrialisierten Ländern setzten sich in den Mittelpunkt und alles Geschehen hat ihren Bedürfnissen, Vorstellungen, Ideen, zu dienen. Auf Basis dieses Denkens entstanden Begriffe wie Umwelt, Umweltschutz, Umweltzerstörung. Reduziert man dies alles auf eine Welt, in der die Spezies Mensch gleichbedeutender Bestandteil wie alles andere ist, entsteht ein völlig anderer Ansatz. Würde es Wesen geben, welche höher entwickelt sind und die Erde als ihren Garten betrachten, müssten sie gegen uns Vernichtungsmittel einsetzen. Was den Mitgliedern der Industriestaaten möglich ist, darf und wird auch getan. Diese Ignoranz des Wirkungsprinzips, in dem jede Handlung auf das Gesamte hat und sich somit auch auf den Menschen selbst auswirkt, zeigt immer mehr die vorhersehbaren Folgen und wirkt sich vielfältig die Freiheit beschränkend aus. Die eigentlichen Bedeutungen von Vernunft und Verstand und darauf basierende Handlungen sind chancenlos. Nahezu alles ist vorsätzlich zu einem ver- oder käuflichen Produkt geworden. Dinge und Handlungen können einen ideellen oder einen monetären Wert haben. Dabei hat sich insbesondere die Wertbemessung von allem, was mit Leben zu tun hat, zugunsten der toten Sachen verschoben. Berufe, die mit dem Leben zu tun haben, werden deutlich schlechter bezahlt, als die sich mit der Mehrung von Geld, Profiten und Gütern beschäftigen. Leistung bezieht sich nicht mehr auf die zwischenmenschlichen Aspekte, sondern auf die monetäre Wertschöpfung. Wer zwar noch lebt, aber nicht mehr diesem Leistungsprinzip entspricht, ist nicht mehr von Interesse. Das betrifft sogar den viel gepriesenen medizinischen Fortschritt der “Wohlstandsgesellschaften”. Unter dem Deckmantel eines ethischen Dilemmas werden Menschen an profitable Maschinen angeschlossen. Bei Behandlungen wird immer seltener nach den Vorteilen für die Patienten gefragt, sondern die Rentabilität entscheidet. Dies geht so weit, dass Investoren von Präparaten abgeraten wird, die eine schnelle Heilung versprechen, da mit dem längeren Krankheitsverlauf mehr zu verdienen ist. Und wenn die Investitionsriesen wie BlackRock doch mal umschwenken, reagiert das herrschende Kapital äußerst empfindlich. Mit der Begründung, BlackRock setze zu wenig auf Rendite und zu viel auf Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung (ESG), zogen die Bundesstaaten Florida, Missouri und Louisiana erhebliches Kapital ab.[9]https://www.boersen-zeitung.de/florida-zieht-milliarden-von-blackrock-ab-1ce8048a-7210-11ed-8cfa-6235c3898d79 So wie Status, Anerkennung, Identität, soziale Stellung, zum käuflichen Produkt wurden, ist auch die Freiheit eins geworden. Ob dieses Produkt noch etwas mit echter Freiheit zu tun hat, wage ich zu bezweifeln. Autofirmen bewerben ihre Produkte als Mittel für die Erzielung von Freiheit. Nur, dass ich die erstmal aufgeben muss, um es mir leisten zu können und dann eher enttäuscht mit einem SUV über die Dörfer und nicht durch die Weiten nordischer Landschaften kurve. Ich frage mich stets auf ein Neues, welchen Geruch ein Parfum für 100 EUR verströmen soll, wenn es der Duft von Freiheit ist. Das Portemonnaie ist leichter und drückt nicht mehr in der Hosentasche. Allerdings gilt dies nicht, wenn ich eine Kredit-Karte benutze, bei der mir die Werbung ebenfalls Freiheit verspricht. Im Ergebnis sitze ich vor dem tollen neuen Fernseher, bekomme neue Bedürfnisse suggeriert, und jongliere mit den Kreditkarten herum. Der bürgerliche Standardlebensentwurf, bei dem sich junge Leute für ein Haus und Auto verschulden, über Jahre hinweg, für die Bank arbeiten, alles Mögliche auf Ratenzahlung abstottern, deshalb beruflich alles schlucken müssen, um nicht den Job zu verlieren, klingt ebenfalls nicht nach einem selbstbestimmten freien Leben. Auch hier spitzt sich die Situation, auch in Deutschland, zu. Bei vielen, die sich in das Lebensmodell einfügten und mit geringem Eigenkapital und niedrigen Zinsen ein Eigenheim bauten, fällt nach und nach die Zinsbindung weg. Bei der aktuellen Entwicklung werden aus 1000,– EUR monatliche Belastung um die 2000,– EUR. Möglich, dass die Banken schon aus eigenem Interesse eine gute Anschlussfinanzierung anbieten. Aber der Knebel wird fester.
Im Grundgesetz steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wenn ich durch Berlin laufe, bekomme ich einen anderen Eindruck. Würde, muss man sich leisten können. Der Begriff ist schwer zu fassen. Nahezu alle bekannten Philosophen setzten sich damit auseinander. In einem Punkt sind sich alle einig: Der Mensch ist keine Sache und darf deshalb auch nicht als solche behandelt werden. Was macht man alles mit Sachen? Ich kann sie besitzen und insofern ich niemanden damit gefährde oder etwas unerlaubt zerstöre, damit nach Gutdünken anstellen, was ich will. Jedenfalls in einer Gesellschaft, die hierfür wenig ethische Grundsätze kennt und sich ausschließlich auf das Haben konzentriert. Sicher im Artikel 14 des Grundgesetzes steht im zweiten Absatz: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Aber in der Realität bricht beim Verweis auf diesen Artikel ein bundesweites Geheul und Gezeter aus. Und wenn es nach den Neoliberalen ginge, würden sie diesen Artikel gern ersatzlos streichen lassen. Jedenfalls kann ich ein Urteil fällen, ob ich einen Gegenstand benötige, er einen Zweck erfüllt, mir dienlich sein kann oder ich mich damit schmücke. Das Herzeigen eines Gegenstands, den ich für viel Geld kaufte, kann mir Anerkennung und Ansehen verschaffen. Und wenn ich keinerlei Zweck mehr dafür habe, werfe ich ihn weg. Lese ich mir die vorhergehenden Worte durch, wird es ziemlich eng. Wird eine Frau oder Mann nicht unmittelbar in ihrem Leben oder Unversehrtheit bedroht, wird es mit dem Flüchtlingsstatus schwierig. Verlässt jemand das Geburtsland, weil er im eigenen keine Perspektive sieht (Bewegungsfreiheit), sprechen wir von Aus- bzw. Einwanderern. Diverse Zeitgenossen wollen diese Leute aber nur bei uns sehen, wenn sie einen tatsächlichen nachweisbaren Nutzenfür die Gesellschaft darstellen. Manche reden sogar von einem Mehrwert. Der neoliberale deutsche Politiker Christian Lindner sagte in einem Interview, dass es kein Menschenrecht wäre, sich seinen Aufenthaltsort frei auszusuchen. Damit hat er sogar recht. Die Menschenrechte (Artikel 12 UN-Charta) beziehen sich auf die Freiheit der Ausreise und die Rückkehr. Aber die bisher dokumentierte Geschichte zeigt uns, dass sich größere Wanderungen nicht langfristig aufhalten lassen. Als Flüchtling gilt im Völkerrecht (Genfer Konventionen) jemand, der aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung verfolgt und bedroht wird und darum das Land verlässt. Materielle Notlagen, Hunger, Krieg, gehören nicht dazu. GREENPEACE Studien gehen im Verlauf der nächsten 30 Jahre von 200 Millionen Menschen aus, die sich notgedrungen auf den Weg machen müssen. Die überall aufzuhalten, wird “spannend” und konfliktträchtig. Wie wollen wir es halten? Die mit einem “Nutzen” lassen wir leben und die “nutzlosen” sollen verrecken oder werden in Lagern gesammelt? Oder setzen wir weiter auf die Karte, dass sie es gar nicht bis zu uns schaffen und der EU-Politik geschuldet, im Mittelmeer ersaufen oder es nicht durch die Wüsten schaffen? Immerhin bewiesen die es dann doch noch schaffen, dass sie widerstandsfähig und körperlich fit sind. Ich finde es immer schön, wenn alles schön und sauber dargestellt wird. Seit geraumer Zeit wird die Europäische Außengrenze mit dem System EUROSUR (European border surveillance system) ausgebaut. Dazu gehören der Einsatz von Drohnen, Aufklärungsflügen, Sensoren, Satellitenüberwachung. Natürlich will man damit nicht nur die Grenze dichtmachen. Ganz human sollen auch Menschen in Not gefunden werden. Meine Prognose sieht ein wenig anders aus. Die Tendenz beim Militär geht dahin, die maximale Distanz zu schaffen, damit das gegenseitige Töten seine unmittelbaren Schrecken verliert. Das Mitglied der ultra-rechten (meiner persönlichen Meinung nach, faschistisch geprägten) AfD Gauland sagte unlängst in ein Mikrofon: “Man muss die Grenzen schließen und die entstehenden Bilder sind auszuhalten.” Ganz falsch liegt er damit nicht. Ohne Gewalt lassen sich die Leute nicht dauerhaft abweisen. Aber vielleicht lassen sich die Bilder verhindern? Die Technik, vor allem die “perverse” schreitet unaufhaltsam voran. Zumindest besteht die Option, die brutalen Vorgänge nur wenige Personen auf Monitoren sehen zu lassen. Und was mit Frauen und Männern passiert, die solche Dinge anprangern oder veröffentlichen, wissen wir seit Snowden und Assange. Auch dies hat ein Eskalationspotenzial und wird sich nicht gut auf die Freiheit aller auswirken.
Nun könnte man sich fragen, welchen Anteil der Way of Life in den reicheren Ländern am Umstand der Perspektivlosigkeit hat. Welche Auswirkungen sind auf die politischen Aktivitäten der letzten 200 Jahre, in denen parallel hier Wohlstand und Überverbrauch an Ressourcen stattfand, zurückzuführen? Wie viele Staaten wurden destabilisiert, damit dort niemand auf die Idee kommt, den Industriestaaten gefährlich zu werden? Oder welche Gelder flossen an Despoten, Tyrannen, Oligarchen, Gangster, damit der Zugang zu den Märkten geöffnet und die Rohstoffe exklusiv an die “richtigen” Leute geliefert wurden? Findet nicht gerade eine umstrittene Weltmeisterschaft statt, bei deren Vergabe die Rohstofflieferungen eine entscheidende Rolle spielten? Und das Geld an wenige zweifelhafte Autokraten fließt? Nochmals: Freiheit funktioniert auf Dauer niemals in eine Richtung. Eines Tages rächen sich übermäßige Übervorteilungen.
Wie ausgeführt, muss ein Mensch, der viel Aufwand für sein Überleben leisten muss, erhebliche Abstriche bei der Freiheit machen. Wenn öffentlich kund getan wird, dass jede Hilfe so weit eingeschränkt wird, bis die Empfänger bereit sind für jede Bezahlung auch noch den miesesten Job oder vielleicht besser, schlecht bewerteten, anzunehmen, klingt dies auch nach Zweckmäßigkeit. Und wenn ich auf deren Rücken auch noch Ressentiments für meine eigenen Zwecke schüre, erscheint mir dies als Instrumentalisierung, was nichts anderes bedeutet, als dass ich einen Menschen gegenständlich benutze. Besonders verwerflich wirkt dies auf mich, wenn das von Leuten ausgeht, deren Bezahlung nicht nur in schwindelerregenden Bereichen liegt, sondern auch noch genau wegen solcher Aussagen von Aufsichtsräten ergänzt wird.
Bei oberflächlicher Betrachtung erscheint es ins Absurde zu gehen, wenn ausgerechnet Leute, die sich liberal oder libertär auf die Fahne schreiben, an solchen Prozessen beteiligen. Genauer betrachtet wird es logisch. Hauptsächlich geht es um freie Geldflüsse und eine von menschlichen, ethischen Vorbehalten befreite Wirtschaft. Wobei die Vertreter gern den Begriff Moral vorwerfen. Wolfgang Schäuble, CDU, sagte bei Markus Lanz: “In der moralischen Besserwisserei sind wir Weltspitze”. Wenn ich ihn richtig verstehe, geht dies in die Richtung einer Kritik an eine Werteorientierte Außenpolitik. Auch ihm muss ich zustimmen. Deutschland und jeder andere mitteleuropäische Staat würde deutlich schlechter dastehen, wenn nicht mit jedem Staat, in dem die völkerrechtlich verbürgten Menschenrechte keinerlei Bedeutung besitzen, Geschäftsbeziehungen beständen. Wie sich dies langfristig auswirkt, wird man sehen. Allerdings ist die Kritik daran oder an die Staaten keine moralische Besserwisserei. Bei mir laufen unter Moral alle Regeln des Zusammenlebens, die von der jeweils aktuell dominanten Gruppe der Gesellschaft bestimmt werden. Die ändern sich immer mal wieder. Ethik überdauert die Epochen und entspricht dem roten philosophischen Faden, der sich von der Antike bis heute durch die Geschichte zieht. Vielleicht eine etwas altmodische Unterscheidung. Doch ich finde sie sehr nützlich, um Entgleisungen der Geschichte, in denen auch von Moral gesprochen wurde, von den anderen Betrachtungen abzugrenzen. Wirtschaften diente einst dem Wohl der Leute. Ein Bäcker wollte natürlich Geld verdienen, aber er trug auch eine Verantwortung für die Versorgung. Dies galt für jeden Handwerker oder Händler. Dies funktionierte halbwegs, bis alles komplizierter wurde. Spätestens mit dem Ansatz, dass sich alles über Angebot, Nachfrage, Verfügbarkeit selbst regulieren würde, ging es den Bach herunter. Menschen sind eine stetig nachwachsende Ressource. Und solange ich Typen finde, die für ein paar Vergütungen und ein wenig Besserstellung aufmüpfige Arbeiter/innen zusammenschießen, bin ich meistens auf der sicheren Seite. Problematisch wird es, wenn ich es zur falschen Zeit übertreibe. Ethik und Menschenrechte sind keine moralische Besserwisserei. Und wenn ein Verbrecher sagt: “Wenn ich es nicht mache, macht es ein anderer. Warum soll ich nicht daran verdienen?” ist es eine zusammengeschusterte Rechtfertigung, mit der ich alles gerade biegen kann. Kommt sie von einem, der sich als Christ bezeichnet, ist es Heuchelei. OK, dann sind wir Deutschen schlicht genau solche miesen Kanaillen wie alle anderen auch. Aber dann sollten wir es auch zugeben! Ebenfalls, dass wir an der Architektur einer alles zerstörenden industriellen Welt beteiligt sind. Klare Sache: “Wir haben zusammen mit anderen beschlossen, die Sache mit dem uns bis jetzt bekannten Leben zu Ende zu bringen!” Damit kann jeder etwas anfangen. Aber dieses Herumeiern, ständig irgendwelche Konferenzen abzuhalten, vom Erhalt der Schöpfung zu labern, einigen eine Hoffnung auf eine Zukunft zu suggerieren, ist schlicht schäbig und stillos. Außerdem kann dann jeder, der damit nicht einverstanden ist, seine Handlungen sauber rechtfertigen. Denn spätestens hier geht es um Gegengewalt.
Der amerikanische Ökonom John Maynard Keynes stellte fest: „Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden.“ So wie ich in meiner Zeit als Kriminalbeamter die Befürworter des Kapitalismus in der aktuellen Ausgestaltung erlebte, kann ich dies bestätigen. Im Gegenzuge bin ich auch kein Freund des Kommunismus. Die angesprochenen Widerwärtigen verschwinden nicht plötzlich von Bildfläche, sie übernehmen nur andere Funktionen. Ich denke, wir müssten irgendwie eine zweigleisige Strategie fahren, in deren Folge, vernünftige und verständige Menschen in der Gesellschaft eine tragende Rolle einnehmen und das wirtschaftliche Handeln wieder einem echten Wohl, Zufriedenheit, echter Freiheit, dient. Dafür müssten alle für die ökologischen Vorgänge und Erträge mit in die Verantwortung genommen werden. Aber woher die Zeit nehmen? Mir ist dabei völlig egal, wie die Argumente für den Kapitalismus oder den Kommunismus lauten. Ich orientiere mich an dem, wie die Realität aussieht und die ist Beweis genug, dass beides nicht funktionierte. Die Bewohner der industrialisierten Regionen haben nicht nur Flora, Fauna, am Boden, in der Luft und im Wasser an die Wand gefahren, sondern auch noch das globale Klima. Dies dürfte Nachweis genug sein, dass mit Teilen der Spezies Homo sapiens etwas aus dem Ruder läuft. Die geschätzten, 477 Millionen Angehörigen indigener Völker trifft keine Schuld.[10]https://de.statista.com/infografik/27934/geschaetzte-anzahl-angehoeriger-indigener-voelker-pro-region-in-2019/ Ganz im Gegenteil! Die melden sich immer mal wieder, zumeist Angehörige der First Nations, mahnend zu Wort. Nützt ihnen aber nichts. Mittlerweile kommt unser Status einem globalen Virus gleich, der sich erst dann nicht weiter ausbreitet, wenn die Wirtspopulation ausgestorben ist.
Liberale und Konservative ersehen Geld, Luxus, Überkonsum, eine gute Versorgung als Ansporn für Leistung. In der Realität ist weniger die echte Lebensleistung ausschlaggebend, sondern dass die richtige Wahl getroffen wurde. Wähle ich einen Beruf oder ein Studium, welches sich mit den Regeln des Systems beschäftigt (z.B. Jura, BWL) steigt die Wahrscheinlichkeit, mit wenig Leistung deutlich mehr Geld verdienen zu können, als ein Beschäftigter im Handwerk, der hart körperlich arbeiten muss. Hinzu kommen all die Vorgaben, die sich bereits bei der Geburt ergeben. Muss man besonders misstrauisch sein, wenn man annimmt, dass Teile des Regelwerks diejenigen bevorteilt, welche sie aufstellen? Und dass die breite Masse gar nichts vom Ausmaß der begünstigenden Regeln hat? Dieses Spezialisten vorbehalten ist, die wiederum Unsummen mit dem kreativen Auslegen der Regeln verdienen? In unserem System ist Geld gleichzeitig Macht. 2017 gaben die Parteien, CDU/CSU 71,0 Mio. Euro, SPD 56,2 Mio. Euro, FDP 17,5 Mio. Euro, Grüne 15,8 Mio. Euro, AfD 13,0 Mio. Euro, Die Linke 10,5 Mio. Euro aus.[11]https://www.t-online.de/region/berlin/news/id_90757944/so-viel-kostet-wahlkampf-fuenf-bundestagskandidaten-legen-ihr-budget-offen.html Unter anderen fließt das Geld an die Kandidaten, die damit Termine, Plakate, Flyer, pp., finanzieren. Das Geld muss irgendwo herkommen. Spannend ist beispielsweise der Besuch von Parteiveranstaltungen, bei denen Tafeln mit den Sponsoren aufgestellt werden. Allein für die Erwähnung auf der Tafel, zahlen die genannten Firmen horrende Summen, die in die Parteikassen fließen. Im Ergebnis können Mandy, Silvio, Karl-Heinz, Gabi, nur hoffen, dass der Reigen der besser Gestellten auch manchmal an sie denkt.
Der Kraftaufwand für ein freies Leben wird immer höher
Wichtige Steuerungselemente für Massengesellschaften ergeben sich aus den psychologischen Effekten, die sich aus dem Zusammenleben in der Gruppe ergeben. Individuelle Werte, Moral, Vorstellungen, Anschauungen, Geschmack, Traditionen, Rituale werden zugunsten der Gruppe aufgegeben. Also wieder zurück zur alten Horde, die das Überleben sicherte und somit alles, was den Zusammenhalt stärkte, evolutionär zweckmäßig war. Mit einem wichtigen Unterschied: Heute nutzen diese alten Anlagen gewiefte Leute, um die Massen nach ihren Vorstellungen zu lenken. Im etwas kleineren Rahmen und lange nicht so ausgefeilt taten dies bereits früher große Heerführer, Herrscher, Pharaonen, Imperatoren und Cäsare. Heute bestehen zu allen Industrienationen umfangreiche Datenbanken. Einige behaupten, dass Daten mittlerweile finanziell wertvoller sind, als Edelmetalle, Öl oder andere Ressourcen. Datenbanken können mit Kriterien abgefragt werden. Suche ich nach Übereinstimmungen oder Ähnlichkeiten, bekomme ich Gruppen geliefert. Alter, Geschlecht, Bildung, Tätigkeiten, Hobbys, Musikgeschmack, Ernährungsweise, Krankheiten, Bewegungsmuster, bevorzugte Fortbewegungsmittel, die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt. Damit kann man arbeiten. Ich kann diesen Gruppen gezielt griffige Schlagwörter zur Verfügung stellen, Bedürfnisse wecken oder bedienen, Versprechungen machen, gemeinsame Außenfeinde zur Erzeugung einer stärkeren inneren Einigkeit anbieten, falsche oder echte Informationen zuspielen, sie treffsicher mit Werbung ansprechen, verunsichern, Fakten entkräften, in dem ich einfach jede Menge Alternativen präsentiere und alle Präsentierer gleich unglaubwürdig erscheinen lasse. Um mich mit anderen austauschen zu können, benötige ich eine gemeinsame Sprache und es wichtig, dass wir zu einem Begriff, identische Vorstellungen, positive, negative Konnotationen, Emotionen, innehaben. Doch alles darf nicht zu kompliziert sein. Differenzierungen, Trennschärfe, Konkretisierungen sind unerwünscht und regen lästiges Nachdenken an. Wenn bestimmte Worte benutzt werden, muss ich sofort erkennen: Das sind meine Leute oder meine Gegner! Menschen benötigen eine Identität, mit der sie sich auf einer sinnbildlichen Landkarte verankern können. Ich bin ein Deutscher (Gruppe) – aufrecht, pünktlich, fleißig, zuverlässig, ehrlich, verwurzelt in der deutschen Geschichtserzählung (Gruppenmoral). Leistung ist wichtig. Der Mensch an sich ist faul und wenn er nicht gefordert wird, passiert gar nichts. Anerkennung muss man sich verdienen (Gruppendenken). Frauen und Männer aus kulturfremden Regionen (Schlagwort – grauslich, was einem da alles entgegenkommt, wenn man es bei einer Suchmaschine eingibt) wollen nur in unser Sozialsystem einwandern (Außenfeind). Will man seinem eigenen Algorithmus entkommen bzw. verstehen, wie man selbst angesteuert wird, benötigt man lediglich den TOR – Browser, der bei der Suche im Internet eine andere zufällige Identität vorgaukelt. Die Unterschiede bei den Suchergebnissen sind bisweilen verstörend.
Die engagierten Klima-Aktivisten und ein Jan Böhmermann haben in letzter Zeit einige aus der Deckung gelockt. Bereits die Anfänge, als es mit Fridays for Future losging, gestalteten sich spannend und aufschlussreich. Es war beeindruckend, wie viele vermeintliche wissenschaftliche Koryphäen plötzlich aus den staubigen Hinterzimmern gezerrt wurden. Gleichzeitig tauchten Studien auf, die in den 30 Jahren zuvor niemand zur Kenntnis nahm, weil sie in der seriösen Wissenschaftswelt im gleichen Papierkorb landeten, wo auch die Discounterwerbung hinkommt. Hinzu kam ein Stakkato an Schlagwörtern. Parallel wurden die GRÜNEN und LINKEN aufs Korn genommen. GRÜN ist mittlerweile links. Was eine an ökologischen Aspekten ausgerichtete Politik zum Sozialismus oder Kommunismus werden lässt, erschließt sich mir nicht. Noch weniger, wenn ich an die alten Konflikte zwischen Realos und Fundis denke, der damals eindeutig von den Realos entschieden wurde, die unter dem Strich zu großen Teilen aus Konservativen mit schlechtem Gewissen bestehen. Aber die Strategen haben es hinbekommen, dass Leute, die Kraftfahrzeuge kritisch sehen, zu Linken werden. Dem alten Ford und Rockefeller würde dies gefallen. Deutsche haben es nicht so mit religiösen Eiferern und Sekten (es sei denn, sie kommen aus der Umgebung Freiburg im Breisgau). Da war es naheliegend, Greta zur religiösen Ikone werden zu lassen und alle anderen als Jünger, Gefolge, zu diffamieren. Religion, Glaube, ist anders als wissenschaftliche Fakten, passt! Nahezu orchestriert streuten große Zeitungen die Kampagnen unter die Leute, woran wiederum der Godfather der PR–Strategien Edward Bernaysseine Freude gehabt hätte. Hinter Lindner, Söder, Scholz,Dobrindt, Laschet, der kompletten Parteiführungsriege konnte man förmlich die grauen Schatten der Ghost Negotiator und Spin-Doktors sehen. Zu dieser Zeit zeichnete sich ab: Wenn die bereits bei Schülern aus vollen Rohren feuern, kommt bei der nächsten Stufe mehr.
Bei den aktuellen Klima-Aktivisten und denen, die sich mit RWE anlegen, wird die Gangart härter. Bei letzteren ging es sofort in die alte, bewährte Richtung. Spinner, Langhaarige, mit Exkrementen werfende Freaks, die auch noch in Bäumen sitzen. Wer denkt da nicht an Affen? Bei Laschet’s Fauxpas, bei dem er falsche Tatsachen in die Welt setzte, um noch rechtzeitig Ruhe ins Spiel zu bringen, hätte für ihn normalerweise Schluss sein müssen. Doch still ruhte der mediale Blätterwald. Von Extremisten war es nicht weit bis zur Kriminellen Vereinigung und danach zum deutschen Schreckgespenst RAF. Da muss bei Böhmermann und Crew der Kragen geplatzt sein. Zuvor zündete die lang vorbereitete Bombe, als in Berlin auf tragische Weise eine Frau ums Leben kam. Ich persönlich erwartete eine schief gehende Geburt. Ein mehr als billiges Tor. Sie mussten nur auf etwas ansatzweise Passendes warten. Mit dem Fahndungsplakat und Rückzahlung in gleicher Münze war Böhmermann vielleicht nicht sonderlich kreativ, aber sehr erfolgreich. Selbst Leute, die man nicht unbedingt auf dem Zettel hatte, zeigten sich, in dem sie sich brav künstlich empörten und ihr Geld und Gefallen abarbeiteten. Man darf auf die Fortsetzung gespannt sein. Auch wenn alles einen bitterernsten Hintergrund hat. Besonders, wenn man sich vor Augen hält, dass in Deutschland 2022 politische Aktivisten in eine seit 1945 nie dagewesene lange Vorbeugehaft genommen wurden.
Eine vollkommen zweckfreie Reaktion der Macht. Was soll passieren? Die sind überzeugt! Drinnen waren sie nun ohnehin, alle Eintragungen bestehen und die Zahlungen kommen weitestgehend aus Spendengeldern. Wenn sie nicht die Kriminelle Vereinigung durchbekommen, wovon ich ausgehe, ist das Pulver verschossen. Wer sich im Winter auf die Straße setzt, macht es im Sommer erst recht. Und es soll auch noch andere Protestformen geben. Wenn es für die Sicherheitsbehörden ganz dumm läuft, wurde mit der Reaktion die derzeit tief schlafende Autonome Szene getriggert. Ich weiß auch nicht, was die sich alle denken. Glauben, die ernsthaft an eine wieder einschlafende Bewegung? Morgen haben alle das Klima wieder vergessen?
Vorbeugehaft und Bußgelder sind bürgerliche Reaktionen, die auf etwas hinweisen. Das eine ist ein Eingriff in die Bewegungsfreiheit und das andere soll den Geldbeutel treffen, mit dem man sich die Ersatzprodukte kaufen kann. Blöd, wenn die Betroffenen vollkommen anders unterwegs sind. Die Haft ist mehr Ehrung und Signal, den richtigen Nerv getroffen zu haben. Einem biederen Bürger wäre sie peinlich. Und Leuten, die sich über Aktionen, Widerstand, Ungehorsam und Auflehnung gegen das dröge Establishment identifizieren, mit Geldstrafen zu kommen, kann nicht funktionieren. Da wurde aus Sicht der Macht bei FFF einiges richtig gemacht. In dem man sie auf Veranstaltungen einlud und einfach reden ließ, nahm man ihnen das Feuer unter dem Kessel weg. Sie wurden nett beklatscht, alle machten betroffene Gesichter, das war’s.
Offensichtlich erkennbare Autorität, die die Freiheit beschneidet, ist fair und ihr kann mit Widerstand begegnet werden. Viel schwieriger gestaltet sich die versteckte. Meiner Auffassung nach hatten einige Querdenker recht und unrecht zugleich. Was sie als Meinung bezeichneten, war keine. Denn die ist eine ansatzweise vertretbare, für wahr angenommene Aussage, ohne dass ein Beweis angebracht werden kann. Mir fällt nichts ein, wie man Chips in Spritzenkanülen, eine Weltverschwörung oder eine international organisierte Bevölkerungsreduzierung vertreten soll. Dann wäre alles, auch 2+2=7 eine Meinung. Nein, dies ist schlicht Quatsch. Ebenso wie diese LSD Fantasien, in den Kindern das Blut abgezapft wird oder die QAnon-Verschwörung, bei der sich einige sogar die Mühe machten, den Ursprung zu ermitteln. Doch wäre es eine Meinung gewesen, hätten sie es mit der versteckten Autorität zu tun bekommen. “Natürlich darfst Du alles sagen. Aber dann wird es wohl nichts mit der neuen Stelle.” Kinder lernen die anders kennen. “Wir können Dich nicht daran hindern, aber dann sind Mama und Papa von Dir enttäuscht.” In diversen Abwandlungen begegnet sie uns täglich. Vor allem steht die Sicherheit gebende Gruppenzugehörigkeit auf dem Spiel. Bedingt durch die Social Media wird dieser Druck und die Wirkung der versteckten Autorität immer heftiger.
Beschränkungen der Freiheit, jenseits der logischen Grenzen, können nur von Autoritäten mit den passenden Macht – und Druckmitteln vorgenommen werden. Insofern ist das ganze Gerede einer angeblichen “links-diktatorischen Tendenz” Humbug bzw. reine PR-Strategie. Die Macht befindet sich in den Händen derjenigen mit den notwendigen finanziellen Mitteln, jenen in den Aufsichtsräten, Banken, den besten Einflussmöglichkeiten auf die Medien, dem größten Budget für PR-Kampagnen, besten Netzwerken und etablierten Seilschaften. Und all dies sind nicht die Linken oder die Grünen. Die mit der Macht haben beispielsweise einen Robert Habeck sauber auflaufen lassen. Es sind die gleichen, welche eine Diffamierungskampagne nach der anderen durchziehen und Argumente damit vom Tisch schaffen, in dem sie die primitiven Areale aktivieren. Einfach zu behaupten, die anderen würden über die Macht verfügen, ist schon wieder so einfach, dass man beleidigt sein müsste. Ähnlich simpel sind diese lächerlichen Geplänkel bezüglich des Genderns.
Weltweit verdienen sich gerade einige an den aktuellen Krisen eine goldene Nase und schalten zusätzlich Konkurrenten aus. Die wenigen deutschen Kritiker müssen mehr oder weniger hilflos zuschauen. Wichtige Staaten bereiten sich auf die kommenden Klima-Ereignisse vor und sichern sich Ressourcen, wo sie nur können. Auf kurz oder lang setzen sich ganze Völker in Bewegung. Länder, die gesellschaftlich nicht darauf vorbereitet sind und Deutschland, ein Land, in dem einige immer noch den provinziellen Traum der Bonner-Republik träumen und die vorgegaukelte Illusion der DDR nicht hinter blickt haben, ist alles, aber nicht bereit. Immer mehr Arbeitsplätze werden der Digitalisierung zum Opfer fallen und altbackene Konservative setzen auf längere Lebensarbeitszeiten. In welchen Berufen wird es wohl richtig knapp? Richtig, in denen, wo noch körperlich hart gearbeitet wird. Viel Freude mit dem 72-jährigen Dachdecker oder Bauarbeiter, wobei die selten geworden sind, weil sie durch Osteuropäer ersetzt wurden. Überall wird wieder aufgerüstet und Drohszenarien werden entworfen.
Und was passiert in Deutschland in puncto freier Meinungsbildung, Informationsbeschaffung, Grundlagenausbildung? Fußball, Gendern, Kriminalisierung von eher harmlosen Aktivisten, eine organisierte Diffamierung aller missliebigen Wissenschaftler, die noch nicht mitbekamen, dass es nicht mehr um die Abwendung einer Klima-Krise geht, sondern um den verzweifelten Versuch eine Anpassung hinzubekommen, bis ihnen was anderes einfällt. Und alle, die noch nicht genug verblödet sind, bekommen ihre tägliche Dosis Gefühls-Appelle, an denen sie sich abarbeiten können. Ganz nebenbei tobt ein Krieg, in dem die NATO-Staaten mit Waffenlieferungen mitspielen. Auch da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen und schon gar nicht alles Safe. Wenn es um Kriege geht, glaube ich persönlich erst einmal gar nichts. Russland hat die Ukraine angegriffen, so viel ist sicher. Doch wer da jetzt welche Pläne schmiedet oder vielleicht seinen Tag gekommen sieht, wird sich noch herausstellen. Na ja, und wie die Sache mit dem Finger auf andere zeigen wirkt, schrieb ich bereits. Putin hat doch vielen Leuten einen Gefallen getan. Eine Milliarde EURO liegen allein in Deutschland im Pott. Die anderen rüsten auch auf. Für diverse Konzerne hat er den Platz geräumt und die übernehmen jetzt das Energiegeschäft. Die Ukraine war gut entwickelt. Da sind sie unsere kompatiblen zweckdienlichen Einwanderer. Diverse andere geopolitische Sauereien lassen sich wunderschön begründen. Was will man mehr, wenn man keine Skrupel kennt und nicht moralischer Besserwisser spielen will?
Sich alledem zu entziehen, ist auf Dauer nahezu unmöglich. Mir kommt es vor wie ein Boxkampf, bei dem man rechtzeitig den Zeitpunkt zum Handtuch werfen erkennen sollte. Innerhalb des Systems wird es eine echte Freiheit nicht mehr lange geben. Wer sie dennoch leben will, muss sich nach Außen begeben. Und wer Spaß dran hat, kann versuchen es zu hacken. Eine aus meiner Sicht unterschätzte Gefahr. Innerhalb der kommenden 15 Jahre, wird der Cyber-Krieg völlig neue Dimensionen annehmen. Offizielle untereinander, die “Anarchisten” und die Kriminellen werden eine explosive Mischung ergeben. Da kommen dann die ins Staunen, die einen Rechner an und aus machen können, oder ahnungslos in einer virtuellen Welt leben. Was ist eine Truppe Klima-Aktivisten im Verhältnis zu Hackern, die einfach mal ein paar Versorgungsstationen oder ganz simpel alle Kreuzungen auf Grün schalten?
Überwachung und Repression
“Wer nichts zu verbergen hat, braucht die Überwachung nicht zu fürchten!” Die in dieser Behauptung innewohnende Rhetorik kommt aus der Hierarchie von ganz oben. Zunächst einmal gibt es welche, die die Überwachung anordnen, weil sie etwas wissen wollen, was sie anders nicht in Erfahrung bringen können. Hinzu kommen die überwachenden Personen, sowie die Überwachten. Überwacht werden aber nicht alle, sondern eine Auswahl. Treffe ich eine Auswahl, muss es Kriterien geben. Ich schaue mir an, wie der Versuch endet, Vorstandssitzungen eines großen Konzerns zu überwachen. Gleichfalls ist es unwahrscheinlich, dass die überwacht werden, welche selbst die Anordnungen aussprachen. Da ist schon mal ein Haken. Wer davon ausgehen muss, dass eine Überwachung stattfindet, bewegt und handelt instinktiv nicht mehr frei. Man fühlt sich schlicht beobachtet und eine Menge findet im Unterbewusstsein statt. Insbesondere gilt dies, wenn ich nur eine vage Vorstellung von den Möglichkeiten habe. An dem Punkt findet eine Veränderung statt. Lange Zeit nahmen die Leute mehr an, als es Möglichkeiten gab. Mittlerweile ist dieser Punkt überschritten und es ist mehr machbar, wie sich die meisten vorstellen. Und die Entwicklung dauert an. Doch auch die Klassiker genügen völlig aus. Zum Leben eines Kriminellen gehört eine gesunde Paranoia dazu. Ständig muss er oder sie auf der Hut davor sein, am Telefon nichts Kompromittierendes von sich zu geben, seinen Mitmenschen zu sehr zu vertrauen, neue Bekannte ins Leben zu lassen, weil es ein Spitzel oder ein eingeschleuster Verdeckter Ermittler sein kann. Politische Aktivisten kennen dieses Lebensgefühl ebenfalls. Denn wer tatsächlich Extremist oder Radikaler ist, bestimmen sie nicht selbst, sondern andere aus höheren Bereichen der offiziellen und inoffiziellen Hierarchie. Besonders diejenigen, welche sich in einer als linke Szene definierten Umfeld bewegen, kennen dies zur Genüge. Doch auch die andere Seite, weiß darum. Man denke dabei nur an die NPD, von der aus ein geschickter Schachzug ausging. Der Vorstand ließ alle antreten und unterbreitete ein Angebot. “Es ist nicht schlimm, wenn ihr mit dem Verfassungsschutz redet. Geld kann jeder gebrauchen. Aber es wäre nett, wenn ihr uns unterschreibt, dass ihr bei denen auf der Liste steht.” Eben jene Liste legten sie dann im Rahmen des Verbotsverfahrens auf den Tisch und behaupteten, dass alles gar nicht so wäre, weil es größten Teils wegen der Unterwanderung passierte. Chapeau! Bedingt durch die neuesten Entwicklungen können sich alle Klimaaktivisten darauf einrichten, dass Teilnehmer an den Aktionen u.U. auf der Gehaltsliste von Sicherheitsbehörden stehen. So wie jeder, der mit einem/einer Aktivisten/ in telefoniert, sich des unbekümmerten Privaten nicht mehr sicher sein kann. Gleichfalls können sich alle Eltern, die ihre Kinder bei sich gemeldet haben, auf einen Besuch der Polizei einrichten. Und wie sich in der Vergangenheit zeigte, sind dies keine Besuche von zwei freundlich auftretenden, gesitteten Kriminalbeamten, sondern das Besteck, was früher bei Schwerverbrechern anrückte. Damit meine ich nicht das SEK. Sechs finster dreinblickende Beamte/innen des polizeilichen Staatsschutzes tun es auch.
Letztens fragte mich ein Beschäftigter der BSR, wie ich als Fachmann die Aktionen der Klimaaktivisten sehen würde. Ich antwortete: “Ich gebe Dir keine Antwort, als KHK a.D., sondern als Vater von zwei Töchtern im Alter von 27 und 30 Jahren, die, wenn es für sie gut läuft, noch um die 40 – 50 Jahre leben.Alle unsere Proteste, Wählerstimmen, politische Diskussionen, sind in den vergangenen 30 Jahren schlicht im leeren Raum verhallt. Vielleicht sah ich nicht viel von Welt, aber genug, um zu wissen, was wir anrichten. Ich sah die Folgen in den Dolomiten, in den Pyrenäen, in der Mongolei, in Laos, Thailand und Malaysia. Der Gletscher, wo ich mit meinen Eltern zum Skilaufen war, ist fast weg. In den Bergen sah ich beim Wandern die Mondlandschaften, die der Skizirkus hinterlässt.Im Mittelmeer den Müll und am Strand die Reste von angespülten gekenterten Booten und Rettungswesten von Kindern.In Osteuropa sah ich, was dort alles angerichtet wird. In Laos den Raubbau am Dschungel, die Verstümmelten von den Hinterlassenschaften des Vietnam-Kriegs und die Folgen der veränderten Regenzeiten. In Malaysia den europäischen Müll. In der Mongolei die Folgen des Klimawandels, weil im Sommer die brütende Hitze die Steppe ausdorrt und im Winter das zu schwache Vieh in der Extrem-Kälte verendet. Ebenso die Folgen des Raubbaus durch die Minengesellschaften. An der Nord – und Ostsee bin ich Öl-Brocken getreten. Als Vater sage ich Dir: Die haben schlicht und ergreifend recht.” Und ausnahmsweise wirkte mein Wortschwall überzeugend.
Die Aktionen der Klima-Protestbewegungen werfen alte Fragen neu auf. Die Aktivisten greifen in die Bewegungsfreiheit ihrer Mitbürger ein, um ihrer Überzeugung nach, eben genau weiteren Aspekten der Freiheit aller zu dienen. Sie beziehen sich auf den wissenschaftlichen Konsens, dass innerhalb kürzester Zeit weltweite massive und radikale Maßnahmen nötig sind, um die sich ohnehin bereits katastrophal entwickelnde Situation abzuschwächen oder zu stoppen. [12]https://www.de-ipcc.de/355.phpJedes Land auf der Erde ist dazu aufgefordert, seinen Beitrag zu leisten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich jede Maßnahme erst in ca. 60 Jahren signifikant auswirkt. Die Aktivisten haben sich den Namen “Letzte Generation” gegeben, weil alles während ihrer Existenz passieren muss. Eins ist klar, die tatsächliche Handlungsmacht liegt derzeit nicht bei ihnen. Die Gewalt gegen das ökologische System und alle Lebewesen auf der Erde, geht von allen wirtschaftlichen Unternehmungen aus, die in irgendeiner Form das ökologische System schädigen. Sei es durch Produktion, Finanzierung oder Bewerbung dieser Produkte. Hinzu kommen die Frauen und Männer in der Politik, den Machtmittel zugestanden wurden, sie aber nicht zur Abwendung der Gefahren benutzen, sondern die Profite, Umsätze, höherwertiger einschätzen. Ihrer Argumentation nach können nur mit ihnen Lebenssysteme gehalten und erschaffen werden. Heute kam eine Meldung über die Ticker, dass US-amerikanische Wissenschaftler einen kleinen Erfolg beim Heiligen Gral der Energiegewinnung der Wasserstofffusion erzielten. Erstmalig wurde minimal mehr Energie gewonnen, als man hineinsteckte. Doch sie vermeldeten gleichzeitig, dass sie Jahrzehnte von einem echten Durchbruch entfernt sind. Solche Meldungen sind seit dem Ende der 70er immer mal wieder zu vernehmen. Es ist fraglich, ob die Fusion jemals funktionieren wird. Davon bekommt man bereits in der Oberschule zu hören. Aber Christian Lindner, seines Zeichens einer dieser von vernünftigen, verständigen, mündigen Bürgern als repräsentativer Vertreter gewählter Mann, frohlockt bei Twitter, dass dieser “Durchbruch” zeigen würde, wie sehr Innovation wirkt. Alles, was ich dazu gern äußern würde, ist strafbar. Immerhin sagte er selbst: “Wenn man in der Schule sitzt und man sitzt seine Zeit ab, weiß, dass man telefonieren, den Kunden besuchen oder Arbeit erledigen müsste, dann kommt man sich so vor, als wäre die Zeit durch den Schredder gelaufen.”[13]https://www.buzzfeed.de/buzz/inspirierende-zitate-des-18-jaehrigen-christian-lindners-als-motivationsposter-zum-teilen-90143553.htmlIch tippe, er meinte seinen Physikunterricht.
Bei den Blockaden kommt es zu einer sogenannten Praktischen Konkordanz. Die ist gegeben, wenn mehrere Grundrechte aufeinanderprallen. Die Leute, welche in ihrem Fahrzeug sitzen und in der im Grundgesetz verbürgten Bewegungsfreiheit beschränkt sind, treffen auf die Leute, welche vom Recht Gebrauch machen, zu protestieren. Allerdings tun sie dies in der Regel nicht innerhalb der gesetzlichen Vorgaben. Unter Umständen aber genauso, wie sich dies manche Mütter und Väter des Grundgesetzes einst vorstellten. Seit den 80ern werden Sitzblockaden als eine Form der Gewalt interpretiert. Der Philosoph Herbert Marcuse wies in einem Gespräch mit Ivo Frenzel und Willy Hochkeppel darauf hin, dass der Begriff Gewalt alleinstehend keine Bedeutung innehat, sondern zu klären ist, wogegen sie sich richtet (im verlinkten Video ab 12:38) Legitim kann sie sein, wenn sie sich gegen vorhergehende unterdrückende Gewalt ausgehend von einer Machtposition als Gegengewalt richtet. Dies ist nicht beliebig, sondern kann analysiert werden. Wer sich faktisch in keiner Machtposition befindet, kann nicht unterdrücken. Insofern kann seitens der Klimaaktivisten/innen nachweislich keinerlei unterdrückende Gewalt ausgehen und schon überhaupt nicht mittels auf die Straße setzen. Fraglich ist lediglich, ob die seitens untätiger oder aus wissenschaftlicher Perspektive unverantwortlich agierende Politik, unterdrückende Gewalt ausübt. Schwierig! Immerhin scheint es, dass mittels der vorgesehenen Mittel der wissenschaftlichen Vernunft nicht Geltung verschafft werden kann, sondern das Irrationale regiert. Nunmehr kommt es mit der Perversion des Begriffes “kriminell” und darauf basierender Maßnahmen untrüglich zu einer unterdrückenden Gewaltanwendung. Perversion allein schon, weil man sich fragen muss, welche neuen Begriffe man sich für Mafiosi, bewaffnete Räuber, russische Banden und andere Zeitgenossen ausdenkt.
Als sich die Innenminister/innen trafen und erstmalig das Thema “Kriminelle Vereinigung” angeschnitten wurde, dachte ich noch an das übliche populistische Gerede am Rednerpult. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass jemand ernsthaft auf diesen Zug aufspringen würde. Wie gesagt, müssen immerhin mehrere Staatsanwälte/innen gewillt sein, dieses Verfahren zu eröffnen und auch richterliche Beschlüsse einholen. Wobei gewillt nicht korrekt ist. Im Gerichtsverfassungsgesetz steht seit 1879: „Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen.“ Und diese Vorgesetzten sind die Justizminister/innen. Bleibt noch die Hürde: Unabhängige/r Richter/in. Doch auch die beugten sich offenkundig dem politischen Willen. An der Stelle war ich fassungslos. Dies sind Zustände aus dem Kaiserreich, Volksgerichtshof bis hin zur DDR. Ja, ich weiß, darüber mokierte ich mich bereits am Anfang.
Ein anderer Begriff, der ebenfalls viel mit der Freiheit innerhalb eines Ordnungssystems zu tun hat, ist der Zivile Widerstand. Wie soll sich ein freier Geist, der mittels vernünftiger und verständiger Überlegung zum Ergebnis kommt, dass die innerhalb von ihm akzeptierten Ordnung installierte Macht/Herrschaft nachvollziehbar unethisch handelt, verhalten? Schweigen? Hinnehmen? Diesem Problem widmeten sich schon griechische und römische Denker. Eine vollkommen andere Nummer steht zur Betrachtung, wenn jemand die Ordnung an sich nicht akzeptiert, oder massive Gewalt anwendet, um klarzustellen, wen es treffen soll. Dann wäre man grob in Richtung Propaganda der Tat und Rote Armee Fraktion unterwegs.
Es bleibt nur die Entscheidung, schweigend dem ethischen Verstoß zuzusehen und sich damit individuell zum Mitwisser oder Mitläufer zu machen, oder sich dagegenzustemmen und dabei niederrangige Regelverstöße der Ordnung in Kauf zu nehmen.
“Der Satz ‘man muss Gott mehr gehorchen, als den Menschen’ bedeutet nur, dass, wenn die letzten etwas gebieten, was an sich böse (dem Sittengesetz unmittelbar zuwider) ist, ihnen nicht gehorcht werden darf und soll.” Immanuel Kant: “Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft.” 1793
Ich denke, es ist nicht unzulässig, wenn ich als jemand, der kein Christ ist, an Stelle von Gott, die Ethik einsetze. Meinem Verständnis nach muss man auch nicht in einem Unrechtsstaat leben, von dem unmittelbar erkennbare unsittliche Handlungen begangen werden, um sittliche Zuwiderhandlungen begründen zu können. Wenn das staatliche Handeln oder einzelner Institutionen, geeignet ist, sich an der gemeinschaftlichen Herbeiführung einer alle Lebewesen betreffenden Katastrophe zu beteiligen, ersehe ich die Unsittlichkeit erfüllt. Noch weniger ist es relevant, ob nur Deutschland oder andere Staaten mit beteiligt sind. Ein/e Staatsbürger/in ist in erster Linie dem eigenen Staat gegenüber verpflichtet. Das unsittliche Handeln weiterer Staaten kann die nicht die Rechtfertigung meines eigenen sein.
Ob man richtig liegt oder nicht, entscheidet in der Regel die Zukunft. Wer sich gegen die Proteste stellt und vehement empört reagiert, aber gleichzeitig zustimmt, dass die Klimamaßnahmen nicht ansatzweise ausreichen und wir tatsächlich auf eine Katastrophe zu laufen, befindet sich auf dünnem Eis. Denn dann ist absehbar, dass das Unterlassen Folgen haben wird. Die Menschen aus den Regionen, die es in naher Zeit trifft, werden dies zu interpretieren wissen und als Grenzüberschreitung empfinden. Denn unsere übermäßige, rücksichtslose “freie” Nutzung der Ressourcen und Emissionen, greifen massiv in ihre Freiheiten ein. In den Social Media machen sich einige darüber lustig, in dem sie schreiben: “Und Opa, was hast Du gegen die Klimakatastrophe getan? Ich klebte mich auf der Straße fest!” Immerhin! Die das lustig finden, können nur antworten: “Außer Rumpöbeln und lustig machen, hab ich gar nichts getan.”
Ganz nebenbei ist das Klima, eine von vielen Baustellen. Draußen sinken die Temperaturen witterungsbedingt auf – 7 Grad. In den Wäldern, Flüchtlingscamps, harren Frauen, Kinder, Männer, in Zelten aus. Sie leiden, erfrieren oder kommen gerade noch irgendwie durch. Was wird da wohl in den Köpfen entstehen, wenn sie es doch noch irgendwie schaffen, um dann im “gelobten” Land festzustellen, dass sie hier auch nicht wirklich eine Chance bekommen? Dankbarkeit? Ich kann Riots, Übergriffe, psychisch Kranke, die meine Freiheiten und die meiner Kinder einschränken, nicht auf den oder die Einzelne herunterbrechen. Ich muss es auf die gesamte Welt gesehen analysieren und nach Ursachen, Wirkungen, Ausschau halten.
Dies ist ein sehr langer Text geworden. Aber immerhin kein Buch. Danke, wenn Du bis zum Ende gelesen hast. Vielleicht ist es mir gelungen, die eine oder andere gedankliche Anregung zu geben. Mir waren die geschriebenen Worte wichtig. Ich lernte, dass man sich nur distanzieren kann, wenn man zuvor an einem Punkt war. Als Kriminalbeamter war ich bezüglich einiger angerissener Punkte an Stellen, wo ich für die Ordnung eintrat. Mit dem, was heute passiert, dem Missbrauch der Polizei, Einspannen der Justiz für die Politik, den Zeitgenossen, die dumpf darauf pochen “frei” mit ihren Autos fahren zu können, Politikern/innen, die ihre Macht nicht zu nutzen wissen, einer Ordnung, die als glänzende Schale das Grundgesetz besitzt, aber innen immer mehr verfault, all den Konservativen, die längst auf den Pfaden der Neuen Rechten wandeln und stetigen Zulauf bekommen, will ich nichts zu tun haben – ich distanziere mich. Dies gilt auch für all die Technokraten, die auf die Buchstaben des Gesetzes zeigen. Gesetze sollen den Menschen und ihren Bedürfnissen dienen. Wenn der Mensch zum Gegenstand der Gesetze wird, er mithilfe von Rechtsgelehrten instrumentalisiert wird, läuft einiges böse schief.
Der dominierende Teil der Gesellschaft ergeht sich in Rücksichtslosigkeit und verwechselt die übermäßige Erfüllung der eigenen Bedürfnisse mit Freiheit. Außerdem wird die Freiheit auf dem Altar des Mammons geopfert. Für viele ist sie gleichbedeutend mit Geld. Wer es hat, hat viel Freiheit und wer wenig hat, kann sie sich halt nicht leisten. Nein, das ist nicht meine Vorstellung von einer gesellschaftlichen Ordnung, für die ich gewillt bin einzutreten. Da sollen sich andere im aktiven Dienst die Hände mit schmutzig machen. Aber ich tue auch nichts dagegen. Schon allein deshalb nicht, weil dies ein zweckloses Unterfangen ist. Gegen die tumbe Masse kann man nichts ausrichten. Da bleibt einem nur das eigene freie Leben, mit persönlichen Maximen. Heute wurden mit den angesprochenen Durchsuchungen ein deutliches Zeichen gesetzt. Jeder kann sehen, wer die Herrschaft hat und wie sie gedenken, sie auszuüben. Dies sind keine freiheitsliebenden Leute, sondern Anhänger einer autoritären Ordnung. Was sie hassen, ist Unruhe. Sie wollen, dass ihre Entscheidungen kommentarlos hingenommen werden, da sie angeblich wissen, was gut ist. Alles soll seinen geordneten Gang gehen. Im Zweifel diszipliniert in den Abgrund. Ich kenne sie und ihre Denkart. Oben buckeln und nach unten treten ist ihre Erfüllung. In der Behörde, wo ich herkomme, herrschte lange ein Kampf, wer die Oberhand gewinnt. Die Sieger scheinen festzustehen. Es wird immer von Spaltung der Gesellschaft gesprochen. Nun, jetzt vollzieht sie sich. Auch die Klimaaktivisten/innen haben Leute hinter sich. Da geht es nicht nur ums Klima, sondern auch um Skepsis gegenüber der Arroganz der Macht. Und all diejenigen erhielten in diesen Tagen eine unmissverständliche Botschaft.
In Deutschland ist vieles besser und freier, als in anderen Ländern. Doch kann dies mein Maßstab sein? Ich denke nicht. Die Menschen, die andere Länder unfreier gestalten, sind mit denen hier identisch. Nur haben sie dort andere Möglichkeiten. Gebietet man ihnen nicht Einhalt, hält sie in Zaum, werden sie sich immer mehr durchsetzen. All die Aktivisten, als links bezeichneten Gesellschaftskritiker, die Intellektuellen, welche keine Kompromisse mit der Macht eingehen, sind nicht die, welche die Freiheit bedrohen, sondern das Gegengewicht. Wer auf die Rhetorik hineinfällt, dass Reichsbürger, Querdenker, Mitglieder der AfD, Neue Rechte, systemkritische Freiheitsdenker sind, hat schon im Ansatz verloren. Sie wollen, dass die Macht noch mehr einschränkend eingreifen kann, eine strikte Ordnung besteht, die sie beherrschen und strukturieren.
Alle menschlichen Ordnungen liegen auf einer Strecke, die durch die Punkte totale Freiheit und maximale Beschränkung durch den Menschen selbst gebildet wird. Eine totale Freiheit kann es aus den dargelegten Gründen nicht geben. Also wird sich das menschliche Dasein immer ein paar Zentimeter von diesem Punkt entfernt befinden. Danach kommen alle Ordnungen, deren Standort sich anhand der Beschränkungen ermitteln lässt.Und alle Systemtheoretiker finden Gründe dafür, warum und welche Beschränkungen notwendig sind. Diese gilt es ständig zu hinterfragen und zu prüfen. Die Verortung des Menschen in der Mitte des Geschehens, halte ich für einen grundlegenden und schwerwiegenden Fehler, besonders wenn sie dazu führt, dass die Grundregeln missachtet werden: Jede Handlung hat eine Wirkung und löst weitere Reaktionen aus. Der Mensch ist eingebettet in eine Welt und sie ist damit auch Teil von ihm. Alles, was ein Lebewesen tut, hat Folgen für sich selbst und die gesamte Welt. Der Homo sapiens besitzt ein Bewusstsein, woraus nicht nur eine Einsicht in diese Regeln resultiert, sondern auch die Verpflichtung, sie zu beachten.
https://www.dobelli.com/de/bucher/die-kunst-des-digitalen-lebens/ – Wir sind immer bestens informiert und wissen doch so wenig. Warum? Weil wir ständig News konsumieren – kleine Häppchen trivialer Geschichten, schreiende Bilder, aufsehenerregende „Fakten“. Doch News tun uns nicht gut: Sie vernebeln unseren Geist, verstellen uns den Blick für das wirklich Wichtige, rauben uns Zeit, machen uns depressiv und lähmen unsere Willenskraft. Rolf Dobelli lebt seit zehn Jahren gänzlich ohne News – und kann die befreiende Wirkung dieser Freiheit aus erster Hand schildern. Machen Sie es wie er: Klinken Sie sich aus. Radikal. Und genießen Sie ein Leben mit klarerem Denken, wertvolleren Einsichten und besseren Entscheidungen.
„In einer Hierarchie neigt jeder Beschäftigte dazu, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen.“ Laurence J.Peter/William Morrow, The Peter Principle
Was jemand darunter versteht, ist ziemlich individuell. Manchen genügt z.B. die gemeinsame Nationalität, während sich andere auf eine unmittelbare Bekanntschaft reduzieren. Bei Versuchen mit Kleinkindern wurde festgestellt, dass sie grundsätzlich ein instinktives Beistandsverhalten und einen Gerechtigkeitssinn innehaben. Wurden ihnen Situationen gezeigt, in denen von einem Versuchsleiter erkennbare ungerechte oder gewalttätige Handlungen vollzogen wurden, reagierten sie auf diesen später negativ. Allerdings gab es Abstufungen. Umso mehr die/der Betroffene sich von ihnen selbst unterschied, je geringer war die Intensität der Ablehnung
In dem Bericht (IPCC-Report) wird ausdrücklich festgestellt, dass ein schrittweiser Wandel keine praktikable Option ist. Er stellt fest, dass individuelle Verhaltensänderungen allein unbedeutend sind. Er stellt fest, dass Gerechtigkeit, Gleichheit und Umverteilung in der Klimapolitik von entscheidender Bedeutung sind.
Nicht nur das sie weitermachen, sie bekommen auch noch Unterstützung. Als ich las, dass sich neben den jungen Aktivisten 50 Vertreter von Scientist Rebellion am Protest im Eingangsbereich des Bundesverkehrsministeriums in Berlin-Mitte beteiligten, war ich hocherfreut. Endlich! Der Berliner Tagesspiegel titelte hierzu: Aktivisten beschmieren Verkehrsministerium – Polizei ermittelt wegen Sachbeschädigung. Die symbolisch vergossene rote Substanz entpuppte sich als Rote – Beete – Saft (Huh!). Benjamin Jendro, Pressesprecher der Polizeigewerkschaft GdP – Berlin ließ verlauten: „Mit dem Bundesverkehrsministerium hat es am Dienstag bereits das zweite Bundesministerium im Wohlfühl – Biotop für Guerilla-Aktionen im Zeichen des Klimas getroffen und es ist eben auch kein Zufall, dass Menschen dafür extra nach Berlin kommen.“[1]https://www.tagesspiegel.de/berlin/blockade-aktion-von-scientist-rebellion-klimaaktivisten-beschmieren-bundesverkehrsministerium-in-berlin-8764672.htmlWelche Gründe er dafür sieht, konkretisierte er anlässlich einer anderen Situation dem RBB mit den Worten “dass sich einzelne Menschen weiterhin täglich irgendwo hinkleben und massiv in den Alltag von Tausenden eingreifen, wenn der Rechtsstaat ihnen keine echten Grenzen aufzeigt”[2]https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2022/10/berlin-a100-klimakleber-blockade.html. Konkret wurmt ihm dabei augenscheinlich ein Urteil des Amtsgerichts Tiergarten, welches einen Blockierer wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 600 EUR verurteilte. Urteilschelte seitens der Polizei ist immer ein schwieriges Unterfangen. Es wird Gründe geben, warum wir in Deutschland Richter und Polizei auseinanderhalten. Früher war ich damit auch schnell bei der Hand. Aber mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass das ganz gut so ist.
Zwei Annahmen stehen damit im Raum. Die Aktivisten und die rebellierenden, renommierten, Wissenschaftler (Die Mitglieder stammen von allen Kontinenten und außerdem sind nahezu alle namhaften Universitäten vertreten.) getrauen sich nicht in anderen Bundesländern aktiv zu werden und hohe Strafen, womöglich Haftstrafen, würden sie abhalten. Ich behaupte mal, dass sich irgendwo anzukleben, sich mit der Staatsgewalt anzulegen, von wütenden Bürgern drangsaliert zu werden und von Uniformierten unsachgemäß physiotherapeutische Behandlungen zu bekommen, kein Spaß ist. Man muss schon von einer Sache sehr überzeugt sein, um dies zu machen. Wer wissen will, wo sich weltweit noch andere Wohlfühl – Biotope befinden, kann dies auf der Seite von scientistrebellion.com nachlesen. Aber wie schrieb Saul D. Alinsky, der Godfather der amerikanischen Bürgerproteste? Es kann einem Aktivisten nichts Besseres passieren, als beim Eintreffen in der Stadt von der Polizei festgenommen zu werden. Mir scheint, dass da den Funktionären innerhalb der GdP ein wenig das Einfühlungsvermögen fehlt. Meiner Kenntnis nach ist Berlin immer noch der Sitz der Bundesregierung, somit der passende Platz für Proteste gegen das Gebaren bezüglich der Politik in Sachen Verminderung der schädlichen Eingriffe in unsere Lebensgrundlagen. Wo sonst? In Neuruppin? Cottbus oder Fallingbostel? Dass die GdP die Aktionen nicht toll findet und es auch nicht darf, ist nachvollziehbar. Aber die Wortwahl und Rhetorik ist arg bedenklich. Sie riecht ein wenig muffig nach 70er – Jahre, in denen die langhaarigen Gammler lieber einer ordentlichen Arbeit nachgehen sollten, als auf der Straße und mit Transparenten bewaffnet der Staatsmacht die Stirn zu bieten.
Auch die mühsam zusammengebastelte Rhetorik bezüglich der Verkehrsbehinderung wirkt auf mich nicht überzeugend. Mehr als der Rettungswagen, welcher angeblich satte 10 Minuten später eintrifft, kommt da nicht. Ich bin selbst oft genug mit Sonder – und Wegerechten durch die Stadt gefahren. Im Zweifel kommt der durch oder nimmt eine andere Strecke. Und ganz nebenbei braucht es beim Berliner Verkehr keine Aktivisten, damit ein behindernder Stau entsteht. Auf der Tatsache, dass in den letzten Jahren mittels Sparmaßnahmen die Anfahrtszeiten verlängert wurden, will ich gar nicht herumreiten. Nein, es geht um etwas anderes. Die Aktionen bringen die Ordnung durcheinander und das kann Ordnungshütern nicht gefallen. Die drögen Kommentare unter den Facebook – Beiträgen der GdP runden das Bild ab. Gern wird da auch mal etwas von Öko – Terroristen fabuliert. Terror ist immer noch die Sache mit Angst und Schrecken. Wenn ich das bereits mit einer Straßenblockade oder einer Aktion an einem Bundesministerium schaffe – dann gute Nacht! Ab und zu werden die Überstunden der Polizisten und Polizistinnen angeführt. Das Ablösen und Wegtragen von Demonstranten ist bezahlte Dienstzeit, die schlimmer ausgestaltet sein könnte. Die Nachwuchssorgen und fehlenden Dienstkräfte könnten eventuell an politischen Entscheidungen und mangelnder Attraktivität der Polizei liegen. Aber natürlich könnten auch die Aktivisten demnächst mal nachfragen, ob alles irgendwie in den Dienstplan passt. Ernsthaft, da fasse ich mir an den Kopf. Die Hütte brennt in mehreren Ecken und die sich noch nicht einnebeln ließen, sollen sich doch bitte ruhig verhalten, damit die Jungs und Mädels in Uniform auch mal wieder aus den Klamotten herauskommen? Hat irgendjemand mal diesen merkwürdig strukturierten Querdenkern gesagt, sie sollen nach Hause gehen, weil sie zu viele Überstunden produzieren? Und die hatten nur abgehalfterte wissenschaftliche Drittbänker, die an der Uni das Büro mit dem Kopierer im Raum bekommen, dabei. Immer gern gelesen sind auch die Kandidaten, die auf die Versäumnisse bzw. Sünden anderer Länder hinweisen. Erstens gilt die deutsche Redewendung: Erst einmal an die eigene Nase fassen oder vor der eigenen Haustür kehren; zweitens ist das Fehlverhalten eines anderen keine Entschuldigung für eigene Missetaten. Sogar wenn ein Aktivist nach beendeten Protest in einen SUV einsteigt, sind die angemahnten Versäumnisse immer noch existent.
Nicht die Aktivisten oder die Wissenschaftler sind das Problem. Erschreckend ist, dass die breite Masse immer noch nicht den Knall gehört hat. Mit kreisrund offen stehenden Mündern bestaunen sie technische Innovationen, können nicht begreifen, mit welcher Präzision entfernte Himmelskörper bestimmt werden und kapitulieren in der Schule bereits auf dem Niveau der 10en – Klasse im Physikunterricht, aber wenn es ums Klima geht, haben alle Wahnvorstellungen. Und es geht nicht nur ums Klima. Hinzu kommen Artendiversität, Seuchen, weil der Mensch der Tierwelt immer weniger Platz lässt, Verseuchungen durch atomaren Müll, Emissionen und Plastikabfälle. Die Leute lassen sich jede noch so windige Rhetorik gefallen, wenn sie ihnen weiteren Wohlstand, Überfluss, Wachstum, verspricht. Alles, was dagegen spricht, kann nicht und darf nicht stimmen.
Noch vor einigen Jahren wurde die Politikverdrossenheit der Jugend kritisiert. Ich denke, damit war nicht wirklich die Politik gemeint. Erwartet wurde das Engagement zur Gestaltung von Strukturen, mit denen das Bruttosozialprodukt, das Wachstum und die stumpfe Akzeptanz der bestehenden Verhältnisse verbessert werden können. Es mag sein, dass die unter Umständen noch nicht die volle Tragweite ihrer Forderungen verstanden haben. Abstriche werden wir auf kurz oder lang alle erleben. Da mittlerweile von 4 Grad Steigerung die Rede ist, steht das volle Programm an. Würden wir uns weltweit alle beschränken, hätten wir wenigstens die Chance eine Zukunft für die Leute in 60 Jahren hinzubekommen. Dabei soll mir niemand etwas von anderen Ländern erzählen. Deutschland hat international an sehr vielen Stellen die Finger mit im Spiel. Mir wäre neu, dass eine Olympiade in China boykottiert wurde oder die Deutsche Nationalmannschaft nicht nach Qatar fliegt. Da hilft auch nicht, was ein Clown wie Uli Hoeneß von sich gibt, wenn er sich und den 1. FC Bayern quasi als göttliche Heilsbringer darstellt.
Ich selbst bin ein desillusionierter, fauler, fatalistisch eingestellter, alter Sack. Bei mir sind nach einer Demo zwei Tage Knochenpflege angesagt. Aber ich habe auch gesagt, dass ich mich nicht mehr aufrichtig und überzeugten Jüngeren, die es noch einmal herumreißen wollen, in den Weg stelle. Mir zeigen die Aktivisten, dass noch nicht alle abgestumpft und der Technokratie verfallen sind. Die Wissenschaftler*innen könnten genauso gut mit den Schultern zucken und sagen: “Unser Job war es, Euch zu sagen, wie es aussieht! Die Höhepunkte werden wir aufgrund des Lebensalters auch nicht mehr erleben. Also was soll’s?” Gut, dass es solche Leute noch gibt, die stattdessen einem Bundesministerium auf den Zünder gehen. Von meiner Gewerkschaft – Ja, ich bin seit 1987 Mitglied – bin ich enttäuscht. Nach all den Jahren mit Friedensbewegung, AKW – Protesten, Straßenschlachten, Blockaden, hätte ich mehr Weitsicht erwartet. Ein wenig frage ich mich auch, was in den Medien los ist. Allein, wenn die Frage kommt: Was kann man gegen die Aktivisten unternehmen? Schwillt bei mir der Kamm. Nein, wir reden nicht von einem lästigen Ausschlag. Auch nicht über Rechtsradikale, Schwerkriminelle, Terroristen. Es geht um Töchter und Söhne, die erkennen, dass sie in diesem Staat keine Lobby besitzen und Demokratien keineswegs immer die besten Entscheidungen treffen, sondern Geld, Macht, Demagogen, eine große Rolle spielen. Sie begleitend, um wütende Wissenschaftler, die jeden Tag vor Augen haben, was im geringsten Fall und innerhalb eines Worst-Case-Szenarios passieren wird. Aber klar, die kann man auch mal alle als erlebnisorientierte verstrahlte Spinner abtun, die Straftaten begehen. Nennt sich dann wahrscheinlich kostenneutrale Beteiligung an einer Diffamierungskampagne. Oder warum ist eigentlich keiner mal auf die Idee gekommen, statt die Polizeigewerkschaft eine/n, mehrere, Aktivisten zu interviewen?
In einem Kommentar bei Facebook schrieb ich, dass es Zeiten gibt, in denen die Legitimität von Handlungen erst in Zukunft entschieden wird. Man muss selbst wissen, für welche Seite man sich entscheidet. Im Hier und Jetzt kann keiner mit Sicherheit sagen, ob man später als Held, Opfer, Mitläufer oder Täter betrachtet wird. Aber wen interessiert schon eine Zukunft, die sie oder er nicht mehr selbst erlebt? Kollege, jetzt fallen die Überstunden an, nicht übermorgen. Na mal schauen, wie viele Überstunden manche noch erleben werden, weil die Aktivisten richtig liegen und man hätte auf sie hören sollen. Gleichfalls gönne ich auch allen die freundlichen Auseinandersetzungen mit dem Nachwuchs. “Mama, Papa, Opa, Oma, wie war das eigentlich mit Dir damals?” Ich kenne die Antwort heute schon: “Ach Kind, wir wussten es ja nicht besser. Das waren andere Zeiten.”
Statt zu sagen: Sitz nicht einfach nur da – tu irgendetwas, sollten wir das Gegenteil fordern: Tu nicht einfach irgendetwas – sitz nur da.
Thích Nhất Hạnh, buddhistischer Mönch und Schriftsteller
Es ist eine banale Erkenntnis, dass das Leben in westlichen Industriestaaten deutlich schneller getaktet ist, als dies z.B. noch vor 100 Jahren vor sich ging. Die Verheißung hieß einst: Maschinen übernehmen die Arbeit der Menschen und die können sich dann um andere Dinge kümmern. Wobei sich da bereits die Frage eröffnet: Was sind denn diese anderen Dinge? Schaue ich im eigenen Leben zurück, lebte ich gefühlt um ein Doppeltes schneller, denn ich es heute tue. Und schon wieder bin ich in einer Formulierungsfalle gelandet. Leben ist Leben! Man kann es nicht schneller leben. Präziser formuliert, will der Mensch, innerhalb der gleichen Zeitspanne mehr erledigen, wahrnehmen, verarbeiten, gestalten, kommunizieren. Begleitet wird das von der Überzeugung, dass ein Mensch dazu imstande ist. Ist das so? Seit geraumer Zeit stehen uns technische Möglichkeiten zur Verfügung, die uns dabei unterstützen. Was war zuerst da? Der Wille mehr in eine Zeitspanne packen zu können oder die Technik? Ich denke, es war der Wille. Bei Wille denke ich sofort an Motivation. Die alte Phrase: “Zeit ist Geld!” wird allgemein Benjamin Franklin zugeschrieben, weil er diese Worte 1748 in einem Ratgeber für junge Kaufleute niederschrieb. Etwas tiefer schürfende Texte führen einen auf eine weitere Fährte. Allgemein werden die Worte zum Antreiben benutzt. Wer im Akkord arbeitet, kann viele Produkte herstellen, welche wiederum veräußert werden können. Ganz anders sieht die Interpretation aus, wenn man die Worte auf die Texte des Römers Seneca anwendet. Er fordert dazu auf, Zeit mit Geld gleichzusetzen. Eine Schatztruhe mit Münzen kann sich jeder vorstellen. Ist sie gut gefüllt, sind Ausgaben leicht. Oftmals ist man dazu geneigt, jedenfalls wenn man nicht geizig ist, das Geld auch für Dinge auszugeben, die absolut unnötig sind. Leert sich die Kiste allmählich, wird man bedächtiger. Die Wertschätzung wird immer mehr zum Thema. Seneca setzt die Münzen mit der Lebenszeit gleich. Ständig veräußern wir Sekunden, Minuten, für irgendwelche Aktionen. Wenige Menschen wissen den Schlaf zu schätzen, obwohl er der Gesundheit dient. Tatsächlich geben wir damit einige Stunden für unseren Körper aus. Unterhalten wir uns, geben wir Lebenszeit aus und kassieren gleichzeitig die Zeit eines anderen Menschen. Denken wir über etwas oder einen anderen nach, stellt dies eine Ausgabe dar. An der Stelle kritisiert Seneca, wie oft Zeit für Smalltalk ohne Inhalt verschwendet wird oder wie wenig Wertschätzung die Menschen für die Zeit aufbringen, die andere für sie investieren. Auch jetzt in diesem Augenblick gebe ich Zeit aus. Wenn ich den Text fertig habe, wird Zeit vergangen sein und was da am Ende herauskommt, ist ein Produkt, aber keins, welches ich gegen Geld verkaufen kann. Hieraus ergibt sich wiederum, dass ich dabei andere Aspekte heranziehen muss. Was hat für mich einen derart großen Wert, dass ich bereit bin, hierfür Lebenszeit zu veräußern? Andersherum investiert ein anderer Mensch beim Lesen Zeile für Zeile Lebenszeit. Eine Ausgabe, die ich wertschätzen sollte.
Klassische Produkte besitzen in der Regel die unangenehme Eigenschaft der Vergänglichkeit oder wir verlieren sie mit absoluter Sicherheit beim Sterben. Noch spannender wird es beim Thema Geld. Geld an sich, also gegenständlich, hat absolut keinerlei eigenen Nutzen. Der Nährwert eines Geldscheins ist nicht sonderlich hoch. Auch wenn ich Scheine verbrenne, komme ich nicht weit. Papier brennt schnell ab und ist für eine längerfristige Wärmeabgabe vollkommen ungeeignet. Münzen bestehen immerhin noch aus Metall, welches sich zu nützlichen Dingen umfunktionieren lässt. Erst durch die Ausgabe, den Tausch Ware-gegen-Geld, erfährt das Geld einen Wert. So lautete jedenfalls der Grundgedanke. Geld, welches nur noch digital existiert, sprengt alles. Ich treibe die Überlegung mal auf die Spitze. Bei uns ist ein großer Teil des Lebens ist davon bestimmt, dass für Geld gearbeitet wird. Vollkommen anders zu sehen ist die Zeit, welche für Arbeit an etwas verausgabt wird, was man selbst nutzt und in den Händen hält. Die Arbeitszeit, welche mit Geld entlohnt wird, führt im Prinzip zu einer Transformation. Schaue ich auf das Geld, sehe ich meine dafür benutzte Lebenszeit. Liegt das Geld auf dem Konto, schaue ich auf die Tage, Wochen, Monate oder bisweilen Jahrzehnte, die ich dafür hergab. Erst, wenn ich etwas kaufe, erfolgt eine weitere Umwandlung. Betrachte ich die neu gekaufte modische Jacke, ist dies u.U. jene Zeit, die ich nicht mit meinen Kindern verbrachte, mir nicht dafür nahm, um mich selbst zu regenerieren oder einfach mal alles baumeln ließ. Doch auch hier gibt es einen Haken. Manche Leute bekommen als Gegenleistung für einen halben Tag, gerade mal eine warme Mahlzeit und andere einen Betrag, mit dem sie sofort eine Luxuslimousine kaufen könnten.
Konsequent muss die Erkenntnis lauten: Bei dieser Konstellation hat die Lebenszeit des einen weniger Wert, als die eines anderen.
Theoretisch kann sich jemand, der für wenig Lebenszeit viel Geld bekommt, entspannt zurücklehnen und es sich leisten, nicht alles gleichzeitig zu machen. Nicht von ungefähr sagt man auch: Der oder die lässt das Geld für sich arbeiten. Gleichsam könnte sich so ergeben, dass finanziell gut gestellte Zeitgenossen genügend Zeit haben, sich über all die Aspekte des Lebens Gedanken zu machen, zu denen die anderen nicht kommen. Meinem Eindruck nach funktioniert dies nicht. Ganz im Gegenteil! Häufig sind es die, welche hart für jeden EURO arbeiten und erheblichen Zeitaufwand betreiben müssen, um über die Runden zu kommen, diejenigen mit den weiseren Aussagen. Wo ist der Haken? Mir scheint, dass es etwas mit der Wertschätzung zu tun hat. Eine Betrachtung, die auf dem direkten Weg in die Tiefen des menschlichen Daseins führt.
Ohne die Kooperation ist der Mensch nichts und wäre nicht einmal ansatzweise so weit gekommen, wo er heute steht. Angefangen bei der Horde, die einst durch die Gegend streifte, und später bei der ersten Arbeits- und Wissensteilung. Damit ist die gegenseitige Hilfe, Unterstützung, Kommunikation, voneinander Lernen, sehr weit oben angesiedelt. Dies gilt selbst beim Plündern. Was habe ich davon, wenn ich mir gewaltsam etwas aneigne, dessen Funktion ich nicht verstehe? Nur Völker, die dies verstanden, konnten sich weiter entwickeln. Griechen, Römer, Theben, Phönizier, Perser, Karthager, Makedonier, gründeten in der europäischen Antike große Reiche und machten sich darüber Gedanken. Nicht anders sah es in anderen Teilen der Welt aus. Immer schwang dabei auch die Überlegung mit, was einem mehr einbringt. Der Krieg oder der Frieden? Lange friedliche Phasen brachten stets Entwicklungsschübe mit sich. Und dazu gehörte auch, über das Dasein, das Wesen des Menschen, die Art und Weise, wie man die begrenzte Lebenszeit zufriedenstellend nutzt, nachzudenken. Schlicht, weil der Mensch in der Evolution etwas entwickelte, was er selbst als Denken bezeichnete. Rückschlüsse aus dem ziehen, was gesehen, gehört, gerochen und gefühlt wird. All diese Denkprozesse werden als Verstand definiert. Man nimmt seine Umwelt wahr und wertet sie passend aus. Hinzu kommt die Fähigkeit, nicht sinnlich Erfassbares anzunehmen, logisch abzuleiten oder für die Zukunft zu prognostizieren. Jenes nennen wir die Vernunft.
Aber welchen Wert bemessen wir diesen existenziellen Fähigkeiten bei? Vor allem, wie will man sie anwenden, wenn dafür gar keine Zeit bleibt? Wäre es nicht zweckmäßig, für die Fähigkeiten, welche den Menschen von anderen Spezies unterscheidet, Lebenszeit zu verwenden? Was unterscheidet uns sonst von einem Bonobo-Schimpansen, der den Entwicklungsstand eines vierjährigen Menschen erreichen kann? In einer dekadenten Wohlstandsgesellschaft komme ich grundsätzlich mit wenig Benutzung von Vernunft und Verstand durch. Bei sehr vielen Vorgängen verstehe ich überhaupt nicht, was da gerade passiert. Ich kann stundenlang auf einen modernen Motor starren und werde trotzdem nicht nachvollziehen können, was da in diesem kunstvoll zusammengeschraubten Wirrwarr aus Gummi, Metall, Kunststoff, vor sich geht. Erst recht nicht, wie dieser Laptop vor mir funktioniert, aus welchen Bestandteilen das Ding im Einzelnen besteht und wie es möglich ist, dass das Geschriebene im Internet landet. Ich benutze es einfach, ohne es zu verstehen. Die Überlegung ist simpel. Träte jetzt im nächsten Moment eine Dystopische Situation ein und ich wäre auf mich alleine gestellt, würde sich zeigen, über welche Fähigkeiten ich wirklich verfüge. Kann ich ein Feuer machen? Nahrung herbei schaffen? Mich mit anderen zusammen tun? Wäre ich vernünftig, empathisch, kooperativ genug, um in einem Zusammenschluss mit anderen Menschen agieren zu können?
Doch die Überlegungen gehen darüber hinaus. Welchen Wert bemesse ich persönlich meinem Dasein über den Tod hinaus bei? Ist es mir wichtig, wie die Menschen danach über mein Wirken denken oder es bewerten? Möglicherweise ist es mir egal. “Nach mir die Sintflut!”, wie einige sagen, denken und vor allem handeln. Oder was ist meinem Wirken in der Gegenwart? Erfüllt es mich oder gibt es mir eine Befriedigung, wenn ich in meinem Sinne Einfluss nehme? Einfluss nehme ich immer, dagegen kann ich mich nicht wehren. Egal was ich tue, es hat eine Wirkung, fraglich ist nur, wie es vonstattengeht und inwieweit ich eine Kontrolle darüber habe. Bin ich aggressiv unterwegs, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Aggression über mehrere Stationen fortsetzt. Maule ich die Kassiererin oder den Kassierer im Supermarkt an, wird das Folgen nach sich ziehen. Ich lege auf dieses immer mehr Wert. Was genau bewirke ich jetzt gerade?
Für diese Überlegungen benötige ich Zeit, die ich mir nehmen muss. So wie ich sie mir gönnen musste, um überhaupt auf diesen Stand zu kommen. Schenke ich dem Augenblick keinerlei Beachtung, werde ich auch nicht erkennen, was gerade passiert. Wer schnell “lebt”, reiht eine ganze Kette von Handlungen aneinander, ohne sich der Wirkung bewusst zu sein. Gleichzeitig kommt es zu jeder Menge Fehlern beim Denken. Das Gehirn erzählt sich innerhalb von Sekunden lauter kleine Geschichten, die immer weiter miteinander verkettet werden. Gern werden dabei Umstände miteinander verbunden, die objektiv nichts miteinander zu tun haben. Nimmt man sich die Zeit, nachträglich nochmals alles sauber auseinanderzunehmen und zu analysieren, nennen wir diesen Prozess “Nach/denken”, woraufhin eventuell andere Ergebnisse zustande kommen. Das meiste, was wir bei Mitmenschen als Dummheit bezeichnen, ist die Folge vom falschen Zusammenziehen mehrerer Ereignisse zu einer Geschichte, die schlicht unstimmig ist, aber leider die Basis für weitere Handlungen darstellt. Im Ergebnis steigt aufgrund der Schnelligkeit, dem übermäßigen Füllen eines Zeitraums mit Handlungen, die Gefahr Dummes zu tun oder verbal abzusondern. Dem lässt sich nur mit Nachdenken begegnen, ein Vorgang, wenn er sich auf das bezieht, was wir den lieben “langen” Tag so anstellen, als Selbstreflexion bezeichnet wird. Ich will davon nicht zwingend ableiten, dass hektische Menschen, Leute, die alles gleichzeitig machen wollen, sich stets “busy” geben, dumm sind. Aber die Wahrscheinlichkeit steigt an. Parallel wird es unwahrscheinlich, dass sich die Menschen selbst reflektieren.
Warum sie sich nicht die Zeit nehmen, steht auf einem anderen Blatt.
Bei einigen ist es die Gier. Andere sehen sich verpflichtet, von anderer Seite her gestellte Aufgaben bzw. Anforderungen zu erfüllen. Vielleicht sind es subjektive Existenzängste oder oftmals tatsächlich bestehende Gefahren, weil man z.B. sonst seinen Job verliert. Ebenso kann es das Heischen nach Anerkennung sein oder eine angenommene moralische Verpflichtung. Als Mensch komme ich nicht daran vorbei, ein gesundes Verhältnis zur Ausgabe meiner Lebenszeit zu finden. Unter gesund verstehe ich dabei eine dem Leben zuträgliche Taktung, mit anderen Worten zu einem Zustand der Ausgeglichenheit führt. Schaue ich in die Wildnis, kann ich eine ganze Menge ableiten. Prädatoren sind auf Effizienz angewiesen. Eine Löwin kann es sich nicht leisten, unzählige halbherzige Versuche zu unternehmen. Jeder neue Ansatz erfordert immense Energie und zu viele erfolglose führen zum Tod. Zur Steigerung der Chancen tun sie sich im Rudel zusammen. Im gewissen Sinne wird vorher genau überlegt und im Fall des Scheiterns ausgewertet. Die meisten kleinen, hektischen Lebewesen werden nicht sonderlich alt. Die ältesten Lebewesen des Planeten sind eher behäbig. Tiere in Gefangenschaft, die ausreichend und ihrer Art angepasst versorgt werden, sind vom nervenaufreibenden Beschaffen von Nahrung befreit, werden oftmals älter als ihre Artgenossen in der Wildnis. Dies gilt auch für diejenigen, welche kaum Fressfeinde zu fürchten haben. Verkürzend wirkt sich allerdings die Verkümmerung aus, wenn sie nicht wie gewohnt agieren können oder in Interaktion treten können. Auch für letzteres benötigen sie und auch wir: Zeit!
Zeit ist ein kostbares Gut, nicht komprimierbar und im Fall des Daseins eine unbestimmbare Größe. Was habe ich davon, wenn sie auf meinem Konto in Form einer Zahl dargestellt wird und ich die Transformation, die eigentlich eine Art bestimmungsgemäße Rückführung darstellt, zu einem Zeitpunkt in die Zukunft verschiebe, den ich u.U. gar nicht erlebe? Oder was ist mit der Zeit, die ich in Produkte investiere, von denen die Gesellschaft, in die ich hineingeboren wurde, behauptet, dass sie wichtig sind, während ich andere Prioritäten setze? Letztens hatte ich darüber mit einer Frau einen interessanten Austausch. Unser Einstieg war die Frage nach dem Sinn eines Lebens und die Gefahr eines Suizids, wenn man eben diesen nicht mehr sieht. Vorab: Für mich gibt es keinen fremdbestimmten Sinn eines Lebens. Würde ich dies akzeptieren, müsste ich auch irgendjemanden die Definitionshoheit zugestehen. Was mache ich, wenn ich diese Definition nicht erfülle? Ist mein Leben dann sinnlos? Kann ich es dann nicht auch beenden? Meiner eigenen Vorstellung nach, ist keine Existenz, wie auch immer sie sich darstellt, aus dem Gesamten zu entfernen. Gäbe es nichts, was ich als böse ansehe, würde auch alles Gute wegfallen. Alles Negative, ist gleichzeitig geeignet, eine positive Gegenreaktion auszulösen. Selbst ein früher Tod erinnert andere Menschen an die mögliche Kürze des Lebens. Bei allem gilt: Es steht nicht in meiner Macht, hierüber die Kontrolle zu haben. Mir bleibt tatsächlich nur der Versuch, eventuell mit der eigenen Lebensart über die Gesetze der Wechselwirkung eine von mir erwünschte Richtung, Struktur, zu begründen. Ein Suizid setzt für andere eine Lösung in die Welt. Aber er wird nichts daran ändern, was mich mein Leben als nicht lebenswert empfinden ließ. Wenn ich den anderen zeigen will, dass es so ist, bitte, aber dies ist ohnehin bereits allgemein bekannt. Ergo, kann ich es auch lassen und weiter leben, um anderes auszuprobieren. Richtig kompliziert wird es bei Schmerzen. Beispielsweise wird im Buddhismus der dem Tod vorangehende Schmerz als eine Zeit für die Vorbereitung des nächsten Lebens betrachtet, während der plötzliche Tod eher unglücklich ist, weil der oder die Betroffene, das Leben nicht bewusst zu Ende brachte.
All diese Gedankengänge setzen voraus, dass ich in einem Leben mehr sehe, als wirtschaftliche Produktivität, Mehrung des allgemeinen materiellen Wohlstands, Erfüllung vorgefertigter gesellschaftlicher Vorgaben oder Ansprüchen, die andere an mich richten.
Der von der Gesellschaft ausgehende Druck ist immens. Hinsichtlich des Zeitmanagements bestehen Vorgaben, deren Erfüllung erwartet werden und wer sich dagegen stellt, muss dafür Kraft aufbringen. Hierfür ein alltägliches Beispiel. Wer einen Supermarkt betritt, soll darin Zeit verbringen, die irgendwann in Konsum mündet. Das ändert sich schlagartig, wenn die Sachen auf dem Laufband landen. Geschwindigkeit und Länge sind kein Zufall, sondern ein ausgetüfteltes Forschungsergebnis[1]https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/der-deutsche-testmarkt-das-hassloch-experiment-1.907694. Spätestens wenn das Geld von A nach B transferiert wurde, ist der oder die Kunde/in uninteressant. Die Leute sind darauf konditioniert. Hungrig nach Befriedigung hineingehen, Beute machen, befriedigt sein, bezahlen, schnell weg. Es ist interessant, wer in kleineren Märkten lautstark als Erstes die Öffnung einer weiteren Kasse fordert. Entweder es sind von ihren Kindern genervte Eltern oder Zeitgenossen mit oder nur Spirituosen im Einkaufswagen. Die einen wollen den Nachwuchs ruhig stellen und die anderen haben die tägliche Dosis schon vor Augen. Schwierig wird es, wenn ältere Leute, die noch auf die alte Taktung konditioniert sind oder körperlich nicht schneller können, ins Spiel kommen. Richtig übel sind Kandidaten, wie meine Wenigkeit. Registriere ich allzu ungehaltene Personen, die auch noch pöbeln, kommt bei mir die Rebellion zum Vorschein. Es ist nicht verboten, seinen Einkauf zu Dritteln und einzeln zu bezahlen oder lange das Kleingeld zu zählen, um dann doch mit Karte zu bezahlen. Schon dem Druck standzuhalten, bereitet mir Vergnügen.
Ähnliches lernte ich in letzter Zeit über Onlinebanking. Ein Konto eröffnet man heutzutage sehr einfach. Mit wenigen Klicks ist alles erledigt. Zack, Zack, hat die Bank Geld verdient. Um so komplizierter wird die Auflösung. Mich würde mal interessieren, wie viele Senioren aufgeben, nachdem sie sich stundenlang im Dschungel der Untermenüs verirrten. Auch das ist Druck. Es ist nahezu unmöglich, sich all der Onlineportale, Apps, Digitalisierung zu entziehen, die einzig einen Zweck erfüllen: Beschleunigung! Um so schneller und einfacher sich zum Beispiel eine Ratenzahlung abschließen lässt, desto unüberlegter wird die Ausgabe nebst ihrer langfristigen Folgen. Wer sich nicht übers Ohr hauen lassen will, muss ständig auf der Höhe der Entwicklung bleiben.
Entschleunigung, Achtsamkeit, Bewusstes Leben
All die oben genannten Begriffe haben in der breiten Gesellschaft einen zweifelhaften Ruf. Das geht bei esoterischer Spinnerei los, zumeist als Modeerscheinung abgetan und spült viel Geld in Kassen von Therapeuten/innen. Gut, wenn es sich dabei nicht um Scharlatane handelt. Aus meiner Haltung und Sicht auf die Gesellschaft heraus ist dies nicht verwunderlich. In einer Zeit, die von Zahlen, Geld, Statistiken, Daten, bestimmt ist, sind diese Begriffe die Bezeichnungen für Schadprogramme. Machen wir uns nichts vor. Selbst mit Burnout-Patienten/innen, Depressiven, psychosomatischen Erkrankungen, lässt sich ein gutes Geschäft machen. Erst recht gilt dies für alles, was entweder beschleunigt oder die Grenzüberschreitung des dem Menschen möglichen Tempos ermöglicht. Die Grauzone zwischen illegalen “Drogenmissbrauch” (der in dem Fall streng genommen nicht einmal ein Missbrauch ist) und Medikamenten-Behandlung ist riesig. Jede Menge therapeutische Maßnahmen sind mehr Perversion, als wirklich hilfreich. Wie sonst sollte man die Aufforderung zu meditieren verstehen, damit man im Sinne der Gesellschaft mehr leisten kann? Wie viele Ärzte, Psychiater, Psychologen, versuchen Menschen zur Geschwindigkeit kompatibel umzugestalten?
Passend zum Thema Geschwindigkeit, tobt in Deutschland eine Debatte über ein Tempolimit, welches selbst US-Medienvertreter zum Staunen bringt. Was genau passiert eigentlich mit dem oder der Fahrer/in bei einer hohen Geschwindigkeit? Geht es wirklich um das schnellere Ankommen? Dies lässt sich überprüfen und das Ergebnis ist reine Mathematik. Selbst bei halsbrecherischer Fahrt, sind die Zeitgewinne nicht der Rede wert und ob ein Meeting zehn Minuten früher oder später stattfindet, ist objektiv egal. Wenn überhaupt Geschwindigkeit eine Rolle spielt, dann bei den Hochgeschwindigkeitstransfers im Finanzwesen. Etwa innerhalb des Intervalls zwischen 100 und 120 km/h steigt der normale untrainierte Mensch aus und Technik, Zufall, Glück, übernehmen. Es macht Klack im Kopf und der/die Fahrer/in schaltet ab. Befragte nennen dies oftmals Entspannung. Eine Alternative wäre, den Zug zu nehmen. Prompt sitzen viele dort vor einem Laptop und “nutzen” die Zeit, um Geschäftliches zu erledigen. Ich nehme für mich in Anspruch, dabei ein wenig mitreden zu können. Schlicht, weil beides Bestandteile meines Lebens waren. Was das bei mir verursachte, wird mir erst danach immer mehr bewusst. Alles passierte, mein Gehirn speicherte, der Körper speicherte, aber kaum etwas davon, drang wirklich in das mir zugängliche Bewusstsein vor. Dennoch ist, wie ich im Nachgang feststellte, alles da. Kaum befand ich mich in einer längeren, vom Körper erzwungenen Ruhephase, ging es mit den Flashbacks los. Mal in Form von plötzlich auftauchenden Erinnerungen, manchmal nur Bilder, Emotionen, die nicht im Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Geschehen standen oder körperlichen Reaktionen, die unpassend bzw. zusammenhanglos erschienen. Wer nicht auf solche Selbstexperimente steht, sollte rechtzeitig die Notbremse ziehen. Man muss es nicht gleich übertreiben, aber ich möchte anmerken, dass es im ZEN – Buddhismus eine schöne Betrachtung gibt. Wie lange dauert ein Leben? Exakt einen Atemzug. Der Mensch, welcher dazu ansetzte, ist beim Ausatmen ein anderer. Nach dieser Betrachtung ist ein Mensch, der sich am Tag nur einige Minuten Zeit des Bedenkens zugesteht oder meditativ den Synapsen ein wenig Ruhe gönnt, hektisch. Bedenkenswert ist ebenso, ob eine/r, die/der einfach nur dasitzt und denkt, wirklich untätig ist. Der vorhergehende Doppler ist gewollt. Folge ich den Vorgaben der Gesellschaft, in der ich lebe, müsste ich von Faulheit, Untätigkeit, ausgehen. Doch wie bewerte ich dann das Verhalten von Gläubigen, wenn sie längere Zeit beten oder buddhistische Mönche, wenn sie mehrfach am Tag stundenlang meditieren? Ist das auch Faulheit? Wie wäre es mit einem Vergleich zu jemanden, der sich 1,5 Stunden lang einen mehr oder weniger belanglosen Film ansieht? Ich sehe da Unterschiede.
Je enger das Leben getaktet wird, hektisch zu geht, Versuche unternommen werden, die Zeit zu komprimieren, um so mehr Lebensqualität, Bewusstsein, gehen verloren und Dummheit breitet sich aus. Mal ganz davon abgesehen, dass damit körperliche und geistige Krankheiten, Drogenkonsum und Aggressionen, gefördert werden. Wie bereits beschrieben, könnten all die tollen technischen Innovationen der Entschleunigung dienen. Tun sie aber nicht, weil eine andere Vorgabe herrscht. Ich sehe in der stetig zunehmenden Geschwindigkeit einen von mehreren Sargnägeln der Zivilisation. Sich seiner Handlungen bewusst zu sein, sich selbst zu sehen und einordnen zu können, sind unabdingbare Voraussetzungen des Einzelnen, um Mensch zu sein. Viele Einzelne bilden dann eine Gesellschaft, in der Vernunft, Verstand, Kooperation, Kommunikation, Bewusstsein, verantwortliches Handeln, einander ergänzen und erzeugen, was als Kultur und Zivilisation bezeichnet wird. Eine funktionierende Menge an Individuen, die nach funktionalen Regeln zuverlässig, produktiv, zusammen agieren, erinnert mich eher an einen Insektenstaat. Zumindest für mich selbst, strebe ich jeden Tag an, ein wenig mehr Tempo herauszunehmen. Einfach ist das nicht, da ich mich leider immer wieder in einem Kontext bewege, innerhalb dessen mir anderes aufgedrückt wird. Aber es ist besser geworden.
„Wir werden die Welt schon in Ordnung bringen! Wir sind ja schließlich keine Menschen!“
Oscar, Elefant
Die Konferenz der Tiere, Erich Kästner
Es gibt diese Sprüche, die von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden. Einer lautet: “Schließ mal Deine Augen, dann weißt Du, was hier alles Deins ist!” Zumeist ist es die Antwort für einen aufmüpfigen Teenager, der mit einer alterstypischen Anspruchshaltung auftrumpfen will. Aber ich finde, da steckt noch mehr drin.
Nichts zu haben, ist unserer Gesellschaft undenkbar. Wer nichts hat, ist auch nichts! Eben dies ist auch eine Botschaft an den pubertierenden Teenager. Gleich gefolgt vom Ausspruch: “Solange Du Deine Beine unter meinen Tisch stellst, wird hier gemacht, was ich sage.” Die Jungen sollen erst einmal arbeiten und sich damit etwas erschaffen. Ist ihnen dies erfolgreich gelungen, dürfen sie auch mitreden. In jene Richtung gehen auch all die Kommentare, welche zu den jungen Aktivisten abgelassen werden, die sich aus Protest gegen die zögerlichen bis hin ausbleibenden Maßnahmen zur Abwendung der bereits stattfindenden ökologischen Katastrophe. Neu sind solche Aussprüche nicht. Bereits in der Zeit der legendären 68er hieß es: “Sollen diese langhaarigen Gammler doch erst einmal arbeiten.” Das Prinzip “Haben” infrage zu stellen, bringt einem schnell den Ruf eines gefährlichen Spinners ein. Selbst ganz große Künstler sind davor nicht gefeit.
Imagine no possessions I wonder if you can No need for greed or hunger A brotherhood of man Imagine all the people Sharing all the world… You…
John Lennon, Imagin
Andererseits steht nirgendwo geschrieben, dass sich in unserer Demokratie Leute erst äußern dürfen, wenn sie etwas haben oder einer Arbeit im bürgerlichen Verständnis nachgehen. In den USA sieht es ein wenig anders aus. Ich bin immer wieder schockiert, wer dort alles nicht wahlberechtigt ist. Allerdings ist es historisch nachvollziehbar. Von Anfang an war die Verfassung darauf ausgelegt, dass nur Habende zu bestimmen haben. Die Gründer, vornehmlich vermögende Männer, hielten Habenichtse zum einen für unfähig und zum anderen für das eigene Vermögen gefährlich. Folgerichtig unterteilt beispielsweise Saul D. Alinsky die Einwohner der USA in Have und Not-Have. Immerhin ist es bei uns wenigstens gesetzlich festgelegt, dass mittellose Deutsche auf der gleichen rechtlichen Stufe stehen, wie alle anderen. Ob es tatsächlich der Fall ist, dürfte mehr als fraglich sein. Tatsächlich beginnt es bereits beim Rechtsbeistand. Objektiv betrachtet, sind die Chancen vor Gericht für Leute, die sich teure Honorare leisten können, deutlich besser. Nicht anders sieht es mit der Würde des Menschen aus. Wer wegen Krankheit oder Alter nicht mehr produktiv ist, verliert sie schnell in einem auf Profit ausgerichteten Krankenhaus oder Heim. An all die Mitmenschen, die keine Bleibe haben, über kein Konto verfügen oder sich illegal in Deutschland aufhalten, möchte ich beinahe nicht denken, doch so sieht nun einmal die Realität aus.
Schaue ich über die Grenzen hinaus, besserte sich in den letzten Jahrzehnten die allgemeine Situation für die Einwohner in den Industrieländern, während gleichzeitig der Abstand zu allen anderen Ländern größer geworden ist. Global gesehen, sind sie die “Not-Have”, womit sie auch wenig mitzureden haben. Gut zu beobachten ist das bei all den Klimakonferenzen und dem Tross der Konzernvertreter, die sich in den Windschatten ihrer Marionetten hängen. Die pure Existenz erzeugt keine Ansprüche, sondern es müssen Geld und Eigentum dazu kommen. Als Nebeneffekt sind Tiere und alle anderen Lebensformen aus Sicht des Menschen de facto ohne Rechte, denn sie besitzen nichts, sondern werden als Eigentum oder Besitz betrachtet. Wenn ich einem Bauern eine Kuh wegnehme, ist es ein Diebstahl und keine Entführung, bei der ich in ihre Rechte eingreife. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch steht dazu im § 90 geschrieben:
Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.
§ 90, BGB
Was sich in niemanden Eigentum oder Besitz befindet, ist quasi wertlos. Ein Vertreter eines Konzerns hat diesbezüglich zum Thema Wasser einmal gesagt: “Sauberes Trinkwasser ist ein Gut. Und wenn daran keiner Eigentum anmelden kann, wird es auch nicht geschätzt.” Gut, gleiches könnte auch von der Luft behauptet werden und da die Sache mit dem Wasser immer mal wieder zur Diskussion steht bzw. im gewissen Sinne in mehreren Regionen Konzerne das Wasser als Eigentum betrachten, halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass das bezüglich der Luft, konkret dem Sauerstoff passieren wird. Erst der Grund und Boden, dann das Wasser und zum Schluss die Atemluft.
Es gibt auch im Gegensatz zu früheren Zeiten keine ethischen Richtlinien bezüglich des Habens und dem Erwerb. Was nicht explizit von Menschen mittels eines Gesetzes untersagt wurde, ist erlaubt und darf praktiziert werden. Wie und unter welchen Umständen etwas hergestellt wurde, welche Folgen aus der Produktion resultieren, wer damit was anstellt, ist (l)egal. Seien es Waffen, ihre Einzelteile, die erst zusammengesetzt werden müssen, billige Textilien, elektronische Geräte, produzierte Energie, Speichermedien, geförderte fossile Brennstoffe, Nahrungsmittel, die die Zerstörung kompletter Ökosysteme bedingen oder die Misshandlung anderer Lebewesen, wenn es nicht in einem Gesetz geregelt ist, ist alles erlaubt. Und zwar dem Lebewesen, welches Erfinder des Habens ist. Das Lebewesen, welches sich selbst über alle anderen Lebewesen stellte.
In unseren Gefilden ist das Haben allgegenwärtig. Die Auswirkungen zeigen sich nicht ausschließlich beim eigentlichen Haben, sondern auch darin, wie die Mitmenschen mit allem umgehen, was ihnen nicht selbst oder offensichtlich jemanden gehört. Die Stadt Berlin ist vermüllt, wo das Auge hinschaut. Nur wenige kämen auf die Idee, ihre eigene Wohnung, Garten oder Haus als Mülldeponie zu benutzen. Wer schmeißt schon seine Zigarettenkippen oder Kaugummis auf den Boden des Wohnzimmers? Oder ich würde ungern die Reaktion meines Nachbarn erleben, wenn ich meinen Sperrmüll auf sein Grundstück ablege. Im Park, im Wald, bei schwer einsehbaren Ecken, ist das etwas anderes. Bei der Überlegung, dass auch das allgemeine Stadtgebiet jemanden gehört, nämlich der Allgemeinheit, somit auch u.U. dem Müllentsorger, steigen die meisten aus. Gleichermaßen sieht es mit dem Wasser und der Luft aus.
Wie auch immer es gedreht und gewendet wird, das Prinzip “Haben” hat uns nichts Gutes eingebracht. Es hat sich ergeben und wir haben uns dem hingegeben, aber das ist keine solide Argumentation dafür. Wenn Leute zum Beispiel behaupten, dass niemand ein Interesse an Forschung, Innovation u.ä. entwickelt, wenn es den Anreiz des Verdienstes und dem damit verbundenen Haben nicht gäbe, ist dies eine Bankrotterklärung bezüglich menschlicher Daseinsqualität der Bewohner von Industriestaaten. Empathie, Solidarität, Tatendrang, Verwirklichung wären damit ausgeschlossen. Was war zuerst da? Der Mensch, welcher sich nur aufrafft, wenn es etwas zu verdienen gibt oder der, welcher den Antrieb der Verwirklichung innehat? Ist nicht die zuerst genannte Version ein vom System dazu erzogener Typ? In der Gesellschaft wird nicht die Lebensleistung honoriert, schon gar nicht, wenn sie keine monetär sichtbaren Folgen nach sich zieht, sondern eben was am Ende an Haben hinten bei herauskommt. Wie will ich die Pflegeleistung aus der Sicht eines oder einer Gepflegten mit Geld bewerten? Die Freundlichkeit, den gezeigten Respekt, den Erhalt der Würde, ein wenig Glück trotz Schmerzen? Sind Zufriedenheit, das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, als Individuum erkannt und wahrgenommen zu werden für eine Transformation in Güter geeignet?
Ich schaue auf die sogenannte deutsche Nachkriegsgeneration. Teile von ihnen haben das nationalsozialistische Denken überwunden. Sie lernten, mit anderen Nationen in Frieden zu leben, alte Vorurteile abzubauen. Dank ihnen sind Deutsche nicht mehr die Barbaren, die weltweit gehasst werden. Es galt die Trauma ihrer Eltern zu überwinden. Während in den Zeiten davor alles Intellektuelle und Kulturelle, was nicht unmittelbar den Zielen der Nazis und davor dem Kaiser diente, unterdrückt wurde, setzten sich damit auseinander. Doch was bleibt im Sprachgebrauch? Wirtschaftswunder, die Trümmer beseitigt und alles wieder aufgebaut, ein eigenes Haus gebaut, Kredite abgezahlt. Das ist traurig und wird der eigentlichen Lebensleistung nicht im Ansatz gerecht. Nach und nach treten sie aus diesem Leben ab. Es gibt nichts mehr aufzubauen. Alles steht wieder! Doch damit es nicht langweilig wird, haben wir ja immer noch den Wachstumsgedanken. Panik bricht aus, wenn die Wachstumsraten stagnieren. Erste Wirtschaftswissenschaftler/innen warnen vor den sozialen Folgen. Erneut läuft es auf ein Armutszeugnis hinaus. Wahrscheinlich nicht einmal unberechtigt. Wenn ich Drogenabhängigen ihren Stoff wegnehme, werden sie aggressiv und wenden sich denen zu, die ihnen einen nicht enden wollenden Zustrom neuer Konsummöglichkeiten versprechen. An irgendeiner Stelle hätten kluge Menschen die Notwendigkeit einer Änderung im Denken erkennen müssen. OK, einige taten es, aber sie scheiterten an der Rhetorik der Dealer.
Im Buch “Haben oder Sein” beschreibt Erich Fromm ziemlich plastisch drei unterschiedliche Herangehensweisen. Er nennt einen Dichter, der über die Schönheit einer Rose schreibt, sie pflückt und sich erhofft, mittels Betrachtung und Untersuchung Erkenntnisse über das Leben, das Göttliche und die Zusammenhänge des Lebens zu gewinnen. Aber unter dem Strich tötet er sie. Ein andere nimmt eine unscheinbare Blume am Wegesrand wahr und beobachtet sie beim Wachsen, wie sie blüht, die Blüte vergeht und sie danach wieder von vorn beginnt. Als Letztes benennt Fromm Goethe, der die Blume ausgräbt, ihr einen idealen Standort spendiert und sich dort an ihr erfreut. Der erste Dichter verkörpert das Haben, die beiden anderen verfolgen Alternativen. Die drei Beispiele verdeutlichen auch unser Verhältnis zur Welt. Wir wollen in Besitz nehmen, was nicht funktioniert, jedenfalls nicht ohne Zerstörung. Sprachlich wird von der Natur gesprochen, als wenn sie etwas von uns separat existierendes wäre. Doch wir sind ein Teil, insofern ist der Besitz in unserem Verständnis unlogisch. Genauso unlogisch wie Formulierungen, die lauten: “Mit der Natur leben!” oder “Die Umwelt schützen”. Sie sind Ausdruck einer Hybris. Es gibt keine Welt um den Menschen herum. Faktisch gibt es eine Welt, in der wir alle leben und von der sich jeder ein anderes Abbild, jeweils einen Teilausschnitt, ins Innere projiziert. Ebenso bin ich, jeder, ein verschwindend kleines, aber deshalb nicht unbedeutendes Teilchen, der Natur. Allein der Umstand, wie wenig politische Anführer/innen, selbst wenn sie eine philosophische Ausbildung genossen, darauf achten, lässt mich nicht mit der Überzeugung leben, dass sich etwas ändern wird. Erst recht nicht, wenn ich diese weltweite Ansammlung von Despoten, Ich -Darstellern, Neurotikern sehe. Ob einer/r von denen jemals schlafen geht und sich vor Augen hält, was sie, jenseits von Menschenleben, noch alles zerstört haben? Es ist Teil des Denkens von Menschen aus Industriestaaten, an die Zahl menschlicher Opfer zu denken. Indigene sind da anders unterwegs. Ich las von der Geschichte, in der ein Elefantenbulle zwei Stammesmitglieder töteten und NGO’s anboten, das Tier töten zu lassen. Der Stamm wollte das nicht. Sie wiesen darauf hin, dass Wilderer bei Rodungsarbeiten einen seiner Gefährten getötet hatten und er nun nachvollziehbar gereizt war.
Irgendwo war letztens ein Artikel, in dem ein Soziologe zur Überraschung der Verfasserin des Artikel meinte, dass der Mensch an sich ein gutes Wesen wäre. Ich las lediglich den Aufmacher, weil ich mir dachte: “Was denn sonst?” Gut und Böse sind ohnehin Produkte des Großhirns. Böse ist im Allgemeinen alles Schädliche. Wäre der Homo sapiens, der spärlich behaarte Affe mit trockener Nase von Anfang an schädlich gewesen, gäbe es uns schon lange nicht mehr. Indigene leben als Teil der Natur und betrachten die Erde als etwas, was ihnen zusammen mit anderen Lebewesen zur Verfügung steht. Sie reden dabei nicht von Eigentum! In ihrem Sinne hat der Homo sapiens eine ebenso wichtige Funktion, wie alle anderen Wesen. Wir, die Bewohner der Industriestaaten sind vorsätzlich, wissentlich, egoistisch, schädlich unterwegs. Wenn dies böse ist, soll es wegen meiner so sein. Zumindest fallen mir keine Rechtfertigungen oder Entschuldigungen ein.
In meiner Schulzeit gehörte das Buch von Erich Kästner, “Die Konferenz der Tiere” noch zum Standardrepertoire des Deutschunterrichts. Darin geht es um nichts anderes. Die politischen Anführer der industriellen Staaten werden quasi vor ein Tribunal gestellt. Bezeichnend ist dabei, dass Kästner die Tiere, Kinder als Druckmittel, verwenden lässt. Heute stehen die “Alten” vor ihren Kindern und werfen ihnen vor, dass sie als Jugendliche mit Smartphones, Markenklamotten zur Demo gehen und auch ansonsten recht kapitalistisch unterwegs sind. Eine Frage! Wer hat es ihnen vorgelebt, sie dazu geformt und zugelassen, wie ein System des Habens sie nach dem dem ersten Schrei eingliederte? Wie sagte mein Vater immer zu mir? “Scheiße bauen kann passieren, aber man muss dazu stehen!” Der vermeintliche “Terror”, der angeblich von all den Aktivsten/innen, FFF, Extinction Rebels, Letzte Generation, ausgeht, ist nichts anderes als, mit dem berühmten Finger in der Wunde zu bohren und das Geschrei des Bürgertums, das laute Leugnen eines erwischten Kindes. Letztens fragte mich ein aktiver Polizist, wie viel ich denen durchgehen lassen würde. Ich lernte bei der Polizei etwas ziemlich Überzeugendes. Prüfe zuerst die sachliche und örtliche Zuständigkeit. Beides ist nicht gegeben. Doch ich kann für mich eine Prognose erstellen. Wenn es weltweit bei dem Kinderkram bleibt, werden sie nichts verändern. Und mich vor dem Hintergrund des Geschehens auf der Erde über eine blockierte Straße aufzuregen, wäre mir echt zu peinlich. Wenn schon, empöre ich mich darüber, dass sich die Alten nicht mit ihnen solidarisieren. Richtig dumm sind jene, welche kritisieren, dass die auf diese Art nicht ihre Ziele erreichen werden. Verstehe ich es korrekt? Die Verzögerung und Abmilderung der jetzt stattfindenden Katastrophe, bis wir eventuell doch noch die Reife erlangen, anders zu leben, ist deren alleiniges Interesse? Ah! Ich vergaß die Logik des Habens. Sie -haben- Interessen und müssen deshalb entsprechend agieren. Und die anderen -haben- andere Interessen. Verstanden! Äh, bedingt …
Als ich heute am 13.12. Twitter öffnete, dauerte es einen Augenblick bis ich begriff, warum sich die einschlägigen Accounts benahmen wie ein wütender Hornissenschwarm. 1312, die Ziffernfolge für das Akronym ACAB, “All Cops are Bastards”. Es hat eine lange Geschichte. Es soll 1920 erstmals aufgetaucht sein, später von revoltierenden Arbeitern benutzt worden sein, dann als Knast Tattoo – Karriere gemacht haben, bis es irgendwann mal in der Autonomen Szene ankam. Spätestens dort war das Motto nur noch der T-Shirt Aufdruck zu urbanen Spielereien. Ein ähnliches Schicksal wie es dem stilisierten Bild von Commandante Che Guevara widerfuhr. Zeitweilig schafften es auch Angela Davis und Sacco&Vanzetti auf die Brüste der modebewussten Wohlstandskinder. Tja, es ist nicht einfach dem Prinzip des Kapitalismus zu entkommen. Alles wird zur Ware, einem Produkt, was sich zu Geld machen lässt. Es macht auch keinen Halt vor den schärfsten Gegnern, die prompt darauf hereinfallen. Keine urbanen Kampfspiele zwischen der Polizei, den Autonomen, der “linken” hedonistischen Jugendbewegung, selbsternannten Kämpfern für eine bessere Zukunft ohne das passende Outfit, die richtigen Symbole und angesagten Wortschatz.
Spiele sind wiederkehrende Szenarien, mit immer gleichen Ablauf, festgelegten Mitspielern und ihren Rollen, sowie Spielregeln. Die urbanen Kampfspiele bringen nur eins: die Verabredung zu einem neuen Spiel. Sie sind leer und haben einen Selbstzweck. Seit den 80ern steht dieser Quatsch auf der Stelle. Niemand, weder die Polizei noch die andere Seite haben irgendwelche Ergebnisse vorzuweisen. Die großen Kämpfe “Startbahn – West”, “Brokdorf”, “Wackersdorf”, “Mutlangen”, wegen meiner auch die Proteste gegen “Reagan”, die Republikaner”, waren Anlassbezogen und führten, we manchmal zu kleinen Erfolgen oder wenigstens zu einer Debatte. Mal ganz abgesehen von den Studentenprotesten in Frankreich und Deutschland in den Jahren ’67 – ’69.
Sie tragen, oft gar nicht günstige schwarze Hoodies, Motto – Shirts, Regenjacken von etablierten Konzernen, die den Outdoor – Bedarf bedienen, gern auch vom sächsischen Rentner bei einer Pegida – Demo getragen wird, schwarze Schuhe von teuren Marken. Die wenigen letzten Punks haben da nichts zu bieten, wobei sich unter ihnen auch noch einige befinden, die sich die Bezeichnung “Kaufhaus – Punk” gefallen lassen müssen. Vielfach ist es kein gesellschaftlicher Ausstieg, sondern eher einer aus dem kompletten Leben. Warum auch nicht? Die Freiheit hat jeder. Doch dies hat nichts mit Kampf, Botschaft oder dem Willen zu einer Veränderung zu tun. Genau genommen sind sie nur Opfer des Kapitalismus und einem System, doch beides schert sich einen Dreck um sie.
Etwas geht kaputt? Irgendwer wird es reparieren und damit Geld verdienen. Ein Fahrzeug brennt? Prima, bei VW, Opel, Daimler, stehen die Höfe voll. Eine Bank wird entglast? Hierfür gibt es Steuerabschreibungen. Die Polizei braucht neue Ausstattungen? Da reiben sich die Hersteller die Hände und die Konjunktur freut sich. Alarm auf der Straße? Dies freut den rechtskonservativen Politiker und die PR Strategen.
In den Pausen zwischen den Spielen zerlegen sich am liebsten alle gegenseitig oder schielen argwöhnig auf die “Kids”, die gegen die weltweite Klimapolitik demonstrieren. Die haben in ihren Augen gar nichts verstanden. Erst einmal mit den “Spielen” den Kapitalismus überwinden, der ursächlich ist. Den Bullen zeigen, welche komischerweise immer nachwachsen, wo der Hammer hängt. Dabei ist korrekt, dass die “Kids” längst vom Kapitalismus eingeatmet wurden. Ein paar Einladungen, Sympathiebekundungen seitens des Establishments, leere Versprechungen und schon sind sie Girlanden, die alles ein wenig schöner und ökologischer aussehen lassen. Mich ärgerte bei der Causa “Pressesprecherin der grünen Jugend” nicht ihre Aussagen über “Weiße”, sondern vielmehr die Diffamierung der engagierten Jugendlichen bei Fridays for Future. Machiavelli! Wenn ich in Sachen Klima etwas reißen kann, ist mir egal, mit wem und woher es kommt.
Krieg, Kampf, Revolution, Kritik, als Selbstzweck, dient nur denen, welche den Support, die Logistik und restlichen Mittel stellen. Ich muss wissen, wo ich hin will und einen Plan für den Fall haben, dass ich als Sieger hervorgehe. Weiterhin benötige ich die Leute, die hinter meiner Idee und Zielen stehen. Ja, ein starkes Symbol, welches alle einigt, kann dabei hilfreich u.U. motivierend wirken. Die Geschichte bietet da einige Beispiele.: Vom Hakenkreuz der Nazis, der schwarzen Flagge der Anarchisten, die Faust der Kommunisten, bis zu Hammer und Sichel, usw. Man sollte sich dabei aber immer des Risikos bewusst sein, dass dies schnell von der Pop – Kultur übernommen wird und sich die Wirkung damit erledigt hat.
So sehr ich 1 % Rocker MC verabscheue (die nebenbei auch ACAB T – Shirts tragen) muss man ihnen eins lassen. Den Schutz ihrer eigenen Symbole ziehen sie durch. Niemand sollte auf die Idee kommen, mit den falschen Hells Angels Symbolen am falschen Ort aufzutauchen. Da verstehen die, eben sowenig wie Gremium oder Bandidos u.a., Spaß. Vielleicht ist dieses ACAB, mit seinem Weg über Arbeiter aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts, in die Zellen hartgesottener Krimineller, zu den Autonomen, ein Symptom dafür, wie verloren diese Szene eigentlich ist. Für die anstehenden Aufgaben der kommenden Zeit haben sie nichts anzubieten. Eher sind sie eine Folgeerscheinung der implodierenden Wohlstandsgesellschaften. Sie vermögen es nicht, eine ernstzunehmende politische Kraft auf die Straße zu bringen, noch sind sie in der Lage, der Macht auch nur minimale Blessuren zu verpassen. Eher im Gegenteil! Sie treiben ein verschrecktes Bürgertum vor sich her, welches genau in die falsche Richtung rennt. Es ist nicht einmal der Fall, dass sich deshalb die Staatsmacht demaskiert oder die Bürger sich unmerklich einer an sich gewollten Freiheit berauben. Das übernehmen die religiös motivierten Attentäter oder die rechte Szene. Die RAF folgte dem anarchistischen Weg “Propaganda der Tat”. Wenn die Machtinhaber unsere Leute umbringen, zahlen wir es zurück, damit sie merken, wie trügerisch ihre Sicherheit ist. Das funktionierte nicht und wurde seitens der Anarchistischen Bewegung beendet.
Insgesamt finde ich dies alles bedauerlich, weil einst etwas angestoßen wurde, auf dessen Basis mit Lerneffekten ein Weg dagewesen wäre. Rudi Dutschke forderte den Weg durch die Instanzen. Er übersah, was mit den Leuten dabei geschieht und wie intensiv das Hierarchieprinzip auf die Leute einwirkt. Gut, dann halt eine intellektuelle externe Auseinandersetzung mit überlegten Angeboten an den richtigen Stellen, wie es zum Beispiel der Amerikaner Saul D. Alinsky forderte oder spanische Libertäre umsetzen. Kleine Enklaven, die gut positioniert auf immer größer werdende Regionen wirken und vermögen eine Transformation einzuleiten, weil die Konzepte für die Bürger attraktiv sind. Hierzu gehört auch eine Sprache, die allgemein verständlich ist. Mit soziologischen Kauderwelsch erreiche ich Studenten der Soziologie oder Insider, aber nicht die breite Masse. Die ’68er, inklusive derjenigen, die sich später radikalisierten, hatten immer die Lebensrealität der “normalen” arbeitenden Bevölkerung vor Augen. Zugegeben, war spätestens mit dem Eintritt in den Untergrund vieles kaum noch verständlich, aber dies hatte psychologische Gründe.
Die Familien in den Plattenbausiedlungen, den Hochhaussiedlungen, sozialen Brennpunkten, “freigesetzte” Arbeiter/innen, die vom Umbruch durch die Digitale Revolution Betroffenen, die, welche Familien zu ernähren haben oder die mannigfaltigen aktuellen und kommenden Opfer der Klimakatastrophe, diejenigen, welche sich am finanziellen und sozialen Abgrund befinden, haben mit den Trägern von “ACAB” Shirts wenig zu tun. Ich befürchte, mangels Alternativen, werden sich davon immer mehr dem rechtskonservativen bis klar rechtsextremistischen Spektrum zuwenden. Daran ändert auf lange Frist auch nichts die aktuelle Regierung.
Die eigentliche Aussage, alle Polizisten sind Bastarde, ist mir persönlich vollkommen egal. Da wo sie mal entstand, kann ich sie sogar nachvollziehen. Bei den heutigen Verwendern ist es in der Mehrheit ein Statement dazu, wo man sich selbst zugehörig fühlt. “Anti” – Antifaschismus, Antikapitalismus, Antirassismus, … Viel spannender ist: “Du hast mir jetzt gesagt, wogegen Du alles bist. Gut, geschenkt! Erzähl mal von Deinen Vorstellungen. Wo soll die Reise denn hingehen? Alternativen? Aufgabe von Besitz und Eigentum? Stoppen der Propaganda durch Übergabe der der Sozialen Medien an die Gesellschaft? Auflösung der Polizei? Wie gedenkst Du mit den Folgen umzugehen? Selbst in einer idealen anarchistischen Gesellschaft werden manche Delikte bleiben. Triebtaten? Mord? Diebstahl? Umgang mit Personen aus anderen Gesellschaften? Neidern? Psychopathen?” Meistens kommt hierzu nur heiße Luft oder die Aneinanderreihung soziologischer Phrasen. Da sind Länder, in denen sich Leute notgedrungen nahezu anarchistisch organisieren müssen, weil sich der offizielle Staat verselbstständigt hat oder durch Abwesenheit glänzt, deutlich weiter. In Favelas, diversen Slums, aber auch in Staaten, wo staatliche Regelung mittels Zahlung erkauft werden muss, gelten andere Regeln. Keine Ahnung, ob ACAB Shirt -Träger/innen dort klarkommen. Ich habe da meine Vorstellungen. Nicht alles ist dort schlecht. Es gibt auch die positiven Beispiele von kleinen selbstorganisierten Gemeinden, in denen die Kriminalität kaum ein Thema ist. Aber das ist harte Arbeit, viel Kommunikation, Selbstdisziplin, Empathie und aufeinander zu gehen. Mit Parolen ist da kein Blumentopf zu gewinnen.
Noam Chomsky, Douglas Adams und die Script – Autoren für alle Serien nach Machart von Raumschiff Enterprise haben alle etwas gemeinsam. Sie haben bei der Betrachtung des Weltgeschehens die Perspektive eines Außerirdischen Beobachters eingebracht. Diese Perspektive ist mit die größte Abstraktion und Metaebene. Wobei ich glaube, dass dies gar nicht nötig ist, wenn man sich anstatt dessen in die Sicht eines Kindes versetzt. Egal, welchen Weg man befolgt, stellt sich schnell heraus, wie viele Axiome einem als unumstößliche Gegebenheiten des Lebens verkauft werden, die einer näheren Prüfung nicht standhalten.
Geld und Wert
Eins der prominentesten ist alles, was sich um das Thema Geld rankt. Geld ist eine Idee. Ein fünfhundert EURO Schein hat den Materialwert weniger Cent oder wenn es gar nicht um Geld gehen soll, dem, was ich im Tausch gegen eine sehr kleine Gefälligkeit nehmen würde. Bereits beim Begriff Wert wird es schwierig. Gebe ich einem kleinem Kind, welches mit einem nach dem Verständnis der Erwachsenen teuren Collier spielt, im Tausch eine große Puppe, wird es vermutlich die Puppe nehmen. Ein hart arbeitender Mann bekommt für seine Leistung 12 EUR die Stunde, während ein Rechtsanwalt für das Aufsetzen eines Schriftstücks innerhalb weniger Minuten hunderttausende EURO bekommt. Viele große Künstler lebten zu Lebzeiten in Armut, während ihre Werke heute auf Auktionen für Millionen den Besitzer wechseln.
Wie erkläre ich nun einem Außerirdischen, dass den Pflegekräften oder Lehrern, die uns im Alter betreuen oder dem Nachwuchs Wissen vermitteln sollen, deutlich weniger Geld zukommt, als andere für ein altes Pergament mit Ölfarben ausgeben? Oder besser noch, man mit dem Geld eine ganze Schule bauen könnte. Letztens kaufte ein weitläufig Bekannter für 70.000 EUR einen alten Porsche. Ein nett anzusehendes Vehikel mit einem jede Menge Liter fossilen Brennstoff verbrennenden Motor. Was könnte man mit den 70.000 EUR in den richtigen Händen alles anstellen? Was wäre, wenn ich sie irgendwo auf der Welt in eine Schule oder wenigstens in ein paar junge Menschen investierte? Niemand kann wissen, ob ich damit u.U. dem Erfinder einer Wasserstofffusion in die Spur helfe. 70.000 EUR ist auch der Betrag, der nach Untersuchungen die Grenzlinie zum Glück darstellt. Bis zu diesem jährlichen Betrag steigt nach Aussagen der Untersuchenden das subjektive Glücksgefühl, danach folgen keine weiteren Steigerungen, eher Abstriche. Im Übrigen ist dies auch der Betrag, den in Deutschland eine Frau oder ein Mann investieren muss, wenn sie/er sich für eine der großen Parteien als Direktkandidat/in bei der Bundestagswahl aufstellen lässt. Bei den kleineren Parteien wird es günstiger.
Vielleicht würde mich der Außerirdische fragen, ob der Verdienst, wie wir es nennen, von der Wertschöpfung der Arbeit abhängt. Ein afrikanischer Minenarbeiter schürft nach Diamanten, die allgemein sehr teuer gehandelt werden. Bei dem, was er dafür bekommt, sprechen wir von moderner Sklavenhaltung. Die Mitglieder der Rechtsanwaltssozietät, welche verhindern, dass sich dies ändert, bekommen das Tausendfache. Mal ganz abgesehen von dem, was die Aktionäre der Minengesellschaft erhalten. Die rein körperliche Arbeit, die Verdammung zum Vegetieren, der Raubbau an der Gesundheit und die damit einhergehende Verkürzung des Lebens, wird nicht honoriert. Und wie erklärt man das jetzt?
Was da in Afrika stattfindet, könnte man als extrem bezeichnen. Wobei anzumerken ist, dass auch dies eine Frage der Perspektive ist. Aus der Sicht eines Deutschen mag dieses der Fall sein, in der entsprechenden Region, ist es für die Kinder und Männer die normale Lebensrealität. Was passiert eigentlich mit diesen Diamanten? Einige finden den Weg in eine Juwelier – Werkstatt, wo sie in teure Schmuckstücke eingepasst werden. Diese landen wiederum in einem Schließfach und sollen bei besonderen Anlässen die optische Erscheinung eines Menschen untermalen. Unter dem Strich wurde ein sechsjähriger Junge in einer Mine gequält, damit ein anderer Mensch, der möglicherweise noch nie gearbeitet hat, anderen gefällt. Ein anderer Teil landet in der Industrie und wird dort in Maschinen eingebaut, die zusammen mit anderen Bauelementen ein Produkt herstellen, welches wiederum anteilig in Deutschland landet. Wird damit jeder von uns zum mittelbaren Sklavenhalter? Was würde in einer Utopie passieren, in der wir auf alle Produkte, Baustoffe, Ressourcen, verzichten, die unter diesen Umständen in den Kreislauf gerieten? Nun, ich denke, bei uns würden ebenfalls alle Skrupel über Bord geworfen werden und wir hätten wieder Kinderarbeit, Tagelöhner, Trockenbewohner und ein Heer von Arbeitern lebten in menschenunwürdigen Mietskasernen. Da ist es einfacher den namenlosen sechsjährigen Junge in einem fernen Land zu opfern.
Aber warum in die Ferne schweifen? Trotz aller Erleichterungen existieren selbst in den im Wohlstand lebenden industrialisierten Ländern parallel zu eher leichten Arbeiten echte Knochenjobs. Dachdecker, Handwerker, Baugewerbe, Pflegedienste, die Liste ist lang. Jetzt könnte ich dem Alien von der Errungenschaft der Rente berichten. Ein Mitglied der Gesellschaft arbeitet einen festgelegten Zeitraum, bekommt während dessen Geld zum Leben, gleichzeitig zahlt die Institution, die mit den Produkten die aus dieser Arbeit entstanden sind ebenfalls Geld verdient, einen Beitrag in eine Kasse, in die auch die Arbeiter einzahlen. Am Ende der Arbeitszeit bekommt der zum Arbeiten zu alt gewordene Mensch eine Rente. Völlig zu Recht müsste der Alien nachfragen, was ich unter zu alt verstehe. Also, wenn ich es schaffe, ihn von dem afrikanischen Kind abzulenken. Ich würde antworten, dass zu alt sehr individuell ist. Maßgeblich ist die Fähigkeit innerhalb des Berufs zu arbeiten. Hierbei müsste man einräumen, dass einen die körperliche Arbeit früher an diesen Zeitpunkt bringt, denn eine Tätigkeit in einer Schreibstube. Konsequenterweise müsste dann die körperliche Arbeit früher enden, als die leichteren Tätigkeiten. Nun gibt es Menschen, die hierzu eine brillante Idee haben. Wenn das Körperliche nicht mehr geht, könnte dieser Mensch doch in einem anderen Job arbeiten. Also z.B. den Betriebsschlosser aus der Produktion vor einen Bildschirm in der Buchhaltung setzen. Kleine Unwegsamkeiten, wie dass da schon jemand sitzt, sind Details, die zu regeln sind. Eine andere Option wäre, dass der Betriebsschlosser über sein interessantes Leben ein Buch schreibt oder sich einen Sci – Fi – Roman ausdenkt. Vermutlich würde selbst der Alien feststellen, dass dies ziemlicher Unfug ist. Vielleicht, auf jeden Fall ist es die Perspektive und Sichtweise eines politisch engagierten Rechtsanwalts, der somit die Regeln interpretiert, die sich Menschen gaben. Sie stammt von dem Rechtsanwalt, Ökonomen und stellvertretenden Bundestagspräsidenten der Bundesrepublik Deutschland Kubicki.
Zum Thema müsste ich dem Alien erläutern, dass die Menschheit einem Prinzip folgt, demnach alles Knappe eine Wertschätzung erfährt, während die Dinge, welche im Überfluss da sind, keine erfahren. Oftmals verbrauchen wir so viel von dem reichlich Vorhandenen, bis es knapp wird oder wir horten es und machen es künstlich rar, damit es eine Wertschätzung in Form von Geld erfährt. Dabei kann es zu paradoxen Situationen kommen. Bahnbrechende gute Ideen sind selten und müssten dem Prinzip nach eine hohe Wertschätzung bekommen. Allerdings bedeutet diese neue Idee u.U. einen Wertverlust für die Leute, welche noch mit der alten, damit hinfälligen, Produktionsmethode arbeiten. Dann werden die alles dran setzen, damit die Idee sich nicht durchsetzt. Wenn der Alien dies verstanden hat, verfüge ich über eine Grundlage, auf der ich ihm vermitteln kann, warum wir bereits in den 70ern des letzten Jahrhunderts Ideen hatten, um fossile Brennstoffe, von deren Schädlichkeit wir wussten, obsolet werden zu lassen, aber niemals weiter verfolgten. Mir ist klar, dass er an den Eigenschaften zweifeln würde, die die Spezies Mensch mit Vernunft, also aus abstrakten Überlegungen Schlüsse zu ziehen und Verstand, die Fähigkeit vor etwas zu stehen, zu sehen und zu analysieren, nennen.
Verstand und Vernunft
In diesem fiktiven Gespräch könnte ich lang und breit erörtern, dass meine Spezies, bezüglich der Wirkung auf den Planeten die Dominante, seit sehr langer Zeit auf einen Unterschied zu allen anderen Spezies bedacht ist. Wir behaupten, im Gegensatz zu den anderen, ein Bewusstsein zu besitzen, also die eigene Existenz wissentlich wahrnehmen, mittels Überlegungen Dinge ableiten können und anhand Beobachtungen die Zusammenhänge des Systems, von dem wir ein Teil sind, verstehen können. Gut, noch nicht so, dass wir den Planeten zu einem anderen Planeten mit ähnlichen Voraussetzungen verlassen könnten, aber immerhin können wir darüber nachdenken. Einige unserer Denker behaupten, dass dies für uns unter Umständen gar nicht möglich ist, aber dies sind Spielverderber.
Rhetorisch ist klar, was danach kommt. “Also Eure Wissenschaftler haben verstanden, dass ihr die vorhandenen Lebensgrundlagen zerstört und wenn ihr weiter macht wie bisher, nur mit technologischen Lösungen überleben könnt, die neue Probleme erzeugen?” “Ja!” “Aber was ist mit dem, was ihr Vernunft nennt?” “Eine Fähigkeit ist erst einmal vorhanden. Damit ist noch nicht gesagt, dass sie auch eine Anwendung findet.” “Andere Frage! Mir ist aufgefallen, dass sich manche Deiner Spezies in Gebieten aufhalten, die eher lebensfeindlich sind und andere leben in Regionen, die deutlich bessere Bedingungen bieten. Sind die in schlechten Gebieten zu dumm, um von dort aus zu verschwinden, ist das selbst auferlegt oder sind dies Strafkolonien? Und wie wollt ihr das regeln, wenn noch mehr Gebiete unbewohnbar werden?” “Vor ca. hundert Jahren machten sich Menschen von einem Kontinent mit günstigen Voraussetzungen auf die Suche nach weiteren Gebieten.” “Also, wie wir, nur dass wir andere Planeten suchen.” “Im Prinzip ist das so. Nun waren da aber schon Menschen. Die wurden versklavt, ausgerottet oder in ungünstigen Gebieten angesiedelt.” “Hm, d.h., wir würden Euch entweder für uns arbeiten lassen, töten oder auf einem Wüstenplaneten absetzen?” “Jein, ihr wärt wenigstens eine andere Spezies. Jedenfalls wurden dadurch die bereits dort lebenden Menschen immer ärmer und die anderen reicher. Irgendwann wollten sich einige von denen auf den Weg machen, um auch etwas von dem Kuchen … eine Redensart bei uns … abzubekommen.” “Legitim!” “Nein! Die Reichen haben ihnen gesagt, sie müssen dort bleiben, wo sie geboren wurden.” “Aber die Reichen können hingehen, wo sie wollen?” “Ja, denn sie haben das Geld sich dieses Recht zu kaufen.” “Sagt zum Beispiel dieser Kubicki?” “Nein, in dem Fall sein Parteifreund Lindner! Also konkret sagte er: “Kein Mensch habe das Recht, sich nach Gutdünken seinen Aufenthaltsort auszusuchen.” Da dies aber realistisch betrachtet, jeder aus einem reichen Land und Kleingeld in der Tasche kann, läuft es auf einen Kauf hinaus.” “Das Geld, welches das Kind für die Arbeit in der Mine nicht bekommt? Dann hat also jemand mit mehr Geld auch mehr Rechte?” “Ja, das kann man so stehen lassen.”
Wo sollte man anfangen?
Das Gespräch könnte lange fortgesetzt werden und es würde eine nach der andern aus Wahn entstandene Gegebenheit auf diesem Planeten hervorbringen. Wüsste man mit Sicherheit, dass die heute Armen, die Gerechten von Morgen sind, bliebe es dem Alien überlassen, sie mit Waffen auszustatten, denen die Reichen nichts entgegenzusetzen haben. Immer unterstellt, dass er und seine Freunde hierfür ein Motiv hätten. Was ich bei näherer Betrachtung ausschließe. Doch selbst wenn, denke ich, dass das nichts änderte, sondern nur die Protagonisten austauscht.
Ich bin mitten ins Gespräch eingestiegen. Was wäre, wenn wir uns nicht auf der Erde träfen? Eine Frage richtete sich wahrscheinlich nach meiner Herkunft. Spandau, Berlin, Deutschland, Mitteleuropa wären keine hilfreichen Informationen. Eher wohl nördliche Halbkugel des Planeten Erde und ich bin Humanoid. Vielleicht könnte ich noch erklären, dass sich Teile von uns zwecks der besseren Übersicht in Nationen aufteilten. Spätestens bei einer Nachfrage, warum dies nur Teile der Menschheit taten und nach welchen Kriterien diese dies vorgenommen haben, säße ich wieder in der Falle. Oder wie sollte ich erläutern, dass es Aufgabenstellungen gibt, die den gesamten Planeten und alle Spezies betreffen, jedoch nicht alle an einem Strang ziehen, schlimmer, nicht einmal in der Lage sind, trotz vorhandener Kommunikationstechnologie, uns zu koordinieren.
Wie könnte ich rechtfertigen, dass die Mehrheit der Menschen einen kleinen Minderheit dafür Geld geben muss, damit sie aufhören die Lebensgrundlagen zu zerstören? Eventuell müsste ich dem Alien erst einmal die Sache mit dem Leben auf der Erde erklären und das diese kleinen millionenfach vorhandenen Blechdinger keine Spezies sind. Die Idee hatte schon Douglas Adams. Schwer vermittelbar wäre auch der Umstand, dass wir über kein den gesamten Planeten umspannendes Mobilitätssystem verfügen, welches mit simpler Sonnenenergie angetrieben wird. Oder ist die Antwort: Wir sind seit hundert Jahren zu dämlich uns zu einigen, eine nachvollziehbare schlüssige Antwort? Warum gaben wir auf, den Wind für Meeresüberquerungen zu nutzen?
Eins ist sicher. Ich müsste den Alien nach diesem Gespräch töten. Kaum ausdenkbar, welche Folgen es haben könnte, wenn seine Spezies erkennen würde, wie simpel, dämlich, hilflos und arrogant die Spezies Mensch ist. An der Stelle weise ich auf Stephen Hawking hin, der aus diesem Grund dringlichst von einer Kontaktaufnahme mit möglichen anderen Lebensformen im Universum abriet. Immerhin hätten die unter Umständen ein Level erreicht, welches ihnen einen Besuch möglich macht.
Allen Anschein nach sind wir nicht einmal ansatzweise dazu fähig, die grundlegenden Probleme anzugehen, aber manche von uns fabulieren von technologischen Lösungen oder gar einem Verlassen der Erde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Universum Mietnomaden mit Messi – Tendenzen benötigt.
Einem Teil der Menschheit ist es außerdem nicht möglich einen Schritt neben sich zu treten und einmal genau hinzuschauen, wozu sie eigentlich tatsächlich fähig sind. Mich beschäftigte eine Weile die Aussage: “Wer Menschheit sagt, will betrügen.” Da ist etwas dran und ich werde darauf noch einmal zurückkommen. Die hier angesprochenen Teile würden feststellen, dass sie vieles unterlassen können, aber keinesfalls mittels Handeln komplexen Prozessen einen gewünschten Verlauf geben können. Auf eine Aktion erfolgt eine Reaktion, dies gehört zu unserem gesicherten Wissen. Bestenfalls sind wir noch fähig, in einfachen Prozessen die nächsten fünf Folgen vorherzubestimmen, mit steigender Komplexität nimmt die Wahrscheinlichkeit ab. In Hinblick auf die primären Themen des 21. Jahrhunderts, der vom Menschen verursachte Klimawandel und die Zerstörung durch Verschmutzung innerhalb des Anthropozän, geht es nicht um einen Schutz, was eine Aktivität ist, sondern um ein Unterlassen weiterer schädlicher Eingriffe in ein System, welches wir bisher nicht verstehen. Mitmenschen, die sich quasi als eine Art Gottesfaktor, in dieses einklinken wollen, unterliegen einem Wahn, was sie zu Wahnsinnigen macht. Ein Wahn, der damit beginnt, dass sie der Auffassung sind, Tod, Krankheiten, Unzulänglichkeiten, Fehlbarkeit, kurzum das Menschliche, ohne Reaktion des Systems überwinden zu können. Für mich ist das aus der Evolution hervorgegangene Großhirn ein Beweis, dass es keine göttliche Macht gibt. Gäbe es sie, hätte sie bestimmt die Idee des Großhirns innerhalb des unvorstellbaren langen Zeitraums einmal durchgespielt und wäre zum Ergebnis gekommen, dass es sich konsequenterweise eines Tages selbst und jegliche andere mühselig in die Wege geleitete Schöpfung vernichtet. Stetig vergrößerte sich die Kapazität des Großhirns. Bis der Zustand erreicht war, in dem die Kapazität das Notwendige überstieg und es sich zu langweilen begann. Irgendwann zu dieser Zeit begann der Anfang vom Ende. Meiner Vorstellung nach passierte einfach alles. Ohne jeglichen Grund passten erst zwei und später sehr viele Atome zueinander. Wie daraus etwas entstanden ist, was wir als Leben bezeichnen bleibt offen. Jedenfalls wissen wir mit ziemlicher Sicherheit, dass die Evolution nichts ist, was nachdenkt, sondern ein sich selbst bedingenden Prozess darstellt. Es passiert, funktioniert oder eben nicht und entwickelt sich weiter. So simpel wie das klingt, so tückisch ist es auch. Über Millionen Jahre hinweg, ist mittels “Try and Error” ein in sich perfekt abgestimmtes Lebenssystem entstanden, von dem wir nur sehr wenig wissen und immer wenn eine/r denkt, etwas zu wissen, tauchen hunderte neue Fragen auf. Ein perfektes Beispiel liefert die Genetik. Kaum glaubten sie den genetischen Code entschlüsselt zu haben und endlich richtig “Gott” spielen zu können, trat den Genetikern die Epigenetik vor das Schienbein. Wann werden welche Schalter zu welchem Zeitpunkt umgelegt, was wird davon vererbt und was wiederum nicht?
Doch nicht nur Multimilliardären, denen das Geld, Macht und Möglichkeiten die Persönlichkeit durcheinander gebracht hat, unterliegen diesem Wahn, sondern ebenso die, welche ihnen in das uns alle (spätestens die Nachfolgegenerationen) betreffende Verderben folgen oder sie mit Forschungen stützen.
Man könnte alles gelassen angehen, wenn es nicht diesen unfairen Aspekt bei alledem gäbe. Die können sich gern in irgendwelche Biosphären begeben und sich dort mit einer Schar Dr. Seltsams umgeben. Doch was haben all die indigenen Völker und Menschen in entlegenen Winkeln zu tun, die versuchen redlich im Einklang mit der Natur zu leben? Wer gibt diesen Geld – Diktatoren das Recht, mittels ihrer Aktionen und Hilfe ihrer bezahlten Gefolgschaft dem Rest der Menschheit den Willen aufzudrücken?
Meine Bitte an den Alien
Hätte ich einen Wunsch frei, ginge der in die Richtung eines Tribunals. Dort müssten sich alle, die sich an der Zerstörung beteiligen verantworten und würden im Zweifel Konsequenzen zu spüren bekommen. Neben dem vorsitzenden Alien säßen bei mir als Geschworene die Vertreter von all den Geschädigten. Dann würde nicht das von Menschen erdachte Geld bzw. der Umsatz oder Verlust über alles entscheiden, sondern das reale Geschehen und damit auch ein wenig der Verstand. Ich glaube schon nach kurzer Zeit, sähe alles anders aus. Das Risiko, statt einer opulenten Managerabfindung eine langjährige Haftstrafe in Bangladesch abzusitzen, schreckte mit Sicherheit einige ab auf alles zu Pfeifen, und würde andere Entscheidungen attraktiver werden lassen.
An dieser Stelle wird begreiflich, warum ich dem Satz mit der Menschheit und dem Betrügen zustimme. Alle, die sich den Menschen näher ansahen, bekamen das Bild eines durch und durch sozialen Wesens. Bereits die Logik sagt einem, dass dies einfach so sein muss, weil wir sonst niemals so weit gekommen wären. Zum Beispiel haben Versuche ein ausgeprägtes Empfinden und Bedürfnis nach Gerechtigkeit aufgezeigt. Die funktioniert allerdings meist nur im unmittelbaren Kontakt. Da ist der Haken. Kaum etwas in uns ist auf das Zusammenleben in Massengesellschaften ausgelegt und noch viel weniger auf ein globales Geschehen. Einige, die erkannten, dass das Verhalten von Massen eine eigene Dynamik hat, schauten sich genau an, wie sie diese nutzen können. Grundsätzlich wäre dagegen nichts einzuwenden. Entscheidend ist, wofür die mannigfaltigen Möglichkeiten der Manipulation genutzt werden.
Aus den Erkenntnissen der Wissenschaften ergibt sich eine ultimative Fragestellung: Entweder, sie liegen richtig, dann befinden wir uns in einer gefährlichen Krise mit gigantischen Ausmaßen oder sie liegen daneben.
Im ersten Fall gilt es auf allen Ebenen konsequent und auch radikal zu handeln. Jeder ist das Ergebnis der eigenen Sozialisation und der Summe der gemachten Erfahrungen. Ich selbst befand mich in zig Großlagen, in denen Einsatzstäbe, besetzt mit Beratern, Spezialisten unterschiedlicher Fachrichtungen, Taktiker und Einsatzleitern, versuchten, Geiselnahmen, Entführungen, Erpressungen, anstehende bewaffnete Raubtaten zu einem guten Ende für die Opfer zu bringen. Aufklärer, Spezialisten, Berater, haben die Eigenschaft, unliebsame Fakten mitzuteilen, die oftmals nicht in das Wunschbild der Einsatzleiter passen. Halten sie trotzdem an ihren Wunschvorstellungen fest, aus Unvermögen, Eitelkeit oder Narzissmus, geht jeder Einsatz “in die Hose”.
Überall hört man derzeit etwas von “Verantwortung tragen!”. Letztlich läuft es auf “Alles falsch gemacht!” oder “Alles richtig gemacht!”, hinaus. In den angesprochenen Einsätzen ging es mehrfach um Leben, Tod oder mindestens eine erhebliche Schädigung des Opfers oder des Täters. Zur allgemeinen Verwendung des Worts “Verantwortung”, kommt noch die Prognose hinzu. Allgemein wird behauptet, dass Prognosen eine diffizile Angelegenheit sind und sie meistens eher zweifelhaft sind. Politiker ziehen sich gern in diese Deckung zurück. Ich wende dies hier mal auf Einsätze an. Ausgangslage: Der Täter hält bei einer Geiselnahme dem Opfer etwas an den Kopf, was aussieht wie eine Schusswaffe. Jetzt kann ich hierzu Spekulationen und Prognosen anstellen. Ist es tatsächlich eine scharfe Schusswaffe? Hat der Täter tatsächlich die Absicht zu schießen oder blufft er? Eigentlich will er Geld haben und leben, der Tod einer Geisel ist nicht das primäre Ziel. Wie schätzt er selbst die Lage ein? Wenn er mehrere Geiseln genommen hat, könnte er darauf setzen, dass die eine getötete Geisel den Druck auf die Polizei erhöht. Jenseits aller Prognosen ist der Umstand, dass das Eindringen eines Projektils in den Kopf der Geisel mit 99 % zum Tod führen wird, eine Tatsache. Alles verändert sich, wenn politische Forderungen gestellt werden. Dann wäre für den Täter bei Nichterfüllung seiner Forderungen die Tötung der Geisel und der sogenannte “Suicide by Cop” ein Märtyrer – Akt. Gut, hier in dieser Lage eine Entscheidung zu treffen mag dem einen oder anderen noch leicht fallen. Wobei der Einsatzleiter u.U. lediglich den sogenannten “Finalen Rettungsschuss bei günstiger Gelegenheit” freigibt. Entscheiden und den Finger krümmen muss der Schütze.
Jetzt ändere ich die Ausgangslage. Der Täter hat überlebt und seine Strafe bekommen. Nach 11 Jahren ist er wieder auf freien Fuß und plant den nächsten Coup. Davon bekommt die Polizei Wind und heftet sich an ihn. Plötzlich kommt es zu einer Situation, wo nicht klar ist, ob sich wirklich der Richtige in einem Fahrzeug befindet. Dies lässt sich nur mit einer Kontrolle ermitteln. Nur wie? Freundlich anhalten und ihn nach den Papieren fragen? Wer sagt mir, dass der nicht die Nerven verliert und sich den Weg freischießt? Die passenden Berater werden eine Kontrolle empfehlen, die rüde, aber effektiv ist und dem möglichen Verdächtigen keine Chance lässt. Womit der dann aber auch weiß, dass seine Pläne bekannt sind. Ist ein anderer Mann im Fahrzeug, liegt ein unbescholtener Bürger auf der Straße und beschwert sich lautstark über Polizeigewalt. Außerdem wird es viel schlechte Presse geben. Nun gehe ich im nächsten Schritt davon aus, dass es sich nicht um einen “normalen” Gangster handelt, sondern den politischen Attentäter, welchen beim ersten Mal der Mut verließ, er sich deshalb weiter radikalisiert hat und bereits länger mit der Schmach leben muss, nicht den Märtyrertod gestorben zu sein. Der verlässt unter Beobachtung mit einem großen Rucksack sein Haus. Läuft zur nächsten U – Bahn und fährt in Richtung Innenstadt. Auf der Fahrt führt er mit seinem Telefon zweideutige Gespräche, die so oder so ausgelegt werden können. Und jetzt?
Im Regelfall werden sich Einsatzleiter für die Maßnahmen mit den wenigsten Folgen entscheiden. “Es wird schon gut gehen!” Und das sich einer in der Berliner U – Bahn in die Luft sprengt, kam bisher noch nicht vor. Gleiches gilt für Ultra – Leichtflieger von Greenpeace. Das ist keine Blaupause! Es soll auch andere Entscheider geben, womit auch der Attentäter seine eigenen Risiken abwägen muss. Leute, die oft mit der Materie zu tun haben, hegen andere Gedanken. Für mich gesprochen: “Wer durch sein Vorverhalten, z.B. Hassbotschaften bei YouTube, vorangegangene Taten im Ausland o.ä., zeigte, wo die Reise u.U. hingeht, muss zwingend damit rechnen, dass er sich in akute Lebensgefahr gebracht hat u. andere nicht bereit sind, das Risiko einzugehen.”
“Es wird schon gut gehen und einen für alle hinnehmbaren Verlauf haben!” Schlecht, wenn es anders läuft. Psychologisch gesehen kommt dabei hinzu, dass die Entscheider ein vollkommen anderes Abbild der Welt in sich haben und damit auch über eine andere Persönlichkeitsstruktur verfügen. Politiker sind es gewohnt auf Menschen zu treffen, mit denen verhandelt werden kann. Sie richten sich nach Grundsätzen, denen nach zum Beispiel ein gutes Ergebnis eine Einigung ist, bei der keiner über den Tisch gezogen wurde und auf Rache sinnt. Dies nennt sich “Win – Win – Strategie.” Hierfür notwendig sind Handlungsspielräume. Außerdem kalkulieren sie Zeitverläufe ein, in denen der Verhandlungsgegner Geld verliert und deshalb ein Interesse an einem schnellen Abschluss hat (Arbeitgeber/Gewerkschaftler) oder sie stellen vorsätzlich inakzeptable Forderungen, die weit über das tatsächlich gewünschte Ziel hinausgehen und der vermeintliche Kompromiss entspricht dann dem eigentlich gesteckten Ziel (Seehofer: Überwachung).
Bei solchen Verhandlungen gibt es die Taktik des “Chicken – Run”. Zwei Fahrzeuge rasen aufeinander zu und wer ausweicht, verliert. Anfangs haben beide Fahrzeugführer eine identische Ausgangslage. Die ändert sich schlagartig, wenn einer der beiden das Lenkrad demontiert und es für den Gegner sichtbar aus dem Fenster hält. Jetzt ist klar: Der kann, selbst wenn er wollte, nicht mehr ausweichen. Varoufakis, damals Wirtschaftsminister von Griechenland, setzte bei den Verhandlungen mit Schäuble mehrfach auf diese Taktik. In dieser Welt leben Politiker.
Die Neoliberalen und Konservativen zeigten sich furchtbar empört, als ihnen Aktivisten entgegenschleuderten: Die Natur und das Klima verhandeln nicht. Diese Ansage wäre jenseits dessen, was man unter Demokratie versteht.
Was die Damen und Herren dabei übersehen, ist die Tatsache, dass das Klima, so man es denn personifizieren will, längst das Lenkrad aus dem Fenster gehalten hat. In Ermangelung eines echten Verhandlungspartners wenden sich die Protagonisten aus der Wirtschaft und Politik an die Wissenschaftler, um mit denen irgendwelche Vor – u. Nachteile auszuhandeln. Was sie anstreben ist eine Win – Win – Lösung. Doch die Wissenschaftler können nicht verhandeln, sie sind nur die Kundschafter und Berichterstatter dessen, was da draußen vor sich geht. Und was sie präsentieren sind keine eigentlichen Prognosen. Mit ziemlicher Genauigkeit können sie eine Momentaufnahme wiedergeben und daraus ableiten, welchen Verlauf der Prozess bei günstigster und schlechtester Annahme unter Voraussetzung unveränderter Parameter nehmen wird. Ob die sich ändern, ist eine Prognose, die schwer erstellt werden kann. Den ständig hinzugezogenen alles verändernden Meteoriteneinschlag können wir auf absehbare Zeit ausschließen, davon wüssten die Wissenschaftler. Vulkanausbrüche, Erdbeben oder die Landung von Aliens sind immer im Topf. Bahnbrechende Erfindungen und die benötigte Zeit für eine verändernde Wirkung lassen sich ganz gut herleiten. Womit auch möglich ist, sie mit den Zeitverläufen der Klimaveränderungen abzugleichen. Wobei deutlich anzumerken ist, dass das Klima eins der Probleme von vielen ist. Da sind die Folgen der Verschmutzung durch Müll, Gifte, Mikroplastik, oder die anstehenden Verknappungen von Sand, Wasser, fossilen Ressourcen aller Art, noch nicht einkalkuliert. Ein wandelbarer Parameter ist selbstverständlich das weltweite politische Handeln. Kämen innerhalb der nächsten Monate alle zur Vernunft, könnte sich alles ändern. Vielleicht sitzt auch irgendwo eine Clique in einem stillen Kämmerlein und überlegt sich, wie es wäre, wenn man das Risiko eines atomaren Krieges eingehen würde und eine große Zahl der Konkurrenz eliminiert, sodass man einfach weiter machen kann. Irgendwo beim russischen, amerikanischen oder chinesischen Militär gibt es bestimmt einige, die das mal gedanklich durchgespielt haben. Ist Trump verrückt, ignorant oder einfach nur ein eiskalter brutaler Typ, der die Vernichtung der anderen für eine Option hält? Mich, als ehemaligen Ermittler der Kripo interessiert die Position nicht. Mein Interesse gilt dem Menschen und der Persönlichkeit. Mir ist auch vollkommen egal, wie viel Geld ein Bezos, Musk oder Gates haben. Viel wichtiger ist doch, was sie von sich zeigen und wozu sie diese Macht in ihren Händen befähigt. Ein halbwegs vernünftiger Milliardär ist eine andere Hausnummer, als ein Psychopath, Soziopath, Narzisst, mit den Möglichkeiten eines Milliardärs. Heruntergebrochen auf kleine Verhältnisse: Ein schlecht ausgebildeter und einfach strukturierter Typ, dem ich die notwendigen Einzelteile und Chemikalien für einen Sprengsatz in die Hände drücke, ist ein harmloser Besitzer von Elektrokram, einem Druckbehälter und Chemikalien. Handelt es sich um eine/n Chemiestudenten/in, ambitionierten Hobbybastler oder gar Ex – Militär, wird es interessant. Warum ist eigentlich jemand so erpicht darauf, als erste Zivilperson mit einer Rakete ins All zu fliegen? Oder warum investiert jemand Unsummen zur Entwicklung von Schnittstellen zwischen Künstlicher – u. menschlicher Intelligenz, mit der Vision, das Bewusstsein auf ein unsterbliches Speichermedium zu übertragen?
Nein, es gibt meinem Verständnis nach keine Verhandlungsoptionen und auch keine Strategien, die das Aufrechterhalten des Status quo ermöglichen. ICH sehe ausschließlich notwendige radikale weltweite Veränderungen, die den kommenden nächsten drei Generationen ein nach unseren heutigen Vorstellungen menschliches Leben mit erheblichen Abstrichen zu dem, was wir, die vorhergehenden Generationen uns an Luxus erlaubt haben, ermöglichen. Das ist ungerecht, aber hat sich bedauerlicherweise so ergeben. Geschieht dies nicht, kann es zu unterschiedlichen, nach aktuellem Verständnis, üblen nicht wünschenswerten Szenarien kommen. Der Konjunktiv bezieht sich bei mir nicht darauf, das keins davon eintritt. Es ist nur nicht sicher, welches passiert. Vom Atomkrieg, ausgelöst von Mächten, die mit dem Rücken zur Wand stehen, eine Serie weltweiter konventioneller kriegerischer Auseinandersetzungen um die verschwindenden Ressourcen und attraktiven Landgebiete, die Konzentration der Weltbevölkerung auf technologisch bewohnbar gehaltener Gebiete oder brutalste dystopische Gesellschaftsverhältnisse. Persönlich glaube ich daran, dass das zuletzt genannte sich als Erstes ausbreiten wird. Ich habe Chinatown in Bangkok gesehen und mir von Brasilianern ausgiebig das Leben in Favelas beschreiben lassen. Wer als Deutscher denkt, dass das alles bei uns nicht kommt – ist naiv und gibt sich zum Selbstschutz Wunschvorstellungen hin. Dazu gehören auch die, welche die Vorstellung haben, mittels Grenzschließungen, Abschiebungen o.ä. etwas zu ändern. Wenn ich mir die Windpocken einfange – hier Klimawandel, Artensterben, Verpestung u. Zerstörung der Lebensräume -, werde ich den Ausschlag – Krisen, Unruhen, massive Fluchtbewegungen, Zusammenballung der Menschen auf wenige Gebiete, Kriege, usw. – nicht verhindern können. Andersherum heilt die Salbe gegen den Juckreiz auch nicht die Erkrankung.
Gut ist, wenn man selbst eine günstige Ausgangsposition hat. Ich frage mich immer, was die ganzen 50 – 60 -jährigen Demonstranten auf der Straße machen. Ganz besonders, wenn es Querdenker, Esoteriker, Neue Rechte, sind.
Voraussichtliche statistische 20 – 30 Lebensjahre in einem westlichen industrialisierten Land mit einer Wohlstandsgesellschaft, im Verhältnis zu anderen Staaten ziemlich optimalen Gesundheitsversorgung (sonst kämen die Rentner, welche im Ausland die Sonne genießen, nicht für Arztbesuche nach Deutschland zurück), sind doch keine schlechte Ausgangslage. Selbst wenn es in den nächsten Jahren zu Abstrichen kommt, ist der Abstand zu ärmeren Ländern immer noch so groß, dass ich mit meinen 55 Jahren, deren Verhältnisse nicht einmal als Greis erleben werde. Wenn jemand Bambule machen sollte, dann sind es die bis 30 – jährigen. Die haben ein eklatantes Problem. Sie haben die identischen reaktionären Kräfte vor sich, die nicht Lösung, sondern Teil des Problems sind, wie Gleichgesinnte und Ich in jungen Jahren. Aber wir konnten davon ausgehen, dass sich deren Gebaren in geschätzten 80 – 100 Jahren massiv auswirken wird, während vorher erst einmal kleine Hautreizungen zu spüren sein werden. In vielen Bereichen hatten wir leider recht und die Zeit verkürzt sich nun für die Jungen. Wenn meine Töchter um die 50 sind, knallt es bereits spürbar. Auch werden sie Verluste hinnehmen müssen. Selbst innerhalb mieser Verläufe finden manche immer noch Nischen, wechseln die Seiten, wiegeln ab, weil es ihnen gut geht. Dies ist dann eine eine philosophische Haltung. Ich hab’s geschafft! Was kann ich dafür, wenn die anderen es nicht hinbekommen? Beim älter werden, neigen viele zur kognitiven Dissonanz. Welcher ehemalige Revoluzzer will schon zugeben, dass er sich von der anderen Seite hat kaufen lassen? Schon gar nicht, wenn es keine persönlichen Konsequenzen hat. Für damalige Verhältnisse bin ich ziemlich jung Vater geworden. Ich merke langsam, wie unangenehm die Anklagebank sein kann. Dem einen oder anderen wird dies auch noch widerfahren. Ja, auch das ist eine neue Perspektive.
Fazit:
Ich freue mich über jede/n junge/n Frau/Mann, die den Kopf hochnehmen und aufhören sich als Deutsche zu sehen, statt dessen sich als Teil aller auf diesem Planeten lebenden Menschen und Mitlebewesen zu betrachten. Genau dieser Sichtweise dient die Einnahme der Perspektive eines Außerirdischen. Manche politischen Entscheidungen mögen kurzfristig für das Geburtsland positiv erscheinen, aber langfristig ist es in das Gesamtgeschehen eingebunden und schädigen langfristig. Griffiger ausgedrückt: Wir schwimmen im selben Becken und die Schwimmkette, die einen Bereich für Inkontinente abgrenzt, ist Kokolores. Daran muss ich oft denken, wenn in Diskussionen auf andere Staaten verwiesen wird. Diverse europäische Länder scheren sich einen feuchten Kehricht um die deutsche Energiepolitik. Viele Staaten erhöhen sogar ihr Schadpotenzial, als wenn sie es nicht abwarten könnten von der Klippe zuspringen. Aber ist das jetzt Grund genug selbst ins Wasser zu pinkeln und den Harnstoffgehalt zu erhöhen? Ist es nicht vielmehr angezeigt, wenigstens den Versuch zu unternehmen, ein wenig Verstand zu zeigen?
Ein charakteristisches Zeichen dafür, wo in meinem Geburtsland das Denken hingeht, ist das penetrante Gezeter bei Straftaten. Wurde die Tat von einem/einer/mehreren Ausländern/innen begangen? Gab es einen religiösen Hintergrund? Welchen Unterschied macht es, ob ein/e Deutsche/r das Opfer war oder die Tat von einer/m Ausländer/in begangen wurde? Erhöht oder mindert die Nationalität den Grad der Schuld? Oder geht es mehr ins Infantile? “Machst Du das zu Hause auch?” oder “Junge, wenn Du zu fremden Leuten gehst, benimm Dich anständig!” Macht es einen Unterschied, ob ich in Laos einen Typen umhaue oder innerhalb von Deutschland? Gut, mit Sicherheit in der Strafbemessung. OK, Thailänder haben da bei Verkehrsunfällen eine einfache Formel. “Wärst Du nicht in mein Land gekommen, hätte es zumindest diesen Unfall nicht gegeben!” Seltsam, dass ausgerechnet meine Landsleute über diese Logik empört sind. Ich persönlich finde sie tatsächlich ein wenig fragwürdig und sie will nicht so richtig in den dort verbreiteten Buddhismus passen. In der Matrix der Betrachtung sind noch die Unterschiede bei den Opfern übrig. Ist es weniger beklagenswert, wenn das Opfer keine Wurzeln in Deutschland hat? Warum können wir uns nicht darauf einigen, dass Menschen aufeinander trafen? Ich bin nicht wirklich für meine Zurückhaltung bekannt. Wenn sich eine/r daneben benimmt und der Meinung ist, der Mittelpunkt der Welt zu sein, werde ich unangenehm. Mir ist dabei allerdings ziemlich egal, wer da vor mir steht. Ich mache da keinerlei Unterschiede. Wer bettelt, bekommt! Das ist eine recht einfache Formel.
Was da bei den Leuten durchblitzt ist der pure Nationalismus, innerhalb dessen Unterschiede in der Bewertung bestehen. Die/der Deutsche befindet sich auf einem anderen Level, wie die anderen. Ich kann nicht gelten lassen, dass es einen Unterschied darstellt, ob ich etwas zu Hause oder in der Fremde mache. Ich treib es mal auf die Spitze. Wo liegt der Unterschied, wenn mehrere Deutsche in Kambodscha systematisch 12 – 14 – jährige Mädchen sexuell missbrauchen oder 4 Afghanen dies in Europa tun?
Jetzt gerade geht im Internet ein Video von einem Protest einiger junger Frauen viral, der sich gegen einen österreichischen Sender richtet, welcher die Nationalität von 4 Sexualstraftätern und Mördern herausstellte. Die Aktion verpufft völlig, weil die jungen Frauen hysterisch schreiend unterwegs sind und sich somit Hohn und Spott einfangen. In den Social Media wird ihnen unterstellt, dass sie sich auf die Seite der Täter schlagen. Mitnichten tun sie dies. Sie verwehren sich dagegen, dass die Straftaten instrumentalisiert werden. Der Pöbel – Journalismus benutzt die Tat, um alle Afghanen zu diskreditieren und lenkt gleichzeitig von den Taten ab, die gerade in Deutschland bekannt wurden. Mir ist auch nicht bekannt geworden, dass die sich immer mehr häufenden Taten seitens katholischer Geistlicher die gleiche Honorierung in der breiten Masse erfuhren, wie die der Afghanen.
Was ich gelten lasse, ist der Umstand der fremden Sozialisation, auf die wir keinen Einfluss haben. Doch so richtig scheint unsere auch nicht zu funktionieren. Jedenfalls sprechen Pädophilen – Ringe und Taten ausgehend von Deutschen dagegen. Einzuräumen wäre auch die Folgen der Taten. Der deutsche Strafvollzug zieht Berufsverbrecher aus allen Ländern quasi magisch an. Die Betonung liegt auf: Berufsverbrecher! In deren Lebensplanung ist mindestens ein Gefängnisaufenthalt fest eingeplant. Und wenn schon, dann in Deutschland mit medizinischer Versorgung. Für professionelle osteuropäische Bandenmitglieder ist der deutsche Strafvollzug quasi ein Kur – Aufenthalt. Aber ich unterstelle den jungen Afghanen, dass sie davon weit entfernt sind. Bei denen kommt eher zum Tragen, dass sie gar keine Lebensperspektive oder Plan haben, was sie zu lebenden Zeitbomben macht.
Nein, viel relevanter ist es, warum den Menschen die Nennung der Nationalität wichtig ist, was ihnen das gibt und wer sich alles in diesen Sattel schwingt. Sie wollen die Guten sein und ihr Bedürfnis wird bedient. Sie wollen weder die Sklavenhalter, die Nutznießer weltweiter Kinderarbeit, die Verursacher von Müllhalden in Südostasien, Bangladesch, Indien, die Zerstörer fremder Märkte oder Unterstützer brutaler Regime sein. Sie möchten bei Fußballspielen, der modernen Version des römischen Zirkus Maximus, mitfiebern, ohne sich Gedanken über das kriminelle Rundherum machen zu müssen. Jedes Mitglied der einflussreichen Nationen ist äußerst pikiert, wenn es auf die Sauereien angesprochen wird. Australier mögen Hinweise auf ihre faktische Apartheid gegenüber den Ureinwohnern nicht, US – Amerikaner wollen nicht als weltweites Sicherheitsrisiko für die Gefahr eines Atomkrieges betrachtet werden, Japaner wollen nicht auf Rassismus angesprochen werden, Chinesen nicht auf ihren Kolonialismus, die Russen nicht auf ihren mafiosen Staatsapparat und die Deutschen nicht darauf, dass sie ohne Ansehen der Person und Taten jedem unter die Arme greifen, wenn der Profit stimmt. All das und vieles mehr sprühen wir auf einen Bus, der ohne Bremsen auf einen Abgrund zu rast.
OK! Dann soll es so sein. Schenk noch mal ein mein Freund.
Kürzlich führte ich ein spannendes Gespräch über das Thema Meinungs – und Kunstfreiheit. Aufhänger war der unter Umständen anstehende Auftritt des Sängers Xavier Naidoo auf der Spandauer Zitadelle in Berlin. Einige sprachen sich für ein Untersagen aus und andere merkten an, dass sich in Deutschland zunehmend ein innergesellschaftlicher Kampf um eine Interpretationshoheit bezüglich des Statthaften und eben Nichtzulässigen ausbreitet. Vorweg: Ich gehörte zur letzteren Fraktion.
Zunächst einmal tritt der Mann als Musiker und nicht als Redner auf. Allerdings wäre es naiv anzunehmen, dass nicht die passenden Anhänger erscheinen und er auf der Bühne einschlägige Sprüche ablässt, wenn nicht ohnehin schon im Liedtext vorhanden. Ein schräger Typ, Mystiker, verwirrter Erzähler von wilden Geschichten, Reichsbürger und religiöser Fanatiker. Vermutlich ist diese Aufzählung nicht abschließend. Kurzum ein Spinner mit einer viele ansprechenden Stimme stellt sich auf die Bühne und trällert gefällige Melodien, in denen merkwürdige Texte versteckt sind. Damit ist er wahrlich nicht alleine. Die Geschichte des Pop und Rock ’n’ Roll ist voll davon und oftmals ist das in Deutschland nicht aufgefallen, weil kaum ein Fan jemals die Texte übersetzte.
Einige in der Runde merkten an, dass von ihm und seiner Hetze eine Gefahr ausgehe. OK, dies ist die allgemein gängige Argumentation. Aber was wäre ein Hetzer ohne Zuhörer und Gefolgschaft? Ich glaube, es war Oscar Wilde, der sinngemäß schrieb: “Warum erzählen wir anderen von unserer Meinung? Weil wir Angst haben mit ihr alleine zu sein!” Einer von vielen Spinnern, die die Straße entlang laufen und wirres Zeug erzählen. Ich wohne in der Nähe einer psychiatrischen Einrichtung. In der näheren Umgebung begegnen einen immer mal wieder Leute, die sich in sich und ihre Wahnvorstellungen zurückgezogen haben. Keiner käme auf die Idee ihnen zu folgen oder gar zu huldigen.
Wem verbieten, wem erlauben?
Bei Leuten wie Xavier Nadoo oder Attila Hildmann geht es nicht um nachvollziehbare Ideologien oder real umsetzbare politische Forderungen, sondern um Wahn, der dem Weltbild einer Sekte entspricht. Wie immer, sollte man Sekten nicht unterschätzen, aber auch nicht überschätzen. In Relationen zur gesamten Bevölkerung wird die Zahl der Anhänger immer begrenzt bleiben. Dennoch können sie gefährlich werden und eine Menge Schaden anrichten. Wie gehen wir sonst damit um?
Was wäre mit Leuten, die daran glauben, dass auf der Erde einst ein epischer Kampf von Außerirdischen stattfand und sich eine außerirdische Rasse auf eine Art Geistebene zurückzog, die sich in menschliche Körper eingenistet haben. Nach ihren Vorstellungen erfuhren die Auserwählten von der vor Urzeiten so oder ähnlich stattgefundenen Geschichte durch eine schillernde Persönlichkeit. Einen Mann, der mehrfach in der US – Navy scheiterte, Tomaten auf Schmerzempfinden untersuchte, sich Okkulten Zirkeln anschloss, dort selbst einem Aleister Crowley zu schräg ( … und den konnte vermutlich wenig beeindrucken) wurde, Sci Fy – Romane schrieb. Dies ist mindestens so schräg, wie der Kram, den die beiden aktuellen Galionsfiguren der deutschen Mystiker Szene von sich geben. Sollte man denen Auftritte, das Verbreiten von Büchern, Filmen und Musikauftritte verbieten? Vielleicht, aber wir tun es nicht. Ganz im Gegenteil, diese Leute scheffeln Millionen und füllen die ganz großen Bühnen. Wer es noch nicht bemerkt hat: Die Rede ist von Scientology.
Da draußen laufen eine Menge Gestalten herum, die mir persönlich ziemlich seltsam vorkommen. Hierzu gehören auch die ca. 2,5 Millionen christlichen Fanatiker aus der evangelikalen Bewegung. Hört man sich die Texte von Xavier Nadoo an, kommt schnell der Verdacht auf, dass er denen nicht unbekannt ist und es verwundern auch nicht die auf den Corona – Demos mitlaufenden assoziierten Mitglieder. Krisen, Epidemien, Naturkatastrophen, haben in der Geschichte der Menschheit schon immer diese Wirkung auf einen Teil der Bevölkerung betroffener Gebiete gehabt. Warum auch immer dies so ist. Historiker, Psychologen, Psychiater und Soziologen suchen seit Jahrzehnten nach einer Antwort. Vermutlich ist der innere Drang alles zu erklären derartig ausgeprägt, dass das dem Menschen nicht zugängliche eben mit eigenen, und wenn sie noch so fantastisch sind, Erzählungen erklärt werden. Gleiches gilt, wenn es eine handfeste Ursache gibt, sie aber nicht in das eigene Weltbild hineinpasst.
Mit Verboten ist dem nicht zu begegnen. Im Gegenteil, sie befeuern die Mythen. In deren Logik ist das Verbot ein sicheres Zeichen dafür, dass sich finstere Mächte vor einer Entdeckung schützen wollen. Prinzipiell fallen diese Menschen in eine Zeit lange vor der Aufklärung zurück. Sie und ihre Vorfahren haben sich die Entwicklung mit Technologie, Naturwissenschaften, Entmystifizierung eine Weile angeschaut, um nun darauf hinzuweisen, dass dies auch alles nichts gebracht hat, weil alle immer noch im gleichen Dilemma stecken, nur mit Abwandlungen.
Was resultiert aus Verboten?
Ich glaube mittlerweile, dass es dynamische Prozesse gibt, an denen man zwar teilhaben kann, aber es keinerlei Garantie dafür gibt, dass sie den von einem selbst gewünschten Verlauf nehmen bzw. gezielt Einfluss nehmen kann. Man agiert innerhalb, woraufhin eine Wirkung nicht ausbleibt, aber wie die dann aussieht, weiß keiner. Sich dem zu entziehen ist unmöglich. Statt das Aussprechen von Meinungen, Leugnungen oder Lügen zu untersagen, sollte man meiner Auffassung nach schlicht mit einem Verhalten antworten, welches den eigenen Ansprüchen genügt. Gleiches gilt für die Art und Weise der Formulierung. Verbote, Repressionen, Eindämmungen, Kampf, erzeugen erfahrungsgemäß eine Gegenreaktion. Ich finde, aktuell ist dies gut bei den Auseinandersetzungen zu denen Themen Rassismus, Gendern und Sexismus zu beobachten. Wozu hat das kämpferische Auftreten der Akteure geführt? Diejenigen, welche ohnehin aufgeschlossen waren, sind es geblieben, einige sind genervt und die, welche geändert werden sollen, verschanzen sich. Mir kann man entgegenhalten, dass sich in der Geschichte vieles ohne Kampf nicht geändert hätte. Das ist korrekt und zu bedenken. Aber wenn ich schon in den Kampf ziehe, dann nicht kopflos und brachial, sondern taktisch klug. Ich halte es dabei mit Sun Zi und seinen Ausführungen darüber, wie man einen Krieg gewinnt. Hinzu kommen noch die in China bestens bekannten 36 Strategeme aus der dem chinesischen General Tan Daoji zugeschriebenen Sammlung von Kriegstaktiken.
Bei den genannten Themen handelt es sich nicht um meine Baustellen. Ich bin hellhäutig, heterosexuell und meine Identifikation mit meinem Geschlecht ist für mich eindeutig. Gleichzeitig ist mir dies im Kontakt mit Mitmenschen nicht wichtig. Damit ist es nicht mein Kampf. Es wird erst zu meinem, wenn ich attackiert werde. Versuche, mich auf der einen oder anderen Seite als Kombattanten einzuspannen, wehre ich ab. Gleichsam halte ich den Kampf der Minderheiten an sich für legitim. Dies bedeutet allerdings nicht, dass ich die Art, wie sie ihn führen, für effektiv, zielführend und erfolgversprechend halte. Entscheidend ist bei solchen Geschichten stets die Umfeldgestaltung, die von diesen Leuten ausgeht. Ja, der Ton und Umgang wird in manchen Bereichen vergiftet. Aber noch kann man sich dem entziehen.
Strategische Entscheidungen basieren auf Einschätzungen, die entweder abstrakt hergeleitet werden oder auf konkreten Informationen über das Umfeld und seine Entwicklung basieren. Eine wesentliche Information ergibt sich aus dem, was die Leute von sich geben. Wenn sich einer oder mehrere als Holocaust Leugner outen, bekomme ich die Möglichkeit, sie als solche zu erkennen, den Rest ihrer Gedankenstrukturen zu erfahren, sie einzuschätzen und letztlich Konsequenzen daraus zu ziehen. Weiterhin ist es informativ, wer diesen Leuten in welchem Umfang mit welchen Motiven folgt. Es heißt nicht umsonst: Wer fragt, der führt, und das sich jemand um Kopf und Kragen redet. Ich nehme mal die Position von Xavier Naidoo ein. Sollte er jemals wieder wach werden oder es vielleicht bereits getan haben, hat er längst den Punkt überschritten, von dem aus er nochmals zurückkönnte. Der 50 – jährige muss jetzt sein Ding durchziehen und kann nur hoffen, dass das bisher verdiente Geld bis zum Lebensende ausreicht. Ein wenig wird er noch aus der Anhängerschaft herausholen. Bei Attila Hildmann sieht es genauso aus. Seine aktuelle Strategie ist recht durchsichtig. In all seinen Kommunikationskanälen bietet er seiner Anhängerschaft seine Produkte an. Beide setzen sie auf eine sich zukünftig verschärfende Krise und versuchen daraus Geld zu schlagen. Auch dabei sind sie nicht alleine. Findige Geschäftemacher die in der Esoterik – Szene unterwegs sind, machen nichts anderes.
Aussagen/Meinungen demaskieren
Mir selbst bleibt die Beobachtung des Geschehens und die Analyse, wie ich mich am besten innerhalb des Geschehens bewege. Noch scheint alles in Ordnung zu sein. Die Zahl der Anhängerschaft ist überschaubar. Selbst bei der AfD setzt ein Prozess ein, in dem sich die Protagonisten durch ihre Äußerungen immer mehr der Lächerlichkeit preisgeben. Ein prägnantes anderes Beispiel liefern junge politische Newcomer, wie Benedikt Brechtken von der FDP oder auch ein Manuel Ostermann von der DPolG. Ich musste herzhaft beim Lesen einer Diskussion einiger Wikipedia – Autoren lachen. Es ging darum, ob der Eintrag für Brechtken bestehen bleiben soll oder nicht. Einer brachte das Argument ein, dass man eine gewisse Verantwortung habe und dem jungen Mann nicht die Zukunft verbauen solle, weil er vermutlich ab einer gewissen Reife seine in der Vergangenheit gesagten Worte bereuen wird. Bei Ostermann, der nach dem einfachen Schwarz – Weiß – Schema alles jenseits der Werteunion sind gefährliche Extremisten vorgeht, fragt sich der Beobachter, was in seinem erprobten und erfahrenen Förderer Rainer Wendt vorgeht.
Andere Gruppen, wie zum Beispiel die Leugner des Klimawandels, oder die viel mehr gefährlichen Personen, nämlich jene, die durchaus erkennen was passiert, aber aus reinem Eigennutz heraus ein Handeln verweigern, bereiten mir größere Sorgen. Doch auch von ihnen erfahre ich nur, in dem ich sie frei sprechen lasse. Wenn sie es denn mal alle täten! Viele von denen sind schlau genug, es nicht zu tun. Ein wesentlicher Punkt im aktuellen Zeitgeschehen. Die Leute, deren Handlungen eine tatsächliche mich unmittelbar selbst betreffende Auswirkung haben, täuschen, tarnen, verstecken sich hinter Propaganda und äußern ihre echte Meinung nicht.
Gelassenheit
Unabhängig von alledem, halte ich ein wenig Abstand für angezeigt. Natürlich bin ich von meiner Meinung überzeugt, sonst hätte ich sie nicht. Gleiches muss ich allen anderen zugestehen. Später werden andere befinden, ob sie richtig war oder überhaupt ins Gewicht fiel. In der uns bekannten Geschichte der Menschheit gab es immer Menschen, deren Meinung in ihrer Zeit geächtet wurde und spätere Generationen zu einer vollkommen anderen Auffassung kamen. Im Gegenzuge amüsieren wir uns nachträglich über Auffassungen, Ansichten, Meinungen, aus vergangenen Zeiten, die damals absoluter Mainstream waren. Wobei ich betone, dass das von Leuten wie Xavier Nadoo oder Attila Hildmann Verbreitete für mich keine Meinung, sondern wirres Zeug ist. Würde ich ihre Worte für voll nehmen, müsste ich gleichzeitig 2 + 2 = 6 hinnehmen. Aussagen oder Meinungen nicht zuzulassen, ist immer ein Zeichen der Schwäche und Angst. Selbst das Grundgesetz und die nachgeordnete Gesetzgebung sind davon geprägt. Hinter den Gesetzen, die sich auf Volksverhetzung oder Leugnen des Holocaust beziehen, steht die Sorge, dass Rattenfänger es vermögen andere zu verführen und zu manipulieren. Anders: Die Deutschen trauen sich selbst oder wenigstens Teilen aus einer grauenhaften Historie heraus diesbezüglich nicht über den Weg. Dies bedeutet gleichsam, dass rudimentär immer noch Verhaltensmuster herumgeistern, die in die damalige Katastrophe führten. Dem kann ich folgen. Aus diesem Grund bin ich vehement gegen eine Erweiterung der Plebiszitären Elemente. In der deutschen Gesellschaft schlummert etwas, auf das immer geachtet werden muss. Im Idealfall ändert sich dies innerhalb der kommenden Jahrzehnte. Ich glaube nicht daran und wenn man die Aussagen der etablierten Politiker hört, habe ich keinerlei Veranlassung dies zu ändern. Spätestens wenn Worte wie Führungsrolle, militärische Stärke, Deutsche Leitkultur, Deutsche Tugenden, Marke Deutschland pp., fallen, schrillen bei mir die Alarmglocken. Ich kämpfe nicht dagegen an. Dafür fehlen mir schlicht die Mittel. Hierzu hätte ich bereits vor mindestens zwei Jahrzehnten andere Weichen stellen müssen. Was ich tun kann, ist ein anderes Leben zu führen und im absoluten Notfall die Sachen packen.
Fazit: Lasst den Mann auftreten. Wir werden das aushalten. Parallel lassen wir auch andere ihr Programm abziehen und schauen, wer mehr Zuspruch bekommt.
Insbesondere rechtsradikale Gruppen loten den Rechtsstaat bis an die letzte Grenze aus. Hierbei werden sie von rechtsgerichteten Juristen beraten und die Szene trifft sich zu Seminaren. Dies sollte man wissen, wenn man sich mit dieser Szene auseinandersetzt.
Oftmals wissen die bei Demonstrationen sehr genau Bescheid, welche Optionen der Einsatzleiter hat. So kommen dann bisweilen nach Außen hin schwer verständliche Entscheidungen zustande. Beispielsweise skandierten sie früher “Ruhm und Ehre der Waffen SS”. Das ist verboten und führt zur Auflösung der Demonstration. Hingegen ist der Ruf: “Ruhm und Ehre der Wehrmacht” nicht verboten. Das mag einem nicht gefallen und es ist im höchsten Maße frustrierend, aber die Gesetzeslage ist nun einmal so.
Ständig lassen sie sich neue Sachen einfallen und der Gesetzgeber rennt alledem hinterher. Bei dem aktuell zur Diskussion stehenden Wandbild in Cottbus verhält es sich ähnlich. Weder ist der Krebs, entlehnt aus dem Wappen, ein katalogisiertes verfassungsfeindliches Symbol, noch ist der verwendete Schriftzug rechtlich relevant. Jeder weiß, was gemeint ist, doch darauf kommt es nicht an. Unter dem Strich ist die Wandbemalung eventuell eine Sachbeschädigung. Aber nur dann, wenn der Besitzer der Wand einen Strafantrag stellt.
Nunmehr scheint der Einsatzleiter die Beamten, welche vor dem Wandbild posierten, zur Übermalung des Bildes aufgefordert zu haben. Dies stellt zum einen eine dienstliche Weisung dar, zum anderen folgt daraus ein polizeiliches Handeln. Jenes stellt einen Verwaltungsakt dar. Es stellt sich allerdings die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage. Ich kann maximal eine mögliche Gefahrenabwehr erkennen. Dazu müsste eine von dem Wandbild gegenwärtige Gefährdung für ein Rechtsgut ausgehen. Wie erwähnt, handelt es sich nicht um verfassungsfeindliche Symbole.
Die Gefahr könnte darin bestehen, dass sich dort eine Menschenmenge sammelt, die sich über das Bild empört. Davon stand nirgendwo etwas geschrieben. Wie auch immer die Gefahreneinschätzung des Einsatzleiters aussah, es bestand auf jeden Fall genug Zeit, den Besitzer der Mauer zu benachrichtigen oder eine Fachfirma herbeizuholen, die sach – und fachgerecht den Schriftzug entfernt. Polizeivollzugsbeamte als Maler ist ein eher ungewöhnliches Bild und auch nicht vorgesehen. Rein theoretisch gäbe es technische Einsatzgruppen, die in Notfällen bei entsprechenden Aufgaben, vorausgesetzt es besteht eine gegenwärtige Gefahr, bei der nicht zeitgerecht der eigentliche Verantwortliche herbeigeholt werden kann, die herangezogen werden könnten.
Gemäß der Presseberichterstattung hinterließen die Polizeibeamten, die laienhaft an der Wand Herumpinselten, ausgerechnet die Buchstaben, welche als einen Hinweis auf eine rechtsausgerichtete Gruppierung, hindeuten könnten. Ob nun nächtens erneut rechte Aktivisten an der Wand herumfummelten, weiß keiner genau. Wie auch immer, dienstlich können hierbei Verfehlungen eine Rolle spielen. Verstoß gegen dienstliche Anweisungen, Schädigung des Ansehens der Behörde, gehören dazu. Rein disziplinarrechtlich läuft das u.U. auf einen mündlichen Verweis hinaus. Alles wesentliche darüber, erfordert ein förmliches Klageverfahren, welches vermutlich scheitern würde.
Was bleibt? Eine Gruppe Polizisten, die mit einem Foto viel Staub aufgwirbelt haben. Nicht zuletzt deshalb, weil es in rechten Kreisen gehypt wurde. Dies ist den fotografierten Polizisten nicht vorzuwerfen, da sie darauf keinen Einfluss hatten. Ein Polizeiführer, der meiner Auffassung nach, äußerst unklug gehandelt hat. Ich vermute, dies geschah unter massiven politischen Druck. Was die Polizisten geritten hat, sich weder der Anweisung zu widersetzen, noch den Auftrag eventuell merkwürdig umzusetzen, kann ich nicht ermessen. Wie hätte ich gehandelt? Auf jeden Fall hätte ich einen Widerspruch formuliert und mir diesen unterschreiben lassen. Wäre ich zur Tat geschritten, hätte ich das Ergebnis in einzelnen Arbeitsschritten detailliert dokumentiert. Wer weiß? Vielleicht haben sie all das getan.
Mehrere Sachen finde ich bei der Story faszinierend. Da wäre diese immer wieder aufkommende exhibitionistische Ader, solche Bilder zu erstellen und sie dann auch noch in die Welt hinaus zu blasen. Dann ist da noch der Druck der Presse, welcher sich stets in einen politischen Druck verwandelt, der dann zu äußerst unüblichen Reaktionen in der Polizeiführung führt.
Mir liegt es fern, irgendwelche Cottbusser Polizeieinheiten zu verteidigen. Keine Ahnung, wie es bei denen intern zugeht. Aber eins ist klar, fundiertes rechtliches Handeln und eine empörte Presse bzw. Bevölkerung, kann nicht das Maß der Dinge sein. Doch genau darauf läuft es immer häufiger hinaus. Damit kann der Radikale wunderbar agieren. Dies ist ein klares Zeichen für eine Polizeiführung, die politisch den gerade installierten Machtinhabern zu arbeitet, damit der Innenminister oder Senator gut da steht. Das könnte in Hinblick auf steigende Werte der AfD bitterböse enden.