BILD – neue Grenzziehungen?

Die verkommene Jugend Lesedauer 5 Minuten

Meiner Auffassung nach hat die BILD – Zeitung mit einer Reaktion auf den Tweet einer Mitarbeiterin (Beamtin)  einer Behörde, die mit dem Katastrophenschutz betraut ist, eine neue Dimension der Publikationen in der Bundesrepublik Deutschland eröffnet.

Was ist passiert? Die Mitarbeiterin echauffierte sich bei Twitter über die übliche und immer wieder in der Kritik stehende Berichterstattung der BILD aus dem Katastrophengebiet und der dem Niveau entsprechenden Wortwahl. Hierbei vergriff sie sich im Ton. Nun, ich denke, dies könnte oder besser sollte ein “Riese” wie die BILD und das dahinter stehende Imperium SPRINGER – Verlag durchgehen lassen können. Wohlgemerkt griff sie nicht namentlich einen Redakteur oder Journalisten persönlich an, sondern beschränkte sich auf das, was man als Institution bezeichnen könnte. Da gab es in der jüngeren Vergangenheit, z.B. aus der Rapper und Rocker Szene ganz andere Aktionen, in der die menschliche Größe bzw. der gezeigte Gleichmut der unmittelbar und individuell betroffenen Redaktionsmitglieder der BILD und BZ bemerkenswert positiv ausfiel.

Für mich ist dies stets ein wichtiger Aspekt. Es macht sehr wohl einen Unterschied, ob ich mich dagegen stelle, was z.B. die BILD an sich darstellt und was sie in der Gesellschaft bedient, oder ich die konkrete Auseinandersetzung mit einer/m Mitarbeiter suche. In diesem Zusammenhang fand ich die bei Streaming Diensten veröffentlichte Reportage über die BILD Redaktion recht aufschlussreich. Dort offenbarten sich wahrlich sehr interessante Charaktere, mit denen eine persönliche Auseinandersetzung bestimmt spannend verliefe. Nun, jeder muss für sich alleine entscheiden, wie viel das eigene Gewissen wert ist oder ob so etwas überhaupt Platz in der eigenen Weltanschauung hat.

Im konkreten Fall reagierte die Redaktion (Wer auch immer dafür verantwortlich zeichnet) zum einen kleinlich und bockig, zum anderen mit breiter Publikation der verfassten Tweets und dem dazugehörigen ACC – Bild, allerdings mit Schwärzung des Namens. Eine eher zu vernachlässigende Maßnahme, da jeder mit dem Bild und wenigen Klicks fündig wird. Und wie i.d.R. der seitens der BILD bediente Mob reagiert ist hinreichend bekannt. Die Intention ist klar erkenntlich: Der kleinen Beamtin zeigen wir mal, wo der Hammer hängt. Passend wird im Artikel süffisant auf das Mäßigungsgebot aus dem Beamtenrecht hingewiesen.

Mir fällt es immer schwer, die BILD als einen echten Bestandteil der Presse bzw. Journalismus zu sehen. Für mich geht es dort mehr um eine Dienstleistung. Der Hunger des Pöbels nach Blut, Empörung, Sperma, Tragödie, Leid der anderen, Mord, Glamour, Totschlag und Spektakel will gestillt werden. Mit Informationen über das lokale und überregionale Weltgeschehen, welche Bürgern die Möglichkeit gibt, die in der Demokratie geforderten Eigenschaften, informiert, mündig, verständig, zu entwickeln, hat dies nichts zu tun. Fairerweise muss ich aus meiner Position heraus zugestehen, dass dieses in den wenigsten deutschen Publikationen stattfindet, da es weniger um Hintergründe geht, sondern eher um ein Aktivieren der Neugierde, mit der Klicks provoziert werden, die sich dann in Geld verwandeln.

Aus diesem Grund scheint die Beamtin die Nerven verloren zu haben. Ihrer Anschauung nach, ist es verwerflich mit der Not und dem Elend der von der Katastrophe Betroffenen Geld zu verdienen. Dies finde ich nachvollziehbar oder wenigstens eine Position, die man akzeptieren kann. Im persönlichen Gespräch würde ich vermutlich fragen, wo sie die Grenzen zieht. Nichts anderes praktizieren aktuell die Spitzen einiger Parteien, denn politischer Machtgewinn geht mit erheblichen Geldzuwendungen einher.

Die Überschrift lautet: BILD – neue Grenzziehungen? Die angesprochenen Themen oder besser Niederungen des menschlichen Wesens auszuschlachten ist eins, kleine Leute, die derzeit alles geben, um die Krise zu managen, an den Pranger zu stellen, nachhaltig zu schädigen und persönlich anzugehen, ist nochmals eine andere Nummer. Die BILD Redaktion scheint sich, parallel zum propagandistisch nach US – amerikanischer Machart geführten Wahlkampf, den dort bereits länger bestehenden Plattformen anzupassen. In einer Dokumentation über die weltweit agierenden PR Agenturen fand ich eine Aussage besonders interessant. Russische Akteure schilderten, dass sie zeitweilig noch härter, brutaler und grenzenloser agierten, wie die amerikanischen Kollegen. Doch irgendwann kam es zu einer stillen Übereinkunft. Sie erkannten, dass irgendwo Grenzen gezogen werden müssen, weil sie sich sonst eines Tages selbst “zerlegen”.

Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, einhergehend mit der Digitalisierung, sind erschreckend und lassen bei fortschreitendem Verlauf nichts Gutes für die Zukunft annehmen. Die in den Auseinandersetzungen verwendete Sprache wird immer mehr auf Spin – Begriffe reduziert und verhindert so eine differenzierte Bearbeitung der Gesellschaftsthemen. Politische Informationen werden wie Burger von Fastfood Ketten unters Volk gebracht. Die Distanz, Analyse und Meta – Ebene des Journalismus muss mit viel Aufwand gesucht werden. Feindbilder, Polarisierungen, billigster Populismus, Desinformation, von PR Agenturen belieferter Journalismus, ist längst der Standard.

Die Folge ist, dass sich Teile der Bevölkerung immer mehr zu einem gelenkten Mob entwickeln. Und an dieser Stelle ist die BILD ganz vorn mit dabei. Die Eigenschaften, welche den Deutschen bereits mehrfach Probleme bereiteten, werden gezielt getriggert. Da braucht es nur noch die politischen Führer, die sich geschickt dieser erzeugten Atmosphäre bedienen. Die USA sind für uns, die Deutschen, eine Zeitmaschine. Aber die USA haben nochmals eine andere Geschichte und gesellschaftliche Regeln. Wohin sich bei uns ein Trump, Foxnews, Breitbart entwickeln könnten, möchte ich nicht erleben.

Vielleicht trügt mich meine Erinnerung. Die BILD hat sich schon immer damit hervorgetan, Existenzen zu vernichten, Menschen ihrer Würde zu berauben und Teile der Bevölkerung aufzuhetzen. Selbst die Entwicklung von Attentätern basierte auf der Hetze gegen Kritiker der herrschenden Verhältnisse. Aber nunmehr leben wir im digitalisierten Zeitalter und die Folgen sind nochmals weitreichender. Eins ist bei der BILD hilfreich – mit wenig Anstrengung des Intellekts kommt man ihr auf die Spur. Bei den anderen Publikationen, die sehr unterschwellig die seitens der PR Agenturen gewünschten Botschaften und Anschauungen implementieren, ist das schwieriger zu durchschauen.

Politisch betrachtet ist der konkrete Artikel eher kontraproduktiv zur Ausrichtung des SPRINGER Verlags, weil die Behörde der favorisierten Partei zuzurechnen ist. Es geht eher um das Bedienen von Ressentiments ggü. von Beamten und eine, wie bereits angeführt, bockig beleidigte Reaktion, die wahrscheinlich von einem Narzissten in der Redaktion ausgeht. Aber vielleicht denke ich nicht weit genug. Gambit! Das Opfern eines Bauern um das Schachspiel zu gewinnen. Immerhin erzeugt die BILD das Bild, die Vertretung des einfachen Zeitgenossen gegen die böse Staatsmacht, hier vertreten von einer alimentierten Beamtin, zu sein, um dann an anderer Stelle passenden Support für die klassischen Auftraggeber, aus der Union, Arbeitgeber – Lager und restlichen Konservativen, zu leisten.

Bezüglich früher und heute lasse ich mich gern vom Gegenteil überzeugen. In meinem Alter kennt man die Enthüllungen von Günter Wallraff und auch noch die Geschichte des Attentats auf Rudi Dutschke. Vielleicht bin ich sensibler geworden. Ich will auch nicht ausschließen, dass ich das Opfer der Social Media bin und mir die Spaltung der Gesellschaft, bzw. das Anwachsen des Milieus, welches sich früher auf Eckkneipen und billige Curry – Wurst – Buden mit dem örtlichen Trinkermilieu beschränkte, mehr auffällt. Mit Sicherheit ist da etwas dran. Früher stand man im Zeitungsladen und fragte sich, wer all die Magazine, BUNTE, Frau im Spiegel, Revue, St. Pauli Nachrichten, der Landser und die BILD kauft. Heute bekommen sie über die Kommentare unter Beiträgen auf den Plattformen ein Gesicht und das Ausmaß der geistigen Degeneration schockiert einen trotz diverser Jahre Arbeit auf der Straße.

Ich weiß es nicht. Möglicherweise konsterniert mich auch mehr der Umstand, dass Leute, die durchaus über ein gewisses geistiges Potenzial verfügen müssen, sich bei der BILD für diesen Job hergeben. Wahrscheinlich muss ich noch mehr lernen die bösartige Seite der Intelligenz zu akzeptieren. Das geht ein wenig in die Richtung einer Geschichte, die mir mal ein Bekannter erzählte. Er hatte ein Gespräch mit einer Botschaftsmitarbeiterin der Israelis. Die Frau fragte ihn, warum Deutschland so wenig gegen den mangelnden Bildungsstand unternähme, der ursächlich für rechtsradikale Tendenzen in Deutschland wäre. Er antwortete: “Weil sie und wir sehr schlechte Erfahrungen mit intelligenten Rechten gemacht haben?” Das passiert mir häufiger, dass ich unbewusst Intelligenz mit Empathie und Weisheit verbinde. Ich sollte es besser wissen. Gerade intelligente Menschen neigen zu Hybris, Verschlagenheit und fiesen Charakterzügen, während sich wahre Einfachheit und Gelassenheit oftmals durch Güte, Verständnis, Empathie und Aufrichtigkeit auszeichnet. Insofern will ich Pöbel auch nicht falsch verstanden wissen. Die Bezeichnung bezieht sich bei mir nicht auf die geistige Leistungsfähigkeit, sondern auf eine aus Leuten bestehende Meute, die ethisch fragliche Persönlichkeits – und Sozialisationsmerkmale aufweisen.

Ich halte es für keine gute Idee aus einer Redaktion heraus den Pöbel aufzustacheln. Wenn ich nicht bereit bin bei denen mitzumachen und nur an ihnen Geld verdienen will, habe ich wenig Garantieren, nicht eines Tages Opfer zu werden. Und wie gering die Nehmerqualitäten von Redaktionsmitgliedern der BILD sind, hat Julian Reichelt demonstriert, der recht weinerlich den Umgang mit seiner Person bemängelte. Ein altes Problem, das Milieu, welches ich um mich herum erzeuge, macht vor mir selbst nicht halt.

Notizen zur AfD

Bernte ...

Lesedauer 6 Minuten

Liebes Notizbuch … die AfD, NPD, die Werteunion, Burschenschaften zu beobachten ist eine hochinteressante Angelegenheit. Eins muss man ihnen lassen, sie sind in ihren Kampagnen nicht ungeschickt. Es wäre ein unverzeihlicher Fehler, die Rechten zu unterschätzen. Es sind weniger die lauten Provokationen, die aufhorchen lassen, sondern die leisen Aktionen, welche im Fahrwasser schwimmen.

Letztens stolperte ich über den Begriff «Neutralitätsgebot». Bis vor kurzer Zeit kümmerten sich um diesen Begriff Juristen, die mit Beamten – und Verfassungsrecht zu tun haben. Der breiten Bevölkerung dürfte nicht einmal bekannt gewesen sein, dass es so etwas gibt. Es wurmte die AfD, dass sie in der Öffentlichkeit von Amtsträgern, gewählten Bürgermeistern, Lehrern, Senatoren oder Ministern, als das benannt wurden, was sie sind: Rechtsradikale Provokateure, die immer hart am Rand unterwegs sind, damit sie nicht verboten werden. Die üblen Sachen überlassen sie lieber den außerparlamentarischen freien Gruppen, deren Verbindungsleute sie in den Büros als Angestellte beschäftigen.

Plötzlich war der Begriff in aller Munde. Selbst beim Skandal um die Polizisten, welche sich Cottbus vor dem Graffito einer örtlichen rechtsradikalen Gruppe fotografieren ließ, tauchte er auf. Bis vor wenigen Jahren wäre keine Pressestelle einer Landespolizei auf die Idee gekommen, von einem Verstoß gegen das Neutralitätsgebot zu sprechen. Ausnahmsweise ging es mal gegen die Rechten. Für die Kampagne ist es aber nicht schädlich, sondern eher förderlich. Es ist eine Frage der Zeit, wann die erste Aktion kommt, in der dieses Abziehen der Beamten mit einem Bild aus einer anderen politischen Richtung herangezogen wird. Der Begriff sitzt! Und leider wird er auch von einigen Unbedarften exakt in der Form benutzt, wie es seitens der AfD gewünscht wird. Kaum wurde über das Bild in Cottbus diskutiert, verwiesen Polizisten, die sich unter dem Deckmantel etwas für die Belegschaft zu tun, einer privaten Fehde hingeben, auf die Diskussion bezüglich des Hissens der Regenbogenfahne am Christopher – Street – Day. Und dies mit ausgiebiger Benennung des Neutralitätsgebots.

Seit einigen Tagen befindet sich die AfD in der Vorbereitung des Wahlkampfes zur nächsten Bundestagswahl und Landtagswahlen in den alten Bundesländern der Republik.

In den neuen Bundesländern traten sie laut und provokativ auf. Schlicht, weil dieses Auftreten dort zieht. Es ist wie bei der Radiowerbung. Werbung, die auf die neuen Bundesländer zugeschnitten ist, kommt immer ein wenig lauter, schriller und provokativer, daher. In den alten Bundesländern verschreckt man damit die Käufer bzw. Wähler. Sie müssen für die kommenden Wahlen das gezeigte rechtsradikale Antlitz säubern. Da passt es nicht, wenn Amtsträger sie weiterhin in aller Deutlichkeit als radikal bezeichnen. Deshalb überziehen sie Verwaltungsgerichte mit Klagen, um diese Widersacher ruhig zu stellen.
Gleiches versuchen sie mit der Polizei. Die Polizei, als der Mitspieler bezüglich der inneren Sicherheit schlechthin, darf nicht als Widersacher der AfD stehen. Erst recht darf nicht der Eindruck entstehen, dass AfD Mitglieder in der Polizei isoliert sind.

Ganz im Gegenteil, es soll vermittelt werden, dass gute verfassungstreue Polizisten die AfD favorisieren. Und siehe da, kaum steuert die Polizeiführung Niedersachsens dagegen, taucht wieder das «Neutralitätsgebot» auf. Es ginge zu weit, Mitglieder der DPolG und des Vereins Unabhängige in der Polizei e.V. der AfD zuzuordnen, aber sie lassen sich aus welchen Motiven auch immer, zu Kombattanten der AfD machen.

Parteien zu verbieten, ist ein extrem schwieriges Unterfangen. Beamten eine Fortsetzung der Dienstgeschäfte zu untersagen, weil sie Mitglied einer radikalen Partei sind, gestaltet sich ähnlich kompliziert. In der alten Republik erlebte man dies mit den Republikanern, welche ihren zeitweiligen Erfolg mit den üblichen rechtsradikalen Schrittfehlern selbst zerstörte. Wer auf Hass, Missgunst, Doppelmoral, Misstrauen setzt, wird allzu häufig selbst zum Opfer. Die AfD schlittert daran immer wieder knapp vorbei. Möglich ist dies in der Regel durch ein beinahe brutales internes Regiment. Bei den impulsiven Ausbrüchen, die Weidel und Gauland in der Öffentlichkeit zeigten, lässt sich erahnen, was hinter geschlossenen Türen passiert. Sie sind gewarnt.
Der Verfassungsschutz steht vor der Tür. Gerade ihre außerparlamentarischen Mitstreiter haben hinreichende Erfahrungen mit der Vorgehensweise dieser Behörde. Einfach werden die Ermittlungen nicht. Sie werden sich abschotten und auf die extern Berater zurückgreifen. Ich erinnere mich gut an die Rede von Höcke, welche er nach der Kunstaktion in der Nähe seines Hauses hielt. Darin verwies er auf seine Möglichkeiten und Personal, in geeigneter Weise zu reagieren.
Dies sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Außerdem sind AfD Vertreter schon längst durch politische Ämter tief ins Sicherheitssystem eingedrungen. Kurz um, ein Verbot der Partei wird es nicht geben. Nicht, weil es keine Notwendigkeit gibt, sondern weil sie das System unterwandert haben. Das hat nach 1945 bisher keine andere rechtsradikale Partei geschafft.

Nochmals zurück zum Neutralitätsgebot. Der Sprachbaukasten der Nationalsozialisten funktionierte u.a. mittels Entlehnen von Wörtern aus den Naturwissenschaften. Damit sollte die Richtigkeit der Aussage untermauert werden. Höcke bediente sich dessen bei seiner Rede, in der er über Fortpflanzungsstrategien referierte. Sarrazin, für mich ein übler Kerl, welcher unter falscher Flagge segelt, griff mit seinen pseudowissenschaftlichen Verweisen auf die Genetik, in die gleiche Schublade. Doch immerhin wurde er von Helmuth Schmidt verteidigt, was mich persönlich zur Auffassung gebracht hat, dass man alten Männern irgendwann das Mikrofon nicht mehr in die Hand geben sollte.

Die Rechten haben ein anderes Feld entdeckt. Sie bedienen sich juristischer und sozialwissenschaftlicher Begriffe, um den gewünschten Effekt des Anscheins einer Seriosität zu erzielen. Erstmalig fiel mir dies bei der Implementierung des «Einzelfalls» auf. Das an sich unsinnige Wort stammt aus dem Verwaltungsrecht und dort konkret aus der Definition des Verwaltungsaktes. Rein sprachlich ist ein Fall immer Singular. Verwendet wird er bekanntlich spöttisch im Sinne von: «Natürlich war das ein einzelner Fall! Nein, im Gegenteil diese Handlung/Person/Geisteshaltung ist die Regel.» Einfache Rhetorik, aber sie funktioniert.
Auch die ganzen Klagefantasien der AfD, in der nach einer «Machtübernahme» Schauprozesse in Aussicht gestellt werden, in denen Abgeordnete abgeurteilt werden sollen, zielen in die Richtung. Wenn ein Akademiker oder Jurist die Korrektheit eines Strafverfahrens behauptet, wird an der Aussage schon etwas dran sein.

Die Rechten sind Meister der Sprachadaption und im Umschwenken. «Wir sind das Volk!», war 1989 positiv belegt. Gleichermaßen die «Friedliche Revolution!». Passend hierzu wurde damit in den zurückliegenden Wahlkämpfen agiert. Den Wählern im «Osten» wurde Honig um den Bart geschmiert. Sie seien viel kompetenter als die Bürger der alten Bundesländer, weil sie eine Revolution hinbekamen. Die Wahlkämpfe sind vorbei. Prompt tauchen die ersten Reden auf, in denen sich prominente AfD Mitglieder bei den Mitstreitern in den alten Bundesländern bedanken, weil sie es doch viel schwerer hätten, wie die Wahlkämpfer aus dem Osten. Immerhin stehen 2020 Kommunalwahlen in NRW, Bayern, Hamburg, und 2021, Landtagswahlen in Rheinland – Pfalz, Baden – Württemberg, Bundestagswahlen, Abgeordnetenhaus Berlin, an.

Von dem Begriff Volk müssen sie nun wieder weg. Völkisches Denken kommt im Westen nicht gut an. Bis 1989 war der bundesdeutsche Geschichtsunterricht darauf ausgerichtet, den Weg in den Nationalsozialismus zu beleuchten. Volk, im Sinne einer kameradschaftlichen an einem Strang ziehenden Gesellschaft, ist schwer vermittelbar. Hinzu kommen die Nachwirkungen des Kalten Krieges. Kollektives Verhalten hat einen schlechten Beigeschmack. Man merkte in den letzten Tagen der AfD Führung an, wie sie versuchen, den Volksbegriff herauszunehmen.

Wie sieht der Plan aus?

Hört man sich die Interviews an, ist der schnell zu erkennen. Durch die Bank weg wird von Fehlern der Vergangenheit gesprochen, weil politische Unerfahrenheit bestand. Nun strebe der Bundesvorstand eine Professionalisierung. Einzig Chrupalla scheint die Beschulung noch nicht vollständig abgeschlossen zu haben. Immerhin wies er bei seiner Vorstellungsrede bereits in den ersten Sätzen auf seine Herkunft aus dem letzten deutschen Teils Schlesiens hin. Außerdem scheiterte er grandios bei der Konfrontation mit einem Video, in dem er NS Verbrechern quasi huldigte. Noch zum 30. Jahrestag sprach er von den Vasallen der Besatzungskräfte und einer kommunistischen Fremdherrschaft in der DDR und Widerstandskämpfern.

Aber er hat die Direktive einer Doppelspitze bestehend aus kleinem Arbeiter und Akademiker verstanden. Weiterhin haben ihm die PR Spezialisten, wie allen anderen AfD Sprechern, eingetrichtert häufig professionell, Verantwortung, größte Oppositionspartei und bürgerlich zu verwenden.

In nächster Zeit werden bei der AfD verstärkt die Schlagworte linksbunt, bürgerliche Werte, Konsenzdemokratie, Ökomarxismus, Ökosozialismus. Wohlstandsverwahrloste und die Warnung vor einem Black-out auftauchen. Hinzu kommen die klassischen Angst Themen. Energiewende, unkontrollierte Einwanderung, EURO Rettung, Altersarmut, Verlust von Angesparten und Steuern.

Hätte Christian Lindner anlässlich der letzten großen Haushaltsdebatte die Rede der AfD Abgeordneten Weidel gehalten, wäre das niemanden aufgefallen. Gäbe es nicht die Buhmann Strategie Ausländer/Flüchtlinge/Islam, wären in letzter Zeit die Neoliberalen und die AfD schwer auseinanderzuhalten.

Sollte es der AfD in der nächsten Zeit gelingen, noch mehr Wähler von einer konservativen – bürgerlichen Ausrichtung zu überzeugen oder besser, diesbezüglich zu blenden, könnte ihre Rechnung an der einen oder anderen Stelle aufgehen. Dabei wenden sie einen weiteren Kniff an. Sie kehren die Rhetorik, Argumentation, der anderen um. Zum Beispiel war der Bericht des Verfassungsschutzes ein harter Schlag. Nunmehr wird bei der AfD von einem Establishmentschutz bzw. Regierungsschutz gesprochen. Kalbitz benutzt die Beobachtung seiner Person durch den MAD als Qualitätsmerkmal. Ja, man habe ihn unter die Lupe genommen, aber es folgten keine Maßnahmen, ergo muss bei ihm alles in Ordnung sein.

Um die wahre Identität der AfD zu erkennen, muss man sich mit den Reden, Sprüchen und Aussagen am Rande des Geschehens beschäftigen. Das ZDF hat dies dankenswerterweise getan, in dem sie ein Video von 2018 zeigten, in dem der Teilnehmer einer Parteiveranstaltung Chrupalla nach den “gehängten Jungs” 1945 fragte und damit die in Nürnberg verurteilten Kriegsverbrecher meinte. Von Besatzern, statt Alliierten zu sprechen, ist in diesem Zusammenhang mehr als verräterisch. Auch die von Höcke aufgestellte Forderung nach einer starken Führung für das Deutsche Volk ist eindeutig. Jörg Meuthen ist ein reines Aushängeschild, welches von rechtsradikalen Taktikern benutzt wird. Er glaubt vermutlich die Rechtsradikalen als Werkzeug für seine Zwecke benutzen können. Vielleicht sollte jemand dem Mann zu Weihnachten ein Geschichtsbuch schenken, in dem die “Nacht der langen Messer” abgehandelt wird. Und nicht nur er sollte mal nachlesen. Der Werteunion empfehle ich persönlich wärmstens die Beschäftigung mit der DNVP – Deutschnationale Volkspartei.