Cheap-Cheap

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Vor drei Jahren traf ich einen jungen Kerl aus Barcelona. Er war ein einfacher Bauarbeiter, der in Spanien keinen Job gefunden hatte und sich deshalb auf Reisen ging. Doch ich glaube, dies war nicht seine einzige Motivation. In Australien arbeitete er zeitweilig als Küchengehilfe. Bis zu dem Tag, an dem ihm der Restaurantbesitzer fragte: “Du bist doch Spanier? Dann kannst Du bestimmt gut mit Rindfleisch umgehen.” Schnell wurde er auf die Art zum gutbezahlten Restaurantleiter. Trotzdem zog es ihn eines Tages weiter. Also scheint ihn auch ein wenig die Abenteuerlust angetrieben zu haben.
Wir beide lernten uns in der Warteschlange der Grenzkontrolle nach Malaysia kennen. Ein Wort gab das andere und wir beschlossen uns gemeinsam ins gleiche Guesthouse zu begeben. Die Nummer mit dem “Cheap” ging schon am Fährterminal los. Auf der Insel Langkawi angekommen benötigten wir ein Transportmittel zu unserem Ziel Cenang Beach. Er wuselte herum und suchte etwas Passendes. Die regulären Taxen waren ihm zu teuer. Dazu muss ich erwähnen, dass eine Fahrt umgerechnet 5 EUR kostete und die Fahrt locker 15 Minuten dauerte. Zu meinem Entsetzen schickte er sich an, einen Busfahrer zu fragen, ob der uns mitnehmen würde. Problem: Der Bus war vollständig mit uniformierten jungen Polizistinnen in der Ausbildung besetzt. Bei der ganzen Aktion sagte er immer wieder: “I’m looking for a cheap solution.”

Das setzte sich im Guesthouse fort und wir beide landeten in einem Dorm mit 10 Leuten. Grundsätzlich habe ich nichts dagegen, aber dort lag man auf in Plastik eingepackten Matratzen und die Betten wackelten bedrohlich. Nach einer Nacht wählte ich die teurere Lösung und mietete einen Bungalow. Cheap-Cheap, so nannte ich ihn bereits nach dieser einen Nacht, bot ich an, gegen den Preis eines Betts im Dorm, bei mir zu schlafen.

Cheap!“, das setzte sich bei mir fest. Hört man den Gesprächen der Backpacker und anderen Reisenden aus den “Wohlfahrtsstaaten” zu, gibt es zwei Optionen. Entweder, ein Platz ist “Cheap” oder zu teuer, also “expensiv”. Inwiefern dies mit dem Lebensstandard, der wirtschaftlichen Lage des jeweiligen Landes zu tun hat und was das für die Leute bedeutet, kümmert sie dabei wenig. Ich erinnere mich dabei an die Zeit, in der wir als junge Erlebnisorientierte nach Prag fuhren und dort für umgerechnet 30 Pfennig ein Bier bekamen. Oder als wir West-Berliner nach dem Fall der Mauer auf dem Schwarzmarkt Deutsche Mark in Ostmark zu einem Kurs von 1:50 tauschten, um dann mit dem Geld in den ehemaligen DDR-Bonzen-Läden die Sau herauszulassen. Ich habe auch nicht vergessen, wie einige der Meinung waren, in normalen Clubs den dicken Maxen spielen zu können, um dann von den Jungs aus Prenzelberg ordentlich auf den Zahn zu bekommen. Ähnliches erlebte ich auch in einer polnischen Grenzstadt.

Ich bin nicht mehr der junge Kerl von damals. Meine Gedanken gehen heute deutlich weiter. Sich als “reicher” privilegierter Typ in einem armen Land zu bewegen, ist nicht ganz unproblematisch. Wenigstens sollte man sich dessen bewusst sein. Für mich gibt es da eine fließende Grenze zwischen Reisen und einer Situation, die ich als beinahe pornografisch bezeichnen würde. Heute hörte ich, wie sich eine Deutsche mit einem Italiener über die Länder unterhielt, in denen sie bereits waren und wie ihre weiteren Reisepläne aussehen. Bei der Deutschen ist Sri Lanka auf der Agenda, Sri Lanka. Ein Land, welches sich in einer bösen Krise befindet, in deren Folge Teile der Bevölkerung an Hunger und Not leiden. Reisende werden allerdings bevorzugt behandelt und bekommen zum Beispiel ansonsten rationierten Kraftstoff zu kaufen. Doch darum ging es in dem Gespräch nicht. Günstiges Essen, billige (cheap) Unterkünfte, aber zu wenige Kohlenhydrate bei der Ernährung, lauteten die Themen. Ich unterscheide konsequent zwischen einer anderen einfachen Lebensart und Armut. Unterernährung, der Mangel an sauberen Trinkwasser, fehlende medizinische Versorgung und seien es nur die althergebrachten Heilmethoden, die dort seit Urzeiten praktiziert werden, ist für mich definitiv Armut. Ob die Leute nun in offenen Hütten oder Zelten leben, halbnackt sind, alles mit Booten oder Handkarren transportieren, ist eine vollkommen andere Angelegenheit bzw. schlicht deren Lebensweise.

Nochmals anders ist die Ausgangslage der deutschen Rentner in Thailand. Sie gehen dorthin, weil sie sich dort ein Leben leisten können, welches sie zu Hause in Deutschland nicht finanzieren könnten. Die Thais wiederum setzen auf sie, weil sie zahlende Kundschaft sind. Klingt erst einmal nach einer Win-win-Situation. Ein wenig befremdlich ist es dennoch. Da arbeiten Leute ein ganzes Leben lang und am Ende genügt ihr Geld nicht für einen angenehmen Lebensabend. Jedenfalls für keinen, der den allgemeinen deutschen Vorstellungen entspricht. Doch bei den Thais sieht es nicht anders aus. Dort und in anderen südostasiatischen Ländern läuft die Versorgung über die Kinder. Ohne Kinder landen sie in bitterer Armut und werden auch nicht sonderlich alt. Für Thais sind mehrere Kinder existenziell. Bei nur einem besteht das Risiko, dass etwas schiefgeht, zwei, drei, vier, geben eine gewisse Sicherheit. Töchter, die sich von einem alten “reichen” Westerner aushalten lassen, sind quasi ein Lotto-Gewinn. Zumindest gilt dies für die Eltern. Fest steht auch, dass das, was Nordthailänder unter einem versorgten Lebensabend verstehen, nichts mit den deutschen Vorstellungen zu tun hat. Eine ganz andere Kategorie sind die Männer, welche ihre aktuell zulässigen 45 Tage Aufenthalt zur billigen Befriedigung ihrer sexuellen Triebe nutzen. Dagegen sind die Thais teilweise vorgegangen, woraufhin die Typen nach Kambodscha ausgewichen sind.

Aber egal, wie man es betrachtet oder welchen ethischen Kompass man benutzt, eins ist nüchtern festzustellen. Es funktioniert nur wegen des finanziellen Gefälles. Das Argument, welches einige vorbringen, demnach sie immerhin Geld ins ärmere Land bringen, kann ich nicht folgen. Dies würde auch mit einer Spende funktionieren. Genügend Hilfsorganisationen gibt es. Das ist ein ziemlich plumper Versuch, sich zum Philanthropen zu stilisieren. Tatsächlich geht es in erster Linie um den eigenen Vorteil. Ich dachte selbst kurzfristig über einen Abstecher nach Sri Lanka nach. Doch ich habe es verworfen. Ich bekomme dies nicht mit meinen Prinzipien in Einklang. Als ich Laos besuchte, war ich noch suchend und unerfahrener.

Meine Lebensart hier auf der Insel Langkawi oder in Thailand unterscheidet sich nicht sonderlich von der, die ich mir in Deutschland leisten kann. Ich miete mich nicht in Hotels ein, die ich mir sonst nicht leisten könnte. Gleiches gilt für Restaurants, in denen mich Meeresfrüchte einen Bruchteil dessen kosten, was ich in Berlin hinlegen müsste. Ebenfalls kaufe ich mir keine Cocktails, die in Berlin mein Budget sprengen würden. Meinem Gefühl nach, leiste ich mir, was sich hier die durchschnittlich verdienenden Leute auch kaufen können. Leute, denen es schlecht geht, gibt es immer und ich kann es nicht ändern. Was ich aber versuche, ist eine gewisse Fairness an den Tag zu legen. Ich zahle durchaus mal ein paar Ringit mehr für ein reguläres Taxi oder schau, dass ich eher die kleineren Business-Läden nutze und esse dort auch mal die Speisen, mit denen sie versuchen ein wenig mehr Geld zu verdienen, selbst wenn’s nicht unbedingt mein favorisiertes Gericht ist.

Cheap-Cheap, ist im Prinzip das deutsche “Geiz ist geil!” Ein Motto, auf das man nicht stolz sein sollte. Klar, wenn man nichts hat, ist man dankbar für die Dumping-Angebote. Obwohl auch hier ein Trick dahinter steht. So ist zum Beispiel das verlockende Angebot, dass ein Anbieter im Falle des Nachweises, den niederen Preis des Mitbewerbers anzunehmen, eine versteckte Kartellbildung. Anfangs sinkt der Preis. Doch das ändert sich. In einem Artikel des Magazins handelsblatt.com, wurde das Prinzip, welches auf der Spieltheorie beruht, ganz gut erläutert:

… Niedrigstpreisgarantien gehen darüber hinaus, indem sie versprechen, mit einem niedrigeren Preis eines Konkurrenten nicht nur gleichzuziehen, sondern diesen sogar zu unterbieten. Führt ein Unternehmen eine Niedrigstpreisgarantie ein und erhöht den Preis, so büßen die Konkurrenten Marktanteile ein, da sie aufgrund dieser Preisgarantie immer unterboten werden. Sie können ihre Marktanteile nur zurückgewinnen, wenn sie ebenfalls einen höheren Preis fordern. Niedrigstpreisgarantien sind also eine deutliche Aufforderung an die Konkurrenz, ebenfalls die Preise zu erhöhen. Ist ein Teil der Konsumenten nicht über die Preise der Unternehmen informiert, können Preisgarantien nach Erkenntnissen der amerikanischen Ökonomen David Hirshleifer zur Preisdiskriminierung genutzt werden und insgesamt wiederum zu höheren Preisen führen.

https://www.handelsblatt.com/finanzen/steuern-recht/recht/streitfall-des-tages-der-trick-mit-der-preisgarantie/6867000.html


Wenn es nach meinen “Freunden” den Turbo-Kapitalisten geht, sind alle Menschen “Homo oeconomicus“. Auch ein Begriff, der aus der Spieltheorie stammt. Und tatsächlich ist der Mensch dankenswerterweise anders oder kann anders sein, wenn er nicht dahingehend manipuliert wird. Der beste Nachweis dafür ist eins meiner Lieblingsexperimente aus der Spieltheorie. Von zwei Versuchspersonen wird einer, mit der Aufforderung das Geld zwischen beiden aufzuteilen, ein Betrag in Höhe von 50 EUR übergeben. Stimmt die andere Person der Aufteilung zu, können sie das Geld behalten. Im Falle eines Homo oeconomicus wäre zu erwarten, dass die andere Person sogar bei einer Teilung in 49,99/0,1 zustimmt, weil selbst der 1 Cent mehr ist, als zuvor. Frei nach: Besser als Nichts! In der Realität sieht es aber anders aus. Um so mehr die Aufteilung von 50:50 abweicht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die andere Person blockiert und beide leer ausgehen,

Für mich ist das ein Signal dafür, dass bei den Leuten, die mit dem Motto Cheap-Cheap unterwegs sind, etwas in die Schieflage geraten ist. Vielleicht liegt es daran, dass sie es aus den Heimatländern gewohnt sind, grundsätzlich übers Ohr gehauen zu werden. Klar gibt es auch hier deutliche Unterschiede. Ein aus Europa importiertes Bier kostet im Duty-Free Shop 3,50 RGT (79 Cent) und in einem kleinen Minimarkt 5 RGT (1 EUR). Dafür hat der aber auch 24/7 geöffnet, muss einen anderen Mietpreis zahlen, gibt einigen einfachen Menschen einen Arbeitsplatz und befindet sich in der Nähe der Guesthouses. Unter dem Strich wurden in Deutschland auf die Art nach und nach alle kleinen Dorfläden kaputt gemacht, infolgedessen die Leute gezwungen sind, mit Autos zum Einkaufen zu fahren und die Luft verpesten.

Ich halte es nicht für falsch, mit Tourismus ärmere Länder zu unterstützen. Doch da gibt es einige Klippen. Die Einheimischen haben überhaupt nichts davon, wenn die Touristen in den großen Hotelbunkern oder ummauerten “Reservaten” unterkommen. Das Geld fließt direkt in die Taschen der großen Globalplayer. Allzu selten verlassen die verwöhnten Touris die ihnen zugewiesenen Habitate und essen in einem der kleinen Restaurants im Hinterland. Ebenso wenig nehmen sie die Dienstleistungen der kleineren Anbieter in Anspruch. Für die “normale” Bevölkerung bleiben die Schäden und bei der allgemeinen ökologischen Lage, am Ende für uns alle.
Die großen Hotels benötigen eine deutlich ausgedehntere Infrastruktur, als die vielen kleinen Anbieter. Da ist die Entwässerung, der Mehrverbrauch an Wasser durch Pools, schicke Springbrunnen, Rasenflächen, Gartenanlagen und interne Angebote. Ich sehe das hier auf der Insel Langkawi. Bereits im Bau sind die Beton-Bauten ein ökologischer Horror. Das Geld landet überall, nur nicht zum Beispiel in der Entwässerung und Wiederaufbereitung. Vielfach sind Sammelcontainer aufgestellt, in denen die Feststoffe gesammelt werden, während alles Flüssige in der Landschaft oder über stinkende Kanäle im Meer landet. Dies bei stetig steigender Zahl an Betten. Da wirken nahegelegene “Schutzgebiete” für Mangroven-Wälder wie zu klein geratene Feigenblätter.

Nahezu alle Strände sind Mogelpackungen. Der Indische Ozean ist voll mit Müll. Steht der Wind ungünstig, landet der Müll aus der Straße von Malakka am Strand. Emsig sammeln diesen von der Kommune bezahlte Hungerlöhner oder im Bereich der Hotels, bei denen angestellte Bedienstete, ein. Auch eine Art der Beschaffungsmaßnahme. Auf einigen Inseln sah ich zu Ressorts gehörende Verbrennungsanlagen, die den Müll ohne Filter gnadenlos über hohe Schornsteine in die Luft jagen. Doch nicht jeder Müll kommt übers Meer. Überall werden Plastikpackungen, Strohhalme, Plastikflaschen, Schraubverschlüsse, Zigarettenfilter, unbekümmert in die Landschaft geworfen. Zu diesem teilweise unmittelbar auf den Tourismus zurückzuführenden Müll kommt der indirekte hinzu. Baumaterialien, Reifen, ausrangierte Jetskis, Scooter, Schmierstoffe, Dämmmaterialien, usw., verteilen sich überall.

Auch hier hinterlassen einem die “Cheaps-Cheaps” aus Europa mit Fragen. In Deutschland toben wilde Debatten über SUV, Verbrenner, Klimaneutralität. Hier wird als Erstes nach dem billigsten Scooter-Verleih gesucht. Es gibt auch keine Gewissensprobleme beim Leihen eines Jetskis, einem Tandem-Flug oder wenn man sich mit einem Fallschirm über das Meer ziehen lässt. Selbst ein Bekannter aus Berlin, hatte nichts Besseres zu tun, als sich einen derartigen Flug zu gönnen. Nun ja, fairerweise muss ich anmerken, dass viele ihre Sünden mit einer vegetarischen Ernährung ausgleichen (Zynismus: off). Gleichfalls ist es für sie unproblematisch, jeden Tag die Klima-Anlage auf 25 Grad zu stellen und klimatisierte Lokale zu bevorzugen.

Ich unterstütze den Protest in Deutschland. Selbst wenn die Protestierenden bigott sind und mit ihrer Lebensart selbst jede Menge Schäden anrichten, sind ihre Forderungen an sich völlig korrekt. Mir geht es nicht anders. Auch ich tue vieles, was nicht mit meiner Kritik deckungsgleich ist. “Die sollen erst einmal bei sich selbst anfangen!”, ist eine perfide Rhetorik, mit der nur vom eigenen Fehlverhalten abgelenkt werden soll. Anders: Das ist unterstes Buddelkastenniveau aus Kindheitstagen. Mama, die anderen Kinder haben aber auch! Solche Leute kann ich nicht für voll nehmen. Mich macht dabei etwas anderes nervös.
Auch die nachfolgende Generation ist im System und der von unterschiedlichsten Menschen geschaffenen Weltlage gefangen.
Ich halte Reisen für wichtig. Das Kennenlernen anderer Kulturen, Lebensweisen, Ansichten, gehört für mich zur Vervollständigung eines Lebens dazu. Jeder, der es tun kann, sollte es auch machen. Da schließe ich mich großen Denkern der Vergangenheit an und folge ihren Gedankengängen dazu. Ich hätte gern erneut ein anderes Reisemittel nach Südostasien gewählt, als ausgerechnet einen Flug. Doch die Weltlage lässt dies nicht zu. Zwischen Deutschland und Südostasien liegen einfach zu viele Staaten, die ich ungern, gar nicht oder nur unter Lebensgefahr passieren kann. Dafür können die Cheaps-Cheaps schon mal nichts.
Die Welt, in die sie hineingeboren wurden, das Denken, die Strukturen, die Lebensmodelle und die Wertvorstellungen, haben wir, die ältere Generation erschaffen und wir erhalten sie am Leben. Es ist unmöglich, auf alles im Einzelnen einzugehen. Fakt ist: Wir haben global die Kontrolle über das von uns erschaffene System verloren. Es hat sich verselbstständigt. Ob nun unter absolut in jeder Hinsicht unvertretbaren Umständen Produkte in Asien entstehen, die als Billigware in Europa landen oder Geräte produziert werden, die zur Profitmaximierung nicht nach ökologischen Gesichtspunkten konzipiert sind, Steuern hinterzogen werden, jeden Tag irgendwo eine ökologische Katastrophe stattfindet, weil gespart wurde, wo man nur konnte, es ist unter den gegebenen Umständen kein Einhalt mehr zu gebieten.

Zwar hat Christian Lindner mal wieder den Vorgel abgeschossen, doch letztendlich zeigt er mit seiner puren Existenz, seiner Funktion und Verlautbarungen, wo wir stehen. Nach ihm ist nicht Verkehrsminister Wissing verantwortlich, sondern die Bürger, welche einen Verkehrsausbau einfordern.
Ergo: Weder der Hersteller von Kriegswaffen, noch der Händler ist für den Bedarf verantwortlich, sondern diejenigen, welche damit Kriege führen. Nicht die Billigproduzenten tragen Verantwortung, sondern die Käufer, welche sie kaufen. Auch die Hersteller von Geräten, deren Komponenten und Rohstoffe von quasi Sklaven aus aller Welt zusammengebaut oder geschürft werden, sind verantwortlich, sondern die Käufer. Das lässt sich unendlich fortsetzen. Da sind meine Cheaps-Cheaps noch das geringste Problem und ein ganz kleines Symptom für eine wütende Krankheit.

Ich gebe zu, in meinem tiefsten Innern geht mir immer häufiger dieses ganze Gerede über Demokratie, Toleranz und Akzeptanz immer mehr auf den Zünder. Mich stört diese Ohnmacht gewaltig und ich suche eigene Strategien, damit ein Handling zu finden. Es ist gut, dass ich hier und damit weit weg vom Schuss bin. Ich weiß nicht, was ich aktuell jemanden an den Kopf werfen würde, die/der mir die Ohren mit der DDR oder Sozialismus zu sabbeln würde. Diese Quatschköppe kommen mir vor wie Grundschüler, die sich über einen Lehrer beschweren, der ihnen eine Ansage macht, weil sie sich benehmen wie ein Haufen Hühner auf LSD. Die Deppen, welche ständig infantil von Mehrheiten sprechen, die sich hierfür oder dafür ausgesprochen haben, sind auch nicht besser. Mehrheiten entstehen zum Beginn des 21. Jahrhunderts nicht mehr durch Überzeugung, mit rationalen Argumenten, sondern sind das Ergebnis von Kampagnen. Spätestens Trump und der Brexit haben dies beeindruckend bewiesen. Schlussendlich arbeite ich mich hier jeden Tag wider besseres Wissen an dem oberflächlichen Gerede der Cheaps-Cheaps ab. Wir sitzen in einem Boot und sie verantwortlich zu machen, ist mir zu billig.
Die Nummer überlasse ich selbstgefälligen alten Säcken und Trullas in Deutschland, die die Protestierenden anpöbeln. “Geht doch erst mal arbeiten und fasst Euch an die eigene Nase.” Wie ich es immer sage: “Wer den Mund aufmacht und spricht, gibt einiges an Informationen über sich selbst preis.” Früher waren diese Typen, diejenigen, welche zu jedem Kritiker sagten: “Dann geh doch rüber, Du Gammler.”


Neues Kapitel “Why Not”

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Das Kapitel 6 habe ich geteilt. Nach der Mongolei ging es über China in den Norden von Thailand. Stationen waren die beiden Backpacker Mekka, Chiang Mai und Chiang Rai. Mein erstes Hostel in Südostasien, ein weiser Australier, ein Verrückter aus Chikago, eine spannende Bootsfahrt, der fantastische Ort White Temple, gaben mir viele Anregungen. Wer diese Orte besucht, kommt nicht an einer Auseinandersetzung mit dem Buddhismus vorbei. Außerdem lässt Distanz eine andere Sicht auf Deutschland entstehen.

zum Kapitel

Buch, BLOG – Web – Book

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Seit meiner Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn plante ich ein Buch zu schreiben. Tatsächlich kamen zwei Skripte zusammen. Beide verwarf ich wieder. Ich traf mich mit Autoren, die erfolgreich Bücher veröffentlichten. Sie rieten mir, mich an Büchern im Handel zu orientieren. Es gab auch Aufforderungen meine Vergangenheit zu benutzen. Terror, Verdeckte Ermittlungen, Spezialeinheit, dies wäre doch interessant. Im ehemaligen Umfeld hofften einige auf den “Round-a-House-Kick” durch die Behörde. Ich habe über mich gelernt, dass das nicht mein Ding ist. Kritik, durchaus, aber nicht im Sinne eines sinnlosen Wütens.

Die Sparte Fiktion, Romane, liegt mir nicht. Genauso wenig, wie die Abteilung Humor. Jedenfalls noch nicht. Ich wurde auch gefragt, ob ich mir vorstellen könne, meine Erfahrungen rund um die Themen Burnout, Depressionen, die Rolle von Führungskräften mit meinen anderen Skills zu verbinden. Dazu kann ich sagen, dass ich eben aus diesem Grunde die Finger davon lasse andere in ihrer Lebensführung zu beraten. Es ist grundfalsch seine Erfahrungen auf jemanden zu übertragen. Es gibt einen möglichen Weg hinaus. Er sieht ein wenig aus, wie einer dieser alten Fitnesspfade durch den Wald, wo man an mehreren Stationen Übungen machen muss. Nur das dieser Weg Stationen hat, wo es Informationstafeln gibt, Passanten auf Bänken sitzen, mit denen Gespräche möglich sind und andere Stopps, an denen einem Frage gestellt werden. Dann folgen längere Strecken, auf denen Gelegenheit besteht, sich diese Fragen zu beantworten.

Ich selbst hab am meisten durch das Beobachten von Menschen gelernt. Eine wesentliche Erkenntnis. Nach dem Ausscheiden aus der Polizei war für mich zunächst alles Vergangene ein Tabu – Thema. Bis ich mich darauf besann, zwischen durchaus gutem Erlernten und fehlgeleiteten Denken zu unterscheiden. Über 20 Jahre lang Menschen in allen erdenklichen Lebenslagen zu beobachten, unsichtbar zu werden, sich anzupassen, legt man nicht wie eine alte Jacke ab. Fraglich ist, was man aus dem Gesehenen macht.

Bis zum Ausbruch der Pandemie bin ich gereist. Ich traf Leute aus Ländern von anderen Kontinenten, erfuhr von Biografien und Lebensmodellen, die mir bisher fremd waren, erkannte Unterschiede und machte mir meine Gedanken hierzu. Oder um im Bild zu bleiben: Ich absolvierte eine Station nach der anderen. Mehr Worte will ich dazu gar nicht verlieren. Das “Web – Book” hat ein Vorwort, in dem ich noch einiges hierzu voranschicke.

Die Bezeichnung Web – Book ist eine Eigenkreation, die sich in einem Gespräch in einem Hostel ergab. Ich sinnierte mit einigen darüber, wie sich das Lesen von Büchern verändert hat. Die meisten Hostels verfügen über eine kleine Bibliothek. Kaum ein Backpacker oder Reisender packt sich schwere Bücher ins Gepäck. Eine andere Option sind E-Books. Doch wenn ein Autor schon die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzt, warum dann nicht konsequent? Die Zeiten der begrenzten Netzabdeckung und horrenden Kosten für einen mobilen Datentransfer sind außerhalb von Deutschland vorbei. Ein BLOG oder ein Web – Book, in dem eine fortlaufende Geschichte, interaktiv und dynamisch, mit Einbettung von Musik, Bildern, Links, Tweets und vieles mehr, erzählt werden kann, erscheint mir eine logische Entwicklung.

Alles Weitere im Vorwort …. 

Italo Hippie …

Lesedauer 5 Minuten

Ich traf Pietro (Name geändert, wie es immer so nett heißt) erstmalig Anfang Dezember auf der thailändischen Insel Ko Lipe. An meinem ersten Tag wusste ich nicht genau, wohin ich gehen sollte. Ich hatte etwas von einem Camping – Platz in der Nähe des Strands gelesen. Nach dem Anlanden der Fähre lief ich dort hin und fragte nach einem Platz, wo ich mein Zelt aufstellen kann. Die Frau, der der «Platz» gehörte, führte mich zu einem Trümmer – Gelände hinter einer wild zusammengeschraubten Holz – Bambus – Bude. Drei Hütten in einem desolaten Zustand, eine bucklige Wiese in der Größe von 10 qm und drei löcherige Betonflächen – das war der Camping Platz.

Die Dusche befand sich hinter einer frei stehenden Wand und die Toilette bestand aus einem Klosettbecken ohne Wasseranschluss. Für eine Nacht fügte ich mich in mein Schicksal. Wei mein Moskito – Spray alle war, machte ich mich nochmals auf den Weg. Am Strand entdeckte ich nicht nur einen kleinen Laden, sondern auch diverse Bars. Aus einer schallte mir ansprechende Reggae Musik entgegen.

Ich wollte so wenig Zeit wie möglich im Zelt verbringen. Deshalb bestellte ich mir am Tresen einen Cuba Libre. Die Bar bestand, wie dort auf den Inseln üblich, aus einem Tresen, wenigen Stühlen und diversen kleinen Tischen mit Sitzkissen, von denen aus man durch die offene Seite auf den Strand und das Meer schauen konnte. Rechts von mir stand ein tief gebräunter hagerer Kerl mit schlecht ausgeführten Tätowierungen und langen schwarzen Haaren. Linksseitig stand ein etwas kräftigerer nordisch anmutender Typ. Wie sich später herausstellte ein Schwede. Pietro wartete nicht lange und sprach mich an. Die üblichen Fragen. Wo kommst Du her? Wie lange bist Du schon hier? Was machst Du hier?

Während ich antwortete, kreiste bei Truppe junger Deutscher ein Joint. Plötzlich entdeckte ich fünf Uniformierte, die den Strand entlang liefen. Polizei! Die Deutschen suchten schnell das Weite. Die beiden Kerle kümmerten sich nicht um die Streife. Diesen Uniformierten folgten zwei, die Abzeichen trugen, die sie als Tourist – Polizei auswiesen. Der Langhaarige, welcher sich als Pietro aus Italien vorgestellt hatte, war gerade ebenfalls dabei einen Joint zu rauchen. Zu meiner Überraschung scherte er sich um die anrückende Polizei überhaupt nicht. Ebenso wenig der Schwede, der den hingereichten Joint im Blickfeld der Polizisten übernahm.

Die Musik schien den Polizisten zu gefallen. Einer setzte sich an den Tresen, bestellte ein Bier und begann mit seinem Smart – Phone zu spielen. Sein Kollege zog sich sein Oberhemd aus und begann zu tanzen. Augenscheinlich tickten die Uhren auf der Insel ein wenig anders. Nach zwei weiteren Cuba verzog ich mich.

Drei Tage später, ich war zwischenzeitlich in ein Hostel gezogen, lockte mich in der Walking – Street der Klang von Live – Musik in eine Bar. Zu meiner Überraschung spielte dort Pietro Lieder von Bob Dylan und Janice Joplin. Er spielte nicht schlecht und seine Stimme war auch ansprechend. Als er fertig war, wechselten wir ein paar Worte. Er schien nervös zu sein. Alles deutete darauf hin, dass er Speed eingeworfen hatte. Schon wenige Minuten später verließ er das Lokal. Doch nach 15 Minuten tauchte er wieder auf und tauschte am Tresen drei unterschiedliche Währungen ein. Damit war der Fall für mich klar. Er dealte mit den Touristen irgendwelche Drogen.

An den folgenden Tagen, sah ich ihn überall auf der Insel herum laufen. Doch ich kümmerte mich nicht weiter um ihn. Die Begebenheit mit der Polizei hatte ich für mein Buch notiert.

Wochen später saß ich am Cenang Beach der Insel Langkawi, die zu Malaysia gehört. Plötzlich stand Pietro vor mir. Er erzählte mir, dass er nur einen Tag für einen VISA – Run auf Langkawi wäre. Ich schlug ihm vor zu meinem Hostel zu gehen, da ich wusste, dass sich dort einige Musiker für eine Jam – Session verabredet hatten. Der Abend entwickelte sich. Ein Malaie mit Gitarre, ein Saxofon spielender junger Kerl aus Uruguay, ein älterer Franzose mit einer kleinen Gitarre, ein Algerier dem ab -und zu die Gitarre gegeben wurde und Pietro. Sie spielten, bis sich ein Amerikaner über die Musik beschwerte. Pietro nahm am nächsten Tag die Fähre und glaubte ihn letztmalig gesehen zu haben.

Anfang Februar tauchte er wieder im Hostel auf. Diesmal in Begleitung einer fünfzigjährigen Holländerin. Pietro sah im Gesicht etwas ramponiert aus. Er hatte Ärger in seinem Hostel auf Ko Lipe gehabt. Der Streit eskalierte und die Polizei wurde gerufen. Die wussten genau, wen sie da vor sich hatten und sperrten ihn zwei Tage lang ein. Nachdem er eine ortsübliche Abreibung kassiert hatte, ließen sie ihn wieder frei. Wiesen ihn aber darauf hin, dass er sich keine weiteren Fehler erlauben dürfe. Außerdem gaben sie den ortsansässigen Bossen Bescheid, die ihm ihrerseits auch ihren Standpunkt erklärten. Pietro meinte aber, dass nun alles geregelt wäre. Frohen Mutes machte er sich auf den Weg zur Fähre.

«You aren’t welcome!», lautete die für ihn überraschende Auskunft. Meine Verwunderung hielt sich in Grenzen. Keine erneute Einreise nach Thailand. Dummerweise hatte er seinen Weg ohne seinen Rucksack angetreten. Umgerechnet fünf EURO in der Tasche, nur die Klamotten am Körper, sein Pass, ein Telefon, ein MP3 – Player, ein paar billige Kopfhörer und ein Mini – Rucksack, waren plötzlich sein gesamter Besitz. Einigermaßen verzweifelt zog er ziellos durch die Straßen. Die erste Nacht ließ ihn die Holländerin bei sich schlafen, dann ergriff sie die Flucht.

Italia Beach Art vor Willi

Am nächsten Tag traf er einen Australier und einen Einheimischen, die eine alte mit Klebeband zusammengeflickte Gitarre neben sich zu stehen hatten. Er versuchte, sie den beiden abzuhandeln. Als sie sich weigerten, erzählte er ihnen seine Geschichte. Der Einheimische lieh ihm daraufhin gegen eine Gebühr von einem EURO die Gitarre, und der Australier gab ihm Geld für zwei weitere Übernachtungen. Seit dem wandert Pietro mit seiner geflickten Gitarre von einem Platz zum anderen und bietet den Leuten mit mäßigen Erfolg für einen EURO (5 Ringit Landeswährung) an, ein Lied für sie zu spielen. Tagsüber läuft er am Strand entlang und sammelt vergessene Sachen und Strandgut ein, aus dem er Schmuck bastelt. Manchmal arrangiert er auch nur lustige Zusammenstellungen und bietet diese mit einem Lachen für umgerechnete 20 Cent an.

Heute fand er am Strand einen großen angespülten Tintenfisch, den ihm ein Koch umsonst zubereitete. Stolz tauchte er mit diesem bei mir im Hostel auf. Er weiß, dass er bei mir im Buch auftauchen wird. Ich ließ es mir nicht nehmen, ihn für einen gut gespielten Blues ein Bier zu kaufen. An meinem Tisch saß mal wieder «Willi», von dem ich gestern berichtete. Größer konnte der Kontrast nicht sein. Als Pietro seine Habseligkeiten ausbreitete, begann «Willi» debil zu lachen. Der wiederum schätzte ihn genau richtig ein. «Willi» ging kurz zur Toilette. Auf Englisch fragte mich Pietro, ob er richtig läge, wenn er «Willi» für einen dieser Typen in den Thai – Bars halten würde, der auf junge Prostituierte aus ist.

Während ich mich weiter mit Pietro unterhielt und mit voller Absicht «Willi» die kalte Schulter zeigte, holte der sein Telefon raus und ließ ungefragt seinen Lieblingssong von Bob Marley «No woman, no cry!», ertönen. Dabei hob und senkte er rhythmisch seine dürren Arme mit geballten Fäusten. Noch während des skurrilen Tanzes des alten Mannes, stellte Pietro mit Schrecken fest, dass die Reste der Tintenfisch Soße sich in seinen Rucksack ergossen hatten. Dies hatte wiederum zur Folge, dass sein Pass penetrant nach Fisch riecht. Der arme Kerl versuchte mit einem am Strand gefunden Kinderpyjama Oberteil, welches er aktuell als Jacke trägt, Schadensbegrenzung zu betreiben. Mitleidig schenkte ich ihm ein Tank – Top, welches ich mir billig in Thailand gekauft hatte.

«Willi» reist morgen endgültig ab. Welche Pläne Pietro verfolgt, weiß ich nicht. Ich vermute, irgendwann wird er in der italienischen Botschaft in Kuala Lumpur aufschlagen. Vier Tage habe ich noch, das weitere Geschehen zu beobachten.