Trip 2024 Macht, Verbote und Konservative

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In allen Ländern des Planeten Erde gibt es irgendwelche Verbote. Einige sind durchaus nachvollziehbar. Meistens geht es dabei um Handlungen, bei denen man von alleine darauf kommen könnte, dass sie irgendwie nicht in Ordnung sind. Fast immer gibt es finanziell oder körperlich geschädigte Mitmenschen. Aber es kommen halt nicht alle alleine darauf, es ist ihnen egal oder sie sprechen anderen aus unterschiedlichsten Gründen das Recht auf die Unversehrtheit ab. So weit, so gut! Dann gibt es noch die, welche aus ganz anderen Motiven heraus bestehen. Moral, Religion, vermeintliches Besserwissern, Machtmissbrauch, missionarisches Gebaren, finanzielle Interessen.

Verbote gehen immer mit Strafen einher. Sie soll verhindern, dass jemand dagegen verstößt. Zumeist erwecken sie lediglich die Kreativität. Es wird gelogen, vertuscht, umgangen, betrogen. Dem Verbot gegenüber stehen Vernunft, Verstand, Überzeugung, Einsicht, Aufklärung, Wissen. Und umso mehr das Verbot selbst nicht das Produkt verständiger und vernünftiger Überlegungen ist, eventuell ausschließlich der Begünstigung einer bestimmten Gruppe dient, wird das Unterlassen einer verbotenen Handlung zum reinen Selbstzweck. Auch die Betrachtung der Strafe ist nicht uninteressant. Diejenigen, welche sie festlegen, gehen aus ihrer eigenen Perspektive davon aus, dass sie abschreckend ist. In Deutschland geht es in der Regel mit der Wegnahme von Geld oder Verpflichtung zur unentgeltlichen Arbeit los und geht weiter mit einem zeitlich begrenzten Entzug der Bewegungsfreiheit. Wer also nichts hat, außer seiner Bewegungsfreiheit, muss halt die hergeben.

Des Weiteren stehen Verbote immer mit Macht in Verbindung. Sie wird zum Festlegen eines Verbots benötigt und im Falle einer Bestrafung zur Bestimmung der Art bzw. Umfang und im Falle eines Widerstands zur gewaltsamen Durchsetzung. Die Macht bedarf wiederum einer Legitimation. Mal ist es das Lebensalter (z.B. indigene Völker), die anerkannte Weisheit einer Person, das Vermögen, die spirituelle Stellung innerhalb einer religiösen Gemeinschaft, ein Wahlverfahren, die aus der Geburt resultierende Stellung (Monarchie), schiere Gewalt, Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe. Gesetzlichen Regelungen, die oftmals Verbote und Strafen beinhalten, geht ein Prozess innerhalb einer Gemeinschaft voraus. Das mutet zunächst alles banal an. Aber ist es das wirklich?

Auf keinem Staatsgebiet der Erde leben Menschen, die sich in allem einig sind. Das ist ein feuchter faschistoider Traum, der nicht der Realität entspricht. Überall bilden sich kleinere und größere Gemeinschaften. Manche basieren auf der Herkunft, andere finden sich wegen ihrer Weltanschauung zusammen, wiederum andere verfügen über einen gemeinsamen ethischen oder moralischen Kompass. Die Kunst besteht darin, einen minimalen Konsens zu finden. In Deutschland befindet sich die Macht in den Händen des Bürgertums. Aus ihm gehen die moralischen Vorstellungen hervor, die sich dann in der Gesetzgebung, Verboten und Strafen wiederfinden.

Ich befinde mich gerade in einem Vielvölkerstaat mit unterschiedlichsten Religionen. Die Muslime sind die Machtinhaber und dominieren alle anderen Staatsbürger mit ihren auf dem Islam basierenden Regeln. Hindus, Buddhisten, Konfuzianer, Shintoisten, Christen, Atheisten, Agnostiker, haben mehr oder weniger nichts zu melden, wenn es um Verbote, Strafen und Erlaubnisse geht. Dies gilt auch bei Befindlichkeiten und davon haben Muslime einige. Während jede und jeder mit einem Buddha-Shirt oder einem blasphemischen Gottes-Shirt in der Gegend herumlaufen darf, landet jemand mit einem “Allah”-Shirt auf dem direkten Wege im Gefängnis. Der Fairness wegen muss ich feststellen, dass in Thailand jeder mit einem Shirt der Sex Pistols und dem Zitat “God shave the Queen” herumspazieren darf, dies im Falle des thailändischen Königs die Prügelstrafe nach sich zieht. Es geht also nicht um die Forderung nach einem respektvollen Umgang miteinander. Denn dann wäre alles in dieser Richtung verboten, sondern um die Verteidigung der Machtverhältnisse.

Wir Deutschen leben den Selbstanspruch, in einer freien demokratischen Republik zu leben, in der die Macht eingehegt ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass Machtmenschen dies nicht gefällt und dauerhaft die Axt anlegen. Womit sich für jeden freiheitsliebenden Deutschen die Pflicht ergibt, ihnen die Stirn zu bieten. Doch das scheint immer schwieriger zu werden und die Angriffe auf die Freiheit werden immer heftiger.

Mir zeigt sich dies gerade wieder in der Debatte um die Legalisierung von Cannabis. Aus bürgerlicher Sicht sind die Drogen Nikotin, Alkohol und diverse Psychopharmaka akzeptabel, während Haschisch, Cannabis, XTC, MDMA, Teufelszeug sind. Warum ist das so? Mehr oder weniger schädlich sind alle genannten Substanzen. Und in dieser Aufzählung ist Alkohol mit der härteste Stoff. Betrachte ich den historischen Hintergrund, konsumieren Menschen Cannabis und Alkohol etwa ähnlich lang. Konsumieren Jugendliche die Substanzen, ergeben sich hieraus diverse Risiken für ihre Gesundheit. Dem kann man nur mit Aufklärung und Überzeugungsarbeit begegnen. Verbote erwecken die jugendliche Kreativität, sie zu umgehen. Fazit: die Schädlichkeit kann es nicht sein, die das Bürgertum so massiv triggert.

Möglicherweise muss ich die Antwort ganz woanders suchen. Um beide Substanzen herum – Alkohol und Cannabis – ist in den letzten Jahrzehnten aufgrund von Werbung und Propaganda so etwas wie ein Branding entstanden. Alkohol steht für geselliges Beisammensein, Gelage, Spaß, Festivals, Oktoberfest, den Feierabend nach einem harten Arbeitstag. Die Werbung spart Alkoholismus, Verfall, Leid, familiäre Tragödien, gepflegt aus. Cannabis ist die Droge der Langhaarigen, der intellektuellen Querulanten, Arbeitsverweigerer, “linker” Systemkritiker, Anarchisten … also alle Subjekte, die die bestehenden Machtverhältnisse anzweifeln, den “deutschen Way of Life” kritisch beäugen und sich in einer Welt der entfremdeten Arbeit nicht zurechtfinden wollen. Egal, ob dies alles stimmt, es ist die Erzählung innerhalb des Bürgertums und der aus ihm hervorgegangen Machthaber. Aus dieser Betrachtung heraus, fange ich langsam an zu verstehen, was da in den Köpfen los ist. Es geht ums anders sein und die Abkehr von “Schaffe, raffe, Häusle baue” oder wie es Thomas Mann formulierte: “Morgens ein Brot, mit der Tasche zur Arbeit, abends sterben … ein deutsches Leben.”

In den USA stand Cannabis einst für die Subkultur der Afroamerikaner und es sollte mit dem Verbot verhindert werden, dass sich “Weiße” mit ihnen in den Jazz-Clubs trafen. Dies geht etwa in die gleiche Richtung. Zurück nach Malaysia. Im Islam ist so ziemlich alles verboten, was von der Widmung des Lebens für die Religion ablenken könnte. Das gilt sogar für Tätowierungen, die den Körper, die Schöpfung, verunreinigen. Nun sind aber das Christentum, das Judentum und der Islam auch Konstrukte, mit der Gesellschaften hierarchisch organisiert werden und innerhalb dessen die Macht klar verteilt ist. Mit dem Land hier hab ich politisch nichts zu tun. Wenn die sich über die Religion und “Rassenzugehörigkeit” gängeln lassen wollen, ist das ihr Problem. In Deutschland sieht das anders aus.

Mir geht’s dabei weniger darum, dass ich in diesem Land geboren bin. Das Land existiert und ist Teil eines internationalen Systems. Leute aus anderen Ländern schauen auf Deutschland und das Experiment „Freiheit“. Scheitert es, können die Brüder und Schwester im Geiste der deutschen Konservativen sagen: „Seht ihr, es klappt nicht! Moderne Gesellschaften des 21. Jahrhunderts benötigen eine straffe autoritäre, bevormundende Führung.“ Schon jetzt grinsen sie glücklich, wenn sie von „Fürst“ Söder in einer Art empfangen werden, die dem Absolutismus entspricht. Oder anlässlich des G20 am prunkvollen Buffet sitzen, danach andächtig einer Oper lauschen, während sich der Pöbel auf der Straße kloppt.

Es ist nicht annehmbar, wenn Herr Merz in der ihm eigenen Arroganz alles und jeden abkanzelt und dann auch noch den Bundespräsidenten auffordert ein Gesetz zu stoppen, weil es den Konservativen nicht in ihr quasi religiöses Konzept passt, innerhalb dessen sie die vermeintlichen Hohepriester der richtigen Lebensführung sind. Da haben sie viel mit den hier Herrschenden gemein.

Das ist mein aktueller Ausblick und ich sollte mich nicht über das Treiben der Menschen mokieren. Dennoch tue ich es. Mit der Freiheit ist es, wie mit vielen anderen Zuständen: Man versteht sie erst, wenn man das Gegenteil sieht. Allein schon aus diesem Grund frustriert es mich dabei zusehen zu müssen, wie Frauen und Männer, deren Menschen- und Weltbild ich nicht im entferntesten teile, Meter für Meter gewinnen. Immerhin die Legalisierung ist erst einmal beschlossen … ein Hoffnungsschimmer.


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Verfasst 23. März 2024 von Troelle in category "Gesellschaft

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