Kontrolle und Verlust

yellow police tape on crime scene Lesedauer 4 Minuten

Liegt es am Lebensalter? Oder möglicherweise an der Zeitspanne, die ich nicht mehr im aktiven Dienst bin? Haben sich meine Perspektive und die daraus entstandene andere Sicht auf die Dinge mittlerweile derart ausgewirkt, dass ich zu Ergebnissen gelange, die mich ins “Aus” katapultieren?

Ich arbeitete mit einem Mann zusammen, der mir nahe stand und sich durch seine Andersartigkeit von anderen unterschied. Damals kleidete und gab er sich wie ein Rocker, verkehrte in Lokalen, die auch von echten “Rockern” besucht wurden, fuhr eine Customer-Harley und schraubte ständig an weiteren herum. Sein Vater war einst ebenfalls Kriminalbeamter gewesen. Ich fragte ihn, warum er trotz seiner offensichtlichen Lebenshaltung “Kiffer” verfolgen würde und auch kleinere Mengen nicht übersah. Er begründete es mit seinem “Jagdtrieb”. Der Krieg der Köpfe, den ich selbst ebenfalls praktizierte. Das ist eine recht neutrale Haltung, bei der man als Ermittler Taten niemals persönlich nimmt, sondern die gegenüberliegende Seite respektiert. Aber Jagdtrieb … Nun ja!

Mir war dennoch immer wichtig, was einer oder eine anstellte. Ich weiß, dass will nicht so recht mit dem Legalitätsprinzip zusammen passen. Aber meiner Auffassung nach, sind Technokraten schlechte Polizisten, die an der Sache vorbei “arbeiten” und nicht der gesellschaftlichen Aufgabe einer Polizei in einem freien Land gerecht werden. Nicht ohne Grund gibt es im Ordnungswidrigkeitenrecht das Opportunitätsprinzip.
Aus der Ferne verfolge ich die Verlautbarungen der Gewerkschaftsvertreter, von GdP, DPolG und BDK. In jedem zweiten Satz benutzen sie das Wort Kontrolle. Feinwaagen müssten nun her und Beschaffungen dauern lange. Wie soll der kontrollierende Polizist sonst feststellen, ob es sich um 25 Gramm (legal) oder 26 Gramm (Ordnungswidrigkeit) handelt. Ui! Schlimm! Da kommt doch tatsächlich ein gefährlicher Kiffer mit 26 Gramm davon! Unerhört! Der BDK weint dem Vorschlag hinterher, sich dem portugiesischen Weg anzuschließen. Dort würden ertappte Personen nicht bestraft werden, aber zu einer Drogenberatung einbestellt. Na dann … gleiches Recht für alle: Ich will ab demnächst in jeder Berliner Eckkneipe Berater sitzen sehen. Das wird lustig. Es sei auch schwer den Abstand zu einem Kindergarten, Schule oder ähnlichen Einrichtungen zu ermitteln. Leute, was ist denn der Zweck der Maßnahme? Wenn weder das eine, noch das andere zu sehen ist, dürfte alles in Ordnung sein. Im Übrigen möchte ich dann auch mit gleicher Entfernung und Messgenauigkeit rauchende Eltern verbannt sehen. Ebenfalls könne man nicht nachvollziehen, ob das “Gras” von einem illegal agierenden Dealer stammt oder aus einem “Verein”. Ja, Pech gehabt. Es ist nämlich ziemlich egal. Wem bisher die Qualitätskontrolle schnuppe war, wird sie künftig auch ignorieren.

Und immer wieder wird auf die Organisierte Kriminalität verwiesen. Seit den 60ern Jahren brachten die bisherigen Maßnahmen gar nichts. Genau genommen, gilt dieses nicht nur für den internationalen Rauschgifthandel, sondern allgemein. Deutschland war bis in die 2000er nicht einmal in der Lage, den Begriff Organisierte Kriminalität überhaupt offiziell zu verwenden. Stattdessen wurde von “strukturierter Bandenkriminalität” oder “kriminellen Netzwerken” gesprochen. So was Unschönes wie die OK gab es nur bei den anderen, also Italien, ehemaliger Ostblock, USA, Südamerika. Alles andere hätte Politiker*innen dazu gezwungen, der deutschen Bevölkerung reinen Wein einzuschenken. Ach? Innerhalb der OK sind auch Deutsche aktiv? Deutschland als Hochburg der Geldwäsche in Europa? Wie? Da sind auch deutsche Banken, Firmen, Notare*innen, Rechtsanwälte*innen, Hehlerbanden, Schmugglerringe, Menschenhändler, Abfallentsorger, Chemie-Konzerne, und, und, und … beteiligt? Nein! Doch! Ooh! Und nun wird dem illegalen Markt ein legaler zugefügt? Frechheit! Ausnahmsweise hat die FDP das wirtschaftliche Potenzial erkannt. Ja, aber … dann verdient der Staat doch an etwas schädlichen mit. Stimmt! Wie bei Alkohol, Nikotin, Zucker, Medikamentenmissbrauch und diversen anderen Sachen.

Es ist eine Farce, und zwar eine sehr peinliche. Man könnte bei all den Äußerungen auf die Idee kommen, dass der Polizei eine liebgewordene Tradition weggenommen wird. Eine Behauptung, die bei jungen Leuten bereits längere Zeit kursiert. Ich wollte sie nie wahrhaben. Derzeit werde ich eines Besseren belehrt. Zur Erinnerung: Jugendschutz, Sozialarbeit, Pädagogik, gehören nicht in den originären Aufgabenbereich der Polizei. Polizisten neigen im Allgemeinen dazu, ihre eigene Lebensart als korrekt und gesellschaftlich konform anzusehen. Im Gegenzuge weiß jeder erfahrene Gastronom, dass es keine gute Idee ist, ein Lokal für eine Weihnachtsfeier der Polizei zu vermieten. Mit dem internen Drogenkonsum will ich gar nicht erst anfangen.

Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle … wir verlieren die Kontrolle über die Einwanderung, den Rauschmittelkonsum, die Einfuhr … die Ausländerkriminalität. Fällt es jemanden auf? Der Wunsch nach Kontrolle entwickelt sich zu einem Fetisch. Bis in die 80er hinein gab es nicht einmal ansatzweise die Kontrollmöglichkeiten, die heute gegeben sind. Jede technische Innovation wurde seither begeistert begrüßt. Endlich gibt es auch eine Kontrolle, wo zuvor Kontrollfreaks Risiken und blinde Flecken hinnehmen mussten. Aber wenn ich mich recht erinnere, kam man mit den Lücken ganz gut zurecht. Zumal einige damit gutes Geld verdienten. Schwachpunkte gibt es in einer freien Gesellschaft immer.

Kommt es mir nur so vor oder nimmt innerhalb der deutschen Gesellschaft die Anzahl an Technokraten, Biedermännern, Engstirnigen, “Korinthenkackern” immer mehr zu? In mir keimt der Plan, mich offen mit einem Joint in Berlin hinzustellen und mir die Show einer Kontrolle zu geben. Die Kollegen dürfen dann in alle vier Himmelsrichtungen den Abstand zur nächsten relevanten Einrichtung abmessen, die Feinwaage bemühen und einen DNA-Test des Inhalts vollziehen. Ich weiß, wie Polizisten argumentieren. Nicht sie sind schuld, sondern die verkorkste Gesetzgebung, die sie umsetzen müssen. Nein, man muss nicht alles umsetzen. Bisweilen kann man auch mit den Schultern zucken und Schwachsinn, Schwachsinn sein lassen. Im Übrigen hätte ihnen die völlige Freigabe auch nicht geschmeckt. Eben auf all die vorgeschobenen Bedenken, haben die Frauen und Männer, die das Gesetz entwarfen, reagiert.

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Verfasst 26. März 2024 von Troelle in category "Gesellschaft

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